S 5 KR 4301/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 4301/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Soweit und solange nachstationäre Behandlungen nicht gesondert vergütet werden, sind deren Prozeduren bei der Gruppierung und der Abrechnung der zugehörigen vollstationären Behandlung zu berücksichtigen. Ergibt sich aus der Neugruppierung eine andere Fallpauschale, ist diese für die Abrechnung maßgeblich. Allerdings kommt eine Berücksichtigung nachstationärer Prozeduren nur in Betracht, wenn die nachstationäre Behandlung ihrerseits medizinisch erforderlich war; eine überflüssige Leistung ist hingegen nicht zu vergüten, auch nicht mittelbar über eine höherwertige DRG.

2. Es gibt keinen Grundsatz, wonach eine Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger typischerweise und vorrangig außerhalb des Krankenhauses im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht wird. Angesichts dessen ist das Krankenhaus nicht verpflichtet, bereits bei Übermittlung der Daten nach § 301 Abs. 1 SGB V unaufgefordert zu begründen, warum es die Durchführung dieser Therapie im nachstationären Rahmen für notwendig erachtet.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.227,88 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.8.2014 zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung für die Krankenhausbehandlung zweier Versicherter der Beklagten.

Die Klägerin ist Trägerin der "A.-Kliniken" in B ... Die Kliniken sind durch Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen.

Vom 26.6. – 2.7.2013 befand sich die bei der Beklagten versicherte Patientin C. in vollstationärer Behandlung in den "A.-Kliniken". Während dieses Aufenthalts wurde die Patientin fünfmal bestrahlt. Nach der Entlassung, in der Zeit vom 3.7. – 16.7.2013, erfolgten zehn nachstationäre Bestrahlungen, wiederum in den "A.-Kliniken".

Für die vollstationäre Behandlung stellte die Klägerin der Beklagten am 22.7.2013 insgesamt 10.295,55 EUR in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig.

Vom 25.7. – 1.8.2013 befand sich Frau C. erneut in vollstationärer Behandlung in den "A.-Kliniken"; diesmal wurden acht Bestrahlungen durchgeführt. Vom 2. – 8.8.2013, im Anschluss an den stationären Aufenthalt, erfolgten vier nachstationäre Bestrahlungen.

Für die vollstationäre Behandlung berechnete die Klägerin der Beklagten am 19.8.2013 insgesamt 11.934,45 EUR. Auch diese Rechnung beglich die Beklagte zunächst vollständig.

Vom 21. – 26.8.2013 wurde die bei der Beklagten versicherte Patientin D. in den "A.-Kliniken" vollstationär behandelt; bei ihr erfolgten während des Aufenthalts vier Bestrahlungen. Nach der Entlassung, in der Zeit vom 27.8. – 4.9.2013, wurde die Patientin in den "A.-Kliniken" sechsmal nachstationär bestrahlt.

Für die vollstationäre Behandlung stellte die Klägerin der Beklagten am 18.9.2013 insgesamt 8.082,21 EUR in Rechnung. Die Beklagte beglich auch diese Rechnung zunächst vollständig.

Mit Schreiben vom 28.4. und 10.6.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, bei den beiden Patientinnen C. und D. sei eine nachstationäre Strahlentherapie erfolgt; diese Therapie habe die Klägerin über die Fallpauschale abgerechnet. Eine nachstationäre Behandlung im Krankenhaus sei allerdings nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.9.2013 nur dann zulässig, wenn sich das Behandlungsziel nicht durch eine ambulante Behandlung erreichen lässt. Die "A.-Kliniken" verfügten über die Möglichkeit, in ihren Räumen eine Strahlentherapie ambulant durchzuführen. Könne eine Leistung grundsätzlich ambulant erbracht werden, sei es Sache des Krankenhauses darzulegen, warum eine nachstationäre Behandlung ausnahmsweise geboten ist. Aus den von der Klägerin übermittelten Daten nach § 301 SGB V ergebe sich hierzu nichts. Angesichts dessen habe auch die Frist des § 275 Abs. 1c SGB V für die Einleitung einer Prüfung durch den MDK noch nicht begonnen. Sie, die Beklagte, bitte die Klägerin vor diesem Hintergrund um neue Berechnungen und Übermittlung der Gutschriften in den genannten Behandlungsfällen.

