L 5 RS 424/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 39 RS 1330/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 424/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Schätzung der
Höhe einer glaubhaftgemachten Jahresendprämie - Zeugenaussagen - Patentvergütung - Neuererprämie - Prämie anlässlich der Verleihung oder Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit"

1. Ist der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach im konkreten Einzelfall, beispielsweise durch Zeugenaussagen, glaubhaft gemacht, kann die Höhe der als zusätzliches Arbeitsentgelt zu berücksichtigenden Jahresendprämien geschätzt werden, auch wenn deren Höhe weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden kann.
2. Der Zufluss von Patentvergütungen und Neuererprämien sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach kann im konkreten Einzelfall, beispielsweise durch Zeugenaussagen, Patentschriften, Nutzen- und Vergütungsmitteilungen, glaubhaft gemacht werden.
3. Prämien anlässlich der Verleihung oder Verteidigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" stellen kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV dar, weil sie nicht aus der Beschäftigung erzielt wurden und keine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen beinhalteten.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 9. April 2014 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 verurteilt, den Bescheid vom 10. August 2005 in der Fassung des Bescheides vom 8. November 2013 dahingehend abzuändern, dass weitere Arbeitsentgelte für die Jahre 1971 bis 1990 wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen, für die Jahre 1974 und 1976 wegen zu berücksichtigender Neuererprämien und für die Jahre 1981 und 1984 wegen zu berücksichtigender Patentvergütungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt zu berücksichtigen sind: Für das Jahr: 1971 75 M 1972 489 M 1973 542 M 1974 653 M 1975 575 M 1976 760 M 1977 649 M 1978 647 M 1979 678 M 1980 726 M 1981 2.264 M 1982 724 M 1983 696 M 1984 1.732 M 1985 734 M 1986 736 M 1987 748 M 1988 809 M 1989 811 M 1990 811 M Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu fünf Sechsteln.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1970 bis 1990 in Form jährlicher Jahresendprämien, zweier Patentvergütungen, zweier Neuererprämien und zweier Prämien für den Ehrentitel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" festzustellen.

Dem 1945 geborenen Kläger wurde, nach einem Studium in der Fachstudienrichtung Feingerätetechnik an der Technischen Universität D in der Zeit von März 1966 bis September 1970, mit Urkunde vom 6. November 1970 der akademische Grad "Diplomingneieur" verliehen. Er war vom 5. Oktober 1970 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Konstruktionsingenieur im volkseigenen Betrieb (VEB) Messgerätewerk Z beschäftigt. Er war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

Mit Bescheid vom 10. August 2005 stellte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG und die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 5. Oktober 1970 bis 30. Juni 1990 als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest.

Am 18. März 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die rückwirkende Neufeststellung der Zusatzversorgungszeiten unter Einbeziehung von Jahresendprämien für die Jahre 1970 bis 1990. Dem Antrag fügte er die Entgeltbescheinigung der Messgerätewerk Z GmbH vom 7. Juni 1993 bei, in der ausgeführt ist: "Bruttolohnbescheinigung: Ab 1969 – 30.06.90 zahlte das Unternehmen eine Jahresendprämie in Höhe des durchschnittlichen Monatsverdienstes". Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens fragte die Beklagte mit Schreiben vom 31. März 2011 bei der Rhenus Office Systems GmbH nach Unterlagen bezüglich gezahlter Prämien an. Die Rhenus Office Systems GmbH teilte mit Schreiben vom 30. November 2011 mit, dass im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers keine Unterlagen für Prämienzahlungen vorhanden sind.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2011 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 3. September 2012 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Bescheid vom 10. August 2005 könne nicht abgeändert werden, da der Zufluss der begehrten zusätzlichen Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei. Die Bescheinigung des Arbeitgebers vom 7. Juni 1993 enthalte nur eine pauschale Aussage.

Hiergegen erhob der Kläger am 9. Juli 2012 Klage zum Sozialgericht Chemnitz. Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2013 erweiterte er seine Klage und begehrte zusätzlich zu den Jahresendprämien die Feststellung zweier Neuererprämien in den Jahren 1974 und 1976 (in Höhe von 100,00 Mark und 150,00 Mark), einer Anerkennungsvergütung für eine Patentanmeldung im Jahr 1975 (in Höhe von 100,00 Mark), zweier Prämien anlässlich der Verteidigung des Titels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1977 und 1978 (in Höhe von jeweils 50,00 Mark) und zweier Patentvergütungen in den Jahren 1981 und 1984 (in Höhe von 1.872,00 Mark und 1.425,00 Mark) als berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt. Hierzu reichte er handschriftliche Aufzeichnungen aus dem persönlichen Arbeitsbuch seines ehemaligen Arbeitskollegen W S , eine Nutzen- und Vergütungsermittlung zum Wirtschaftspatent 116.428 vom 18. Dezember 1980, eine Vergütungsermittlung der Nachvergütung für die Benutzung des Wirtschaftspatents 116.428 vom 7. September 1984 und ein Anerkennungsprämienschreiben des Betriebes vom 7. Januar 1975 ein.

Mit Neufeststellungsbescheid vom 8. November 2013 stellte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG und die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 5. Oktober 1970 bis 30. Juni 1990 als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest, wobei sie für das Jahr 1975 ein höheres Entgelt (erhöht um 100,00 Mark) auswies. Den Neufeststellungsbescheid vom 8. November 2013 deklarierte sie in einem begleitenden Schriftsatz als Teilanerkenntnis. Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2013 nahm der Kläger das Teilanerkenntnis an und hielt am Klagebegehren fest.

Mit Gerichtsbescheid vom 9. April 2014 hat das Sozialgericht Chemnitz die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe den Zufluss von Jahresendprämien und weiteren Sonderzahlungen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Der pauschale Vermerk in der Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers vom 7. Juni 1993 genüge zur Glaubhaftmachung nicht. Die Aufzeichnungen im Arbeitsbuch des Kollegen W S würden ebenfalls keinen Zufluss belegen. Außerdem sei fraglich, ob die geltend gemachten Sonderzahlungen überhaupt relevante Arbeitsverdienste seien.

Gegen den am 29. April 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Mai 2014 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht habe die neuere Rechtsprechung des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts zu den Jahresendprämienzahlungen nicht berücksichtigt. Die Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers vom 7. Juni 1993 sei nicht nur ein Vermerk, sondern eine öffentliche Urkunde. Die Jahresendprämienzahlung sei daher nachgewiesen. Im Übrigen könne die Höhe der Prämien geschätzt werden. Außerdem habe ein Kollege des Klägers, der im gleichen Betrieb gearbeitet habe, nach einer Beweisaufnahme in einem Verfahren vor dem 4. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts (L 4 RS 14/13) im Vergleichswege seine Jahresendprämien anerkannt bekommen.

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 9. April 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 10. August 2005 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 8. November 2013 abzuändern und Jahresendprämien für den Zeitraum von 1970 bis 1990, Neuererprämien in den Jahren 1974 und 1976, Prämien anlässlich der Verteidigung des Titels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" in den Jahren 1977 und 1978 sowie Patentvergütungen in den Jahren 1981 und 1984 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Das Gericht hat die Niederschrift über den Erörterungstermin und die Beweisaufnahme des 4. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts vom 28. Oktober 2013 im Verfahren L 4 RS 14/13 beigezogen, schriftliche Auskünfte des Zeugen W S am 30. Dezember 2014 eingeholt und die Patentschrift zum Wirtschaftspatent 116.428 sowie arbeitsvertragliche Unterlagen des Klägers beigezogen.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet, weil das Sozialgericht Chemnitz die Klage teilweise zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Kläger hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher ihm in den Jahren 1971 bis 1990 zugeflossener, weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen (dazu nachfolgend unter I.), wegen zu berücksichtigender Patentvergütungen (dazu nachfolgend unter II.) und wegen zu berücksichtigender Neuererprämien (dazu nachfolgend unter III.) im Rahmen der bereits mit Bescheid vom 10. August 2005 (in der Fassung des Bescheides vom 8. November 2013) festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Soweit er darüber hinausgehend noch höhere als die tenorierten Arbeitsentgelte begehrt (dazu nachfolgend unter I. und unter IV.), ist die Berufung unbegründet, weshalb sie im Übrigen zurückzuweisen war. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil mit ihm das Recht unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Deshalb war der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 9. April 2014 (teilweise) abzuändern, der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 10. August 2005 in der Fassung des Bescheides vom 8. November 2013 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1971 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen, für die Jahre 1981 und 1984 wegen zu berücksichtigender Patentvergütungen und für die Jahre 1974 und 1976 wegen zu berücksichtigender Neuererprämien im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben wie tenoriert zu berücksichtigen sind.

