L 5 R 790/13

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 33 R 2305/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 790/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Vormerkungsbescheid - Verschlüsselung von Beitragszeiten im Versicherungsverlauf - Rechtsschutzbedürfnis

Es besteht kein Anspruch auf Übernahme der im Feststellungsbescheid des Zusatzversorgungsträgers verwendeten Verschlüsselung einzelner Entgeltanteile in den Versicherungsverlauf von Renten- oder Vormerkungsbescheiden des zuständigen Rentenversicherungsträgers. Einer allein auf dieses Ziel gerichteten Klage fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. September 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kennzeichnung von Zeiten und Entgelten im Versicherungsverlauf eines Vormerkungsbescheides.

Der 1950 geborene Kläger wohnte am 18. Mai 1990 im Beitrittsgebiet und war dort seit 1. September 1975 versicherungspflichtig beschäftigt und leistete seitdem Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der Staatlichen Sozialversicherung.

Der Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme (nachfolgend: Zusatzversorgungsträger) stellte zu Gunsten des Klägers mit Bescheid vom 18. März 2011 dessen Beschäftigungszeiten vom 1. September 1975 bis 30. Juni 1990 sowie die in diesen Zeiten erzielten Entgelte als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz fest. Dabei stellte der Zusatzversorgungsträger das erzielte Arbeitsentgelt tabellarisch dar und schlüsselte die jeweiligen Gesamtsummen des zu berücksichtigenden Entgelts in die Kategorien: "Soz.-Pfl." (= Sozialpflichtversicherung), "FZR" (= Freiwillige Zusatzrentenversicherung) und "Versorg." (= Versorgung) auf.

Mit Vormerkungsbescheid vom 27. April 2011 stellte die Beklagte die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis 31. Dezember 2004 verbindlich fest. Die Anlage 2 des Bescheides vom 27. April 2011 führte im sog. Versicherungsverlauf die Beschäftigungszeiten des Klägers bis 31. Dezember 2010 auf. Dem Versicherungsverlauf legte die Beklagte die im Bescheid des Zusatzversorgungsträgers vom 27. Februar 2003 getroffenen Feststellungen zu den Entgelten vollständig zu Grunde und begrenzte sie gegebenenfalls auf die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze. Dabei kennzeichnete sie im Versicherungsverlauf die Entgelte bis 7.200 Mark unter der Bezeichnung "SVA" und alle darüber liegenden Entgelte unter "AAÜG" (überwiegend getrennt als "Pflichtbeitragszeit" und als "zusätzlicher Arbeitsverdienst" unter zweimaliger Aufschlüsselung in "AAÜG") und übernahm nicht die im Feststellungsbescheid des Zusatzversorgungsträgers dargestellte Aufschlüsselung der Entgelte in "Soz.-Pfl.", "FZR" und "Versorg.".

Den gegen den Vormerkungsbescheid vom 27. April 2011 gerichteten Widerspruch des Klägers vom 25. Mai 2011, mit dem dieser die Kennzeichnung der Zeiten vom 1. September 1975 bis 30. Juni 1990 dahingehend rügte, die erste Kennzeichnung "AAÜG" sei nicht korrekt, vielmehr müsse es "FZR" heißen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2011 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, da der Kläger nicht beschwert sei. Die Kennzeichnung habe keine Auswirkung auf die Höhe seiner Rente. Im Übrigen sei der Widerspruch unbegründet, da die Zusatzversorgungszeiten korrekt gespeichert worden seien. Eine Korrektur der Kennzeichnung "AAÜG" in "FZR" für die Zeiten vom 1. September 1975 bis 30. Juni 1990 sei nicht möglich, da die Zeiten der Zusatzversorgung, so wie sie vom Zusatzversorgungsträger gemeldet seien, gespeichert worden seien.

Die hiergegen am 5. Dezember 2011 erhobene Klage, mit der der Kläger eine falsche Tatsachenfeststellung dahingehend rügte, dass die vom Zusatzversorgungsträger als "FZR" gekennzeichneten Zeiten neben den mit "AAÜG" gekennzeichneten Zeiten zu speichern seien, hat das Sozialgericht Dresden mit Gerichtsbescheid vom 19. September 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei unzulässig. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da die begehrte Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessere. Eine höhere Rentenzahlung sei aufgrund einer geänderten Kennzeichnung der Zeiten nicht möglich. Es bestehe auch kein Rechtsschutzbedürfnis, soweit der Kläger eine vorbeugende Feststellungsklage verfolge. Denn derzeit sei kein den Befürchtungen des Klägers entsprechendes Gesetzesvorhaben bekannt. Damit sei das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an einer baldigen vorbeugenden Feststellung nicht ersichtlich.