Dies lehnte die Klägerin (mit Schreiben vom 23.5. und 7.7.2014) ab. Zur Begründung gab sie an, ob eine nachstationäre Behandlung im Krankenhaus erforderlich ist, richte sich nach den medizinischen Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Erkrankung. Die Beklagte habe keinerlei Gründe angegeben, warum bei den Patientinnen C. und D. eine ambulante Strahlentherapie hätte ausreichen sollen. Unerheblich sei jedenfalls die bloße Möglichkeit der "A.-Kliniken", Bestrahlungen ambulant durchzuführen. Sie habe der Beklagten einen vollständigen Datensatz nach § 301 SGB V übermittelt. Sofern die Beklagte dennoch Zweifel an der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung gehabt habe, hätte sie weitere Informationen anfordern können und müssen; dies habe sie indes nicht getan. Ebenso wenig habe die Beklagte eine Prüfung durch den MDK eingeleitet. Mittlerweile sei die in § 275 Abs. 1c SGB V normierte Frist hierfür verstrichen. Im Übrigen verhalte sich die Beklagte treuwidrig. Denn der Beklagten sei die in den "A.-Kliniken" geübte Praxis seit längerem bekannt; Beanstandungen seitens der Beklagten habe es nie gegeben. Vor diesem Hintergrund stehe der Beklagten keine Erstattungsforderung zu.

Trotz dieser Einwände rechnete die Beklagte am 12.8.2014 in Höhe von 19.227,88 EUR gegen eine andere (unstreitige) Forderung der Klägerin auf.

Mit der am 18.12.2014 erhobenen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Zahlung in dieser Höhe. Sie trägt vor, der Beklagten habe im Zusammenhang mit der Behandlung der Patientinnen C. und D. keine Erstattungsforderung zugestanden, mit der sie hätte aufrechnen können. Die Bestrahlungen hätten die obere Grenzverweildauer nicht erreicht. Angesichts dessen habe sie diese Bestrahlungen nicht gesondert abgerechnet. Allerdings habe sie die Bestrahlungen gemäß § 1 Abs. 6 der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2013 bei der Abrechnung der zugehörigen vollstationären Behandlungen berücksichtigen dürfen; die Vergütungen hierfür hätten sich dadurch erhöht. Ausgeschlossen sei der Einwand der Beklagten, die nachstationären Behandlungen im Krankenhaus seien nicht erforderlich gewesen: Ob eine Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ausreicht oder ob es der besonderen Mittel eines Krankenhauses bedarf, ergebe sich aus den medizinischen Einzelheiten des konkreten Behandlungsfalls. Hier habe die Beklagte die Notwendigkeit der nachstationären Behandlungen entweder "ins Blaue hinein" bestritten; oder die übermittelten Daten nach § 301 SGB V hätten bei ihr Zweifel an der Notwendigkeit geweckt. Dann aber hätte sie unmittelbar nach Eingang der Rechnungen den MDK mit der Prüfung der Behandlungsfälle beauftragen müssen. Dies habe die Beklagte versäumt. Nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1c SGB V könne die Beklagte diese Prüfung nicht mehr nachholen. Ebenso wenig sei sie, die Klägerin, nun noch dazu verpflichtet, die Behandlungsunterlagen vorzulegen. Im Übrigen wäre ein etwaiger Erstattungsanspruch der Beklagten jedenfalls verwirkt: Die Beklagte stütze sich im Wesentlichen auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.9.2013; die Entscheidung sei im Oktober 2013 veröffentlicht worden. Angesichts dessen wäre es für die Beklagte ein Leichtes gewesen, ihre Erstattungsforderung noch im Geschäftsjahr 2013 geltend zu machen. Denn die geübte Praxis der "A.-Kliniken" sei ihr seit Jahren bekannt; sie wisse, wann eine nachstationäre Behandlung erfolgt und wann eine ambulante Behandlung in dem von der Klägerin betriebenen medizinischen Versorgungszentrum. Dennoch sei die Beklagte zunächst untätig geblieben. Ihre Erstattungsforderung habe sie erstmals am 28.4.2014 erhoben, also im Geschäftsjahr 2014. Dies verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.227,88 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.8.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt einerseits vor, nach ihrer Überzeugung seien die beiden Patientinnen C. und D. in den "A.-Kliniken" gar nicht nachstationär behandelt worden, sondern ambulant. Andererseits trägt sie vor, die Kliniken hätten die hausintern bestehende Möglichkeit zur ambulanten Strahlentherapie nicht genutzt. Sofern eine hauseigene Strahlenambulanz besteht, müsse das Krankenhaus aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V die Bestrahlung ambulant erbringen; eine nachstationäre Behandlung sei dann nicht erforderlich. Die Klägerin habe keinen Grund dafür genannt, warum eine Bestrahlung der beiden Patientinnen im ambulanten Rahmen nicht ausgereicht hätte; hierzu wäre sie indes verpflichtet gewesen. Daher habe für sie, die Beklagte, kein Anlass bestanden, den MDK mit einer Prüfung zu beauftragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1) Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 19.227,88 EUR (dazu a) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.8.2014 (dazu b).

