L 2 R 5001/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 3185/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 5001/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gegen den Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Neuberechnung der seit 01.02.2002 bezogenen Rente aufgrund des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) bzw. die Vorverlegung des Eintritts des Versicherungsfalls.

Der am geborene Kläger beantragte am 08.02.2002 bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Ablehnung der Rente sowie durchgeführtem Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren wegen Streits über den Eintritt der Erwerbsminderung im Hinblick auf die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15.03.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 01.02.2002 in Höhe von 743,97 EUR, wobei sie von der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen am 31.10.1990 ausging (Bl. 829/401 VA).

Im weiteren Verlauf hat der Kläger zahlreiche Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren bis hin zu Nichtzulassungsbeschwerden beim Bundessozialgericht (BSG) anhängig gemacht, in denen er jeweils erfolglos die Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung bei zeitlicher Vorverlegung des Versicherungsfalls auf den 10.1.1990 begehrte. Zuletzt wurde dieses Begehren des Klägers durch Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 25.07.2013 (S 5 R 1927/13) und Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.01.2014 (L 13 R 3164/13) abgewiesen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das BSG durch Beschluss vom 22.07.2014 (B 5 R 56/14 B) als unzulässig verworfen.

Mit Schreiben vom 02.04.2014, 16.04.2014, 20.05.2014 und 18.08.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Neuberechnung seiner Rente nach neuer Gesetzgebung (bezogen auf gesetzliche Änderungen durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.06.2014) und erneut die Verschiebung des "Rentenereignis Vorfalls" vom 1.10.1990 auf den 1.1.1990. Er werde dies lebenslänglich durch alle Instanzen einklagen. Hinsichtlich der Neuregelungen gab er an, er sei als Neurentner zu bewerten, da sein Rentenverfahren noch anhängig sei.

Mit Bescheid vom 01.09.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neuberechnung der Rente ab. Die gesetzlichen Änderungen beträfen ausschließlich Erwerbsminderungsrenten, die nach dem 30.6.2014 begännen. Die Rente des Klägers sei nach dem bis zum 30.06.2014 geltenden Recht berechnet worden. Eine Verlängerung der Zurechnungszeit und eine Günstigkeitsprüfung - wie im RV-Leistungsverbesserungsgesetz vorgesehen - könne nicht erfolgen, da die Rente des Klägers mit Bescheid vom 15.03.2005 bereits zum 01.02.2002 bewilligt worden sei. Über die gewünschte Verlegung des Leistungsfalles sei bereits rechtskräftig entschieden worden und gemäß Beschluss des Bundessozialgerichts vom 22.07.2014 (B 5 R 56/14 B) ausgeschlossen.

Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs (eingegangen bei der Beklagten am 10.09.2014) verwies der Kläger erneut darauf, seine Rente sei noch nicht rechtskräftig festgesetzt, da noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig sei. Aus diesem Grund sei er kein Bestandsrentner und seine Rente müsse neu berechnet werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2014 zurück. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen beträfen ausschließlich die nach dem 30.06.2014 beginnenden Erwerbsminderungsrenten.

Dagegen hat der Kläger am 21.10.2014 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und sein Begehren im Wesentlichen mit der gleichen Begründung weiterverfolgt. In seinem Rentenbescheid "von 2002" stehe ausdrücklich, dass sich die Beklagte vorbehalte, ihm keine Rente mehr auszuzahlen, wenn sich z. B. an seinem Gesundheitszustand etwas ändere. Daher könne die Beklagte nun nicht behaupten, der Kläger wäre Bestandsrentner. Hierfür hätte er einen endgültigen Rentenbescheid bekommen müssen. Ihm seien daher die Vorteile durch die Gesetzesänderung zu gewähren.