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 10. August 2005 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 8. November 2013 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien, Patentvergütungen und Neuererprämien hat sie jedoch zu Unrecht (teilweise) nicht berücksichtigt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Beklagte bereits in rechtswidriger, den Kläger ungerechtfertigt begünstigender Weise den fingierten Zusatzversorgungszeitraum auch auf die Zeit vom 5. Oktober 1970 bis 5. November 1970 erstreckt hat. Dieser Zeitraum fällt nicht unter die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, weil der Kläger die persönliche Voraussetzung für eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft erst seit 6. November 1970 erfüllt (Diplomingenieururkunde der Technischen Universität D vom 6. November 1970). Hinsichtlich einer anteiligen Jahresendprämie für das Jahr 1970 ist dieser Umstand daher vom Gericht zu beachten.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen.

I. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977 [GBl.-DDR I 1977, Nr. 18, S. 185; nachfolgend: AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war. Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.).

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ist, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien für die Beschäftigungsjahre 1970 bis 1989 dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die in den jeweils nachfolgenden Jahren (1971 bis 1990) für das vorangegangene Beschäftigungsjahr zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er weder nachweisen, noch glaubhaft machen können; hinsichtlich der Höhe macht das Gericht jedoch von seiner im Rahmen der konkreten Einzelfallwürdigung von Rechts wegen gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (dazu nachfolgend unter 2.).

1. Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter a), jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter b):

a) Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte dieser nicht vorlegen. Der Kläger selbst verfügt über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte.

Nachweise zu an ihn gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus dem Schreiben der Rhenus Office Systems GmbH vom 30. November 2011 (Bl. 17 der Verwaltungsakte) ergibt. Die ehemals die Lohn- und Betriebsunterlagen des Beschäftigungsbetriebes des Klägers verwaltende Archivfirma (Rhenus Office Systems GmbH) hatte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens auf die entsprechende schriftliche Anfrage der Beklagten vom 31. März 2011 (Bl. 15 der Verwaltungsakte) mitgeteilt, dass im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers keine Unterlagen für Prämienzahlungen (mehr) vorhanden sind. Entsprechendes ergibt sich aus den vom Kläger zur Akte gereichten schriftlichen Auskünften des Sächsischen Staatsarchivs vom 7. Oktober 2013 (Bl. 25 der Gerichtsakte) und der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben vom 12. Dezember 2013 (Bl. 34 der Gerichtsakte).

Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich ein Nachweis zur Jahresendprämienzahlung auch nicht aus der "Bescheinigung über Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG" der Messgerätewerk Z GmbH vom 7. Juni 1993 (Bl. 13 der Verwaltungsakte). Soweit in dieser vermerkt ist: "Bruttolohnbescheinigung: Ab 1969 - 30.06.90 zahlte das Unternehmen eine Jahresendprämie in Höhe des durchschnittlichen Monatsverdienstes.", geht nicht im Ansatz hervor, dass diese Bescheinigung auf der Grundlage vorhandener Jahresendprämienauszahlungsunterlagen erfolgte. Es handelt sich vielmehr um eine Pauschalbescheinigung des Rechtsnachfolgers, die nicht anhand konkreter Auszahlungsunterlagen getroffen wurde und jedem Beschäftigten im Nachgang erteilt wurde, wie die entsprechende Bescheinigung der Ehefrau des Klägers vom 7. Juni 1993 sowie die vom schriftlich einvernommenen Zeugen D K zu seiner Person im Verfahren der Ehefrau des Klägers vorgelegte "Bescheinigung über Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG" der Messgerätewerk Z GmbH vom 17. Juli 1992 belegen.

b) Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall glaubhaft gemacht.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht hat, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 AGB-DDR) für den Bezug einer Jahresendprämie in den geltend gemachten Jahren vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

aa) Der Kläger war in den Jahren 1971 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Messgerätewerk Z (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR), wie sich aus den Eintragungen in seinen Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 111-119 der Gerichtsakte) ergibt.

Das Planjahr 1970, in dem der Kläger zum 5. Oktober in den Betrieb erst eintrat, kann zwar mitberücksichtigt werden; jedoch nur im Zeitraum vom 6. November bis 31. Dezember, weil nur für diesen Zeitraum die persönliche Voraussetzung einer fingierten Zusatzversorgungsanwartschaft erfüllt ist. Gesetzlich geregelter Ausnahmetatbestand, der eine anteilige Jahresendprämie plausibel rechtfertigt, ist § 117 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe d) AGB-DDR. Nach dieser Norm bestand ein Anspruch auf anteilige Jahresendprämie bei Aufnahme eines Direktstudiums an einer Hoch- oder Fachschule sowie bei Aufnahme einer Tätigkeit nach Abschluss des Studiums. Sein Studium in der Fachrichtung Feingerätetechnik an der Technischen Universität D hatte der Kläger am 21. September 1970 abgeschlossen, wie sich aus der Eintragung im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 113 der Gerichtsakte) ergibt; am 16. Oktober 1970 fand das Kolloquium über seine Diplomarbeit statt (vgl. Hinweis im Zeugnis vom 6. November 1970, Bl. 12 der Verwaltungsakte); am 6. November 1970 wurden das Hochschulzeugnis (Bl. 12 der Verwaltungsakte) und die Diplomingenieururkunde (Bl. 11 der Verwaltungsakte) ausgestellt. Bereits am 6. August 1970 wurde der Arbeitsvertrag mit Arbeitsbeginn am 5. Oktober 1970 abgeschlossen (Bl. 106 der Gerichtsakte). Die tatsächliche Arbeitsaufnahme erfolgte ausweislich der Eintragung im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 113 der Gerichtsakte) am 5. Oktober 1970. Damit steht fest, dass der Kläger seine Tätigkeit nach Abschluss des Studiums aufgenommen hatte.

Eine gegebenenfalls auch für das Planjahr 1990 im Jahr 1991 zur Auszahlung gelangte Jahresendprämie kann entgegen der Ansicht des Klägers nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht mehr AAÜG-relevant wäre. Der Zusatzversorgungszeitraum erstreckt sich lediglich bis zum 30. Juni 1990; ab 1. Juli 1990 wurden die Zusatzversorgungssysteme geschlossen, so dass weder tatsächliche noch fiktive Zugehörigkeitszeiten mehr erworben werden konnten und entsprechende Arbeitsentgelte nicht mehr relevant sind. Soweit der Kläger behauptete, die Jahresendprämie für 1990 sei am 14. Juni 1990 ausgezahlt wurden, hat er hierfür keine Nachweise oder sonstige Plausibilitätsnachweise vorgelegt. Der Vortrag ist im Übrigen in hohem Maße unglaubhaft, weil das Planjahr 1990 am 14. Juni 1990 noch nicht beendet war, die behauptete Halbjahresprämie vom Gesetz nicht vorgesehen war und eine Jahresplanerfüllung Mitte Juni nicht im Ansatz überprüfbar war.

bb) Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 AGB-DDR). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 AGB-DDR die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" vom 12. Januar 1972 (GBl.-DDR II 1972, Nr. 5, S. 49; nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" vom 21. Mai 1973 (GBl.-DDR I 1973, Nr. 30, S. 293; nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973), mit der die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 angeordnet wurde, sowie die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" vom 9. September 1982 (GBl.-DDR I 1982, Nr. 34, S. 595; nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, "Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?", RV [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

cc) Ausgehend von der "Bescheinigung über Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG" der Messgerätewerk Z GmbH vom 7. Juni 1993 (Bl. 13 der Verwaltungsakte), von den Angaben des Zeugen L R im Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin vor dem 4. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts (im Verfahren L 4 RS 14/13) am 28. Oktober 2013 (Bl. 69-70 der Gerichtsakte) sowie von den schriftlichen Auskünften des Zeugen W S vom 30. Dezember 2014 (Bl. 75-76 der Gerichtsakte) ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR).

