Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 KR 831/04
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 37/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selber tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. 4. Der Streitwert beträgt 8.828,54 Euro.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) nach Schweizer Recht, deren alleiniger Gesellschafter Herr E. ist. Der Beigeladene zu 1. war auf der Grundlage des Vertrages vom 9./17. April 2001 seit dem 1. Mai 2001 bei der unselbständigen Zweigniederlassung der Klägerin in Deutschland beschäftigt und war dabei bis zu dem Ende der Tätigkeit, abgesehen von einem Projekt in Ö., für die Klägerin in Deutschland tätig, wobei er hier auch sein Büro und seinen Wohnsitz hatte. Vereinbart war ein Bruttogehalt von 6300,- DM = ca. 3221,- Euro. Gezahlt wurde offensichtlich ein Gehalt von knapp 2130,- Euro (vgl. z.B. Kontoauszug Bl. 4 VA mit Gehaltszahlung für Dezember 2001). Für die Zeit bis 31. Dezember 2001 war der Beigeladene zu 1. sozialversicherungsrechtlich in Deutschland gemeldet und es wurden an die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
Zum 5. Januar 2002 wurde dem Beigeladenen zu 1. ein neuer Vertrag direkt mit der Beklagten für die Zeit ab 1. Januar 2002 vorgelegt, da die unselbständige Zweigniederlassung in Deutschland zum 31. Dezember 2001 geschlossen wurde. In diesem Vertrag wurde ausdrücklich ausgeführt, dass der Vertrag von der Zweigniederlassung übernommen werde. Es wurde ein Bruttogehalt von 3220,- (vom Beigeladenen zu 1. zur Verwaltungsakte gereichte Version) bzw. 3300,- (von der Klägerin zur Verwaltungsakte gereichte Version) in kundenprojektfreien Zeiten und von 4085,- Euro während Kundenprojekten vereinbart. Des Weiteren findet sich dort die Formulierung: "Die Arbeitsvergütung wird Brutto gleich Netto ausbezahlt. Der Mitarbeiter unterliegt den steuerlichen und sozialrechtlichen Bestimmungen des Landes seines Wohnortes und führt die für ihn sinnvollen und notwendigen Abgaben eigenständig ab."
Dieser neue Vertrag wurde von dem Beigeladenen zu 1. nie unterschrieben. Vielmehr wurde das Arbeitsverhältnis weitergelebt wie zuvor. D.h., der Beigeladene zu 1. erhielt weiterhin knapp 2130,- Euro überwiesen. Allerdings war der Beigeladene zu 1. nicht mehr sozialversicherungsrechtlich gemeldet und es wurden keine Sozialversicherungsbeiträge mehr an die Beklagte abgeführt.
Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 31. Oktober 2002. Mit Beitragsbescheid vom 20. September 2002 setzte die Beklagte die von der Klägerin für den Beigeladenen zu 1. für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. August 2002 zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge unter Zugrundelegung eines Nettomonatsentgelts von 1761,65 EUR für den Januar 2002 und von 1758,95 EUR für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis 31. August 2002 in Höhe von 5883,06 EUR zzgl. 252,- EUR Säumniszuschläge fest.
Nach dem Widerspruch der Klägerin erließ die Beklagte mehrere Änderungsbescheide (Bescheide vom 6. November 2002, 27. November 2002 und 19. September 2003). Zuletzt setzte sie mit Bescheid vom 5. März 2004 die von der Klägerin für den Beigeladenen zu 1. zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge auf 7353,54 EUR zuzüglich bis zum 15. Februar 2004 errechneter Säumniszuschläge in Höhe von 1435,- EUR und Mahngebühren in Höhe von 40,- EUR fest.
Den Widerspruch wies die Beklagte sodann im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2004 zurück.