Gegen den am 25. September 2013 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger am 15. Oktober 2013 Berufung ein, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten entsprächen nicht den Grundsätzen der korrekten Tatsachenfeststellungen im Kontenklärungsverfahren. Die in den eingeforderten Zeiträumen aufgeführten Entgelte würden auf einer Beitragszahlung des Klägers zur freiwilligen Zusatzrente beruhen. Sie seien entsprechend dem Anspruch des Klägers auf korrekte Tatsachenfeststellung im Versicherungsverlauf mit der Kennzeichnung "FZR", statt wie bisher geschehen unter der Bezeichnung "AAÜG", zu verschlüsseln. Die Beklagte habe hinsichtlich der Zeiträume und der Entgelte keine eigenständige Entscheidungsbefugnis. Sie sei an die Feststellungen des Zusatzversorgungsträgers gebunden. Darüber hinaus verstoße die von der Beklagten vorgenommene Entgeltspeicherung nach den Kategorien "SVA" und zweimal "AAÜG", statt "SVA", "FZR" und "AAÜG" gegen den bundesrechtlich zu beachtenden Grundsatz der Trennung zwischen echter Sozialversicherung einschließlich FZR auf der einen Seite und Zusatzversorgung auf der anderen Seite. Hinsichtlich der mit der Kennzeichnung "FZR" zu verschlüsselnden Entgelte habe der Kläger eigene Beiträge gezahlt. Diese seien im Hinblick auf eventuelle Rechtsänderungen einem erhöhten Schutz entsprechend der Eigentumsgarantie unterworfen. Die der Versorgung zuzuordnenden Entgelte mit der Kennzeichnung "AAÜG" würden nicht auf eigener Beitragszahlung beruhen, so dass dem Gesetzgeber bezüglich der künftigen Anrechnung und Bewertung dieser Zeiten ein weitaus größerer Gestaltungsspielraum zustehe. Gerade im Hinblick auf eine möglicherweise in der Zukunft eintretende Aussparungsproblematik, die gerade im Zusammenhang mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit früherer Feststellungsbescheide des Zusatzversorgungsträgers häufiger auftrete (wie zum Beispiel in der Vergangenheit mit der Rechtsprechung zur "leeren Hülle"), sei die korrekte Feststellung von FZR-Entgelten von großer Bedeutung.

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. September 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Vormerkungsbescheides vom 27. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011 zu verurteilen, die Kennzeichnung "AAÜG" im Versicherungsverlauf des Vormerkungsbescheides für nachstehend aufgeführte Zeiträume und Entgelte in "FZR" zu ändern:

1. September bis 31. Dezember 1975 313,60 Mark 1. Januar bis 13. November 1978 975,27 Mark Kalenderjahr 1979 6.524,70 Mark Kalenderjahr 1980 6.752,00 Mark Kalenderjahr 1981 8.358,00 Mark Kalenderjahr 1982 8.216,00 Mark Kalenderjahr 1983 7.996,00 Mark 1. Januar bis 24. Dezember 1984 8.103,00 Mark 1. Januar bis 10. Oktober 1985 6.755,00 Mark 1. Januar bis 17. Dezember 1986 9.214,00 Mark 1. Januar bis 29. Oktober 1987 8.680,00 Mark 1. Januar bis 12. Dezember 1988 9.163,00 Mark 1. Januar bis 29. Oktober 1989 8.721,00 Mark 1. Januar bis 30. Juni 1990 6.133,00 Mark.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Das Gericht hat eine Anfrage des Gerichts aus einem anderen Berufungsverfahren (L 4 R 777/12) vom 27. März 2014 sowie die Auskunft des Zusatzversorgungsträgers vom 17. April 2014 beigezogen und den Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 25. August 2014 zur Kenntnis übersandt.

