L 12 AL 4953/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 4389/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 4953/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.10.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.07.2013 bis 25.09.2013.

Der 1969 geborene Kläger sprach am 23.07.2013 bei der Beklagten persönlich vor und stellte einen Antrag auf Insolvenzgeld. Ihm wurde der Antrag auf Insolvenzgeld sowie das Merkblatt 10 (Insolvenzgeld) ausgehändigt. Am 25.07.2013 gab der Kläger den Antrag auf Insolvenzgeld persönlich bei der Beklagten ab. Nachdem der Kläger sich mehrfach mit der Beklagten in Verbindung gesetzt hatte, wurde am 04.09.2013 ein Vorschuss auf künftiges Insolvenzgeld angewiesen. Mit Bescheid vom 04.09.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld in Höhe von 1.083,60 EUR für die Zeit vom 01.07.2013 bis 21.07.2013.

Mit Eröffnungsbeschluss vom 23.07.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers des Klägers eröffnet.

Am 26.09.2013 erschien der Kläger erneut persönlich bei der Beklagten, um sich arbeitslos zu melden. Die Beklagte forderte ihn dabei auf, eine Kündigung oder Freistellung seines Arbeitgebers vorzulegen.

Mit der Arbeitgeberbescheinigung vom 25.10.2013 wurde der Beklagten auch die Kündigung des Klägers übersandt, wonach am 06.08.2013 das Arbeitsverhältnis zum 15.07.2013 wegen Einstellung des Geschäftsbetriebs gekündigt wurde. Eine Rückfrage der Beklagten beim Insolvenzverwalter ergab, dass der letzte Arbeitstag sowie die Freistellung nicht bekannt seien.

Mit Bescheid vom 30.10.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 26.09.2013 bis 18.09.2014 Arbeitslosengeld in Höhe von 30,38 EUR täglich (Bemessungsentgelt 76,93 EUR, Lohnsteuerklasse I, Leistungsentgelt 50,64 EUR täglich, Prozentsatz 60).

Am 11.11.2013 erhob der Kläger Widerspruch. Er habe schon am 23.07.2013 bei der Beklagten vorgesprochen und einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Ihm sei gesagt worden, dass er sich erst wieder melden solle, wenn er eine Kündigung von seinem Arbeitgeber erhalte. Der Arbeitgeber habe mitgeteilt, dass er drei Monate lang Insolvenzgeld erhalten werde. Er sei auch mehrmals bei der Beklagten gewesen und habe sich über Insolvenzgeld informiert, da er Geld für Miete usw. brauche. Anschließend habe er einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld erhalten. Lohn vom Arbeitgeber habe er bis zum 30.06.2013 bekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine persönliche Arbeitslosmeldung sei erst am 26.09.2013 erfolgt. Zwar hätten vor dem 26.09.2013 diverse Vorsprachen stattgefunden, jedoch keinesfalls eine persönliche Arbeitslosmeldung. Bei diesen Vorsprachen sei es ausschließlich um leistungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Antrag auf Insolvenzgeld gegangen.

Zum 26.03.2014 nahm der Kläger erneut eine Beschäftigung auf, woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 28.03.2014 die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufhob. Mit Erstattungsbescheid vom 31.03.2014 wurden vom Kläger 151,90 EUR verlangt, da er ab 26.03.2014 eine Beschäftigung aufgenommen habe und insofern den überzahlten Betrag erstatten müsse.

Am 17.12.2013 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Die Beklagte habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzgeld nicht mehr gezahlt werde und er insoweit Arbeitslosengeld beantragen müsse. Eine Prüfung, ob das Insolvenzverfahren bereits eröffnet gewesen sei, sei nach Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses im Internet am 23.07.2013 ohne weiteres möglich gewesen, was die Beklagte jedoch trotzdem unterlassen habe. Da er während der Bearbeitung des Insolvenzgeldantrages die Kündigung erhalten habe, habe er diese bei der Beklagten abgegeben. Dort sei sie kopiert worden. Man habe ihm jedoch mitgeteilt, dass er sich weiterhin nicht arbeitslos melden könne, da man ja nicht wisse, bis wann er denn gekündigt sei. Die Beklagte hätte ihn auf eine ordnungsgemäße Antragstellung hinweisen müssen, dies habe sie pflichtwidrig unterlassen. Die Beklagte habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld sei nach § 137 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) unter anderem die persönliche Arbeitslosmeldung. Der Kläger habe sich jedoch (was zwischen den Beteiligten unstreitig sei) erst am 26.09.2013 arbeitslos gemeldet. Es könne dahin stehen, ob der Kläger seitens der Beklagten nicht hinreichend auf das Erfordernis der persönlichen Arbeitslosmeldung hingewiesen worden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne eine fehlende persönliche Arbeitslosmeldung nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden.