Die hiergegen am 3. August 2004 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 30. November 2010 abgewiesen. Die streitigen Beitragsbescheide seien zu Recht ergangen. Entgegen der Ansicht der Klägerin finde das deutsche Sozialversicherungsrecht Anwendung. Dies ergebe sich aus § 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach würden die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht, die eine Beschäftigung voraussetzten, für alle Personen gelten, die in Deutschland beschäftigt seien. Dies sei vorliegend der Fall, da der Beigeladene zu 1. während der streitigen Zeit im Rahmen des mit der Klägerin bestehenden Beschäftigungsverhältnisses überwiegend in Deutschland gearbeitet habe. Regelungen des über- bzw. zwischenstaatlichen Rechts, die der Regelung des § 3 Nr. 1 SGB IV vorgehen könnten, seien nicht ersichtlich. Sowohl das bis zum 31. Mai 2002 anzuwendende Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (Abkommen von 1964) als auch die aufgrund des Abkommens zwischen der europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen) seit dem 1. Juni 2002 geltende Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 würden regeln, dass bei einer abhängig beschäftigten Person für die Sozialversicherungspflicht die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsortes maßgebend seien. Die Vorschrift des Art. 109 Satz 1 VO (EWG) Nr. 574/72, nach der Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Sozialversicherungsabgaben vereinbaren können, finde mangels einer solchen Vereinbarung vorliegend keine Anwendung. Schließlich sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die festgesetzten Beträge unzutreffend seien.
Mit der am 16. März 2011 eingelegten Berufung macht die Klägerin folgendes geltend: Die geschlossene unselbstständige Zweigstelle in Deutschland habe keine eigene Rechtspersönlichkeit gehabt. Alle Verträge, auch der Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen seien daher mit der Klägerin als Inhaberin der unselbstständigen Zweigstelle geschlossen worden. Nach dem Schließen der Zweigstelle hätten daher alle Verträge mit der Klägerin weiterbestanden. Gemäß dem bestehenden bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland gelte das Wohnort- und Arbeitsort-Prinzip. Sozialversicherungsmäßig bedeute dies, dass der Arbeitnehmer in Deutschland wie ein Freiberufler behandelt werde. Er unterliege nicht der Rentenversicherungspflicht und der Arbeitslosenversicherung, sondern nur der freiwilligen Krankenversicherung. Es bestehe eine uneinheitliche Abwicklungspraxis bei den Krankenkassen bei deutschen Arbeitnehmern, immer sei es jedoch so, dass nicht der ausländische Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen habe. Unter Berücksichtigung der Regelungen der VO EWG 1408/71 und 574/72 ergebe sich, dass der Arbeitnehmer als Arbeitgeber im Inland fungiere. Er erhalte eine Betriebsnummer durch die Krankenkasse, über die er eigenständig die Beiträge zu den einzelnen Sozialversicherungssparten an die Krankenkasse abzuführen habe.
Der Kläger beantragt nach Aktenlage sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts vom 30. November 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2002, geändert durch die Bescheide vom 6. November 2002, 27. November 2002, 19. September 2003 und 5. März 2004, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2015, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die streitgegenständlichen Beitragsbescheide sind nicht zu beanstanden. Zu Recht sind die Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1. für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Oktober 2002 gegenüber der Klägerin festgesetzt worden.
Das Sozialgericht hat in seiner Entscheidung alle rechtlich wesentlichen Gesichtspunkte angesprochen und zutreffend beurteilt. Hierauf wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Zentrale Frage des Rechtstreits ist, ob auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Beklagte das deutsche Sozialversicherungsrecht Anwendung findet. Dies ist zu bejahen.
Grundsätzlich gelten nach § 3 Nr. 1 SGB IV die deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung für alle Personen, die im Geltungsbereich des Gesetzes beschäftigt sind (Territorialitätsprinzip). Bei einem Vollzug des Beschäftigungsverhältnisses im Inland gilt grundsätzlich deutsches Sozialversicherungsrecht. Dies ist hier der Fall, weil der Beigeladene ganz überwiegend in Deutschland seine Tätigkeit ausgeübt hat.
