L 7 KA 56/14 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 201/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 56/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen, unter denen eine genehmigte Anstellung eines Vertragsarztes in eine Zulassung möglich ist.
Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2014 aufgehoben. Der Antrag der Antragsteller, die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 05. November 2013 anzuordnen, wird zurückgewiesen. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 6), die diese selbst tragen. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Instanzen auf 60.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Zulassung des Antragstellers zu 2) mit vollem Versorgungsauftrag im Wege der Umwandlung einer genehmigten Anstellung beim Antragsteller zu 1).

Die Antragsteller sind Fachärzte für Pathologie. Mit Beschluss vom 22. September 2010 ließ der Zulassungsausschuss für Ärzte den Antragsteller zu 1) zur vertragsärztlichen Versorgung mit vollem Versorgungsauftrag in Berlin-T zu; zugleich wurde die Anstellung des Antragstellers zu 2) beim Antragsteller zu 1) zum 01. Oktober 2010 mit vollem Versorgungsauftrag genehmigt.

Mit Schreiben vom 11. März 2013 beantragte der Antragsteller zu 1), die genehmigte Anstellung des Antragstellers zu 2) zum 01. Juli 2013 in eine Zulassung umzuwandeln; mit weiterem Schreiben vom 18. März 2013 beantragte der Antragsteller zu 2) seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung mit vollem Versorgungsantrag. Außerdem beantragten beide Antragsteller, ihnen die Führung einer örtlichen Berufsausübungsgemeinschaft am Niederlassungsort des Antragstellers zu 1) zu genehmigen.

Der Zulassungsausschuss ermittelte über die Beigeladene zu 1) zur Vorbereitung seiner Entscheidung die für den Antragsteller zu 2) abgerechneten Fälle in den Quartalen I/12 bis IV/12. Der Antragsteller zu 2) erbrachte in diesem Zeitraum Leistungen von

435 Fällen im Quartal I/12 539 Fällen im Quartal II/12 609 Fällen im Quartal III/12 und von 539 Fällen im Quartal IV/12 bei einem Fachgruppendurchschnitt von 4108 Fällen in den genannten Quartalen.

Gestützt auf diese Ermittlungen lehnte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 22. Mai 2013 die Anträge der Antragsteller mit der Begründung ab, dass die vom Antragsteller zu 2) in der Praxis des Antragstellers zu 1) erbrachten Leistungen nicht einmal einem halben Versorgungsauftrag entsprächen.

Auf den Widerspruch der Antragsteller wandelte der Antragsgegner mit Beschluss vom 05. November 2013 die genehmigte Anstellung des Antragstellers zu 2) beim Antragsteller zu 1) mit Wirkung zum 01. Dezember 2013 in eine Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag am Niederlassungsort des Antragstellers zu 1) um und genehmigte den Antragstellern die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an diesem Ort in Form einer örtlichen Berufsausübungsgemeinschaft zum 01. Januar 2014. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus: Es sei vom Bestehen eines vollen Versorgungsauftrages des Antragstellers zu 2) auszugehen und die so genehmigte Anstellung im Umfang eines vollen Versorgungsauftrages in eine Zulassung umzuwandeln. Denn der Beschäftigungsumfang in § 95 Abs. 9b SGB V sei allein bedarfsplanungsrechtlich zu werten, so dass es nicht darauf ankomme, ob der angestellte Arzt seiner vollen Versorgungspflicht nachgekommen sei. Hiergegen hat die Beigeladene zu 1) Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben (Az.: S 79 KA 547/13), über die das Sozialgericht noch nicht entschieden hat.