Mit Schriftsätzen vom 29. August 2014 und 10. September 2014 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 19. September 2013 abgewiesen hat. Der Vormerkungsbescheid der Beklagten vom 27. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil er keinen Anspruch darauf hat, dass die im Versicherungsverlauf des Vormerkungsbescheides vom 27. April 2011 unter der Abkürzung "AAÜG" gespeicherten Entgelte der entsprechenden Pflichtbeitragszeiten unter der Abkürzung "FZR" gekennzeichnet werden.

Die Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil der Kläger nicht in seinen Rechten beschwert ist. Bei den zu Grunde liegenden Entgeltfeststellungen hat die Beklagte die für die Zeiten einer fiktiven Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom Zusatzversorgungsträger mit Bescheid vom 18. März 2011 festgestellten Entgelte vollständig übernommen. Soweit diese Entgelte ausweislich des Versicherungsverlaufs nicht – wie vom Kläger gewünscht – in Entgelte nach den Kategorien "SVA", "FZR" und "AAÜG" aufgeschlüsselt sind, sondern die Beklagte lediglich eine aufgeschlüsselte Kennzeichnung mit "SVA" und "AAÜG" und – soweit der Kläger für zu berücksichtigende Entgeltanteile keine Beitragsleistungen erbracht hat – die Kennzeichnung zweifach mit "AAÜG" mit der Bemerkung "Pflichtbeitragszeit" und "zusätzlicher Arbeitsverdienst" verwendet hat, ist der Kläger nicht beschwert.

Eine Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers, für die nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festgestellten Arbeitsentgelte bestimmte Entgeltbestandteile mit dem Kürzel "FZR" zu verschlüsseln, liegt nicht vor. Vielmehr bestimmt § 259b Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) als Sonderregelung zu § 256a SGB VI ausdrücklich, dass für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem im Sinne des AAÜG bei der Ermittlung der Entgeltpunkte der Verdienst nach dem AAÜG zu Grunde zu legen ist. Bei dem vom Versorgungsträger nach § 6 AAÜG während der Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem zu ermittelnden, erzielten Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen kommt es aber nicht darauf an, ob dieses mit eigenen Beitragsleistungen abgesichert worden war. In diesem Zusammenhang ist deutlich auf die Vorschrift des § 6 Abs. 7 Satz 2 AAÜG hinzuweisen, die die Überführung von Entgelten, auch von Beiträgen zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung, regelt. Danach zählen FZR-Entgelte ebenfalls vollumfänglich als AAÜG-Entgelte, wenn sie während der Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem gezahlt worden sind. Daher kommt den über den Gesamtverdienst hinausgehenden Feststellungen im Feststellungsbescheid des Versorgungsträgers vom 18. März 2011 auch nur deklaratorischer Charakter zu und eröffnet dem Kläger keinen Rechtsanspruch auf aufgeschlüsselte Speicherung im Versicherungsverlauf unter Übernahme der im Feststellungsbescheid der Zusatzversorgungsträgers vom 18. März 2011 verwendeten Kürzeln. Im Übrigen ist von der Beklagten eine aufgeschlüsselte Speicherung der Entgeltanteile im Versicherungsverlauf in "Pflichtbeitragszeit" (entspricht jeweils im Zeitraum und in der Entgeltsumme der Kennzeichnung durch den Zusatzversorgungsträger mit "Soz.-Pfl.") und "zusätzlicher Arbeitsverdienst" (entspricht jeweils im Zeitraum und in der Entgeltsumme der Kennzeichnung durch den Zusatzversorgungsträger mit "FZR") bereits vorgenommen worden, so dass eine vom Kläger, ohne Darlegung konkreter Anhaltspunkte, nur vermutete künftige Unsicherheit, mit der er ein Rechtsschutzbedürfnis zur Führung des gerichtlichen Verfahrens zu begründen versucht, von Beginn an nicht vorlag und auch gegenwärtig nicht ersichtlich ist.