Eine Ausnahme vom Territorialitätsprinzip gemäß §§ 4, 5 SGB IV greift hier nicht ein. Gemäß § 5 SGB IV gelten die deutschen Vorschriften nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder des Vertrags voraussichtlich zeitlich begrenzt ist (Einstrahlung). Umgekehrt gilt Entsprechendes für die in § 4 SGB IV geregelten Fälle der Entsendung in das Ausland (Ausstrahlung). Im Falle des Beigeladenen lag weder eine Ausstrahlung noch eine Einstrahlung vor. Der Beigeladene wurde nicht nach Deutschland entsandt, sondern wohnte hier und hat hier auch gearbeitet. Erst Recht wurde er daher auch nicht in ein anderes Land, z.B. die Schweiz, entsandt. Hierauf hat die Beklagte zutreffend bereits in ihrem Schreiben vom 29. Oktober 2002 hingewiesen.
Die Anwendung deutschen Sozialversicherungsrechts ergibt sich – worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat – auch aus internationalem Recht, das gemäß § 6 SGB IV dem deutschen Recht vorgeht.
Insoweit hat das Sozialgericht völlig zutreffend für die Zeit bis 31. Mai 2002 auf Art. 5 des Deutsch-Schweizer Abkommens vom 25. Februar 1964 und für die Zeit ab 1. Juni 2002 auf Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a) der VO (EWG) Nr. 1408/71 abgestellt, der über Art. 8 i.V.m. dem Anhang II des Freizügigkeitsabkommens vom 21. Juni 1999 Anwendung findet. Diese Regelungen haben zur Konsequenz, dass ein von einer Schweizer Gesellschaft beschäftigter deutscher Arbeitnehmer, welcher seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält und regelmäßig hier arbeitet, der deutschen Sozialversicherung unterliegt. Die Schweizer Gesellschaft muss sich dann bei der zuständigen deutschen Sozialversicherungsbehörde registrieren und nach den deutschen Rechtsvorschriften Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und abführen (vgl. Nordin/ Fünfschilling, Der Schweizer Treuhänder, Heft 5/2011, S. 421 (422)).
So hat es die Klägerin bis zum 31. Dezember 2001 gehandhabt. Wie sie selber angibt, handelte es sich bei der Zweigniederlassung in Deutschland um eine unselbständige Niederlassung ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Damit bestand faktisch die ganze Zeit ein Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin selbst und es ist zum Jahreswechsel 2001/2002 keine wesentliche Änderung eingetreten. In der Berufungsbegründung vom 17. September 2011 führt die Klägerin auch selbst die genannten Vorschriften an. Wie sie daraus die Schlussfolgerung ableitet, der Arbeitnehmer fungiere als Arbeitgeber im Inland mit den entsprechenden beitragsrechtlichen Pflichten, ist nicht nachvollziehbar. Hierfür gibt es keinerlei rechtlichen Anhaltspunkt. Es besteht nur die Möglichkeit, nach Art. 109 Satz 1 VO (EWG) Nr. 574/72 (anwendbar ebenfalls über Art. 8 i.V.m. dem Anhang II des Freizügigkeitsabkommens vom 21. Juni 1999) eine Vereinbarung zu treffen, nach der der Arbeitnehmer die Beiträge selbst zahlt. Diesen Weg wollte die Klägerin ganz offensichtlich mit dem neuen Vertrag vom Januar 2002 beschreiten. Dieser Vertrag wurde jedoch von dem Beigeladenen zu 1. nie unterschrieben. Eine entsprechende Vereinbarung ist daher nicht zustande gekommen.
Es gibt auch keine sonstigen Umstände, die gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung als solcher sprechen.