Im Hinblick auf die dieser Klage zukommende aufschiebende Wirkung haben die Antragsteller beim Sozialgericht beantragt, die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Antragsgegners anzuordnen. Diesem Begehren hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 10. Juni 2014 entsprochen und die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 05. November 2013 angeordnet: Der Beschluss des Antragsgegners sei offensichtlich rechtmäßig. Die Anstellungsgenehmigung des Antragstellers zu 2) sei in eine Zulassung mit vollem Versorgungsauftrag umzuwandeln. Anknüpfungspunkt hierfür sei entgegen der gesetzlichen Begründung nicht die Arbeitszeit des angestellten Arztes, sondern der genehmigte Status; es komme mithin darauf an, ob die Anstellung mit einem vollen oder halben Versorgungsauftrag genehmigt worden sei. Denn die bei der Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen entwickelten Maßstäbe müssten auch hier Anwendung finden. Bei der Nachbesetzung sei anerkannt, dass es nicht ausschlaggebend sei, in welchem Umfang der Vertragsarzt, der die Nachbesetzung beantragt habe, im Vergleich zu seiner Fachgruppe tatsächlich tätig gewesen sei. Außerdem zeige der vorliegende Fall, dass ein Abstellen auf den tatsächlichen Umfang der Tätigkeit nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe: Die Antragsteller betrieben eine hoch spezialisierte Referenzpraxis, in der überwiegend Leistungen aus dem Bereich der Histologie, Immunhistologie und Molekularpathologie im Zusammenhang mit der Untersuchung von Knochenmark und Lymphomen erbracht würden. Für die hierbei anfallenden Ziffern enthalte der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) teilweise keine Kalkulationszeiten, so dass bereits deshalb die Errechnung der tatsächlich abgeleisteten Arbeitszeiten auf Schwierigkeiten stoße. Außerdem würden die Antragsteller auf Überweisung anderer Ärzte tätig, so dass sie auch aus diesem Grund den Umfang ihrer Tätigkeit nur begrenzt steuern könnten. Im vorliegenden Fall sei aufgrund des zwischen den Antragstellern abgeschlossenen Arbeitsvertrages dem Antragsteller zu 1) eine volle Angestelltenstelle genehmigt worden; deshalb sei auch die Umwandlung in eine volle Zulassung möglich. Bei dieser Situation sei der Sofortvollzug anzuordnen, zumal nicht zu erkennen sei, welche Interessen die Beigeladene zu 1) geltend mache, die es geböten, den Suspensiveffekt der Klage weiterhin aufrecht zu erhalten. Mit der Aushändigung der Abrechnungsunterlagen habe die Beigeladene zu 1) zudem einen Vertrauenstatbestand geschaffen.

Gegen den ihr am 11. Juni 2014 zugestellten Beschluss hat die Beigeladene zu 1) am 09. Juli 2014 Beschwerde erhoben. Sie ist der Auffassung, dass der Antragsteller zu 2) nicht antragsbefugt sei. Außerdem sei für das Begehren der Antragsteller weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch gegeben. Es sei schon kein überwiegendes Interesse der Antragsteller am Sofortvollzug zu erkennen, weil die Antragsteller das Anstellungsverhältnis bis zur Entscheidung in der Hauptsache fortsetzen könnten. Die Entscheidung über die Umwandlung müsse sich nach dem Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage an dem Umfang der tatsächlich ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit orientieren und nicht am Umfang der genehmigten Anstellung. Hierzu hat die Beigeladene zu 1) ergänzend vorgetragen, dass der Antragsteller zu 1) in seiner Praxis aus der Versorgung gesetzlich Versicherter folgende Umsätze erzielt habe: 2013/1 128.307,31 EUR 2013/2 110.036,11 EUR 2013/3 127.484,28 EUR 2013/4 106.614,23 EUR.

Davon seien auf den Antragsteller zu 2) entfallen:

2013/1 63.470,53 EUR 2013/2 50.685,66 EUR 2013/3 47.729,77 EUR 2013/4 57.898,65 EUR.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2014 zu ändern und den Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen.

Der Antragsgegner stellt – ebenso wie die Beigeladenen zu 2) bis 6) - keinen Antrag. Er sieht keine Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen.