Wie sich, sowohl aus § 8 Abs. 1 AAÜG als auch aus der, aus einem anderen Berufungsverfahren (L 4 R 777/12) beigezogenen, Auskunft des Zusatzversorgungsträgers vom 17. April 2014 ergibt, hat der Versorgungsträger lediglich, in einem der Rentenfeststellung vorgelagerten, dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 SGB VI ähnlichen, Verfahren Folgendes festzustellen: - die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystems, - die Höhe des aus der vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung oder Tätigkeit beruhenden tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, - die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze in Betracht kommt, und - in den Fällen des § 8 Abs. 1 Satz 3 AAÜG die Zahl von Arbeitsausfalltagen. Darüber hinaus ist der Versorgungsträger weder ermächtigt noch verpflichtet, dem Rentenversicherungsträger weitere Tatsachen verbindlich vorzuschreiben. Aus diesem Grund hat die Aufteilung des zu berücksichtigenden Entgelts in die Kategorien "Soz.-Pfl.", "FZR" und "Versorg." lediglich deklaratorischen Charakter. Die Bindungswirkung der Feststellungen des Versorgungsträgers erstreckt sich nur auf den festgestellten Zeitraum und den in Spalte 1 ("erzieltes Arb.-EG") in Summe festgestellten Arbeitsverdienst.

Die Beklagte hat alle für die Ermittlung des Wertes einer zukünftigen Rentenleistung maßgeblichen Tatsachen festgestellt und die vom Zusatzversorgungsträger ermittelten Entgelte vollständig übernommen. Damit wird die Beklagte auch in die Lage versetzt, eine zukünftige Rente in zutreffender Höhe zu ermitteln. Dies wird vom Kläger auch nicht angegriffen. Durch den Vormerkungsbescheid vom 27. April 2011 ist der Kläger daher in seinen Rechten oder rechtlichen Interessen auch nicht verletzt, so dass kein schutzwürdiges Interesse besteht die Gerichte in Anspruch zu nehmen.

Mit dem Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses, das sich im Allgemeinen ohne weiteres aus der formellen Beschwer eines Versicherten ergibt, der mit seinem Begehren in der Verwaltung oder in vorangegangenen Instanzen unterlegen ist, soll erreicht werden, dass ein Rechtsbehelf nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Betroffenen hieran besteht. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf. Trotz Vorliegens der Beschwer kann in seltenen Ausnahmefällen das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird. Unnütz und deshalb unzulässig ist ein Rechtsbehelf insbesondere dann, wenn durch die angefochtene Entscheidung keine Rechte, rechtlichen Interessen oder sonstigen schutzwürdigen Belange des Rechtsbehelfsführers betroffen sind und die weitere Rechtsverfolgung ihm deshalb offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. dazu insgesamt: BSG, Urteil vom 8. Mai 2005 - B 2 U 3/06 R - JURIS-Dokument, RdNr. 13).

Bereits für die Erhebung der Klage stand dem Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Jegliche Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) voraus. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn unzweifelhaft ist, dass das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde. Das vom Kläger mit der Klage – und ebenso mit der Berufung – verfolgte Ziel, die im Versicherungsverlauf des Vormerkungsbescheides vom 27. April 2011 mit der Kennzeichnung "AAÜG" ausgewiesenen Entgelte stattdessen mit der Kennzeichnung "FZR" zu versehen, bringt dem Kläger keinen Vorteil. Denn die Bindungswirkung eines Vormerkungsbescheides eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung erstreckt sich lediglich auf den Verfügungssatz, d.h. auf die Entscheidung über die Feststellung von rentenversicherungsrechtlich erheblichen Tatbeständen, nicht hingegen auf die Begründung des Bescheides, zu der insbesondere der Versicherungsverlauf gehören. Der Kläger verfolgt hier ausdrücklich nicht das Ziel, den Verfügungssatz (Feststellung rentenversicherungsrechtlich erheblicher Tatbestände) abzuändern. Sein Klagebegehren wirkt sich auch nicht auf einen der Verfügungssätze künftiger Rentenbescheide aus. Er kann keine höhere monatliche Rente oder einen früheren Rentenbeginn mit den begehrten Kennzeichnungen beanspruchen. Die Bezeichnung der Entgelte im Versicherungsverlauf wirkt sich in keiner Weise auf eine zukünftige Rentenhöhe aus. Der Kläger beanstandet lediglich die Darstellung von Berechnungsfaktoren, die sich nach der geltenden Rechtslage nicht auf einen Verfügungssatz auswirken. Auch bei einem erfolgreichen Ausgang des Gerichtsverfahrens erhält er keine Vorteile hinsichtlich der Feststellung rentenversicherungsrechtlich erheblicher Tatbestände.