Die Beklagte ist dabei letztlich – wie auch schon in den ersten Bescheiden vom 20. September 2002 und 6. November 2002 – im Bescheid vom 5. März 2004, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2004, von dem tatsächlich gezahlten Gehalt in Höhe von ca. 2130,- Euro als Bruttogehalt ausgegangen. Dabei wurde verkannt, dass es sich bereits um eine Nettozahlung handelte (vgl. Berechnung Bl. 39 VA und Hinweis auf Seite 2 3. Absatz des Widerspruchsbescheides). Die Beklagte ist damit schon von einem deutlich zu niedrigen Einkommen ausgegangen, so dass nicht ersichtlich ist, dass die festgesetzten Beiträge zu hoch wären. Dergleichen hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Gleiches gilt für die Säumniszuschläge und Mahnkosten. Ergänzend ist dabei darauf hinzuweisen, dass auch bei Berücksichtigung des in dem abgeschlossenen Vertrag vom 9./16. April 2001 vereinbarten Bruttogehaltes von ca. 3221,- Euro nicht etwa die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze entfallen wäre. Denn die Grenze lag in 2002 bei 3375,- Euro.
Schließlich ist hinsichtlich des Vortrags der Klägerin, eine Beitragserhebung bei ihr stehe § 28m SGB IV entgegen, darauf hinzuweisen, dass diese Norm so genannte exterritoriale Arbeitgeber betrifft. Dies sind amtliche Vertretungen ausländischer Staaten, exterritoriale Einzelpersonen (z.B. Botschafter) und über- und zwischenstaatliche Organisationen (vgl. §§ 18-20 GVG und Mette, in: Beck´scher Onlinekommentar Sozialrecht, SGB IV, § 28m Rn. 4). Dazu gehört die Klägerin sicherlich nicht. Zudem betrifft § 28m SGB IV die Frage der Durchsetzung eines Beitragsanspruches und dürfte daher der Beitragsfestsetzung nicht entgegenstehen (insoweit nicht zutreffend: LSG B-W, Urt. v. 17.02.2012 – L 4 R 617/10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben und damit kein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen sind, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) nach Schweizer Recht, deren alleiniger Gesellschafter Herr E. ist. Der Beigeladene zu 1. war auf der Grundlage des Vertrages vom 9./17. April 2001 seit dem 1. Mai 2001 bei der unselbständigen Zweigniederlassung der Klägerin in Deutschland beschäftigt und war dabei bis zu dem Ende der Tätigkeit, abgesehen von einem Projekt in Ö., für die Klägerin in Deutschland tätig, wobei er hier auch sein Büro und seinen Wohnsitz hatte. Vereinbart war ein Bruttogehalt von 6300,- DM = ca. 3221,- Euro. Gezahlt wurde offensichtlich ein Gehalt von knapp 2130,- Euro (vgl. z.B. Kontoauszug Bl. 4 VA mit Gehaltszahlung für Dezember 2001). Für die Zeit bis 31. Dezember 2001 war der Beigeladene zu 1. sozialversicherungsrechtlich in Deutschland gemeldet und es wurden an die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
Zum 5. Januar 2002 wurde dem Beigeladenen zu 1. ein neuer Vertrag direkt mit der Beklagten für die Zeit ab 1. Januar 2002 vorgelegt, da die unselbständige Zweigniederlassung in Deutschland zum 31. Dezember 2001 geschlossen wurde. In diesem Vertrag wurde ausdrücklich ausgeführt, dass der Vertrag von der Zweigniederlassung übernommen werde. Es wurde ein Bruttogehalt von 3220,- (vom Beigeladenen zu 1. zur Verwaltungsakte gereichte Version) bzw. 3300,- (von der Klägerin zur Verwaltungsakte gereichte Version) in kundenprojektfreien Zeiten und von 4085,- Euro während Kundenprojekten vereinbart. Des Weiteren findet sich dort die Formulierung: "Die Arbeitsvergütung wird Brutto gleich Netto ausbezahlt. Der Mitarbeiter unterliegt den steuerlichen und sozialrechtlichen Bestimmungen des Landes seines Wohnortes und führt die für ihn sinnvollen und notwendigen Abgaben eigenständig ab."