Sie halten den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.

II.

Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2014 ist gemäß § 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 05. November 2013 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG rechtsfehlerhaft angeordnet.

Soweit der Antragsteller zu 2) den hierauf gerichteten Antrag beim Sozialgericht gestellt hat, ist der Antrag bereits unzulässig [siehe unten 1.)]. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet. Es sind keine überzeugenden Gründe erkennbar, die es rechtfertigen würden, die aufschiebende Wirkung der Klage der Beigeladenen zu 1) gegen die Zulassungsentscheidung des Antragsgegners abweichend von § 97 SGG durch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zu beseitigen. Denn das Interesse des Antragstellers zu 1) an einer sofortigen Zulassung des Antragstellers zu 2) überwiegt nicht das Interesse der Beigeladenen zu 1), dass die Entscheidung des Antragsgegners erst nach Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung umgesetzt werden kann [vgl. hierzu 3.)]. Darüber hinaus spricht alles dafür, dass die Entscheidung des Antragsgegners auf der Grundlage der bisher bekannten Tatsachen rechtswidrig ist, weil die Zulassung des Antragstellers zu 2) mit einem vollen Versorgungsauftrag nicht durch § 95 Abs. 9b Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) gedeckt ist [vgl. hierzu unten 2.)].

1.) Nach § 95 Abs. 9b SGB V ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen oder halben Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 4, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung. Gemäß § 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V kann ein Vertragsarzt mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind.

Der anstellende Vertragsarzt ist nach den vorgenannten Vorschriften Inhaber der bisherigen (mit einem angestellten Arzt besetzten) Arztstelle; ihm steht deshalb das Wahlrecht zu, ob er selbst zugelassen werden will [dann muss er zugleich die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens bei der Beigeladenen zu 1) nach § 103 Abs. 4 SGB V beantragen] oder der bisher angestellte Arzt zugelassen werden soll (Joussen in Becker/Kingreen, SGB V, Kommentar, 4. Auflage, 2014, § 95 RdNr. 31). Der angestellte Arzt hat auf diese Entscheidung vertragsarztrechtlich keinen Einfluss. Ihm steht deshalb ein Antragsrecht nach § 95 Abs. 9b SGB V nicht zu. Dies schließt es aus, dass er seine Zulassung gegen die Zulassungsgremien im gerichtlichen Verfahren durchsetzt; hierfür fehlt ihm die Klage- bzw. Antragsbefugnis. Es ist ausschließlich Sache des anstellenden Vertragsarztes, die Umwandlung selbst zu betreiben und gegen ablehnende Entscheidungen der Zulassungsgremien gerichtlich vorzugehen.

2.) Die Umwandlung der genehmigten Anstellung des Antragstellers zu 2) in eine Zulassung ist nach § 95 Abs. 9b SGB V nur möglich, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen oder halben Versorgungsauftrag entspricht. Daraus ist zu folgern, dass eine Zulassung entsprechend dem Umfang der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit nur entweder mit einem halben oder einem vollen Versorgungsauftrag erfolgen darf. Unterschreitet die Tätigkeit des angestellten Arztes einen halben Versorgungsauftrag, muss der Zulassungsantrag des anstellenden Arztes abgelehnt werden.

a) Vorliegend lässt sich entgegen den Entscheidungen der Zulassungsgremien und des Sozialgerichts eine abschließende Entscheidung über den Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung (derzeit: der Entscheidung des Senats) nicht treffen. Die bislang bekannten Tatsachen dürften allerdings eine Zulassung mit einem vollen Versorgungsauftrag ausschließen.