a) Zu Unrecht hat die Beklagte am 12.8.2014 in Höhe von 19.227,88 EUR gegen eine unstreitige Hauptforderung der Klägerin aufgerechnet. Der Beklagten standen keine Erstattungsforderungen zu, mit der sie hätte aufrechnen können. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin nicht verpflichtet, die für die Behandlungen von Frau C. und Frau D. zunächst gezahlten 30.312,21 EUR teilweise zu erstatten. Denn die Klägerin konnte für die streitigen Behandlungen von der Beklagten in dieser Höhe Vergütung beanspruchen.

Rechtsgrundlage für die Vergütungsansprüche war § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG und dem Fallpauschalen-Katalog 2013. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen u.a. nach dem Fallpauschalen-Katalog abgerechnet, den der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft vereinbart hat. Der Fallpauschalen-Katalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG in zwei Schritten: In einem ersten Schritt sind u.a. die Operationen und sonstigen Prozeduren zu kodieren (§ 301 Abs. 2 S. 2 SGB V), und zwar nach dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Schlüssel (OPS-301). In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode dann einer bestimmten DRG zugeordnet, aus der sich nach Maßgabe des Fallpauschalen-Katalogs die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung ergibt (BSG, SozR 4-2500 § 109 Nr. 11 Rdnr. 16).

Zu Recht hat die Klägerin die DRGs "D 19 Z" (bei Frau C.) und "I 39 Z" (bei Frau D.) abgerechnet. Denn zu berücksichtigen waren nicht nur die Bestrahlungen während der vollstationären Behandlungen der beiden Patientinnen, sondern zusätzlich auch deren Bestrahlungen im nachstationären Rahmen (jeweils als Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger, OPS-Ziff. 8-522.9):

Soweit und solange nachstationäre Behandlungen nicht gesondert vergütet werden, sind deren Prozeduren bei der Gruppierung und der Abrechnung der zugehörigen vollstationären Behandlung zu berücksichtigen (Neugruppierung). Ergibt sich aus der Neugruppierung eine andere Fallpauschale, ist diese für die Abrechnung maßgeblich (§ 1 Abs. 5 S. 5 f. FPV 2013). Allerdings kommt eine Berücksichtigung nachstationärer Prozeduren nur in Betracht, wenn die nachstationäre Behandlung ihrerseits medizinisch erforderlich war; eine überflüssige Leistung ist hingegen nicht zu vergüten, auch nicht mittelbar über eine höherwertige DRG.

Gemessen hieran durfte die Klägerin die nachstationären Behandlungen von Frau C. und Frau D. bei der Abrechnung der vollstationären Behandlungen berücksichtigen. Denn zum einen waren die nachstationären Behandlungen nicht gesondert zu vergüten (dazu aa). Zum anderen bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie medizinisch nicht erforderlich waren (dazu bb); die restlichen Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten (dazu cc).

