L 6 KR 1331/12

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 2448/11
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1331/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Begrüßungsschreiben einer Ersatzkasse an einen vermeintlichen, in Wirklichkeit aber nicht Versicherungspflichtigen beinhaltet keine Regelung eines Einzelfalls und ist keine Verwaltungsakt (BSG, Urteil vom 4.09.2013 - B 12 KR 13/11 R).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 19. Juli 2012 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kran-kenversicherung der Rentner (KVdR) seit dem 1. Februar 2011 streitig.

Der 1934 geborene Kläger war von August 1991 bis Juni 1994 als hauptamtlicher Bürger-meister tätig und vom 1. Oktober 1992 bis 30. Juni 1994 privat krankenversichert. Seit 1. Juli 1994 führte ihn die als Pflichtversicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Am 12. November 1997 beantragte er die Gewährung einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die (jetzt: ) übersandte der eine Meldung zur KVdR nach § 201 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und bewilligte ihm ab dem 1. März 1998 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die führte ihn als Mitglied in der KVdR.

Im November 2010 kündigte der Kläger das Mitgliedschaftsverhältnis bei der zum 31. Januar 2011 und beantragte am 26. November 2010 die Mitgliedschaft bei der Beklagten ab 1. Februar 2011. Er gab dabei an, dass er eine Pension beziehe. Mit Schreiben vom 25. Januar 2011, überschrieben mit "Krankenversicherungsschutz für Ihre Familienangehörigen", teilte die Beklagte ihm mit, sie freue sich, ihn als Mitglied der -Gemeinschaft zu begrüßen. Mit Bescheid vom 12. Mai 2011 teilte sie ihm mit, entsprechend seiner Angaben auf dem Mitgliedsantrag sowie der übermittelten Daten der sei ab dem 1. Februar 2011 die Mitgliedschaft als Rentner eröffnet worden. Am 2. Mai 2011 habe die Zahlstelle für Versorgungsbezüge des Kommunalen Versorgungsverbandes Beamtenversorgung mitgeteilt, dass er aufgrund eines früheren Beschäftigungsverhältnisses einen beihilfeberechtigten Versorgungsbezug erhalte. Diese Information habe bisher nicht vorgelegen. Von der sei zwar ein Versorgungsbezug übermittelt, aber mit einer falschen Zahlstellen-Nr. und ohne Beihilfeberechtigung. Damit sei die eingetretene Versicherungspflicht in der KVdR ab dem Tag des Kassenwechsels, dem 1. Februar 2011 durch den beihilfeberechtigten Versorgungsbezug ausgeschlossen. Für Personen mit Anspruch auf Beihilfe bestehe ausdrücklich Versicherungsfreiheit nach § 6 SGB V. Hiergegen erhob der Kläger am 6. Juni 2011 Widerspruch mit der Begründung, er sei seit 1. März 1998 Mitglied in der KVdR, weil er die Bedingungen erfüllt habe, und mit Schreiben vom 18. Januar 2011 als Mitglied begrüßt und beglückwünscht worden. Er habe auch die Versicherungskarte erhalten. Unter dem 17. Juni 2011 informierte die Beklagte ihn dahingehend, dass er aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Bürgermeister und des Bezugs einer Versorgung und eines Ehrensoldes Anspruch auf Beihilfe habe. Damit gehöre er nach § 6 Abs. 6 SGB V nicht zu dem Personenkreis des SGB V. Nach der Auskunft der Verwaltungsgemeinschaft (VG) S.-R. vom 30. Juni 2011 besteht für den Kläger seit dem 1. Mai 1993 einen Beihilfeanspruch in Höhe von 70 v.H. Seit dem 1. Juli 2010 erhalte er nach § 8 Abs. 5 des Thüringer Gesetzes über Kommunale Wahlbeamte (ThürWKBG) Ehrensold in Höhe von 145 Euro.

Am 27. Juni 2011 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben und vorgetragen, unabhängig davon, ob das Schreiben der Beklagten vom 17. Juni 2011 als Widerspruch zu werten sei, sei Klage geboten, weil diese die Rückgabe der Krankenkassenkarte verlange. Die Versicherungspflicht in der KVdR sei durch die mit Verwaltungsakt festgestellt worden. Die Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) lägen nicht vor. Mit Schriftsatz vom 19. September 2011 hat der Kläger erklärt, die Klage werde als kombinierte Untätigkeits- und Verpflichtungsklage weiter verfolgt. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2011 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und ausgeführt, es sei kein Bescheid der über eine Versicherungspflicht in der KVdR ergangen.

Am 11. November 2011 hat der Kläger eine weitere Klage beim SG (Az.: S 30 KR 4101/11) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 12. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 28. Oktober 2011 aufzuheben. Mit Beschluss vom 11. Juni 2012 hat dieses die anhängigen Rechtsstreitigkeiten nach § 113 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur ge-meinsamen Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen S 4 KR 2448/11 verbunden.