b) Für die Frage, wie der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes festzustellen ist, kommt es weder auf das Bedarfsplanungsrecht, wie der Antragsgegner meint, noch auf den genehmigten Status des angestellten Arztes (Genehmigung der Anstellung mit einem vollen oder halben Versorgungsauftrag) an, wovon das Sozialgericht ausgegangen ist. Schon der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, den Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes ausschließlich nach seiner tatsächlichen erbrachten ärztlichen Arbeit zu bestimmen und mit der eines Arztes mit vollem oder halbem Versorgungsauftrag zu vergleichen. Eine solche Auslegung wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) vom 05. September 2011 (BT-Drs. 17/6906, S. 72) lässt sich entnehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der "zeitliche Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit des angestellten Arztes" für die Zulassung und ihren Umfang maßgeblich sein soll. In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt:

" Voraussetzung für die Umwandlung ist ..., dass der zeitliche Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit des angestellten Arztes der üblicherweise mit einer vollen oder halben Zulassung verbundenen Vertragsarzttätigkeit entspricht. Dabei ist nicht allein auf den in § 17 Absatz 1a des Bundesmantelvertrages-Ärzte geregelten Mindestumfang von Sprechstunden abzustellen. Ausgehend davon, dass die vertragsärztliche Tätigkeit nach § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte grundsätzlich als Vollzeittätigkeit angelegt ist, kommt die Umwandlung in eine Zulassung mit einem vollen Versorgungsauftrag nur in Betracht, wenn die Arbeitszeit des angestellten Arztes mindestens der durchschnittlichen Arbeitszeit von angestellten Ärzten bei einer Vollzeittätigkeit entspricht. Die Umwandlung in eine halbe Zulassung setzt voraus, dass mindestens 50 Prozent dieser durchschnittlichen Arbeitszeit erreicht werden."

c) Allerdings lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, wie die Arbeitszeit des angestellten Arztes und die des zum Vergleich dafür heranzuziehenden zugelassenen Vertragsarztes mit vollem oder halbem Versorgungsauftrag zu bestimmen ist. Dem Sozialgericht ist darin zuzustimmen, dass eine Bestimmung des zeitlichen Umfangs der vertragsärztlichen Tätigkeit des Antragstellers zu 2) schwierig ist, weil der EBM für die von ihm erbrachten Leistungen teilweise keine Kalkulationszeiten enthält. Es spricht deshalb alles dafür, den zeitlichen Umfang seiner vertragsärztlichen Tätigkeit anhand anderer Parameter zu ermitteln, bei denen aus der Menge und/oder dem Umfang der erbrachten vertragsärztlichen Leistungen auf seine zeitliche Inanspruchnahme durch deren Erbringung geschlossen werden kann. Dafür bieten sich nicht nur die Fallzahl und das erzielte Honorar an, sondern im Hinblick auf eine besondere Spezialisierung der Praxis der Antragsteller auch die Zahl der insgesamt abgerechneten Punkte oder der Punkte für solche Leistungen der Fachgruppe, die von allen typischerweise abgerechnet werden. Um zufällige Ergebnisse zu vermeiden, dürfte es geboten sein, die Bestimmung nicht mit Hilfe einer einzelnen der genannten oder anderer Größen, sondern mit mehreren oder allen der hierfür in Betracht kommenden im Rahmen einer Gesamtschau vorzunehmen. Bei dieser vom Sozialgericht im Hauptsacheverfahren nachzuholenden Bestimmung des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit des angestellten Arztes wird das Gericht (mindestens) die vier zuletzt abgerechneten Quartale zu Grunde zu legen haben, um ein repräsentatives Bild des quantitativen Umfangs der vertragsärztlichen Tätigkeit des angestellten Arztes zu erhalten und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es auf die letzte mündliche Tatsachenverhandlung als maßgeblichen Zeitpunkt ankommt. Denn bei den auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung gerichteten Vornahmesachen sind grundsätzlich alle Änderungen der Sachlage bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz sowie alle Rechtsänderungen, auch soweit sie erst in der Revisionsinstanz eintreten, zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 44/13 R –, SozR 4-2500 § 103 Nr. 15). Das gilt auch dann, wenn eine Zulassungsentscheidung von einem Dritten angefochten wird. Eine Ausnahme gilt nur dann, sofern dem Vornahmebegehren notwendigerweise eine Abwehrklage in Gestalt einer Drittanfechtung der Begünstigung des für die Praxisnachfolge ausgewählten Bewerbers vorangehen muss. Falls sich für die Zulassung des begünstigten Dritten die Sach- oder Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorteilhafter darstellt, ist dieser Zeitpunkt maßgeblich (vgl. BSG SozR 4-2500 § 103 Nr. 12 RdNr. 22; BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 2, RdNr. 5; BSG SozR 4-2500 § 117 Nr. 2 RdNr. 8 m.w.N.; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 103 Nr. 13 RdNr. 30).