In der "Bescheinigung über Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG" der Messgerätewerk Z GmbH vom 7. Juni 1993 ist vermerkt, dass der Betrieb regelmäßig eine Jahresendprämie in Höhe des durchschnittlichen Monatsverdienstes zahlte. Die Zeugen L R und W S bekundeten gleichfalls übereinstimmend, dass regelmäßig Jahresendprämien im VEB Messgerätewerk Z an die Beschäftigten des Betriebes in den Jahren von 1970 bis 1990 als sogenanntes 13. Monatsgehalt in Höhe etwa eines durchschnittlichen Monatsverdienstes gezahlt wurden, weil die staatlichen Plankennziffern immer erfüllt wurden. Die Prämien wurden innerhalb der Abteilungen beschlossen, für den einzelnen Werktätigen unter Einbeziehung von Vertretern des Arbeitskollektivs sowie in Abstimmung mit der zuständigen Gewerkschaftsleitung festgelegt und Anfang des Jahres, regelmäßig im Februar, für das vorangegangene Planjahr in bar ausgezahlt. Besonders plastisch schilderte der Zeuge W S , der ein unmittelbarer Arbeitskollege des Klägers in der gleichen Abteilung war, das Auszahlungsprozedere: Im Arbeitszimmer des Abteilungsleiters der Abteilung, der der Kläger angehörte, lagen Auszahlungslisten und Bargeld auf dem Schreibtisch. Die Mitarbeiter der Abteilung wurden einzeln zum Abteilungsleiter bestellt, hatten ihre Unterschrift zu leisten und die Jahresendprämie entgegen genommen. Der Zeuge W S bestätigte dabei, dass auch der Kläger jährlich eine Jahresendprämie erhalten hat und dokumentierte anhand der Vorlage seines persönlichen Arbeitsbuches (Bl. 86-103 der Gerichtsakte), welches seine handschriftlichen Notizen über den Beschäftigungszeitraum im VEB Messgerätewerk Z (Januar 1970 bis Juli 1990) enthält, eindrucksvoll, an welchen konkreten Tagen die Jahresendprämie vom Abteilungsleiter gegen Listenunterschrift in bar zur Auszahlung gelangte. Der Zeuge notierte sich dabei den Tag der Auszahlung, die Höhe seiner Jahresendprämie (inklusive etwaigen Zwangssolidaritätsabgaben), teilweise Prozentangaben, die sich offensichtlich auf den Monatsdurchschnittsverdienst beziehen, und andere Hinweise jeweils handschriftlich, die ein nachhaltiges und eindrucksvolles Zeugnis davon abgeben, wie im konkreten Betrieb bzw. in der konkreten Abteilung des Betriebes hinsichtlich der Zahlung der Jahresendprämien vorgegangen wurde. Aus diesen Notizen des Zeugen ergibt sich zusammengefasst folgendes Bild: Datum Notiz zur Jahresendprämie Nebennotizen 17. Februar 1971 "Jahresendprämie 870,-" "10,- Spende f. Baumann g. Kasse" 16. Februar 1972 "Jahresendprämie 1100,-" "Abzüge: Soli: 10,-, Gerh. 10,-" 19. Februar 1973 "Jahresendprämie 1250,-" "davon Soli z.b. 15,- Vietnam" 20. Februar 1974 "Jahresendprämie 1240,-" "Spende: 20,-" 26. Februar 1975 "1080,- Jahresendprämie" "davon 15,- Soli-Spende ab" 19. Februar 1976 "Jahresendprämie 1045,-" "davon 15,- ab für Solispende" 2. März 1977 "Jahresendprämie 1010,-" "davon 10,- Solispende" 23. Februar 1978 "Jahresendprämie 1000,-" "10,- Solispende" 28. Februar 1979 "Jahresendprämie 1045,-" "davon 15,- Solispende" 26. Februar 1980 "Jahresendprämie 1085,-" "(davon 15,- Solispende)" 24. Februar 1981 "Jahresendprämie 1115,-" "(15,- Soli)" 2. März 1982 "Jahresendprämie 1105,-" "(Soli 12,-)" 14. März 1983 "Jahresendprämie 1105,-" "(96 %)" 6. März 1984 "Jahresendprämie 1120,-" "(95 %)" 5. März 1985 "Jahresendprämie 1090,-" "(~ 92 %)" 4. März 1986 "Jahresendprämie 1045,-" "(84 85 %)" 3. März 1987 "Jahresendprämie 1080,-" "(~ 86 %) (erst wurden 1105,- genannt, dann wurde nochmal reduziert)" 1. März 1988 "Jahresendprämie 1075,-" "(Es wurden 84 85 % genannt)" 7. März 1989 "Jahresendprämie 1065,-" "(trotz erfüllter Pläne u. allem PiPaPo wieder weniger als im Vorjahr)" 6. März 1990 "Jahresendprämie 1080,-" keine

2. Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die in den jeweils nachfolgenden Jahren (1971 bis 1990) für das vorangegangene Beschäftigungs- und Planjahr (1970 bis 1989) zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er zwar weder nachweisen, noch glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter a). Hinsichtlich der Höhe macht das Gericht jedoch von seiner im Rahmen der konkreten Einzelfallwürdigung von Rechts wegen gegebenen Möglichkeit der Schätzung der Höhe Gebrauch (dazu nachfolgend unter b).

a) Die dem Kläger in den Jahren 1971 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach weder nachgewiesen (dazu nachfolgend unter aa), noch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):

aa) Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger konkret geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Der Kläger selbst verfügt auch über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst im Laufe des Verfahrens mehrfach ausführte.

Auszahlungslisten konnten weder beschafft noch von den Zeugen vorlegt werden. Die vom Zeugen W S in seinem Arbeitsbuch notierten Jahresendprämienbeträge beziehen sich auf den Zeugen und nicht auf den Kläger. Notizen zu den an den Kläger geflossenen Beträgen enthält das Arbeitsbuch nicht.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus dem Schreiben der Rhenus Office Systems GmbH vom 30. November 2011 ergibt. Die ehemals die Lohn- und Betriebsunterlagen des Beschäftigungsbetriebes der Versicherten verwaltende Archivfirma (Rhenus Office Systems GmbH) hatte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens auf die entsprechende schriftliche Anfrage der Beklagten vom 31. März 2011 mitgeteilt, dass im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers keine Unterlagen für Prämienzahlungen (mehr) vorhanden sind. Entsprechendes ergibt sich aus den vom Kläger zur Akte gereichten schriftlichen Auskünften des Sächsischen Staatsarchivs vom 7. Oktober 2013 und der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben vom 12. Dezember 2013.

Aus der "Bescheinigung über Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG" der Messgerätewerk Z GmbH vom 7. Juni 1993 ergibt sich ebenfalls kein Nachweis der Höhe nach. Soweit in ihr vermerkt ist: "Bruttolohnbescheinigung: Ab 1969 - 30.06.90 zahlte das Unternehmen eine Jahresendprämie in Höhe des durchschnittlichen Monatsverdienstes.", geht nicht im Ansatz hervor, dass diese Bescheinigung auf der Grundlage vorhandener Jahresendprämienauszahlungsunterlagen erfolgte. Es handelt sich vielmehr um eine Pauschalbescheinigung des Rechtsnachfolgers, die nicht anhand konkreter Auszahlungsunterlagen getroffen wurde und jedem Beschäftigten im Nachgang erteilt wurde, wie die entsprechende Bescheinigung der Ehefrau des Klägers vom 7. Juni 1993 sowie die vom schriftlich einvernommenen Zeugen D K zu seiner Person im Verfahren der Ehefrau des Klägers vorgelegte "Bescheinigung über Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG" der Messgerätewerk Z GmbH vom 17. Juli 1992 belegen.

bb) Die konkrete Höhe der an den Kläger ausgezahlten Jahresendprämienbeträge ist – wie das Sozialgericht Chemnitz im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 9. April 2014 bereits zutreffend ausführte – auch nicht glaubhaft gemacht:

Sowohl der "Bescheinigung über Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG" der Messgerätewerk Z GmbH vom 7. Juni 1993 als auch den Angaben der Zeugen L R und W S kann zwar entnommen werden, dass sich die Jahresendprämie durchschnittlich im Bereich eines Bruttomonatslohnes bewegte. Konkretere oder präzisierende Angaben konnten jedoch nicht getätigt werden. Auch "kleinere Differenzierungen" waren nach Angaben des Zeugen L R durchaus gewünscht. Aus den Notizen des Zeugen W S in seinem Arbeitsbuch ergibt sich zudem, dass die Höhe der Jahresendprämie durchaus jährlichen, nicht prognostizierbaren, Schwankungen unterlag. Er notierte für die im Jahr 1983 zugeflossene Jahresendprämie des Jahres 1982 einen Prozentsatz von 96, für die im Jahr 1984 zugeflossene Jahresendprämie des Jahres 1983 einen Prozentsatz von 95, für die im Jahr 1985 zugeflossene Jahresendprämie des Jahres 1984 einen Prozentsatz von etwa 92, für die im Jahr 1986 zugeflossene Jahresendprämie des Jahres 1985 einen Prozentsatz zwischen 84 und 85, für die im Jahr 1987 zugeflossene Jahresendprämie des Jahres 1986 einen Prozentsatz von etwa 86 und für die im Jahr 1988 zugeflossene Jahresendprämie des Jahres 1987 einen Prozentsatz von zwischen 85 und 86.