Auch aus der Rechtsprechung der Vergangenheit (hier z.B. zur sog. "leeren Hülle"), ergibt sich kein Rechtschutzinteresse für die begehrte Tatsachenfeststellung. Sofern der Kläger Nachteile in der Zukunft durch eventuelle Rechts- oder Rechtsprechungsänderungen befürchtet, begehrt er (sinngemäß) vorbeugenden Rechtschutz. Vorbeugender Rechtschutz ist jedoch grundsätzlich wegen der Möglichkeit des nachgehenden Rechtsschutzes gegen die hier befürchteten Nachteile unzulässig. Der Weg zu den Gerichten kann nämlich nicht schon dann beschritten werden, wenn derzeit noch kein Bedarf für einen gerichtlichen Rechtsschutz besteht. Für die hier eingelegte vorbeugende Klage müsste ein qualifiziertes Rechtschutzbedürfnis dargelegt werden, das nicht gegeben ist, wenn der Betreffende auf nachträglichen Rechtschutz verwiesen werden kann. Letzteres ist hier der Fall: Der Kläger hat keine Gründe vorgetragen, wonach es ihm unzumutbar wäre, in den vom ihm befürchteten Fall nachteiliger Rechts- (oder Rechtsprechungs-)änderung, den Erlass von entsprechenden Bescheiden und ggf. Widerspruchsbescheiden sowie die Durchführung ggf. nachfolgender Klageverfahren abzuwarten.

Sofern der Kläger meint, dass ihm durch die von der Beklagten vorgenommene Darstellung der Entgelte zukünftig möglicherweise Rechtsnachteile entstehen, die ihn in seinem Schutz auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes [GG]) verletzen, sei darauf hingewiesen, dass er derzeit durch die Vorschriften in §§ 300 Abs. 1 bis 3 und § 306 Abs. 1 SGB VI hinreichend geschützt wird. Der im § 300 Abs. 1 SGB VI normierte Grundsatz einer durchgängigen Anwendung des jeweils geltenden neuen Rechts wird durch § 300 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VI sowie durch § 306 Abs. 1 SGB VI eingeschränkt. § 306 Abs. 1 SGB VI dient der Rechtssicherheit und begrenzt den mit der Einführung neuen Rechts für die Versicherungsträger ohnehin verbundenen Verwaltungsaufwand. § 300 Abs. 3 SGB VI dient der Abgrenzung: Nur aus Anlass einer Rechtsänderung werden persönliche Entgeltpunkte nicht neu bestimmt. Dem Kläger drohen somit derzeit keine rechtlichen oder wirtschaftlichen Nachteile. Selbst im unwahrscheinlichen Fall einer Rechts- (oder Rechtsprechungs-)änderung kann der Kläger effektiven Rechtschutz über die Möglichkeit des nachgehenden Rechtschutzes erlangen.

Soweit der Kläger zur Begründung seines Rechtsschutzbedürfnisses auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) verweist, können diese Entscheidungen sein Begehren nicht stützen. In dem Revisionsverfahren B 13 R 118/08 R (Urteil vom 6. Mai 2010) ging es um die Frage, inwieweit nach Erlass eines Rentenbescheides für die Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens gegen einen Vormerkungsbescheid noch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht; inhaltlich stand eine Berücksichtigung von Ausbildungs-Anrechnungszeiten in Streit. In dem vom Prozessbevollmächtigten des Klägers weiterhin in Bezug genommenen Revisionsverfahren 4 RA 12/95 (Urteil vom 29. August 1996) war die Höhe einer Altersversorgung ab 1. Juli 1990 und damit die Umwertung einer aus Altersrente des Sozialpflichtversicherung und Zusatzaltersrente bestehenden Bestandsrente Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Aus beiden Revisionsverfahren lassen sich für das vorliegend in Streit stehende Rechtsschutzbegehren des Klägers keine Schlüsse ziehen, denn die Beklagte hat unbestritten alle für die Ermittlung des Wertes des Rechts auf Regelaltersrente maßgeblichen Tatsachen nach geltender Rechtslage festgestellt und wird sie der Berechnung der Rentenhöhe einer zukünftigen Rente zu Grunde legen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Jacobi Lübke Dr. Schnell
Rechtskraft
Aus
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