Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 33 KR 1376/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 05.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2012 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, auch die Kosten für eine Mammareduktionsplastik zu übernehmen. Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme einer Mammareduktionsplastik.
Die 1961 geborene Klägerin litt unter Adipositas per magna bei einem Gewicht von bis zu 188 kg und einer Körpergröße von 171 cm (BMI von 60). 2005 wurde eine operative Magenverkleinerung durchgeführt. Die Kosten wurden von der beklagten Krankenkasse übernommen. Die Klägerin konnte ihr Gewicht dauerhaft reduzieren und hat jetzt ein Gewicht von rund 90 kg. Infolge der Operationen besteht eine ausgeprägte Narbenbildung am Bauch und an den Oberschenkeln.
Im Hinblick auf immer wieder auftretende und rezidivierende nässende Entzündungsprozesse der Haut im Bereich der Brust und funktionale Einschränkungen im Brustbereich und am Oberschenkel beantragte die Klägerin am 15. Juli 2011 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Bauchdeckenstraffung, Oberschenkelstraffung, Brustreduktion und Oberarmstraffung. Der medizinische Dienst der Krankenkassen N. (MDK), der von der Beklagten mit einer gutachterlichen Stellungnahme beauftragt wurde, kam am 29. September 2011 zu dem Ergebnis, dass funktionale Einschränkungen am Bauch- und Oberschenkelbereich nachvollzogen werden könnten, nicht jedoch im Brustbereich und im Bereich der Oberarme.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2011 übernahm die Beklagte die Kosten für eine Bauchdeckenstraffung und eine Straffung der Oberschenkel. Abgelehnt wurden die beantragten Operationen im Bereich der Oberarme und Brust, weil es sich um eine kosmetische Korrektur handele und funktionale Einschränkungen MDK nicht festgestellt worden seien.
Der Widerspruch der Klägerin vom 1. November 2012, in welchem weitere Befundberichte vorgelegt wurden, blieb erfolglos. Nach negativen Stellungnahme des MDK vom 24. Januar 2012, 11. April 2012 und 7. Mai 2012 wonach keine therapiefraktäre Hauterkrankung angenommen werden könne und auch keine orthopädischen Einschränkungen, die nicht auf andere Art und Weise behandelt werden könnten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2012 den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 12. November 2012 erhobene Klage, mit der zunächst die Kostenübernahme einer operativen Oberschenkelstraffung und der Brustreduktion beansprucht wurde. Aus den vorgelegten Befundberichten ergeben sich nach Auffassung der Klägerin funktionale Einschränkungen und immer wieder auftretende Hauterkrankungen-im Brust- und Bauchbereich. Außerdem liege eine Entstellung vor.
Die Klägerin beantragt nach einer Teilklagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2015,
den Bescheid vom 5.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, auch die Kosten für eine Mammareduktionsplastik zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die gutachterlichen Stellungnahmen des MDK.
Die von der Beklagten positiv beschiedenen Maßnahmen hat die Klägerin zwischenzeitlich durchführen lassen.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt (u.a. Befundbericht des Dermatologen Dr. H. vom 24.5.2013, Bl. 21 der Prozessakte) und die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Weiterhin ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der Facharzt für Dermatologie und Allergologie Dr. R. ist in seinem Sachverständigengutachten vom 10. Dezember 2013 zu dem Ergebnis gelangt, dass die begehrte operative Brustverkleinerung die einzige Maßnahme sei, um rezidivierende Hauterkrankungen in diesem Bereich in Zukunft zu verhindern. Die Brüste hingen als Fettschürze weit über der Bauchhaut, die ständig unter Luftabfluss sei, was ein dauerhaftes Problem darstelle und zu Hautentzündungen und Hautinfektionen führe. Gegenwärtig habe bei der Untersuchung nur eine Hautrötung, also eine geringgradige dermatologische Entzündung festgestellt werden können, was daran liege, dass die motivierte Versicherte eine optimale Hautpflege durchführe, die sehr aufwändig sei und eine körperliche gute Verfassung verlange. Trotz dieser optimalen Behandlung sei aus den Befundberichten des behandelnden Hausarztes ersichtlich, dass es immer wieder zu Entzündungen im Brust- und Bauchbereich gekommen sei. Etwas schwieriger gestaltete sich die Situation im Bereich der Oberarme. Auch hier sei aber eine Operation zu befürworten bzw. vertretbar.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Sachverständigengutachten keine therapieresistente Hauterkrankung ergebe, es sei nur eine Rötung festgestellt worden. Eine konstant durchzuführende Hautpflege sei zur Behandlung ausreichend.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. April 2014 hat der Sachverständige die Frage aufgeworfen, ob nur therapieresistente Erkrankungen und Hautveränderungen im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung behandlungsbedürftig seien. Ungeachtet dessen sei aufgrund der Ptosis der Brüste in ausgeprägter Form prognostisch mit zunehmendem Lebensalter durch Elastizitätsverlust der Haut ein chronisches Krankheitsbild in Form eines Intertrigos mit dem Risiko einer bakteriellen und mykotischen Superinfektion zu erwarten. Aus ärztlicher Sicht seien deshalb prophylaktische Maßnahmen vorzuziehen. Es wird inhaltlich Bezug genommen auf das Sachverständigengutachten vom 10. Oktober 2013 und die ergänzende Stellungnahme vom 22. April 2014.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenübernahme der nach der Teilklagerücknahme allein streitgegenständlichen Mammareduktionsplastik.