d) Darüber hinaus wird das Sozialgericht beachten müssen, dass den Antragsteller zu 1) die materielle Beweislast für den behaupteten zeitlichen Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit des bei ihm angestellten Arztes trifft, weil er diesen Umfang nicht nur selbst wesentlich bestimmen, sondern auch am besten nachweisen kann und er hieraus eine für ihn vorteilhafte Rechtslage ableitet. Es ist deshalb rechtsfehlerhaft, wenn der Antragsgegner aus dem Fehlen entgegenstehender Tatsachen von einem vollen Versorgungsauftrag ausgeht, diesen also vermutet (vgl. Seite 10 des Beschlusses des Beschwerdeausschusses). Die zur Feststellung des zeitlichen Umfangs der vertragsärztlichen Tätigkeit des angestellten Arztes ermittelten Tatsachen müssen mindestens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Arbeitszeit von einem vollen oder halben Versorgungsauftrag sprechen. Lassen sich entsprechende Tatsachen nicht ermitteln, ist der Zulassungsantrag abzulehnen.

e) Auf der Grundlage dieser rechtlichen Bestimmung der Voraussetzungen des Zulassungsanspruchs des Antragstellers zu 1) lässt sich derzeit ein Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit des Antragstellers zu 2) nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen. Unabhängig von der Frage, was aus der Höhe der erzielten Honorare des Antragstellers zu 1) und zu 2) zu schließen ist, sprechen jedenfalls die vom Zulassungsausschuss ermittelten Fallzahlen für die Quartale I-IV/12 gegen eine Tätigkeit auch nur im Umfang eines halben Versorgungsauftrags. Damit lässt sich eine Tätigkeit im zeitlichen Umfang eines vollen Versorgungsauftrags mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht einmal ansatzweise begründen. 3.) Schon im Hinblick auf diese Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Antragsgegners durfte die sofortige Vollziehbarkeit nicht angeordnet werden: Denn zum jetzigen Zeitpunkt, auf der Grundlage der derzeit bekannten Tatsachen, spricht alles dafür, dass die Entscheidung des Antragsgegners rechtswidrig ist. An der sofortigen Umsetzung einer rechtwidrigen Entscheidung besteht aber weder ein öffentliches noch ein überwiegendes privates Interesse des Antragstellers zu 1).

Darüber hinaus werden die schützenswerten Interessen des Antragstellers zu 1) durch die Versagung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht verletzt. Denn der Antragsteller zu 2) kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache seine vertragsärztliche Tätigkeit im Anstellungsverhältnis beim Antragsteller zu 1) mit einem vollen Versorgungsauftrag fortsetzen. Es ist deshalb nicht einmal im Ansatz erkennbar, dass dem Antragsteller zu 1) durch das Abwarten der Hauptsacheentscheidung auch nur wirtschaftliche Nachteile entstehen können. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller zu 1) im Hinblick auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zulassungsentscheidung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz u.U. den Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit des Antragstellers zu 2) noch so weit beeinflussen kann, dass dieser im gewünschten Umfang zuzulassen ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO und entspricht dem Ausgang in der Sache. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 52, 53 GKG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved