L 13 AS 2478/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3873/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2478/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Herausgabe einer behaupteten, von der Beklagten eingezogenen "Unfallentschädigung" und die Herstellung einer Krankenversicherung sowie die Kostenübernahme für den Umbau eines Kraftfahrzeugs (Kfz).

Der Kläger zu 1) steht in laufendem SGB II-Leistungsbezug beim Beklagten. Die Kläger zu 2) und 3) sind seine Eltern.

Am 21. Oktober 2013 haben diese Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zugleich einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung haben sie auf verschiedene Lebenssachverhalte und Rechtsauffassungen hingewiesen.

Sie haben erstinstanzlich wörtlich beantragt:

1. "sofortige Herausgabe der Unfallentschädigung durch Bundesagentur für Arbeit und Kreissozialamt, sofortige " angemessene Abschlagszahlungen" auf den seit November 2004 (!) angefallenen Zahlungsrückstand (anwaltlich beziffert im Deckungsprozess xxx als " Mindestansprüche des Geschädigten" mit " 266.000 EUR, Stand 30.6.2012" - für den die Stelle der zu 100% verurteilten M. Versicherungsgesellschaft getreten ist".

2. Herstellung der "unfallbedingten Krankenversicherung" des unfallgeschädigten Ch. B. - sofortige Herreichung der Kostenübernahmeerklärung für sämtliche jetzt notwendige Behandlungen und Operationen der mit Behandlungsverweigerung produzierten- bis zum Gerichtsgutachter des Landgerichtes Karlsruhe dokumentierten Schädigung. Sofortige Herreichung der Kosten für den medizinisch notwendigen Transport mit dem Pkw" den seit 2006 ! notwendigen Umbaus des Kfz des Unfallgeschädigten, damit der Unfallgeschädigte wieder selbst fahren kann.

3. Sofortige Beiordnung des regel-, fristgerecht und mit Rechtsanspruch beantragten Anwalt"

Der Beklagte hat bezogen auf die beim SG gestellten Anträge vorgetragen, er führe seit 1. Januar 2012 Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers zu 1) an die Techniker- Krankenkasse ab. Von 2007 bis 31. Dezember 2011 habe zuvor die Agentur für Arbeit die Beiträge abgeführt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. März 2014 abgewiesen. Zum Rechtsmittel wurde über die Beschwerde belehrt. Der auf Herausgabe der "Unfallentschädigung" gerichtete Antrag sei wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Das SG habe über diesen Antrag bereits mit Beschluss vom 3. September 2012 (S 13 AS 3095 ER) - ablehnend - entschieden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers zu 1) habe das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 11. Oktober 2012 zurückgewiesen. Ein neuer Antrag über denselben Gegenstand zwischen denselben Beteiligten sei nicht zulässig. Insoweit hat das SG auch auf die Gründe des Beschlusses vom 7. November 2013 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 9 AS 3635/13 ER) und den Beschluss des Landessozialgerichts vom 18. Dezember 2013 (L 3 AS 5387/13 ER-B) Bezug genommen.

Hinsichtlich des auf Herstellung der "unfallbedingten Krankenversicherung" des Klägers zu 1) gerichteten Antrags fehle es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Kläger zu 1) sei seit 2007 über den Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger durchgängig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) krankenversichert. Hiernach bestehe auch keine Notwendigkeit, sich ggf. freiwillig gegen das Risiko der Krankheit zu versichern.

In Bezug auf die begehrten Kosten zum Umbau des Kraftfahrzeugs des Klägers zu 1) " für den medizinisch notwendigen Transport mit dem PKW" seit 2006 bzw. zur Wahrnehmung eines "unfallbedingten" Arzttermins sei eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. Im Übrigen hat das SG ebenfalls auf die Gründe des Beschlusses des SG vom 7. November 2013 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 9 AS 3635/13 ER) Bezug genommen.

Soweit der Kläger zu 1) mit Schreiben vom 6. Januar 2014 noch die privatärztliche Behandlung der Unfallverletzungen zur Wiederherstellung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit begehre, sei hier ebenfalls keine Grundlage für einen Anspruch gegen den Beklagten ersichtlich.

Soweit die Klage auch von den Eltern des Klägers zu 1) unterzeichnet worden sei, fehle es im Übrigen bereits an der Erfolgsaussicht der Klage, weil die Kläger zu 2) und zu 3) nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II seien. Gegen den am 13. März 2014 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 25. Mai 2014 Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Sie machen u.a. sinngemäß geltend, ihnen stünden Ansprüche auf "sofortige Herausgabe der Unfallentschädigung durch Bundesagentur für Arbeit und Kreissozialamt", "sofortige angemessene Abschlagszahlung" sowie "Herstellung der unfallbedingten Krankenversicherung" gegen den Beklagten zu.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. März 2014 aufzuheben und

1) "sofortige Herausgabe der Unfallentschädigung durch Bundesagentur für Arbeit und Kreissozialamt, sofortige " angemessene Abschlagszahlungen" auf den seit November 2004 (!) angefallenen Zahlungsrückstand (anwaltlich beziffert im Deckungsprozess xxxx als " Mindestansprüche des Geschädigten" mit " 266.000 EUR, Stand 30.6.2012" - für den die Stelle der zu 100% verurteilten M. Versicherungsgesellschaft getreten ist".