Dieser neue Vertrag wurde von dem Beigeladenen zu 1. nie unterschrieben. Vielmehr wurde das Arbeitsverhältnis weitergelebt wie zuvor. D.h., der Beigeladene zu 1. erhielt weiterhin knapp 2130,- Euro überwiesen. Allerdings war der Beigeladene zu 1. nicht mehr sozialversicherungsrechtlich gemeldet und es wurden keine Sozialversicherungsbeiträge mehr an die Beklagte abgeführt.
Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 31. Oktober 2002. Mit Beitragsbescheid vom 20. September 2002 setzte die Beklagte die von der Klägerin für den Beigeladenen zu 1. für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. August 2002 zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge unter Zugrundelegung eines Nettomonatsentgelts von 1761,65 EUR für den Januar 2002 und von 1758,95 EUR für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis 31. August 2002 in Höhe von 5883,06 EUR zzgl. 252,- EUR Säumniszuschläge fest.
Nach dem Widerspruch der Klägerin erließ die Beklagte mehrere Änderungsbescheide (Bescheide vom 6. November 2002, 27. November 2002 und 19. September 2003). Zuletzt setzte sie mit Bescheid vom 5. März 2004 die von der Klägerin für den Beigeladenen zu 1. zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge auf 7353,54 EUR zuzüglich bis zum 15. Februar 2004 errechneter Säumniszuschläge in Höhe von 1435,- EUR und Mahngebühren in Höhe von 40,- EUR fest.
Den Widerspruch wies die Beklagte sodann im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2004 zurück.
Die hiergegen am 3. August 2004 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 30. November 2010 abgewiesen. Die streitigen Beitragsbescheide seien zu Recht ergangen. Entgegen der Ansicht der Klägerin finde das deutsche Sozialversicherungsrecht Anwendung. Dies ergebe sich aus § 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach würden die deutschen Vorschriften über die Versicherungspflicht, die eine Beschäftigung voraussetzten, für alle Personen gelten, die in Deutschland beschäftigt seien. Dies sei vorliegend der Fall, da der Beigeladene zu 1. während der streitigen Zeit im Rahmen des mit der Klägerin bestehenden Beschäftigungsverhältnisses überwiegend in Deutschland gearbeitet habe. Regelungen des über- bzw. zwischenstaatlichen Rechts, die der Regelung des § 3 Nr. 1 SGB IV vorgehen könnten, seien nicht ersichtlich. Sowohl das bis zum 31. Mai 2002 anzuwendende Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (Abkommen von 1964) als auch die aufgrund des Abkommens zwischen der europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen) seit dem 1. Juni 2002 geltende Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 würden regeln, dass bei einer abhängig beschäftigten Person für die Sozialversicherungspflicht die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsortes maßgebend seien. Die Vorschrift des Art. 109 Satz 1 VO (EWG) Nr. 574/72, nach der Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Sozialversicherungsabgaben vereinbaren können, finde mangels einer solchen Vereinbarung vorliegend keine Anwendung. Schließlich sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die festgesetzten Beträge unzutreffend seien.