aa) Zusätzlich zu einer Fallpauschale darf eine nachstationäre Behandlung nach § 115a SGB V nur berechnet werden, soweit die Summe aus den stationären Belegungstagen und den nachstationären Behandlungstagen die Grenzverweildauer der Fallpauschale übersteigt (§ 8 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 KHEntgG). Ausgangspunkt ist die obere Grenzverweildauer derjenigen Fallpauschale, die ohne Berücksichtigung der nachstationären Behandlungstage einschlägig wäre. Unterschreitet die Zahl der stationären Belegungstage diese obere Grenzverweildauer, können und müssen so viele nachstationäre Behandlungstage zum Zwecke einer Neugruppierung bei der vollstationären Behandlung berücksichtigt werden, bis die Grenzverweildauer erreicht ist; nur die darüber hinausgehenden nachstationäre Behandlungstage wären gesondert abrechenbar ("soweit ..."). Allerdings kann die Neugruppierung (unter Berücksichtigung der einbezogenen nachstationären Behandlungstage) dazu führen, dass die vollstationäre Behandlung einer anderen DRG mit einer neuen, höheren Grenzverweildauer zugeordnet wird. Nur soweit die Summe aus stationären Belegungstagen und nachstationären Behandlungstagen auch diese neue, höhere Grenzverweildauer überschreitet, kommt eine zusätzliche Vergütung neben der Fallpauschale in Betracht (vgl. Derix/Koerdt in: Baum/Steiner, Kommentierung Abrechnungsbestimmungen und Vereinbarung Besondere Einrichtungen 2010, Erläuterungen zu § 1 FPV 2010, Ziff. 7.4.3).

(1) Bei der ersten vollstationären Behandlung von Frau C. (vom 26.6. – 2.7.2013) ist zunächst von der DRG "D 20 Z" auszugehen. Die obere Grenzverweildauer dieser DRG liegt bei 12 Tagen; denn die im Fallpauschalen-Katalog 2013 in der Spalte 9 angegebene Zahl ("13") bezeichnet nicht die Grenzverweildauer selbst, sondern den ersten darauf folgenden Tag (Tuschen/Trefz, KHEntgG, 2. Aufl., Teil III, Ziff. 6.1). Die vollstationäre Behandlung umfasste sechs Belegungstage (der Tag der Entlassung zählt gemäß § 1 Abs. 7 S. 2 FPV 2013 nicht mit); währenddessen fanden fünf Bestrahlungen statt. Dem folgten zehn nachstationäre Bestrahlungen. Hiervon sind sechs Bestrahlungen bei der vollstationären Behandlung zu berücksichtigen. Infolge der Neugruppierung wird die vollstationäre Behandlung der DRG "D 19 Z" zugeordnet (die bei "mehr als 10 Bestrahlungen" einschlägig ist). Die obere Grenzverweildauer dieser neuen DRG "D 19 Z" liegt bei 41 Tagen. Diese Zahl wird hier bei weitem nicht erreicht.

(2) Bei der zweiten vollstationären Behandlung von Frau C. (vom 25.7. – 1.8.2013) überstieg die Summe aus stationären Belegungstagen (= 7) und nachstationären Behandlungstagen (= 4) nicht die obere Grenzverweildauer der Fallpauschale "D 19 Z" von 12 Tagen. Eine separate Abrechnung der nachstationären Behandlung war daher ausgeschlossen.

(3) Gleiches gilt für die vollstationäre Behandlung von Frau D. (vom 21. – 26.8.2013): In der Summe hielten sich stationäre Belegungstage (= 5) und nachstationäre Behandlungstage (= 6) unter der oberen Grenzverweildauer der maßgeblichen DRG "I 54 Z" von 19 Tagen. Auch hier konnte die Klägerin daher keine separate Vergütung für die nachstationäre Behandlung fordern.

bb) Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass die nachstationären Behandlungen von Frau C. und Frau D. medizinisch nicht erforderlich waren.

Das Krankenhaus kann Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um im Anschluss an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (§ 115a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V). Dies kommt insbesondere bei Maßnahmen in Betracht, die zu erbringen einem niedergelassenen Vertragsarzt Schwierigkeiten bereiten würde – z.B. weil ihm hierfür die Fachkompetenz oder die technische Ausstattung fehlt (Grühn in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 115a Rdnr. 10). Reicht hingegen die vertragsärztliche Versorgung aus, um den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, besteht kein Anspruch auf eine nachstationäre Behandlung (BSGE 114, 209 Rdnr. 19). Ob die vertragsärztliche Versorgung genügt oder eine nachstationäre Behandlung notwendig ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls.

Die Erforderlichkeit der nachstationären Behandlungen von Frau C. und Frau D. durfte die Kammer nur anhand weniger Sozialdaten beurteilen (dazu (1)). Diese wenigen Daten lassen keinen sicheren Schluss zu, ob sich die Behandlungszwecke auch im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung hätten erreichen lassen (dazu (2)).