Gem. § 27 Sozialgesetzbuch- Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 28 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V).
Vorliegend besteht ein Anspruch, weil die Klägerin unter einer behandlungsbedürftigen Krankheit im Sinne des § 27 SGB V leidet, die eine operative Brustverkleinerung erforderlich macht. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Krankheit ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Gesundheitszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf oder arbeitsunfähig macht (BSG vom 10. Februar 1993, BSGE 72, 1996; BSG vom 30. September 1999, BSGE 85, 36). Eine körperliche Funktionsbeeinträchtigung liegt nicht nur beim Verlust oder einer Störung der Körperteile wie Gliedmaßen oder Sinnesorgane, sondern auch bei Krankheiten oder Verletzung mit entstellender Wirkung vor (BSG vom 23. Juli 2002, SozR 3-2500, § 33 Nr. 45). Dabei muss sich der regelwidrige Zustand nicht zwangsläufig auf das zu behandelnde oder zu operierende Körperteil beziehen, sondern es kommt darauf an, ob die Behandlung einer Erkrankung die in Rede stehende Maßnahme erfordert. Bei einem operativen Eingriff an gesunden Körperteilen sind allerdings vorrangig konservative Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen bzw. zu prüfen, ob diese ebenfalls erfolgversprechend sein können.
Gemessen an diesen Kriterien liegt eine behandlungsbedürfte Erkrankung bei der Klägerin vor, bei der eine operative Verkleinerung der Brüste erforderlich ist. Die Brustverkleinerung ist notwendig, um das Auftreten von rezidivierenden Hauterkrankungen in Zukunft zu vermeiden und eine Verschlimmerung der Erkrankung in Form eines Intertrigos, also einer gravierenden Hauterkrankung, zu verhindern.
Das Gericht folgt dabei den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem Sachverständigengutachten vom 10. Dezember 2013 und der ergänzenden Stellungnahme vom 22. April 2014. Er hat dargelegt, dass durch die weit über die Bauchhaut hängenden Brüste eine Fettschürze vorhanden sei und sich in diesem Bereich durch den ständigen Luftabschluss häufig Hautentzündungen und Hautinfektionen bilden würden. Trotz der vorbildlich durchgeführten Hautpflege komme es immer wieder zu diesen entzündlichen Prozessen. Die in Rede stehende Operation sei die einzige Maßnahme, um die immer wieder auftretenden Hautirritationen und Erkrankungen in Zukunft endgültig zu vermeiden. Es bestünde die erhebliche Gefahr aufgrund der Form der Brüste und der hieraus folgenden Fettschürze, dass mit zunehmendem Lebensalter durch den Elastizitätsverlust der Haut ein chronisches Krankheitsbild in Form eines Intertrigos mit allen Komplikationen einer bakteriellen Superinfektion entstehe.
Die vom Sachverständigen festgestellten rezidivierenden Hauterkrankungen und das dargelegte Risiko einer Verschlechterung führen zu einem Behandlungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und erfordern eine operative Brustverkleinerung. Denn der Krankenbehandlungsanspruch des § 27 SGB V umfasst nicht nur die Behandlung einer akuten Erkrankung, sondern auch langfristige Behandlungskonzepte im Rahmen der Behandlung von chronischen Erkrankungen. Darüber hinaus zielt der Anspruch nicht nur auf die Heilung einer Erkrankung, sondern auch auf die Verhütung einer Verschlimmerung.