In der Gesamtbetrachtung sind diese Angaben insgesamt zum einen vage und beruhen zum anderen auf dem menschlichen Erinnerungsvermögen, das mit der Länge des Zeitablaufs immer mehr verblasst und deshalb insbesondere in Bezug auf konkrete, jährlich differierende Beträge kaum einen geeigneten Beurteilungsmaßstab im Sinne einer "guten Möglichkeit" gerade des von den Zeugen angegebenen durchschnittlichen Bruttomonatslohns abzugeben geeignet ist.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass es im Ergebnis an einem geeigneten Maßstab fehlt, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämie beurteilt werden kann (vgl. dazu auch insoweit zutreffend: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. September 2012 - L 22 R 832/11 - JURIS-Dokument, RdNr. 61 ff.) und der vom Kläger und den Zeugen behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Bruttomonatslohn, nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war:

Nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämie, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben (vgl. dazu deutlich: Gottfried Eckhardt u.a., "Lohn und Prämie – Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR" [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 112; Langanke "Wirksame Leistungstimulierung durch Jahresendprämie", NJ 1984, 43, 44). Aus diesem Grund zählte zu den betriebsbezogenen, in einem Betriebskollektivvertrag festgelegten Regelungen über die Bedingungen der Gewährung einer Jahresendprämie auch die Festlegung und Beschreibung der Berechnungsmethoden, aus denen dann individuelle Kennziffern für den einzelnen Werktätigen zur Berechnung der Jahresendprämie abgeleitet werden konnten.

Dies verdeutlichen auch sonstige rechtliche Regelungen unterhalb des AGB-DDR: So legten die Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973 sowie die Prämienfond-VO 1982 fest, wie die Jahresendprämie wirksamer zur Erfüllung und Übererfüllung der betrieblichen Leistungsziele beitragen konnte (§ 7 Prämienfond-VO 1972, § 9 Prämienfond-VO 1982). Danach waren den Arbeitskollektiven und einzelnen Werktätigen Leistungskennziffern vorzugeben, die vom Plan abgeleitet und beeinflussbar waren, die mit den Schwerpunkten des sozialistischen Wettbewerbs übereinstimmten und über das Haushaltsbuch oder durch andere bewährte Methoden zu kontrollieren und abzurechnen waren (§ 7 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Prämienfond-VO 1982). Die durchschnittliche Jahresendprämie je Beschäftigten war in der Regel in der gleichen Höhe wie im Vorjahr festzulegen, wenn der Betrieb mit der Erfüllung und Übererfüllung seiner Leistungsziele die erforderlichen Prämienmittel erarbeitet hatte; für den Betrieb war dieser Durchschnittsbetrag grundsätzlich beizubehalten (§ 9 Abs. 2 Prämienfond-VO 1982). Hervorzuheben ist dabei, dass der Werktätige und sein Kollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskriterien jeweils erfüllt haben mussten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972), die Leistungskriterien kontrollfähig und abrechenbar zu gestalten waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" vom 24. Mai 1972 [GBl.-DDR II 1972, Nr. 34, S. 379; nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1972]) und bei der Differenzierung der Höhe der Jahresendprämie von den unterschiedlichen Leistungsanforderungen an die Abteilungen und Bereiche im betrieblichen Reproduktionsprozess auszugehen war (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972). Außerdem war geregelt, dass die Jahresendprämien für Arbeitskollektive und einzelne Werktätige nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren waren (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), wobei hinsichtlich der Kriterien für die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresendprämie im Betrieb konkrete Festlegungen nach Maßgabe des § 6 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" vom 9. September 1982 (GBl.-DDR I 1982, Nr. 34 S. 598; nachfolgend 1. DB zur Prämienfond-VO 1982) in der Fassung der "Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" vom 3. Februar 1986 (GBl.-DDR I 1986, Nr. 6 S. 50; nachfolgend: 2. DB zur Prämienfond-VO 1982) zu treffen waren. Danach spielten z. B. der Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader in den Betrieben und deren "wesentliche Erhöhung" sowie die "Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit" eine Rolle (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die konkreten Festlegungen erfolgten in betrieblichen Vereinbarungen (§ 6 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die endgültige Festlegung der Mittel zur Jahresendprämierung für die einzelnen Bereiche und Produktionsabschnitte einschließlich ihrer Leiter erfolgte nach Vorliegen der Bilanz- und Ergebnisrechnung durch die Direktoren der Betriebe mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitungen, die entsprechend der im Betriebskollektivvertrag getroffenen Vereinbarung abhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Prämienfonds durch den Betrieb und von der Erfüllung der den Bereichen und Produktionsabschnitten vorgegebenen Bedingungen war (§ 8 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 5 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982).

Weder zu den individuellen Leistungskennziffern des Klägers noch zu den sonstigen, die Bestimmung der Jahresendprämienhöhe maßgeblichen Faktoren konnten der Kläger oder die Zeugen nachvollziehbare Angaben tätigen.

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall nicht erfüllt. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, um den Zufluss von Jahresendprämien in einer bestimmten oder berechenbaren Höhe konkret an den Kläger glaubhaft zu machen. Denn hierfür wäre – wie ausgeführt – erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des vom Kläger geltend gemachten Zeitraumes eine entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich der Erfüllung der individuellen Leistungskennziffern, um eine konkrete Höhe als berechenbar erscheinen zu lassen.

b) Da der Kläger den Bezug (irgendeiner) Jahresendprämie für die konkreten Beschäftigungsjahre jedoch dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat, nur deren Höhe weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden kann, darf und muss das Gericht (ebenso im Übrigen auch der Versorgungsträger selbst, vgl. dazu bereits: BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17) die Höhe im Rahmen der konkreten Einzelfallwürdigung schätzen (insoweit entwickelt der Senat – im Anschluss an seine Urteile vom 4. Februar 2014 [L 5 RS 462/13] und vom 28. April 2015 [L 5 RS 450/14] – seine bisherige, unter anderem in den Urteilen vom 13. November 2012 [L 5 RS 192/12 sowie L 5 RS 605/11], vom 2. Oktober 2012 [L 5 RS 789/10], vom 18. September 2012 [L 5 RS 716/10 sowie L 5 RS 322/11] und vom 7. August 2012 [L 5 RS 439/10] dargelegte Rechtsprechung, jeweils dokumentiert in JURIS, weiter). Diese Befugnis ergibt sich aus § 202 SGG in Verbindung mit §§ 287 Abs. 2, 287 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Nach § 287 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 ZPO entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, wenn unter den Beteiligten streitig ist, wie hoch sich ein Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft. Nach § 287 Abs. 2 ZPO ist diese Norm bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Beteiligten die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Diese Voraussetzungen sind in der gegebenen Konstellation der streitigen Höhe der dem Grunde nach zugeflossenen Jahresendprämien erfüllt. Bei der Feststellung weiterer Arbeitsentgelte im Rahmen der festgestellten Zeiten der fingierten Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz handelt es sich zumindest mittelbar und sekundär um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, weil das von der Beklagten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG festzustellende und dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilende (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AAÜG) erzielte Arbeitsentgelt Grundlage der Berechnung der Höhe einer Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Dass es sich bei dem Verfahren über die Feststellung von Entgeltdaten nach dem AAÜG in einem dem Vormerkungsverfahren nach § 149 SGB VI ähnlichen Verfahren, das der späteren Rentenfeststellung nur vorgelagert ist, um eine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 287 Abs. 2 ZPO handelt, hat das BSG bereits in der Vergangenheit implizit bereits bestätigt (vgl. BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17) und aktuell nochmals hervorgehoben (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - B 5 RS 11/14 B - amtlicher Umdruck, RdNr. 10). Die vollständige Aufklärung aller für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämienbeträge maßgebenden Umstände (jährliche Betriebskollektivverträge, individuelle und kollektive Leistungskennziffern, Berechnungsmethoden und Berechnungsgrundlagen ausgehend von den Zielvorgaben der staatlichen Planauflagen, beispielsweise in einer Betriebsprämienordnung) ist auch mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Die Schätzung gestaltet sich im konkreten Fall wie folgt:

aa) Als jährlichen Basiswert der Jahresendprämienhöhe legt das Gericht jeweils den im Planjahr erzielten durchschnittlichen Bruttomonatslohn zu Grunde, der im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 10. August 2005, basierend auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften des ehemaligen Beschäftigungsbetriebes bzw. der Lohnunterlagen verwaltenden Stelle (vgl. Arbeitsentgeltbescheinigung der Messgerätewerk Z GmbH vom 7. Juni 1993, Bl. 13 der Verwaltungsakte), jeweils ausgewiesen ist. Damit wird zum einen dem Umstand Rechnung getragen, dass der Kläger und die Zeugen jeweils bekundeten, bei der Jahresendprämie habe es sich um ein sog. 13. Monatsgehalt gehandelt, das sich zumindest der Höhe nach weitgehend um einen Bruttomonatslohn bewegt habe. Zum anderen ist an dieser Stelle zu konstatieren, dass ein anderer Ausgangswert nicht vorhanden ist, weil die Grundlagen der konkreten Leistungskennziffern gänzlich unbekannt sind. Gerechtfertigt ist dieses Abstellen auf den Bruttodurchschnittslohn vor allem aber deshalb, weil selbst nach den maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen, die als generelle Anknüpfungstatsachen herangezogen werden können (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise zuletzt: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19), in den Fällen, in denen in den maßgeblichen betrieblichen Dokumenten (Betriebskollektivverträge, Betriebsprämienordnung) die zu erfüllenden Leistungskennziffern nicht präzise vorgegeben waren, bei der Entscheidung über den Anspruch auf Jahresendprämie von den im Betrieb üblichen Bedingungen für die Festsetzung individueller Jahresendprämien auszugehen war. Dabei konnten auch vergleichende Feststellungen der an andere Betriebsangehörige als Jahresendprämie gezahlte Beträge, wie beispielsweise ein als Grundprämie gezahlter bestimmter Anteil eines monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes, als Anhaltspunkte dienen (vgl. dazu ausdrücklich beispielsweise: Oberstes Gericht [der DDR], Urteil vom 16./18. März 1970 - Ua 5/69 - NJ 1970, 270, 274; Kaiser, "Einige Probleme der Jahresendprämie aus der Sicht der Rechtsprechung", NJ 1971, 229, 230). Auch die maßgeblichen staatlichen Prämienverordnungen selbst knüpften in ihren abstrakten Rahmenvorgaben hinsichtlich der Höhe der Jahresendprämie an den durchschnittlichen Monatsverdienst an. So legte beispielsweise § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 Prämienfond-VO 1972 fest, dass die Jahresendprämie mindestens die Höhe eines Drittels eines "durchschnittlichen Monatsverdienstes" und maximal, für hervorragende Leistungen des einzelnen Werktätigen, das Zweifache seines "monatlichen Durchschnittsverdienstes" betrug.

bb) Von diesem jährlichen Basiswert trifft das Gericht einen Abschlag in Höhe von 30 Prozent. Mit diesem Abschlag wird den Tatsachen Rechnung getragen, dass die konkrete Höhe der jeweiligen jährlichen Jahresendprämien von einer Vielzahl von individuellen und kollektiven Faktoren abhingen, die rückschauend betrachtet in ihrer Gesamtheit nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden können. Namentlich wird mit diesem Abschlag unter anderem berücksichtigt, dass - Zeiten der wegen Krankheit vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit während des Planjahres zu einer Minderung der Jahresendprämie führen konnten (§ 117 Abs. 3 AGB-DDR), - die Jahresendprämienhöhe unter Berücksichtigung von Schichtarbeit differenzierend festgelegt wurde (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), - die betriebskollektivvertragsrechtlich festgelegte durchschnittliche Jahresendprämie auch von, von dem Einzelnen nicht beeinflussbaren Faktoren wie dem Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader abhing (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982), - die Höhe der Jahresendprämie in den einzelnen Abteilungen und Bereichen, entsprechend den unterschiedlichen Leistungsanforderungen im betrieblichen Reproduktionsprozess, unterschiedlich festgelegt wurde (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972), - bei Nichterfüllung der festgelegten Leistungskriterien die Jahresendprämie entsprechend, also dem Verhältnis der Nichterfüllung entsprechend, niedriger festzulegen war (§ 9 Abs. 3 Satz 6 Prämienfond-VO 1982) und, - bei Fehlschichten die Jahresendprämie der betreffenden Werktätigen gemindert werden konnte (§ 9 Abs. 5 Prämienfond-VO 1982).

cc) Von den somit zugrunde gelegten (geschätzten) 70 Prozent eines monatlichen Bruttodurchschnittsverdientes ist ein weiterer Abzug in Höhe eines Sechstels als sachgerecht zu veranschlagen, sodass im Ergebnis lediglich fünf Sechstel von 70 Prozent zu berücksichtigen sind. Dieser zusätzliche Abschlag ist nach Ansicht des Senats aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zum einen wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass der Kläger den Zufluss der Jahresendprämie dem Grunde nach nicht nachgewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht hat (Rechtsgedanke des § 6 Abs. 6 AAÜG). Zum anderen ist dieser Abschlag auch wegen eines Erst-Recht-Schlusses (argumentum a fortiori; vgl. zur methodologischen Struktur dieses Arguments: Kramer, "Juristische Methodenlehre", 1998, S. 151 f.) gerechtfertigt: Wenn schon das Gesetz in § 6 Abs. 6 AAÜG eine Berücksichtigung von fünf Sechsteln bei nur glaubhaft gemachter Höhe des weiteren Arbeitsentgelts vorsieht, dann muss dies erst recht gelten, wenn die Höhe nicht einmal glaubhaft gemacht ist, sondern lediglich vom Gericht geschätzt werden kann.

Das vom Senat geschätzte Ergebnis (fünf Sechstel von 70 Prozent = ca. 58,33 Prozent) nähert sich damit stark dem, in der rentenberatenden Literatur vorgeschlagenen (vgl. dazu ausdrücklich: Lindner, "Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?", RV [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), unter Bezugnahme auf verschiedene Betriebsprämienordnungen einzelner Betriebe angegebenen Mindestwert von Jahresendprämien (60 Prozent) an, weshalb sich der Senat in seiner Schätzung zusätzlich bestätigt sieht.

dd) Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Jahresendprämienzahlungen für die Jahre 1970 bis 1989 (und damit für die Zuflussjahre 1971 bis 1990) wie folgt zu berücksichtigen: JEP-An-spruchsjahr Jahresarbeits-verdienst Monatsdurch-schnitts-verdienst JEP zu Grunde gelegt (= 70%) davon 5/6 (mathematisch gerundet) JEP-Zuflussjahr 11-12/1970 1551,33 M 129,28 M 90,50 M 75 M 1971 1971 10.065,00 M 838,75 M 587,13 M 489 M 1972 1972 11.139,50 M 928,29 M 649,80 M 542 M 1973 1973 11.718,00 M 976,50 M 683,55 M 570 M 1974 1974 11.823,00 M 985,25 M 689,68 M 575 M 1975 1975 13.070,70 M 1.089,23 M 762,46 M 635 M 1976 1976 13.348,80 M 1.112,40 M 778,68 M 649 M 1977 1977 13.311,72 M 1.109,31 M 776,52 M 647 M 1978 1978 13.944,40 M 1.162,03 M 813,42 M 678 M 1979 1979 14.940,00 M 1.245,00 M 871,50 M 726 M 1980 1980 14.483,50 M 1.206,95 M 844,87 M 704 M 1981 1981 14.898,50 M 1.241,54 M 869,08 M 724 M 1982 1982 14.317,50 M 1.193,13 M 835,19 M 696 M 1983 1983 15.260,00 M 1.271,67 M 890,17 M 742 M 1984 1984 15.095,67 M 1.257,97 M 880,58 M 734 M 1985 1985 15.137,83 M 1.261,49 M 883,04 M 736 M 1986 1986 15.387,14 M 1.282,26 M 897,58 M 748 M 1987 1987 16.633,67 M 1.386,14 M 970,30 M 809 M 1988 1988 16.680,00 M 1.390,00 M 973,00 M 811 M 1989 1989 16.680,00 M 1.390,00 M 973,00 M 811 M 1990

II. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten Patentvergütungen dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen erbrachte Erfindung, die im Betrieb genutzt wurde, handelte (vgl. dazu: § 17 Abs. 2 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Neuererverordnung – Vergütung für Neuerungen und Erfindungen – [nachfolgend: 1. DB zur NeuererVO] vom 22. Dezember 1971 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 1, S. 11]), wobei es nicht darauf ankommt, ob dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig (vgl. dazu: § 11 Satz 1 der 1. DB zur NeuererVO: Steuerfreiheit bis zu einem Betrag von 10.000 Mark je Neuerung oder Erfindung) war (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.). Die Neuerer- und Erfindertätigkeit wurde überwiegend unter denselben oder unter sehr ähnlichen Arbeitsbedingungen im Betrieb geleistet wie die täglich durch die Werktätigen auf Grund des Arbeitsvertrages zu erbringenden Arbeitsleistungen. Deshalb wurden in diesen Fällen die arbeitsrechtlichen Bestimmungen auf das Neuererrechtsverhältnis analog angewendet und der Werktätige juristisch so gestellt, als würde er im Rahmen des Arbeitsrechtsverhältnisses handeln (dazu ausdrücklich: Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 51).