Gegen den Gerichtsbescheid des SG wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 01.12.2014. Er habe sich rechtzeitig bei der Beklagten eingefunden und dort einen Antrag gestellt, der insoweit lediglich nicht als Arbeitslosmeldung berücksichtigt worden sei, sondern als Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld. In Abweichung zu den vom SG herangezogenen Entscheidungen, gehe es nicht darum, dass er sich gar nicht bei der Behörde eingefunden habe, sondern dass er bei der Behörde gewesen sei, seine Informationen jedoch nicht entsprechend verwertet worden seien. Der Beklagten sei rechtzeitig bekannt gewesen, dass er arbeitslos gewesen sei. Der Antrag auf Insolvenzgeld hätte insoweit im Wege des Meistbegünstigungsprinzips dahingehend ausgelegt werden müssen, dass der Kläger sich arbeitslos gemeldet habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, die rechtliche Unterscheidung zwischen Arbeitslosmeldung und Insolvenzgeldantragstellung zu treffen. Dies sei Aufgabe der Beklagten.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.10.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2013 zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 22.07.2013 bis 25.09.2013 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Eine Arbeitslosmeldung vor dem 26.09.2013 sei nicht erfolgt. Für die Beklagte müsse nach den Umständen des Einzelfalles durch die Äußerungen des Meldenden zweifelsfrei erkennbar sein, dass der Versicherungsfall eingetreten sei. Aus den Vermerken sei ersichtlich, dass der Kläger vor dem 26.09.2013 nicht den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit angezeigt habe, sondern lediglich einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt und sich bei allen Folgegesprächen nur auf die Bearbeitung dieses Antrags bezogen habe. Eine Kündigung bzw. Freistellung sei am 23.07.2013 noch nicht erfolgt gewesen. Die Umdeutung eines Leistungsantrags in eine Willenserklärung komme nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Akte im Verfahren L 12 AL 2585/14 B sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben, der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 29.10.2014 zugestellt, somit hätte die Berufungsfrist mit Ablauf des 29.11.2014 geendet, da es sich hierbei jedoch um einen Samstag handelte, war die am Montag, den 01.12.2014 eingereichte Berufung fristgerecht. Die Berufung ist auch im Übrigen statthaft, da Berufungsausschließungsgründe (vgl. §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –) nicht eingreifen.

Die Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2013 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht Arbeitslosengeld erst ab 26.09.2013 bewilligt, der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 23.07.2014 bis 25.09.2014.

Gemäß § 137 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat sich der persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Die persönliche Arbeitslosmeldung ist danach eine konstitutive Voraussetzung des Leistungsanspruchs und eine Tatsachenerklärung über den Eintritt der Arbeitslosigkeit (u.a. BSG, Urteile vom 14.12.1995 – 11 RAr 75/95 – und vom 23.10.2014 – B 11 AL 7/14 R –, SozR 4-4300 § 125 Nr. 5).

Vorliegend fehlt es an einer persönlichen Arbeitslosmeldung des Klägers bei der Beklagten nach Maßgabe des § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Ab dem (späteren) Zeitpunkt, an dem der Kläger sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hatte, hat die Beklagte ihm Arbeitslosengeld bewilligt.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist in dem Antrag auf Insolvenzgeld vom 23.07.2013 keine Arbeitslosmeldung zu sehen. Auch eine Umdeutung des Antrags (also der Willenserklärung) in die Tatsachenerklärung Arbeitslosmeldung ist nicht möglich. Sinn und Zweck der Arbeitslosmeldung ist, die Agentur für Arbeit davon in Kenntnis zu setzten, dass ein Leistungsfall eingetreten und sachgerechte Vermittlung des Arbeitslosen in die Wege zu leiten ist. Unabhängig von der Frage, ob eine Willenserklärung in eine Tatsachenerklärung umgedeutet werden kann (verneinend LSG Baden- Württemberg, Beschluss vom 27.01.2003 – L 3 AL 4600/02 NZB), ist zumindest in einem Antrag auf Insolvenzgeld keine Erklärung dergestalt zu sehen, dass Arbeitslosigkeit eingetreten ist und Vermittlungsbemühungen seitens der Beklagten einzusetzen haben. Voraussetzung für die Gewährung von Insolvenzgeld ist nämlich gerade, dass noch keine Arbeitslosigkeit eingesetzt hat, der Betroffene also noch Arbeitnehmer ist (vgl. § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Auch in den weiteren Vorsprachen des Klägers ging es um die Bewilligung von Insolvenzgeld und dessen Auszahlung. Dass bei einem dieser Gespräche auch die Kündigung abgegeben wurde, konnte der Senat nicht feststellen, da der Kläger hierzu keine substantiierten Angaben machen konnte.

Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat im Wesentlichen einen dreigliedrigen Tatbestand. Es muss eine Pflichtverletzung vorliegen, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (stRspr; zuletzt BSG, Urteil vom 23.10.2014 – B 11 AL 7/14 R –, SozR 4-4300 § 125 Nr. 5). Selbst wenn man eine Pflichtverletzung der Beklagten bejahen wollte, was bei dem vorliegenden Sachverhalt und dem Begehren des Klägers bei den Vorsprachen, Insolvenzgeld zu erhalten, schon sehr fraglich scheint, so kann nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die fehlende Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden (u.a. BSG, Beschluss vom 07.05.2009 – B 11 AL 72/08 B –, juris; Urteil vom 19.03.1986 – 7 RAr 48/84 –, BSGE 60, 43).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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