Die Brustverkleinerung ist einmal erforderlich, um die immer wieder auftretenden Hautinfektionen zu verhindern und zum anderen um eine Verschlimmerung zu verhüten. Die Klägerin ist dabei nicht – wie es die Beklagte meint – auf die jeweils unmittelbare Behandlung der auftretenden Hauterkrankung zu verweisen. Denn die Klägerin hat bereits alle direkten konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und ungeachtet dessen kann nur durch die Operation die drohende Verschlimmerung der Erkrankung verhindert werden.
Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Klägerin in vorbildlicher Art und Weise durch mehrmals tägliches Eincremen der betroffenen Körperteile mit großem Erfolg versuche, das Auftreten von Hauterkrankungen zu vermeiden. Dennoch hat sie nicht verhindern können, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Hautirritationen und Infektionen gekommen ist. Zwar hat der Sachverständige bei der Untersuchung nur eine leichte Hautrötung feststellen können, jedoch ist den eingeholten Befundberichten zu entnehmen, dass es immer wieder zu Hauterkrankungen gekommen ist. Der Sachverständige hat zu Recht in diesem Zusammenhang auf die Befundberichte des Dermatologen Dr. H. (vom 18. Juni 2007, 4. April 2012 und 24. Mai 2013) abgestellt, in denen wiederholt auftretende Entzündungen beschrieben wurden. Trotz der umfassenden Präventionsmaßnahmen der Klägerin ist es demnach nicht gelungen, das Auftreten von rezidivierenden Hauterkrankungen zu vermeiden. Unter Berücksichtigung der erheblichen, vom Sachverständigen anschaulich beschriebenen Gefahr, einer Verschlimmerung kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, nur die jeweiligen Hauterkrankungen dermatologisch zu behandeln, sondern es besteht ein Anspruch auf endgültige Beseitigung des krankhaften Zustandes, auch wenn hierfür ein Eingriff in ein gesundes Körperteil erforderlich ist. Der Sachverständige hat dargelegt, dass aus dermatologischer Sicht die erhebliche Gefahr des Auftretens eines Intertrigos, also chronisch nässender Entzündungen der Haut, bestünde. Hierbei könne es zu schwerwiegenden bakteriellen Entzündungen kommen.
Die vom Sachverständigen dargelegte Begründung ist überzeugend. Denn er hat ausgeführt, dass zum einen die frühere Elastizität der Haut bereits durch die erhebliche Adipositas nicht mehr hergestellt werden könne und andererseits durch die fortschreitende Hautalterung zukünftig nachlasse. Auch sei die durchgeführte Körperpflege sehr aufwändig und verlange eine hohe körperliche Fitness, die mit zunehmendem Lebensalter nicht mehr vorausgesetzt werden könne. Er hat mehrmals hervorgehoben, dass die Klägerin sämtliche konservativen Behandlungspräventionsmöglichkeiten ausgeschöpft habe.
Bei dieser Sachlage besteht nicht nur die abstrakte Möglichkeit einer Verschlechterung, sondern die konkrete Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer chronischen und gravierenden Hauterkrankung. Der Anspruch des Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und des hier einschlägigen § 27 SGB V bezieht sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auch auf die Verhütung einer Verschlimmerung einer Erkrankung. Die Klägerin kann daher nicht darauf verwiesen werden, die auftretenden Hauterkrankungen konservativ zu behandeln und abzuwarten, bis sich eine chronische Erkrankung und ggf. irreparable Schädigungen einstellen. Sie hat vielmehr den Anspruch, auf Kostenübernahme einer Operation, mit deren Hilfe sich der Eintritt einer solchen Folgeerkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeiden lässt. Hinsichtlich der Erfolgsprognose hat der Sachverständige zutreffend darauf abgestellt, dass an den Stellen, an denen bereits Operation durchgeführt worden sind, keine Hauterkrankungen mehr aufgetreten sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz und berücksichtigt das teilweise Unterliegen in Bezug auf die ursprünglich eingeklagte Oberarmstraffung. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die operative Brustverkleinerung aufwändiger und teurer ist, so dass eine anteilige Kostenübernahme der Beklagten von 2/3 angemessen erscheint.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme einer Mammareduktionsplastik.