Mit der am 16. März 2011 eingelegten Berufung macht die Klägerin folgendes geltend: Die geschlossene unselbstständige Zweigstelle in Deutschland habe keine eigene Rechtspersönlichkeit gehabt. Alle Verträge, auch der Arbeitsvertrag mit dem Beigeladenen seien daher mit der Klägerin als Inhaberin der unselbstständigen Zweigstelle geschlossen worden. Nach dem Schließen der Zweigstelle hätten daher alle Verträge mit der Klägerin weiterbestanden. Gemäß dem bestehenden bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland gelte das Wohnort- und Arbeitsort-Prinzip. Sozialversicherungsmäßig bedeute dies, dass der Arbeitnehmer in Deutschland wie ein Freiberufler behandelt werde. Er unterliege nicht der Rentenversicherungspflicht und der Arbeitslosenversicherung, sondern nur der freiwilligen Krankenversicherung. Es bestehe eine uneinheitliche Abwicklungspraxis bei den Krankenkassen bei deutschen Arbeitnehmern, immer sei es jedoch so, dass nicht der ausländische Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen habe. Unter Berücksichtigung der Regelungen der VO EWG 1408/71 und 574/72 ergebe sich, dass der Arbeitnehmer als Arbeitgeber im Inland fungiere. Er erhalte eine Betriebsnummer durch die Krankenkasse, über die er eigenständig die Beiträge zu den einzelnen Sozialversicherungssparten an die Krankenkasse abzuführen habe.
Der Kläger beantragt nach Aktenlage sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts vom 30. November 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2002, geändert durch die Bescheide vom 6. November 2002, 27. November 2002, 19. September 2003 und 5. März 2004, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2015, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die streitgegenständlichen Beitragsbescheide sind nicht zu beanstanden. Zu Recht sind die Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1. für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Oktober 2002 gegenüber der Klägerin festgesetzt worden.
Das Sozialgericht hat in seiner Entscheidung alle rechtlich wesentlichen Gesichtspunkte angesprochen und zutreffend beurteilt. Hierauf wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Zentrale Frage des Rechtstreits ist, ob auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Beklagte das deutsche Sozialversicherungsrecht Anwendung findet. Dies ist zu bejahen.
Grundsätzlich gelten nach § 3 Nr. 1 SGB IV die deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung für alle Personen, die im Geltungsbereich des Gesetzes beschäftigt sind (Territorialitätsprinzip). Bei einem Vollzug des Beschäftigungsverhältnisses im Inland gilt grundsätzlich deutsches Sozialversicherungsrecht. Dies ist hier der Fall, weil der Beigeladene ganz überwiegend in Deutschland seine Tätigkeit ausgeübt hat.
Eine Ausnahme vom Territorialitätsprinzip gemäß §§ 4, 5 SGB IV greift hier nicht ein. Gemäß § 5 SGB IV gelten die deutschen Vorschriften nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder des Vertrags voraussichtlich zeitlich begrenzt ist (Einstrahlung). Umgekehrt gilt Entsprechendes für die in § 4 SGB IV geregelten Fälle der Entsendung in das Ausland (Ausstrahlung). Im Falle des Beigeladenen lag weder eine Ausstrahlung noch eine Einstrahlung vor. Der Beigeladene wurde nicht nach Deutschland entsandt, sondern wohnte hier und hat hier auch gearbeitet. Erst Recht wurde er daher auch nicht in ein anderes Land, z.B. die Schweiz, entsandt. Hierauf hat die Beklagte zutreffend bereits in ihrem Schreiben vom 29. Oktober 2002 hingewiesen.
Die Anwendung deutschen Sozialversicherungsrechts ergibt sich – worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat – auch aus internationalem Recht, das gemäß § 6 SGB IV dem deutschen Recht vorgeht.
Insoweit hat das Sozialgericht völlig zutreffend für die Zeit bis 31. Mai 2002 auf Art. 5 des Deutsch-Schweizer Abkommens vom 25. Februar 1964 und für die Zeit ab 1. Juni 2002 auf Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a) der VO (EWG) Nr. 1408/71 abgestellt, der über Art. 8 i.V.m. dem Anhang II des Freizügigkeitsabkommens vom 21. Juni 1999 Anwendung findet. Diese Regelungen haben zur Konsequenz, dass ein von einer Schweizer Gesellschaft beschäftigter deutscher Arbeitnehmer, welcher seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält und regelmäßig hier arbeitet, der deutschen Sozialversicherung unterliegt. Die Schweizer Gesellschaft muss sich dann bei der zuständigen deutschen Sozialversicherungsbehörde registrieren und nach den deutschen Rechtsvorschriften Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und abführen (vgl. Nordin/ Fünfschilling, Der Schweizer Treuhänder, Heft 5/2011, S. 421 (422)).