Der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist.

In der DDR konnten die Werktätigen für Neuerungen und Erfindungen jeweils einmalige Vergütungen erhalten, wenn diese von den Betrieben benutzt wurden (§ 30 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Förderung der Tätigkeit der Neuerer und Rationalisatoren in der Neuererbewegung – Neuererverordnung – [nachfolgend: NeuererVO] vom 22. Dezember 1971 [DDR-GBl. II 1972, Nr. 1, S. 1]). Die Vergütung für vereinbarte Neuererleistungen und für Neuerervorschläge betrug mindestens 30 Mark und höchstens 30.000 Mark, für eine Erfindung mindestens 75 Mark und höchstens 200.000 Mark (§ 30 Abs. 2 NeuererVO). Die Berechnung und Festsetzung der Vergütung erfolgte auf der Grundlage des Nutzens für die Gesellschaft, der durch die Benutzung einer vereinbarten Neuererleistung, eines Neuerervorschlags oder einer Erfindung während des ersten Benutzungsjahres im Arbeitsprozess entstand (§ 30 Abs. 4 Satz NeuererVO). War der Nutzen in Geld messbar (errechenbar oder schätzbar), so wurde die Vergütung nach der Anlage 1 (= Tabelle für die Berechnung der Vergütung von vereinbarten Neuererleistungen und Neuerervorschlägen) oder der Anlage 2 (= Tabelle für die Berechnung der Vergütung für durch Wirtschaftspatent geschützte und auf alle Schutzvoraussetzungen geprüfte Erfindungen) zur NeuererVO berechnet (§ 30 Abs. 4 Satz 2 NeuererVO). War der Nutzen nicht in Geld messbar, so war die Vergütung nach kollektiver Beratung in der Neuererbrigade vom zuständigen Leiter im Einvernehmen mit der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung festzusetzen (§ 30 Abs. 4 Satz 3 NeuererVO). Die Einzelheiten der Vergütung wurden, entsprechend der Ermächtigung in § 30 Abs. 5 NeuererVO, in einer Durchführungsbestimmung (= 1. DB zur NeuererVO), geregelt. Die Ermittlung des Nutzens, welcher den Vergütungen für vereinbarte Neuererleistungen, Neuerervorschläge und Erfindungen zu Grunde zu legen war, wurde, entsprechend der Ermächtigung in § 30 Abs. 5 Satz 2 NeuererVO, in der "Anordnung über die Ermittlung des Nutzens zur Vergütung von Neuerungen und Erfindungen" vom 20. Juli 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 48, S. 550), geregelt, die vom Präsidenten des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen der DDR im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen der DDR erlassen wurde.

Anlage 2 zur NeuererVO sah folgende Berechnung der Vergütung für durch Wirtschaftspatent geschützte und auf alle Schutzvoraussetzungen geprüfte Erfindungen vor:

Gesellschaftlicher Nutzen in Mark Vergütungsbetrag in Mark bis 1.000,- 40,0 % mind. 75,- von 1.000,- bis 2.000,- 30,0 % plus 100,- von 2.000,- bis 5.000,- 20,0 % plus 300,- von 5000,- bis 10.000,- 15,0 % plus 550,- von 10.000,- bis 20.000,- 10,0 % plus 1.050,- von 20.000,- bis 50.000,- 7,5 % plus 1.550,- von 50.000,- bis 100.000,- 5,5 % plus 2.550,- von 100.000,- bis 200.000,- 4,0 % plus 4.050,- von 200.000,- bis 500.000,- 2,75 % plus 6.550,- von 500.000,- bis 1.000.000,- 2,0 % plus 10.300,- mehr als 1.000.000,- 1,0 % plus 15.300,- höchstens jedoch 200.000,-

Voraussetzung für die Zahlung einer Vergütung für Erfindungen war das Vorliegen einer durch Wirtschaftspatent geschützten und auf alle Schutzvoraussetzungen geprüften Erfindung (§ 17 Abs. 1 der 1. DB zur NeuererVO). Bei Erfindungen war in jedem Fall einer Benutzung eine Vergütung zu zahlen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 der 1. DB zur NeuererVO). Die Mindestvergütung für eine Erfindung betrug 75 Mark (§ 30 Abs. 2 der NeuererVO). Die Höhe der Vergütung hatten die Betriebe spätestens zum Zeitpunkt der Fälligkeit schriftlich mitzuteilen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur NeuererVO). Die Vergütung war spätestens (abzüglich geleisteter Vorvergütungen [§ 4 der 1. DB zur NeuererVO] und Zwischenvergütungen [§ 5 der 1. DB zur NeuererVO]) innerhalb von zwei Monaten nach Beendigung des ersten Benutzungsjahres zu zahlen (§ 8 Abs. 1 Spiegelstrich 2 Satz 1 der 1. DB zur NeuererVO). Das erste Benutzungsjahr bestand aus den ersten zwölf Monaten seit Benutzungsbeginn (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur NeuererVO). War bei einer Erfindung der Umfang der Benutzung in dem benutzenden Betrieb in einem von vier dem Jahr des Benutzungsbeginns folgenden Planjahren größer als im Benutzungsjahr, so war den Erfindern eine Nachvergütung zu zahlen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur NeuererVO). Als Nachvergütung wurde die Differenz zwischen der Vergütung auf Grund des Benutzungsumfangs im ersten Benutzungsjahr und der Vergütung auf Grund des Benutzungsumfangs im betreffenden Planjahr gezahlt (§ 18 Abs. 1 Satz 4 der 1. DB zur NeuererVO). Die Berechnung und Festsetzung der Vergütung auf Grund des Benutzungsumfangs im betreffenden Planjahr erfolgte auf der Grundlage des Nutzens, der im ersten Benutzungsjahr je Einheit oder Stück ermittelt wurde (§ 18 Abs. 1 Satz 5 der 1. DB zur NeuererVO). Die Nachvergütung war innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Ablauf des dem ersten Benutzungsbeginn folgenden vierten Planjahr zu zahlen (§ 18 Abs. 2 der 1. DB zur NeuererVO).

Die Feststellung von Beträgen, die als Vergütungen für durch Wirtschaftspatent geschützte und auf alle Schutzvoraussetzungen geprüfte Erfindungen gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 30 Abs. 1 NeuererVO, 17 Abs. 1 der 1. DB zur NeuererVO erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. im Hinblick auf den Zufluss von Jahresendprämien: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.).

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Patentvergütungen von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht auch dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Nach Auffassung des Senats ist vorliegend neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Patentvergütungen dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Patentvergütungen hat er ebenfalls zwar nicht nachgewiesen, aber gleichfalls glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 2.).

1. Der Zufluss von Patentvergütungen dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht:

a) Nachweise etwa in Form von Patentvergütungsmitteilungen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 1. DB zur NeuererVO), Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Patentvergütungen konnte dieser nicht vorlegen. Der Kläger selbst verfügt über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Patentvergütungen belegen könnte, wie er selbst im Laufe des Verfahrens ausführte.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Patentvergütungen liegen nicht mehr vor.