(1) Bei seiner Prüfung war die Kammer auf die von der Klägerin nach § 301 SGB V übermittelten Daten sowie die Angaben aus den Rechnungen beschränkt; weitere Beweismittel (insbesondere die Patientenakten) durfte das Gericht nicht verwerten.

Zwischen dem Krankenhaus, der Krankenkasse und dem MDK bestehen wechselseitige Auskunfts-, Prüf- und Mitwirkungspflichten, aus denen sich ein dreistufiges Schema ergibt: Auf der ersten Stufe hat das Krankenhaus stets die in § 301 Abs. 1 SGB V enumerativ aufgelisteten Angaben an die Krankenkasse zu übermitteln; dazu gehören z.B. die einschlägigen Diagnosen und der Grund der Aufnahme. Erschließt sich der Krankenkasse aus diesen Angaben nicht die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung, muss sie – auf der zweiten Stufe – beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einholen. Bei seiner Stellungnahme verwertet der MDK nur die bis dahin der Krankenkasse vorliegenden Informationen, also insbesondere die Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V sowie ggf. vom Versicherten freiwillig überlassene Unterlagen. Lässt die Auswertung dieser Sozialdaten keine abschließende Beurteilung zu, bleiben also weiter Zweifel an der ordnungsgemäßen Abrechnung, so muss das Krankenhaus – auf der dritten Stufe – dem MDK alle dann angeforderten Informationen und Unterlagen übermitteln, die dieser benötigt, um die Prüfanfrage der Krankenkasse zu beantworten (BSGE 111, 58 Rdnr. 18 – 21).

Die Prüfung auf der dritten Stufe ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 275 Abs. 1c S. 2 SGB V). Ist diese Frist verstrichen, darf das Krankenhaus keine weiteren Sozialdaten mehr übermitteln; die Prüfung bleibt dann auf die beiden ersten Stufen begrenzt (BSG, a.a.O., Rdnr. 22 f.). Dies gilt auch für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren: Das Gericht ist nicht befugt, Beweismittel zu verwerten, die der MDK nicht mehr anfordern dürfte; vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung dann auf diejenigen Sozialdaten, die auf den beiden ersten Stufen erhoben wurden, also insbesondere die Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V und eine etwaige gutachtliche Stellungnahme des MDK (BSG, a.a.O., Rdnr. 28; Jenschke, NZS 2012, 927, 929 f.).

In solcher Weise eingeschränkt ist die gerichtliche Amtsermittlung allerdings nur, wenn das Krankenhaus seine Mitteilungspflicht ordnungsgemäß erfüllt hatte; denn andernfalls wird die Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V gar nicht in Gang gesetzt (BSG, a.a.O., Rdnr. 31). Ist eine bestimmte Behandlung grundsätzlich der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung zugewiesen und nur ausnahmsweise stationär zu erbringen, muss das Krankenhaus schon bei Übermittlung der Angaben nach § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V zum "Grund der Aufnahme" gesondert darlegen, warum es eine Krankenhausbehandlung für notwendig hält (BSG, a.a.O., Rdnr. 34). Anlass hierfür besteht auch, wenn das Krankenhaus Abrechnungsregelungen in umstrittener oder zweifelhafter Weise auslegen und anwenden möchte (BSGE 114, 209 Rdnr. 26).

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin alle nach § 301 Abs. 1 SGB V erforderlichen Angaben an die Beklagte übermittelt. Entgegen der Auffassung der Beklagten war sie nicht verpflichtet, unaufgefordert die Notwendigkeit der nachstationären Behandlungen zu begründen. Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger, wie sie hier nachstationär stattfand, typischerweise und vorrangig außerhalb des Krankenhauses im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht wird; dagegen spricht wohl schon, dass diese Therapie eine aufwendige technische Ausstattung voraussetzt, die niedergelassene Ärzte kaum vorhalten können. Ist also die Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger nicht regelmäßig der vertragsärztlichen Versorgung zugewiesen, bedurfte ihr nachstationärer Einsatz im Krankenhaus keiner besonderen Rechtfertigung durch die Klägerin.