Die 1961 geborene Klägerin litt unter Adipositas per magna bei einem Gewicht von bis zu 188 kg und einer Körpergröße von 171 cm (BMI von 60). 2005 wurde eine operative Magenverkleinerung durchgeführt. Die Kosten wurden von der beklagten Krankenkasse übernommen. Die Klägerin konnte ihr Gewicht dauerhaft reduzieren und hat jetzt ein Gewicht von rund 90 kg. Infolge der Operationen besteht eine ausgeprägte Narbenbildung am Bauch und an den Oberschenkeln.
Im Hinblick auf immer wieder auftretende und rezidivierende nässende Entzündungsprozesse der Haut im Bereich der Brust und funktionale Einschränkungen im Brustbereich und am Oberschenkel beantragte die Klägerin am 15. Juli 2011 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Bauchdeckenstraffung, Oberschenkelstraffung, Brustreduktion und Oberarmstraffung. Der medizinische Dienst der Krankenkassen N. (MDK), der von der Beklagten mit einer gutachterlichen Stellungnahme beauftragt wurde, kam am 29. September 2011 zu dem Ergebnis, dass funktionale Einschränkungen am Bauch- und Oberschenkelbereich nachvollzogen werden könnten, nicht jedoch im Brustbereich und im Bereich der Oberarme.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2011 übernahm die Beklagte die Kosten für eine Bauchdeckenstraffung und eine Straffung der Oberschenkel. Abgelehnt wurden die beantragten Operationen im Bereich der Oberarme und Brust, weil es sich um eine kosmetische Korrektur handele und funktionale Einschränkungen MDK nicht festgestellt worden seien.
Der Widerspruch der Klägerin vom 1. November 2012, in welchem weitere Befundberichte vorgelegt wurden, blieb erfolglos. Nach negativen Stellungnahme des MDK vom 24. Januar 2012, 11. April 2012 und 7. Mai 2012 wonach keine therapiefraktäre Hauterkrankung angenommen werden könne und auch keine orthopädischen Einschränkungen, die nicht auf andere Art und Weise behandelt werden könnten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2012 den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 12. November 2012 erhobene Klage, mit der zunächst die Kostenübernahme einer operativen Oberschenkelstraffung und der Brustreduktion beansprucht wurde. Aus den vorgelegten Befundberichten ergeben sich nach Auffassung der Klägerin funktionale Einschränkungen und immer wieder auftretende Hauterkrankungen-im Brust- und Bauchbereich. Außerdem liege eine Entstellung vor.
Die Klägerin beantragt nach einer Teilklagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2015,
den Bescheid vom 5.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, auch die Kosten für eine Mammareduktionsplastik zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und die gutachterlichen Stellungnahmen des MDK.
Die von der Beklagten positiv beschiedenen Maßnahmen hat die Klägerin zwischenzeitlich durchführen lassen.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt (u.a. Befundbericht des Dermatologen Dr. H. vom 24.5.2013, Bl. 21 der Prozessakte) und die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Weiterhin ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der Facharzt für Dermatologie und Allergologie Dr. R. ist in seinem Sachverständigengutachten vom 10. Dezember 2013 zu dem Ergebnis gelangt, dass die begehrte operative Brustverkleinerung die einzige Maßnahme sei, um rezidivierende Hauterkrankungen in diesem Bereich in Zukunft zu verhindern. Die Brüste hingen als Fettschürze weit über der Bauchhaut, die ständig unter Luftabfluss sei, was ein dauerhaftes Problem darstelle und zu Hautentzündungen und Hautinfektionen führe. Gegenwärtig habe bei der Untersuchung nur eine Hautrötung, also eine geringgradige dermatologische Entzündung festgestellt werden können, was daran liege, dass die motivierte Versicherte eine optimale Hautpflege durchführe, die sehr aufwändig sei und eine körperliche gute Verfassung verlange. Trotz dieser optimalen Behandlung sei aus den Befundberichten des behandelnden Hausarztes ersichtlich, dass es immer wieder zu Entzündungen im Brust- und Bauchbereich gekommen sei. Etwas schwieriger gestaltete sich die Situation im Bereich der Oberarme. Auch hier sei aber eine Operation zu befürworten bzw. vertretbar.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Sachverständigengutachten keine therapieresistente Hauterkrankung ergebe, es sei nur eine Rötung festgestellt worden. Eine konstant durchzuführende Hautpflege sei zur Behandlung ausreichend.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. April 2014 hat der Sachverständige die Frage aufgeworfen, ob nur therapieresistente Erkrankungen und Hautveränderungen im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung behandlungsbedürftig seien. Ungeachtet dessen sei aufgrund der Ptosis der Brüste in ausgeprägter Form prognostisch mit zunehmendem Lebensalter durch Elastizitätsverlust der Haut ein chronisches Krankheitsbild in Form eines Intertrigos mit dem Risiko einer bakteriellen und mykotischen Superinfektion zu erwarten. Aus ärztlicher Sicht seien deshalb prophylaktische Maßnahmen vorzuziehen. Es wird inhaltlich Bezug genommen auf das Sachverständigengutachten vom 10. Oktober 2013 und die ergänzende Stellungnahme vom 22. April 2014.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenübernahme der nach der Teilklagerücknahme allein streitgegenständlichen Mammareduktionsplastik.