So hat es die Klägerin bis zum 31. Dezember 2001 gehandhabt. Wie sie selber angibt, handelte es sich bei der Zweigniederlassung in Deutschland um eine unselbständige Niederlassung ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Damit bestand faktisch die ganze Zeit ein Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin selbst und es ist zum Jahreswechsel 2001/2002 keine wesentliche Änderung eingetreten. In der Berufungsbegründung vom 17. September 2011 führt die Klägerin auch selbst die genannten Vorschriften an. Wie sie daraus die Schlussfolgerung ableitet, der Arbeitnehmer fungiere als Arbeitgeber im Inland mit den entsprechenden beitragsrechtlichen Pflichten, ist nicht nachvollziehbar. Hierfür gibt es keinerlei rechtlichen Anhaltspunkt. Es besteht nur die Möglichkeit, nach Art. 109 Satz 1 VO (EWG) Nr. 574/72 (anwendbar ebenfalls über Art. 8 i.V.m. dem Anhang II des Freizügigkeitsabkommens vom 21. Juni 1999) eine Vereinbarung zu treffen, nach der der Arbeitnehmer die Beiträge selbst zahlt. Diesen Weg wollte die Klägerin ganz offensichtlich mit dem neuen Vertrag vom Januar 2002 beschreiten. Dieser Vertrag wurde jedoch von dem Beigeladenen zu 1. nie unterschrieben. Eine entsprechende Vereinbarung ist daher nicht zustande gekommen.
Es gibt auch keine sonstigen Umstände, die gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung als solcher sprechen.
Die Beklagte ist dabei letztlich – wie auch schon in den ersten Bescheiden vom 20. September 2002 und 6. November 2002 – im Bescheid vom 5. März 2004, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2004, von dem tatsächlich gezahlten Gehalt in Höhe von ca. 2130,- Euro als Bruttogehalt ausgegangen. Dabei wurde verkannt, dass es sich bereits um eine Nettozahlung handelte (vgl. Berechnung Bl. 39 VA und Hinweis auf Seite 2 3. Absatz des Widerspruchsbescheides). Die Beklagte ist damit schon von einem deutlich zu niedrigen Einkommen ausgegangen, so dass nicht ersichtlich ist, dass die festgesetzten Beiträge zu hoch wären. Dergleichen hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Gleiches gilt für die Säumniszuschläge und Mahnkosten. Ergänzend ist dabei darauf hinzuweisen, dass auch bei Berücksichtigung des in dem abgeschlossenen Vertrag vom 9./16. April 2001 vereinbarten Bruttogehaltes von ca. 3221,- Euro nicht etwa die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze entfallen wäre. Denn die Grenze lag in 2002 bei 3375,- Euro.
Schließlich ist hinsichtlich des Vortrags der Klägerin, eine Beitragserhebung bei ihr stehe § 28m SGB IV entgegen, darauf hinzuweisen, dass diese Norm so genannte exterritoriale Arbeitgeber betrifft. Dies sind amtliche Vertretungen ausländischer Staaten, exterritoriale Einzelpersonen (z.B. Botschafter) und über- und zwischenstaatliche Organisationen (vgl. §§ 18-20 GVG und Mette, in: Beck´scher Onlinekommentar Sozialrecht, SGB IV, § 28m Rn. 4). Dazu gehört die Klägerin sicherlich nicht. Zudem betrifft § 28m SGB IV die Frage der Durchsetzung eines Beitragsanspruches und dürfte daher der Beitragsfestsetzung nicht entgegenstehen (insoweit nicht zutreffend: LSG B-W, Urt. v. 17.02.2012 – L 4 R 617/10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben und damit kein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen sind, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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HAM
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