Hatte somit die Klägerin alle nach § 301 Abs. 1 SGB V erforderlichen Angaben übermittelt, begann mit Eingang der Rechnungen vom 22.7., 19.8. und 18.9.2013 über die vollstationären Behandlungen von Frau C. und Frau D. die sechswöchige Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V. Innerhalb dieser Frist (und auch danach) hat die Beklagte keine Prüfung durch den MDK veranlasst. Angesichts dessen war die Kammer bei ihrer Beweiswürdigung auf die von der Klägerin nach § 301 SGB V übermittelten Daten beschränkt.

(2) Ausgehend von diesen Daten ist die Kammer nicht davon überzeugt, die Bestrahlungen der beiden Patientinnen seien nicht im nachstationären Rahmen erforderlich gewesen (sondern hätten ambulant erfolgen können): Bei Frau C. bestand eine Krebserkrankung des Hypopharynx und der Lymphknoten; Frau D. litt an Brust- und Knochenmarkkrebs. Aufgrund dessen wurde bei beiden Patientinnen schon während der stationären Aufenthalte eine Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger durchgeführt (bei Frau C. darüber hinaus eine komplexe und intensive Blockchemotherapie); weitere Bestrahlungen erfolgten im nachstationären Rahmen. Die Beklagte hat nicht in Frage gestellt, dass die therapeutischen Mittel als solche erforderlich waren. Ob die nachstationären Bestrahlungen – wie die Beklagte meint – mit gleichem Erfolg auch ambulant hätten erbracht werden können, lässt sich allein mit den nach § 301 SGB V übermittelten Angaben nicht beantworten. Denn diese standardisierten Angaben geben keine detaillierte Auskunft über den konkreten Krankheitsverlauf und dessen Bewertung durch das medizinische Personal; insbesondere fehlt es an einer ärztlichen Prognose und Handlungsanweisungen für die Zeit nach Abschluss der vollstationären Behandlung. Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht der Kammer offen, ob die Einschätzung der Krankenhausärzte in den "A.-Kliniken" zutraf, die Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger müsse bei Frau C. und Frau D. nachstationär (und nicht ambulant) fortgesetzt werden. Nicht weiter hilft insoweit der Vortrag der Beklagten, die "A.-Kliniken" verfügten über die Möglichkeit, Bestrahlungen (in einem medizinischen Versorgungszentrum nach § 95 SGB V) ambulant durchzuführen. Denn selbst wenn dies zuträfe, besagte die generelle rechtliche und technische Möglichkeit nichts darüber, ob eine ambulante Behandlung gerade in den konkreten Fällen der Patientinnen C. und D. medizinisch ausgereicht hätte. Es verbleiben somit gewichtige Zweifel daran, dass die nachstationären Bestrahlungen gleichwertig auch ambulant hätten erfolgen können.

cc) Diese Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten; denn sie trifft insoweit die Beweislast.

Wer für sich ein Recht in Anspruch nimmt, trägt grundsätzlich die objektive Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen. Fordert eine Krankenkasse von einem Krankenhaus Erstattung angeblich zu viel gezahlter Vergütung, muss sie daher die für den Erstattungsanspruch maßgeblichen Tatsachen nachweisen. (BSGE 104, 15 Rdnr. 35). Anders verhält es sich ggf., wenn die Krankenkasse vertraglich zur Zahlung innerhalb kurzer Zeit nach Rechnungseingang verpflichtet ist: Dann kann sie die Zahlung "unter dem Vorbehalt medizinischer Überprüfung" leisten; durch einen solchen Vorbehalt verbleibt die Beweislast für die Erforderlichkeit der (nach-)stationären Behandlung beim Krankenhaus (BSG, a.a.O., Rdnr. 37 f.).

Die Beklagte hat die Rechnungen vom 22.7., 19.8. und 18.9.2013 innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Rechnungssatzes vollständig beglichen – wie dies § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 19 Abs. 1 S. 1 des Landesvertrags verlangt. Eine weitere medizinische Prüfung hat sie sich dabei nicht vorbehalten. Angesichts dessen muss nun die Beklagte beweisen, dass sie die Vergütung teilweise zu Unrecht gezahlt hat und ihr deshalb Erstattungsforderungen zustehen. Wie ausgeführt, hat sie diesen Beweis nicht erbracht.

b) Seit dem Tag nach der Aufrechnung hat die Beklagte die Hauptforderung zu verzinsen. Die Höhe der Zinsen ergibt sich aus § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 19 Abs. 3 des Landesvertrags.

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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