Die konkret für den Kläger im Arbeitsbuch des Zeugen W S notierte "Prämie für Patentanmeldung" in Höhe von 100,00 Mark, die am 21. Januar 1975 ausgezahlt wurde, die die Beklagte bereits vollständig im Neufeststellungsbescheid vom 8. November 2013 berücksichtigt hat, betrifft nicht die Patentvergütungen, sondern von diesen unabhängige Anerkennungsvergütungen für die Patentanmeldungen, die die Beschäftigungsbetriebe – regelmäßig neben – den Patentvergütungen als sog. weitere Form der materiellen Stimulierung erfinderischer Leistungen zahlten. Diese Anerkennungsvergütungen beruhten (zu einem späteren Zeitpunkt) auf einer Festlegung im "Beschluss [des Ministerrates der DDR] über Maßnahmen zur Förderung der Erfindertätigkeit" vom 2. März 1978 (auszugsweise veröffentlicht in: DDR-GBl. I 1978, Nr. 7, S. 101). In diesem Beschluss wurden neuen Formen der moralischen Würdigung und der materiellen Anerkennung erfinderischer Leistungen festgelegt. Der Beschluss transformierte damit die in § 29 Abs. 1 Satz 1 NeuererVO festgelegte Verpflichtung, wonach die Leistungen der Neuerer und Erfinder entsprechend ihrer Bedeutung für die Gesellschaft materiell anzuerkennen und zusätzlich moralisch zu würdigen waren. Denn die Leiter der Betriebe waren dafür verantwortlich, dass die materielle Anerkennung stets mit einer moralischen Anerkennung wirkungsvoll verbunden wurde und in würdigender Form erfolgte (§ 29 Abs. 2 Satz 1 NeuererVO). Zu den im Ministerratsbeschluss festgelegten neuen Formen der materiellen Anerkennung gehörte die Anerkennungsvergütung. Diese wurde für Erfindungen gezahlt, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Erfinder in einem sozialistischen Betrieb stand. Die Erfinder erhielten die Anerkennungsvergütung, wenn die im Betrieb durchgeführte Prüfung ergaben hatte, dass eine schutzfähige Erfindung vorlag, der Betrieb die Erfindung beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen der DDR angemeldet und das Amt bestätigt hatte, dass die Anmeldungsunterlagen den gesetzlichen Anmeldeerfordernissen entsprachen. Angemeldet wurde die entsprechende Patentschrift am 31. Dezember 1974 (vgl. Bl. 77 der Gerichtsakte).

b) Der Zufluss der streitgegenständlichen Patentvergütungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall glaubhaft gemacht.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

Dies zu Grunde gelegt, ist festzustellen, dass der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht hat, dass die rechtlichen Voraussetzungen (§§ 30 Abs. 1 NeuererVO, 17 Abs. 1 der 1. DB zur NeuererVO) für den Bezug von Patentvergütungen für die konkret streitgegenständlichen Erfindungen vorlagen und er eine Zahlung erhalten hat:

Auf die Beiziehungsbitte des Gerichts im Schreiben vom 4. Dezember 2014 (Bl. 74 der Gerichtsakte) hat der Zeuge W S eine Kopie des Wirtschaftspatents "Einrichtung zum Farbbandtransport und zur automatischen Umschaltung der Bewegungsrichtung bei Farbbandende in Schreib- und Druckwerken", bestätigt vom Amt für Erfindungs- und Patentwesen der DDR am 28. Mai 1980 unter der "Patentschrift 116.428", vorgelegt (Bl. 77-81 der Gerichtsakte). In dieser Patentschrift ist namentlich, neben dem Zeugen W S und einem Herrn A K , der Kläger mit vollem Namen als Miterfinder ausgewiesen. Damit hat er mindestens glaubhaft gemacht, dass er an einer durch Wirtschaftspatent geschützten und auf alle Schutzvoraussetzungen geprüften Erfindung (= rechtliche Vergütungsbezugsvoraussetzung des § 17 Abs. 1 der 1. DB zur NeuererVO) beteiligt war. Durch Vorlage der vom VEB Messgerätewerk Z am 18. Dezember 1980 erstellten "Nutzen- und Vergütungsermittlung zum WP [= Wirtschaftspatent] 116.428 ‚Einrichtung zum Farbbandtransport und zur automatischen Umschaltung der Bewegungsrichtung bei Farbbandende in Schreib- und Druckwerken‘" (Bl. 16-17 der Gerichtsakte) und am 7. September 1984 erstellten "Vergütungsermittlung der Nachvergütung für die Benutzung des WP [= Wirtschaftspatent] 116.428 - ‚Einrichtung zum Farbbandtransport und zur automatischen Umschaltung der Bewegungsrichtung bei Farbbandende in Schreib- und Druckwerken‘" (Bl. 18 der Gerichtsakte) hat er zudem glaubhaft gemacht, dass die konkrete Erfindung, an der er beteiligt war, von seinem Beschäftigungsbetrieb benutzt wurde (= rechtliche Vergütungsbezugsvoraussetzung des § 30 Abs. 1 Satz 1 NeuererVO). Denn in den vorbezeichneten Dokumenten wird auf die im ersten Benutzungsjahr voraussichtliche Fertigungsstückzahl von 1.800 Stück Farbbandeinheiten (mit einem Gewinn in Höhe von insgesamt 55.710,00 Mark) und auf die weitere Benutzung der Erfindung, die einen Gewinn von 145.991,15 Mark einbrachte (und damit eine Fertigungsstückzahl von 4717 Farbbandeinheiten), hingewiesen.

2. Die konkrete Höhe der Patentvergütungen konnte der Kläger zwar nicht nachweisen, aber glaubhaft machen.

Konkrete Zahlungsnachweise für seine Person liegen nicht vor.

Grundlage der Vergütung einer Erfindung war der Nutzen für die Gesellschaft, der durch die Benutzung einer Erfindung entstand; er war nur nach den Bestimmungen der "Anordnung über die Ermittlung des Nutzens zur Vergütung von Neuerungen und Erfindungen" vom 20. Juli 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 48, S. 550), zu ermitteln (§ 1 Abs. 2 der vorbenannten Anordnung). In dieser Anordnung wurde dezidiert festgelegt, was als Nutzen für die Gesellschaft galt (§ 2 der vorbenannten Anordnung), nach welchen Grundsätzen die Nutzensermittlung zu erfolgen hatte (§ 3 der vorbenannten Anordnung) und welche Methoden zur Ermittlung des Nutzens (§§ 4 bis 15 der vorbenannten Anordnung), beispielsweise bei der Berechnung der Einsparung von Arbeitszeit, des Verbrauchs von Rohstoffen und Materialien und des Aufwand an Arbeitsmitteln, bei der Verbesserung der Gebrauchswerteigenschaften, bei der Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, bei der Einsparung von Arbeitsplätzen, bei der Erhöhung der Produktion oder bei der Erhöhung von Exporten und Verringerung von Importen, anzuwenden waren. Derartige individuelle Parameter, die die Betriebe zu ermitteln hatten, die zur Vergütung der Erfindung verpflichtet waren (§ 1 Abs. 3 Satz 1 der vorbenannten Anordnung), können den betrieblichen Dokumenten zur Nutzen- und Vergütungsermittlung vom 18. Dezember 1980 und zur Vergütungsermittlung der Nachvergütung für die Benutzung vom 7. September 1984 entnommen werden.

Ausgehend von den betrieblichen Dokumenten zur Nutzen- und Vergütungsermittlung vom 18. Dezember 1980 und zur Vergütungsermittlung der Nachvergütung für die Benutzung vom 7. September 1984 kann der Kläger die Gesamtvergütungen für alle drei Miterfinder belegen:

Als konkrete Beträge werden dort für die Erstvergütung 5.615,00 Mark und für die Nachvergütung 4.275,00 Mark benannt. Ausgehend von den schriftlichen Notizen des Zeugen W S in seinem Arbeitsbuch (Bl. 15 der Gerichtsakte) lässt sich dabei zum einen plausibilisieren, dass der Miterfinder W S am 22. Januar 1981 eine Patentvergütung in Höhe von 1872,00 Mark und am 18. September 1984 eine Nachvergütung in Höhe von 1.425,00 Mark erhielt. Zum anderen ergibt sich daraus nachvollziehbar, dass es sich jeweils um ein Drittel der vom benutzenden Betrieb errechneten Vergütungsbeträge handelte. Ausgehend davon, dass an dem konkreten Wirtschaftspatent drei Miterfinder beteiligt waren, folgt hieraus, dass auch der Kläger ein Drittel dieser Vergütungen erhalten haben muss. Dies wird bestätigt durch die Aufzeichnungen des Zeugen W S in seinem Arbeitsbuch, in dem unter dem 22. Januar 1981 Folgendes notiert ist: "1872,- Patentvergütung für FBE erhalten (S , B. und K , A. auch, durch H u. R )". Den Nutzenermittlungen lässt sich dabei wiederum entnehmen, dass es sich bei der durch "R " benannten Person um den Leiter des Büros für Schutzrechte und Lizenzen des VEB Messgerätewerk Z handelte, sodass plausibel ist, dass diese Person die Patentvergütungen ausreichte.