Mit Gerichtsbescheid vom 1.12.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es die durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz im Hinblick auf Erwerbsminderungsrenten eingetretenen Änderungen der §§ 59, 73 SGB VI aufgezeigt. Gemäß Art. 4 des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes sei das Gesetz vorbehaltlich des - hier nicht relevanten - Absatzes 2 am 01.07.2014 in Kraft getreten. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RV-Leistungsverbesserungsgesetz (Bundestagsdrucksache 18/909) vom 25.03.2014 seien die für die Erwerbsminderungsrenten vorgesehenen Vergünstigungen auf Seite 15 wie folgt beschrieben: "Die Zurechnungszeit wird daher bei Erwerbsminderungsrenten von heute 60 Jahren auf das vollendete 62. Lebensjahr angehoben. ( ) Auch die Bewertung der Zurechnungszeit wird verbessert, weil sich künftig die letzten vier Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht mehr negativ auf die Bewertung auswirken können (zum Beispiel bei gesundheitsbedingter Teilzeitbeschäftigung)." Zum Zeitpunkt, ab dem diese Verbesserungen gelten sollen, heiße es auf Seite 17 der Bundestagsdrucksache: "die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente gelten für Rentenzugänge ab dem 01.07.2014." Die Beklagte habe dem Kläger mit Bescheid vom 15.03.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.02.2002 gewährt. Entgegen den Ausführungen des Klägers in seiner Klageschrift vom 19.10.2014 handele es sich hierbei auch um einen endgültigen Rentenbescheid. Der Verfügungssatz des Rentenbescheides vom 15.03.2005 laute: "Aufgrund des Urteils vom 05.07.2004 erhalten Sie von uns Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Rente beginnt am 01.02.2002. Sie wird längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (Beginn der Regelaltersrente) gezahlt." Dieser Verfügungssatz sei unmissverständlich als endgültige Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung formuliert. Einen gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) möglichen Vorbehalt eines Widerrufs enthalte der Rentenbescheid vom 15.03.2005 nach seinem eindeutigen Wortlaut entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Die Gewährung einer höheren Rente in Anwendung der o.g. Änderungen durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Da dem Kläger bereits beginnend ab 01.02.2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt wurde, sei in seinem Fall kein "Rentenzugang ab 01.07.2014" - für den der Gesetzgeber Vergünstigungen schaffen wollte - gegeben. Dies gelte unabhängig davon, ob bezüglich der Rentenhöhe bzw. der Vorverlegung des Versicherungsfalles noch Gerichtsverfahren bzw. eine Verfassungsbeschwerde anhängig sein sollten. Der Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung stehe mit dem 01.02.2002 fest, so dass der Kläger die ab 01.07.2014 geltenden Vergünstigungen nicht in Anspruch nehmen könne. Die Entscheidung der Beklagten, die Neuberechnung der Rente des Klägers nach dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz abzulehnen, sei rechtlich nicht zu beanstanden.

Gegen das dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 15.11.2014 zugestellte Urteil hat er am 4.12.2014 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und vorgetragen, dass man möglicherweise aus den Augen verloren habe, worum es bei dieser jahrelangen Klage gehe. Der Leistungsfall müsse auf den 10.1.1990 vorverlegt werden, weil er durch die Erkrankung an Schizophrenie nicht erst zum Zeitpunkt der Zwangseinweisung in die Psychiatrische Klinik im Oktober 1990, sondern bereits seit seiner Entlassung am 10.1.1990 erwerbsgemindert gewesen sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Dezember 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger nach Neuberechnung und Vorverlegung des Versicherungsfalls höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat den Kläger auf die Missbräuchlichkeit des Prozessierens und die Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten schriftlich hingewiesen (Schreiben vom 9.12.2014).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 15.4.2015 auch in Abwesenheit des Klägers über den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde vom 13.3.2015 zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Erwerbsminderungsrente.

Der Bescheid vom 1.9.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2014 mit dem die Beklagte die Überprüfung und Neuberechnung der Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund der gesetzlichen Änderungen durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23. Juni 2014 - BGBl I S. 787) abgelehnt hat, ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dies hat das SG zutreffend und mit ausführlicher Begründung entschieden. Der Senat nimmt hierauf Bezug und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend wird ausgeführt: Die Einführung der Regelung zur Verlängerung der Zurechnungszeit durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz ist eine "Änderung rentenrechtlicher Vorschriften" im Sinne des § 306 Abs. 1 SGB VI. Die Anwendung dieser Regelung auf eine Rente mit Rentenbeginn vor deren Inkrafttreten am 1.7.2014 ist daher regelmäßig ausgeschlossen. Die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente betreffen nicht den sogenannten Rentenbestand, sondern nur Neufälle, das heißt Erwerbsminderungsrenten, die ab dem 1.7.2014 beginnen. Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall, da seine Rente - unabhängig von der durch ihn weiterhin streitig gestellten Frage des Eintritts des Versicherungsfalls - bereits mit Beginn am 1.2.2002 gezahlt wird. Er kann daher nicht von den Verbesserungen profitieren.

Sofern der Kläger erneut sinngemäß die Überprüfung des Rentenbescheids vom 15.3.2005 beantragt hat, hat die Beklagte dies - gemessen an § 44 SGB X - zu Recht abgelehnt. Es ist bereits mehrfach rechtskräftig entschieden worden, dass der Kläger die Vorverlegung des Eintritts des Versicherungsfalls nicht beanspruchen kann. Neue Anhaltspunkte hat der Kläger nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 192 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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