L 13 AS 1047/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3332/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1047/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob der Beklagte den Klägern zu 2) und zu 3) auf einen Antrag vom 30. Juni 2013 Leistungen nach dem SGB II im Jahr 2013 zu gewähren hat.

Der 1982 geborene Kläger zu l) steht im laufenden SGB II-Leistungsbezug des Beklagten. Seine mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern, die Kläger zu 2) und 3), erhalten bislang keine SGB II- Leistungen, denn sie beziehen beide Renten wegen Berufsunfähigkeit. Der Kläger zu 1) und seine Eltern, die Kläger zu 2) und 3), leben seit Jahren im eigenen Haus der Eltern (Baujahr 1987) mit einer Wohnfläche von 87 qm (vier Zimmer, Küche, Bad), welches mittels Ölheizung beheizt wird.

Die Kläger zu 2) und 3) beantragten am 30. Juni 2013 Leistungen nach dem SGB II. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2013 ab. Er begründete dies damit, dass keine Hilfebedürftigkeit bestehe. Hiergegen legten die Kläger zu 2) und 3) Widerspruch mit näheren Angaben zu Nebenkosten und Ausgaben für das bewohnte Gebäude ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2013 als unbegründet zurückwies. Es liege übersteigendes Einkommen vor, so dass keine Hilfebedürftigkeit bestehe.

Mit der am 26. September 2013 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung haben sie unter anderem vorgetragen, nach einem Unfall des Klägers zu 1) habe es ein Verfahren vor dem Landgericht Karlsruhe (Az. xxxx) gegen die Mecklenburgische Versicherung gegeben.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2014 abgewiesen. Die Klage des Klägers zu 1) sei wegen fehlendem Rechtschutzbedürfnis bereits unzulässig, da der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid ausschließlich über den Leistungsantrag der Kläger zu 2) und 3) entschieden habe, die mit dem Kläger zu 1) keine Bedarfsgemeinschaft bilden würden.

Die zulässige Klage der Kläger zu 2) und 3) sei unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 22. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 23. August 2013 sei rechtmäßig und verletze sie nicht in ihren Rechten. Ihnen stehe - nach Darlegung der gesetzlichen Voraussetzungen zu §§ 19 Absatz 1 SGB II, § 7 Absätze 1 und 3, 20, 22 SGB II im Einzelnen - kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zu. Der Kläger zu 1), welcher das 30. Lebensjahr vollendet habe, und die Kläger zu 2) und 3) würden zwei eigenständige Bedarfsgemeinschaften (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) bilden.

Ihrem Sohn, dem Kläger zu 1), würden die Kläger zu 2) und 3) kostenlos Unterkunft gewähren, weshalb insoweit § 9 Abs. 5 SGB II Anwendung finde. Im Gegenzug sei, da der Kläger zu 1) hilfebedürftig im Sinne des SGB II sei, in einer ersten Berechnung allerdings zu klären, ob selbst dann, wenn man diesen unberücksichtigt lasse und die Unterkunfts- und Heizkosten nach Kopfteilen nur auf die Kläger zu 2) und zu 3 aufteilen würde, ihr Eigenbedarf aus ihrem Einkommen ohne Berücksichtigung des kostenlos mitversorgten Sohnes gedeckt werden könnten. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre der Bedarf auf die Hausbewohner nach Kopfteilen aufzuteilen, weil dann § 9 Abs. 5 SGB II keine Anwendung finden könnte. Das SG verwies hierzu auf LPK-SGB II § 9 Rn. 55-57 und § 22 Rn. 25, 26. Auf Basis einer - im einzelnen dargestellten- Berechnung aus Angaben der Kläger zum Regelbedarf zur Sicherung des Unterhalts sowie Bedarf für Unterkunft und Heizung ergebe sich ein Gesamtbedarf nach SGB II von insgesamt 895,46 EUR, davon jeweils 447,73 EUR für die Kläger zu 2) und 3). Diesem Gesamtbedarf stehe nach Abzug der Freibeträge von jeweils monatlich 30,00 EUR gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-Verordnung (die tatsächlich geltend gemachten Versicherungsbeiträge würden die Summe des Freibetrages von 30,00 EUR monatlich nicht übersteigen) ein anrechenbares Einkommen des Klägers zu 2) von monatlich 718,41 EUR und der Klägerin zu 3) von monatlich 599,94 EUR gegenüber, mithin von insgesamt 1.318,35 EUR. Hiernach übersteige das anrechenbare Einkommen der beiden Kläger ihren Bedarf um mehr als 400,00 EUR. Es ergebe sich kein Anspruch der Kläger zu 2) und 3) auf Leistungen nach dem SGB II. Sie seien nicht hilfebedürftig gemäß § 9 SBG II.