Gem. § 27 Sozialgesetzbuch- Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 28 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V).
Vorliegend besteht ein Anspruch, weil die Klägerin unter einer behandlungsbedürftigen Krankheit im Sinne des § 27 SGB V leidet, die eine operative Brustverkleinerung erforderlich macht. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Krankheit ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Gesundheitszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf oder arbeitsunfähig macht (BSG vom 10. Februar 1993, BSGE 72, 1996; BSG vom 30. September 1999, BSGE 85, 36). Eine körperliche Funktionsbeeinträchtigung liegt nicht nur beim Verlust oder einer Störung der Körperteile wie Gliedmaßen oder Sinnesorgane, sondern auch bei Krankheiten oder Verletzung mit entstellender Wirkung vor (BSG vom 23. Juli 2002, SozR 3-2500, § 33 Nr. 45). Dabei muss sich der regelwidrige Zustand nicht zwangsläufig auf das zu behandelnde oder zu operierende Körperteil beziehen, sondern es kommt darauf an, ob die Behandlung einer Erkrankung die in Rede stehende Maßnahme erfordert. Bei einem operativen Eingriff an gesunden Körperteilen sind allerdings vorrangig konservative Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen bzw. zu prüfen, ob diese ebenfalls erfolgversprechend sein können.
Gemessen an diesen Kriterien liegt eine behandlungsbedürfte Erkrankung bei der Klägerin vor, bei der eine operative Verkleinerung der Brüste erforderlich ist. Die Brustverkleinerung ist notwendig, um das Auftreten von rezidivierenden Hauterkrankungen in Zukunft zu vermeiden und eine Verschlimmerung der Erkrankung in Form eines Intertrigos, also einer gravierenden Hauterkrankung, zu verhindern.
Das Gericht folgt dabei den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem Sachverständigengutachten vom 10. Dezember 2013 und der ergänzenden Stellungnahme vom 22. April 2014. Er hat dargelegt, dass durch die weit über die Bauchhaut hängenden Brüste eine Fettschürze vorhanden sei und sich in diesem Bereich durch den ständigen Luftabschluss häufig Hautentzündungen und Hautinfektionen bilden würden. Trotz der vorbildlich durchgeführten Hautpflege komme es immer wieder zu diesen entzündlichen Prozessen. Die in Rede stehende Operation sei die einzige Maßnahme, um die immer wieder auftretenden Hautirritationen und Erkrankungen in Zukunft endgültig zu vermeiden. Es bestünde die erhebliche Gefahr aufgrund der Form der Brüste und der hieraus folgenden Fettschürze, dass mit zunehmendem Lebensalter durch den Elastizitätsverlust der Haut ein chronisches Krankheitsbild in Form eines Intertrigos mit allen Komplikationen einer bakteriellen Superinfektion entstehe.
Die vom Sachverständigen festgestellten rezidivierenden Hauterkrankungen und das dargelegte Risiko einer Verschlechterung führen zu einem Behandlungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und erfordern eine operative Brustverkleinerung. Denn der Krankenbehandlungsanspruch des § 27 SGB V umfasst nicht nur die Behandlung einer akuten Erkrankung, sondern auch langfristige Behandlungskonzepte im Rahmen der Behandlung von chronischen Erkrankungen. Darüber hinaus zielt der Anspruch nicht nur auf die Heilung einer Erkrankung, sondern auch auf die Verhütung einer Verschlimmerung.