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2012 hat der Kläger eingeräumt, von der keinen Feststellungsbescheid erhalten zu haben. Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hält der Kläger an seiner Ansicht fest, die habe die Versicherungspflicht in der KVdR durch Verwaltungsakt festgestellt; dies folge schon daraus, dass er Beiträge entrichtet habe. In der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2014 hat er die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und die Klage gegen das Schreiben der Beklagten vom 17. Juni 2011 zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 19. Juli 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 28. Oktober 2011 aufzuheben und festzustellen, dass er seit dem 1. Februar 2011 weiterhin in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen dahingehend, dass der Kläger seit dem 1. Februar 2011 bei ihr freiwillig versichert ist.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Ver-waltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Urteil des SG vom 19. Juli 2012 ist nach § 102 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wirkungslos geworden, soweit der Kläger die unter dem führenden Az.: S 4 KR 2448/11 beim SG erhobene Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und die Klage gegen das Schreiben der Beklagten vom 17. Juni 2011, das offensichtlich kein Widerspruchsbescheid war, zurückgenommen hat. Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass sich die Untätigkeitsklage durch Erlass des Widerspruchsbescheids erledigt hatte. Der Bescheid vom 12. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zutreffend hat die Beklagte darin festgestellt, dass er ab dem 1. Februar 2011 nicht ihr Pflichtmitglied in der KVdR ist, weil er versicherungsfrei ist.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1999 gültigen Fassung sind versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren. Versicherungsfrei sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V Beamte, Richter, Soldaten auf Zeit sowie Berufssoldaten der Bundeswehr und sonstige Beschäftigte des Bundes, eines Landes, eines Verbandes, einer Gemeinde, von öffentlich-rechtlich Körperschaften, Anstalten, Stiftungen oder Verbänden öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder deren Spitzenverbänden, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Fürsorge haben. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB V sind versicherungsfrei die in den Nummern 2, 4 und 5 genannten Personen, wenn ihnen ein Anspruch auf Ruhegehalt oder ähnliche Bezüge zuerkannt ist und sie Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfall nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen haben. Nach § 6 Abs. 3 SGB V bleiben die nach Absatz 1 oder anderen gesetzlichen Vorschriften mit Ausnahme von Absatz 2 und § 7 SGB V versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht befreiten Personen auch dann versicherungsfrei, wenn sie eine der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 13 SGB V genannten Voraussetzungen erfüllen.

§ 6 Abs. 3 SGB V regelt eine absolute Versicherungsfreiheit. Versicherungspflichttatbestände - wie auch die KVdR nach § 5 Nr. 11 SGB V - werden hierdurch verdrängt. Sie beginnt, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen des Verdrängungstatbestandes erfüllt, und endet, wenn dessen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind (vgl. Peters in Kasseler Kommentar Stand: Mai 2014, § 6 Rn. 68 ff). Danach ist der Kläger zum hier streitigen Zeitpunkt ab 1. Februar 2011 jedenfalls versicherungsfrei, unabhängig davon, ob er die Voraussetzungen nach § 5 Nr. 11 SGB V erfüllt. Er bezieht seit der Rentenantragstellung eine beamtenrechtliche Versorgung und hat seit dem 1. Mai 1993 laut Auskunft der VG S.-R. vom 30. Juni 2011 Anspruch auf Beihilfe in Höhe von 70 v.H. Insoweit bestand bei ihm seit der Rentenantragstellung Versicherungsfreiheit in der KVdR; streitig ist hier allerdings nur die Zeit ab dem 1. Februar 2011. Auch aus dem vorgelegten "Merkblatt über wesentliche Beihilfe-Leistungen für den öffentlichen Dienst (Beihilfe Thüringen)" ergibt sich nichts Gegenteiliges. Danach haben Versorgungsempfänger Anspruch auf Erstattung ihrer beihilfefähigen Aufwendungen in Höhe von 70 v.H. Gesetzlich pflichtversicherte Person - zu denen der Kläger gerade nicht gehört - erhalten lediglich eine Beihilfe für bestimmte Aufwendungen in Höhe von 35 v.H.

Der Kläger ist auch nicht aufgrund eines Bescheides der Beklagten (oder gegebenenfalls der ), der nur unter Beachtung der Voraussetzungen des § 45 SGB X hätte zurückgenommen werden dürfen, versicherungspflichtig und deren Mitglied geworden. Er hat in der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2012 eingeräumt, von der keinen Feststellungsbescheid erhalten zu haben. Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte an einen solchen Bescheid gebunden wäre. Das Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 25. Januar 2011 (Begrüßungsschreiben) ist kein Verwaltungsakt, mit dem die Versicherungspflicht festgestellt wurde. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist u.a. Voraussetzung für einen Verwaltungsakt, dass er zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erlassen wird. Entscheidendes Merkmal der "Regelung" ist, ob die Behörde eine potenziell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, d.h. durch sie Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte mit Außenwirkung abgelehnt wird. Das Bundessozialgericht sieht in dem Begrüßungsschreiben einer Ersatzkasse an einen vermeintlichen, in Wirklichkeit aber nicht Versicherungspflichtigen nicht die Regelung eines Einzelfalles und damit keinen Verwaltungsakt (vgl. Urteile vom 4. September 2013 - Az.: B 12 KR 13/11 R und vom 21. Mai 1996 - Az.: 12 RK 67/94 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. Oktober 1968 - Az.: 3 RK 8/65, alle nach juris). Eine Regelung über das Vorliegen von Versicherungspflicht in der KVdR war dem Schreiben vom 25. Januar 2011, in dem es neben der Begrüßung als "Mitglied in der Gemeinschaft" vor allem um die Frage der möglichen Versicherung der Familienmitglieder bei der Beklagten ging, objektiv nicht zu entnehmen. Nachdem ein entgegenstehender Verwaltungsakt nicht vorlag, war die Beklagte nicht gehindert, rückwirkend festzustellen, dass ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt eine Versicherungspflicht - hier in der KVdR - nicht bestand (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 - Az.: B 10 KR 3/99 R m.w.N., nach juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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