Damit sind als glaubhaft gemachte Patentvergütungen für den Kläger jeweils fünf Sechstel von 1.872,00 Mark (= 1.560,00 Mark) im Zuflussjahr 1981 sowie von 1.187,50 Mark (= gerundet 990,00 Mark) im Zuflussjahr 1984 berücksichtigungs- und als erzieltes Arbeitsentgelt feststellungsfähig.

III. Auch bei den Neuererprämien handelt es nach dem bereits unter II. Ausgeführtem um Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen erbrachte Neuerung handelte. Die Neuerer- und Erfindertätigkeit wurde überwiegend unter denselben oder unter sehr ähnlichen Arbeitsbedingungen im Betrieb geleistet wie die täglich durch die Werktätigen auf Grund des Arbeitsvertrages zu erbringenden Arbeitsleistungen. Deshalb wurden in diesen Fällen die arbeitsrechtlichen Bestimmungen auf das Neuererrechtsverhältnis analog angewendet und der Werktätige juristisch so gestellt, als würde er im Rahmen des Arbeitsrechtsverhältnisses handeln (dazu ausdrücklich: Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 51).

Dem Grunde und der Höhe nach glaubhaft gemacht sind die vom Kläger geltend gemachten Neuererprämien vom 31. Mai 1974 in Höhe von 100,00 Mark und vom 30. Juli 1976 in Höhe von 150,00 Mark. Dies ergibt sich aus den schriftlichen Angaben des Zeugen W S vom 30. Dezember 2014 (Bl. 75-76 der Gerichtsakte; dort zu den Fragen 18. und 19.) sowie den handschriftlichen Notizen des Zeugen in seinem persönlichen Arbeitsbuch (Bl. 14 der Gerichtsakte). In diesem sind die Prämienzahlungen konkret an den Kläger sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vermerkt:

Der Kläger wird namentlich als Prämienempfänger einer am 31. Mai 1974 ausgereichten Prämie in Höhe von 100,00 Mark bezüglich der "NVe 13/74" benannt. Bei der "NVe 13/74" handelte es sich um die 13. Neuerervereinbarung des Jahres 1974 im Betrieb, bei der Zeichnungsunterlagen für die Fernschreibtechnik erarbeitet wurden. Der Kläger war, nach den schriftlichen Auskünften des Zeugen W S , Berater des Kollektivs der Neuerervereinbarung, ohne offiziell Mitglied dieses Kollektiv gewesen zu sein. Der für die Neuerervereinbarung gezahlte Gesamtbetrag wurde unter den Mitgliedern des Neuererkollektivs je nach Arbeitsanteil aufgeteilt. Die Beratungsleistung des Klägers wurde dabei vom Kollektiv eingeschätzt und der Betrag an ihn übergeben.

Der Kläger wird des Weiteren namentlich als Prämienempfänger einer am 30. Juli 1976 ausgereichten Prämie in Höhe von 150,00 Mark bezüglich der "K2-Verteidigung KZ/F 1201" im Arbeitsbuch des Zeugen W S benannt. Bei der Prämie für "K2-Verteidigung KZ/F 1201" handelte es sich um die Verteidigung einer Entwicklungsstufe für den Empfangsfernschreiber F 1201 mit vollständiger Konstruktionsschutzdokumentation. Der Kläger war bei diesem Projekt für das Zusammenspiel aller Komponenten des Gesamtgeräts verantwortlich. Der Zahlbetrag und die Auszahlung der Prämie wurden vom Abteilungsleiter und den Gruppenleitern festgelegt.

Zwar handelt es sich insgesamt lediglich um eigene handschriftliche Aufzeichnungen zu den Prämienzwecken und der Prämienhöhe. Grundlegende Zweifel an der Richtigkeit dieser Aufzeichnungen bestehen jedoch nicht, und zwar insbesondere deshalb nicht, weil es sich nicht lediglich um eigene Aufzeichnungen des Klägers, die dieser in seinen eigenen Prozess einführt, sondern um Aufzeichnungen einer dritten, am Prozess und dessen Ausgang unbeteiligten Person handelt.

Damit sind als glaubhaft gemachte Neuererprämien für den Kläger jeweils fünf Sechstel von 100,00 Mark (= gerundet 83,00 Mark) im Zuflussjahr 1974 sowie von 150,00 Mark (= 125,00 Mark) im Zuflussjahr 1976 berücksichtigungs- und als erzieltes Arbeitsentgelt feststellungsfähig.

IV. Nicht als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG berücksichtigungsfähig sind hingegen die vom Kläger geltend gemachten Prämien in Höhe von jeweils 50,00 Mark in den Jahren 1977 und 1978 für die Verteidigung des Titels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit". Unabhängig davon, dass diese Prämien nicht glaubhaft gemacht worden sind, weil sich in den Aufzeichnungen des Zeugen W S diesbezüglich keine konkreten Hinweise auf auch an den Kläger gezahlte Beträge befinden, handelt es sich bei diesen Prämien nicht um aus dem Arbeitsverhältnis fließende Gegenleistungen für die Arbeitsleistung.

Anerkennungsprämien anlässlich der Verleihung und Bestätigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" konnten nach § 8 Abs. 3 der "Ordnung über die Verleihung und Bestätigung des Ehrentitels ‚Kollektiv der sozialistischen Arbeit‘ (nachfolgend: ETO-KdsA)" als Bestandteil der "Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen" vom 28. Juni 1978 (DDR-GBl. 1978, Sonderdruck Nr. 952, S. 15 ff.) ausgereicht werden. Die Verleihung und Bestätigung des Ehrentitels "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" war eine "gesellschaftliche Wertschätzung" (§ 1 ETO-KdsA) und erfolgte, wenn die Kollektivmitglieder kontrollier- und abrechenbare, kollektive und persönliche Verpflichtungen übernommen hatten, mit dem Ziel, aktiv bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft mitzuwirken, die sozialistische Lebensweise weiter auszuprägen, Keime der kommunistischen Einstellung zur Arbeit herauszubilden und weitere Anforderungen verwirklichten (§ 2 Satz 1 ETO-KdsA).

Aus diesem, in einem staatlichen Regelwerk der DDR niedergelegten und damit durch das DDR-Recht selbst vorgegebenen Zweck (vgl. zur maßgeblichen Heranziehung dieses Aspekts exemplarisch: BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 18/03 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 1 = JURIS-Dokument, RdNr. 24) wird deutlich, dass mit dem Ehrentitel und der verbundenen Anerkennungsprämie, nicht die im Betrieb erbrachte Arbeitsleistung als Gegenleistung aus dem Beschäftigungsverhältnis honoriert wurde, sondern die gesellschaftliche, nämlich sozialistische, Unterstützung des staatlichen Systems in Form der Stärkung und Festigung der DDR. Honoriert wurde damit staatliche Linien-, Regime- und Systemtreue. Zwar wird als Prämierungszweck auch die Erreichung "beispielgebender Arbeitsleistungen" (§ 1 ETO-KdsA) ausdrücklich aufgeführt. Diese Arbeitsleistungen wurden aber nicht aufgrund ihres Charakters als Arbeitsleistung sondern aufgrund ihres, das staatliche System stützenden Charakters prämiert. Denn die "beispielgebenden Arbeitsleistungen" wurden wegen der "gezielten Überbietung des Planes" (§ 2 Satz 1 Spiegelstrich 1 ETO-KdsA), also der Stärkung der Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung, als beispielgebende Initiativen belohnt. Die Belohnung, und damit die Prämie, floss den Belohnten nicht aus dem durch einen Arbeitsvertrag begründeten Beschäftigungsverhältnis, sondern aus dem durch die sozialistische Staatsverfassung der DDR begründeten "festen Bündnis der Arbeiterklasse mit der Klasse der Genossenschaftsbauern, den Angehörigen der Intelligenz und den anderen Schichten des Volkes" zu, bei dem es sich um eine der "unantastbaren Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung" handelte (vgl. Art. 2 Abs. 2 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1974 [DDR-GBl. I Nr. 47 S. 432]).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Jacobi Dr. Schnell Dr. Lau
Rechtskraft
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