Die Brustverkleinerung ist einmal erforderlich, um die immer wieder auftretenden Hautinfektionen zu verhindern und zum anderen um eine Verschlimmerung zu verhüten. Die Klägerin ist dabei nicht – wie es die Beklagte meint – auf die jeweils unmittelbare Behandlung der auftretenden Hauterkrankung zu verweisen. Denn die Klägerin hat bereits alle direkten konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und ungeachtet dessen kann nur durch die Operation die drohende Verschlimmerung der Erkrankung verhindert werden.
Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Klägerin in vorbildlicher Art und Weise durch mehrmals tägliches Eincremen der betroffenen Körperteile mit großem Erfolg versuche, das Auftreten von Hauterkrankungen zu vermeiden. Dennoch hat sie nicht verhindern können, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Hautirritationen und Infektionen gekommen ist. Zwar hat der Sachverständige bei der Untersuchung nur eine leichte Hautrötung feststellen können, jedoch ist den eingeholten Befundberichten zu entnehmen, dass es immer wieder zu Hauterkrankungen gekommen ist. Der Sachverständige hat zu Recht in diesem Zusammenhang auf die Befundberichte des Dermatologen Dr. H. (vom 18. Juni 2007, 4. April 2012 und 24. Mai 2013) abgestellt, in denen wiederholt auftretende Entzündungen beschrieben wurden. Trotz der umfassenden Präventionsmaßnahmen der Klägerin ist es demnach nicht gelungen, das Auftreten von rezidivierenden Hauterkrankungen zu vermeiden. Unter Berücksichtigung der erheblichen, vom Sachverständigen anschaulich beschriebenen Gefahr, einer Verschlimmerung kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, nur die jeweiligen Hauterkrankungen dermatologisch zu behandeln, sondern es besteht ein Anspruch auf endgültige Beseitigung des krankhaften Zustandes, auch wenn hierfür ein Eingriff in ein gesundes Körperteil erforderlich ist. Der Sachverständige hat dargelegt, dass aus dermatologischer Sicht die erhebliche Gefahr des Auftretens eines Intertrigos, also chronisch nässender Entzündungen der Haut, bestünde. Hierbei könne es zu schwerwiegenden bakteriellen Entzündungen kommen.
Die vom Sachverständigen dargelegte Begründung ist überzeugend. Denn er hat ausgeführt, dass zum einen die frühere Elastizität der Haut bereits durch die erhebliche Adipositas nicht mehr hergestellt werden könne und andererseits durch die fortschreitende Hautalterung zukünftig nachlasse. Auch sei die durchgeführte Körperpflege sehr aufwändig und verlange eine hohe körperliche Fitness, die mit zunehmendem Lebensalter nicht mehr vorausgesetzt werden könne. Er hat mehrmals hervorgehoben, dass die Klägerin sämtliche konservativen Behandlungspräventionsmöglichkeiten ausgeschöpft habe.
Bei dieser Sachlage besteht nicht nur die abstrakte Möglichkeit einer Verschlechterung, sondern die konkrete Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer chronischen und gravierenden Hauterkrankung. Der Anspruch des Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und des hier einschlägigen § 27 SGB V bezieht sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auch auf die Verhütung einer Verschlimmerung einer Erkrankung. Die Klägerin kann daher nicht darauf verwiesen werden, die auftretenden Hauterkrankungen konservativ zu behandeln und abzuwarten, bis sich eine chronische Erkrankung und ggf. irreparable Schädigungen einstellen. Sie hat vielmehr den Anspruch, auf Kostenübernahme einer Operation, mit deren Hilfe sich der Eintritt einer solchen Folgeerkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeiden lässt. Hinsichtlich der Erfolgsprognose hat der Sachverständige zutreffend darauf abgestellt, dass an den Stellen, an denen bereits Operation durchgeführt worden sind, keine Hauterkrankungen mehr aufgetreten sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz und berücksichtigt das teilweise Unterliegen in Bezug auf die ursprünglich eingeklagte Oberarmstraffung. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die operative Brustverkleinerung aufwändiger und teurer ist, so dass eine anteilige Kostenübernahme der Beklagten von 2/3 angemessen erscheint.
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