2) Herstellung der "unfallbedingten Krankenversicherung" des unfallgeschädigten Ch. B. - sofortige Herreichung der Kostenübernahmeerklärung für sämtliche jetzt notwendige Behandlungen und Operationen der mit Behandlungsverweigerung produzierten- bis zum Gerichtsgutachter des Landgerichtes Karlsruhe dokumentierten Schädigung. Sofortige Herreichung der Kosten für den medizinisch notwendigen Transport mit dem Pkw" den seit 2006 ! notwendigen Umbaus des Kfz des Unfallgeschädigten, damit der Unfallgeschädigte wieder selbst fahren kann.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und der erstinstanzlichen Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG eingelegte Berufung der Kläger ist zwar zulässig, obwohl die Berufungsfrist nicht eingehalten worden ist.

Der Gerichtsbescheid vom 6. März 2014 ist ausweislich der Postzustellungsurkunde am 13. März 2014 in den Briefkasten der Kläger eingelegt worden. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme ergeben sich nicht. Die Monatsfrist zur Einlegung der Berufung hat am 14. März 2014 begonnen und endete an sich am So., 13. April 2014 um 24.00 Uhr. Wegen des Fristendes an einem Sonntag verlängerte sich die Frist bis Mo., 14. April 2014, § § 64 Abs. 3 SGG. Ausweislich des Posteingangsstempels ist die Einlegung der Berufung im Laufe des 25. Mai 2014 beim LSG erfolgt. Damit ist die Monatsfrist nicht gewahrt.

Allerdings ist der Gerichtbescheid vom 6. März 2014 mit der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung der Beschwerde § 172 SGG versehen worden. Die Monatsfrist ist damit nicht in Gang gesetzt worden. Vielmehr gilt bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung die Jahresfrist, § 66 Abs. 2 SGG zur Einlegung des zutreffenden Rechtsmittels. Diese ist vorliegend gewahrt.

Auf die zugleich beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 67 Abs. 1 SGG kommt es daher nicht mehr an. Denn Gründe hierfür wären im Übrigen weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht, § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG.

Über die Berufung konnte nach mündlicher Verhandlung auch in Abwesenheit der Kläger entschieden werden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet zwar, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündlicher Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung in Abwesenheit eines Beteiligten ist dann ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 110 RdNr 11; BVerwG NVwZ-RR 1995, 549). Dies ist vorliegend der Fall gewesen.

Der Senat konnte daher auch nach mündlicher Verhandlung am 12. Mai 2015 entscheiden. Denn die Ladung enthielt eine entsprechende Belehrung. Zwar ist auch dann, wenn wie vorliegend, das persönliche Erscheinen zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht angeordnet ist, Klägern auf Wunsch die persönliche Teilnahme zu ermöglichen, etwa durch umgehende Bereitstellung eines Tickets.

Angesichts des erst am Werktag vor der mündlichen Verhandlung übermittelt vorgefundenen Begehrens auf Teilnahme der Kläger ließ sich diese vorliegend nicht mehr praktisch realisieren. Denn die Kläger haben weder eine Telefon- noch eine Faxnummer für eine kurzfristige Kontaktmöglichkeit hinterlegt. Solche waren durch die Geschäftsstelle auch nicht kurzfristig zu ermitteln. Die Kläger haben es auch unterlassen, zur Vergewisserung vor der mündlichen Verhandlung noch auf der Geschäftsstelle des Senats anzurufen. Das Verhalten der Kläger ist daher widersprüchlich und offenkundig nur darauf gerichtet, einen Verfahrensfehler zu konstruieren. Die Überlassung eines Tickets für den Personenverkehr oder einer Zahlenkombination für ein elektronisches hinterlegtes Ticket (e-tix) kam daher nicht mehr in Betracht. Im Übrigen ist auch die Bedürftigkeit im Hinblick auf Fahrtkosten nicht nachgewiesen.

Die Terminsladungen waren auch mit genügend zeitlichem Vorlauf übermittelt und ausweislich der Postzustellungsurkunde am 10. April 2015 in den Briefkasten eingelegt worden. Der klägerischen Vortrag, diese erst am 10. Mai 2015, einem Sonntag, vorgefunden zu haben, ist nicht glaubhaft und zudem unerheblich, da es auf das Einlegen und nicht auf das Vorfinden ankommt. Die verspätete Mitteilung der Kläger mit der Bitte um Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ist daher auch von diesen selbst zu verantworten.

Die Berufung der Kläger hat jedoch keinen Erfolg. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Gegenstand der Leistungsklage sind die erstinstanzlich gestellten Anträge der Kläger. Die Kläger haben keinen weiteren Ansprüche gegen den Beklagten auf Unterlassungen oder Handlungen.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von den Kläger beanspruchten Zahlungen bzw. Handlungen dargelegt, sofern diese prozessual geltend gemacht werden können, und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf eine näher bezeichnete Herausgabe einer Unfallentschädigung oder Herstellung eines weiteren Krankenversicherungsschutzes. Im Übrigen liegt auch kein die Sachentscheidung in Frage stellender Verfahrensmangel vor.

Das SG hat in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids vom 6. März 2014 die rechtlichen Grundlagen für das dort von den Klägern erhobenen Begehren u. a. auf "sofortige Herausgabe der Unfallentschädigung durch Bundesagentur für Arbeit und Kreissozialamt", "sofortige angemessene Abschlagszahlung" sowie "Herstellung der unfallbedingten Krankenversicherung" des Klägers zu 1) dargelegt und zutreffend ausgeführt, aus welchen Gründen das Begehren erfolglos bleiben musste.

Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Kläger uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass weitere substantielle Einwendungen den Ausführungen der Berufungsbegründung nicht zu entnehmen gewesen sind.

Da der angefochtene Gerichtsbescheid sonach nicht zu beanstanden ist, weist Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben sind und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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