Gegen den den Klägern am 25. Januar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 25. Februar 2014 beim SG eingelegte Berufung der Kläger. Zur inhaltlichen Begründung der Berufung ist das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft worden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2014 und den Bescheid vom 22. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2013 aufzuheben und ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch ab 1. Juni 2013 bis zum 31. Dezember 2013 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtbescheid für zutreffend sowie die Bescheide für rechtmäßig.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Auch der Kläger zu 1) ist formell beschwert und damit rechtsmittelberechtigt.

Über die Berufung konnte nach mündlicher Verhandlung auch in Abwesenheit der Kläger entschieden werden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet zwar, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündlicher Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung in Abwesenheit eines Beteiligten ist dann ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 110 RdNr 11; BVerwG NVwZ-RR 1995, 549). Dies ist vorliegend der Fall gewesen.

Der Senat konnte daher auch nach mündlicher Verhandlung am 12. Mai 2015 entscheiden. Denn die Ladung enthielt eine entsprechende Belehrung. Zwar ist auch dann, wenn wie vorliegend, das persönliche Erscheinen zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht angeordnet ist, Klägern auf Wunsch die persönliche Teilnahme zu ermöglichen, etwa durch umgehende Bereitstellung eines Tickets.

Angesichts des erst am Werktag vor der mündlichen Verhandlung übermittelt vorgefundenen Begehrens auf Teilnahme der Kläger ließ sich diese vorliegend nicht mehr praktisch realisieren. Denn die Kläger haben weder eine Telefon- noch eine Faxnummer für eine kurzfristige Kontaktmöglichkeit hinterlegt. Solche waren durch die Geschäftsstelle auch nicht kurzfristig zu ermitteln. Die Kläger haben es auch unterlassen, zur Vergewisserung vor der mündlichen Verhandlung noch auf der Geschäftsstelle des Senats anzurufen. Das Verhalten der Kläger ist daher widersprüchlich und offenkundig nur darauf gerichtet, einen Verfahrensfehler zu konstruieren. Die Überlassung eines Tickets für den Personenverkehr oder einer Zahlenkombination für ein elektronisches hinterlegtes Ticket (e-tix) kam daher nicht mehr in Betracht. Im Übrigen ist auch die Bedürftigkeit im Hinblick auf Fahrtkosten nicht nachgewiesen.

Die Terminladungen waren auch mit genügend zeitlichem Vorlauf übermittelt und ausweislich der Postzustellungsurkunde am 10. April 2015 in den Briefkasten eingelegt worden. Der klägerischen Vortrag, diese erst am 10. Mai 2015, einem Sonntag, vorgefunden zu haben, ist nicht glaubhaft und zudem unerheblich, da es auf das Einlegen und nicht auf das Vorfinden ankommt. Die verspätete Mitteilung der Kläger mit der Bitte um Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ist daher auch von diesen selbst zu verantworten.

Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der den Antrag der Kläger zu 2) und 3) vom 30. Juni 2013 ablehnende Bescheid vom 22. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2013. Streitig ist somit der Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Dezember 2013. Der nachfolgende Zeitraum (1. Januar 2014 bis 30. Juni 2014 [Antrag vom 14. Januar 2014 - Bescheid vom 22. Januar 2014]) ist in dem Verfahren L 13 AS 2024/14 anhängig. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger zu 2) und 3) haben keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen, weil bei ihnen bedarfsübersteigendes Einkommen vorliegt. Dem Kläger zu 1) fehlt - unabhängig von der Fragen der eigenen Rechtsverletzung- bereits das Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage, da er nicht der dortigen Bedarfsgemeinschaft angehört.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von den Klägern beanspruchten Zahlungen dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Kläger zu 2) und 3) wegen ausreichendem eigenen Einkommen keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben, die Klage des Klägers zu 1) bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig ist und im Übrigen auch kein die Sachentscheidung in Frage stellender Verfahrensmangel vorliegt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Kläger uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück. Das SG hat die Sach- und Rechtslage zutreffend festgestellt und gewürdigt und ist zum überzeugenden Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II an diese Kläger nicht vorliegen. Dies ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar aus den vom SG getroffenen Erwägungen zur Berechnung der zu gewährenden Leistung.

Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass weitere substantielle Einwendungen den Ausführungen der Berufungsbegründung nicht zu entnehmen gewesen sind. Ein Anspruch auf Leistungen besteht somit nicht.

Da der angefochtene Gerichtsbescheid sonach nicht zu beanstanden ist, weist Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben sind und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved