Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1686/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 1736/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. März 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt bis Oktober 2008 als Verkäuferin in einer Metzgerei versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos und bezieht nun Arbeitslosengeld II.
Die vorhergehenden Rentenanträge der Klägerin aus den Jahren 2010 und 2011, bei denen die Verschlusskrankheit beider Unterschenkel im Vordergrund stand, sind erfolglos geblieben (Bescheid vom 12.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2010, Bescheid vom 12.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.06.2011).
Von November bis Dezember 2011 befand sich die Klägerin zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik Bad H ... Im Entlassungsbericht vom 21.12.2011 sind als Diagnosen benannt: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode bei abhängiger Persönlichkeitsentwicklung, Angststörung mit Panikattacken, Bulimia nervosa (Essstörung), Nikotinabhängigkeit sowie periphere AVK (arterielle Verschlusskrankheit). Die Klägerin könne ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Fleischereiverkäuferin nur noch unter 3 Stunden, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 6 Stunden täglich ausüben.
Am 31.01.2013 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste die Begutachtung durch den Allgemeinmediziner Dr. P ... Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 22.02.2013: arterielle Beindurchblutungsstörungen beidseits vom peripheren Typ, formal Stadium II bei fortgesetztem Zigarettenrauchen, wiederkehrende depressive Störungen, derzeit leichtgradig, gemischt mit Angst, wiederkehrende Essstörung im Sinne einer Bulimia nervosa sowie chronische Nierenerkrankung, Nierenentfernung links wegen Schrumpfnierenentwicklung im Stadium II. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Metzgereiverkäuferin sei nicht mehr leidensgerecht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünde ein über 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender Haltung sowie gelegentlichem Stehen und Gehen. Zu vermeiden seien Tätigkeiten, die mit längerem Stehen verbunden seien und Tätigkeiten mit erheblichem Zeitdruck und Nachtschicht. Die sozialmedizinisch zum Erreichen des Arbeitsplatzes notwendigen Gehstrecken seien der Klägerin auch weiterhin gut möglich.
Mit Bescheid vom 01.03.2013 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Der Widerspruch, in dem die Klägerin auf schwere seelische und körperliche Beeinträchtigungen verwies, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2013 zurück. Der Klägerin seien noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besonderen Zeitdruck und Nachtschicht mindestens 6 Stunden und mehr zumutbar.
Dagegen hat die Klägerin am 27.06.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und geltend gemacht, dass es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei mindestens 3 bis 6 Stunden täglich zu arbeiten. Ihr Gesundheitszustand habe sich eher verschlechtert. Sie könne nicht lange stehen, geschweige denn sitzen. Des Weiteren sei auch nicht berücksichtigt worden, dass sie sehr unter Schlafstörungen und LWS-Syndrom leide.
Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. hat am 16.07.2013 mitgeteilt, die Klägerin zuletzt am 03.08.2012 gesehen zu haben. Das aktuelle Leistungsvermögen könne sie daher nicht beurteilen. Der Internist und Nephrologe Dr. F. hat unter dem 07.08.2013 ausgeführt, die Klägerin seit Juni 2008, zuletzt am 24.07.2013, behandelt zu haben. Aufgrund der Einnierigkeit bestehe eine leichtgradige Einschränkung der Nierenfunktion ohne Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit. Der Blutdruckhochdruck sei normotensiv eingestellt. Das klinische Hauptproblem stelle ein chronisches Schmerzsyndrom bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit beider Unterschenkel dar mit Ruheschmerzen im Bereich der Füße und Verschlechterung bei Kälte. Die Gehstrecke in der Ebene betrage circa 1 Kilometer, dann komme es zu Wadenschmerzen und Schmerzen am Oberschenkel. Eine leichte Erwerbstätigkeit über 6 Stunden sei nicht zumutbar. Inwieweit die seit März 2013 erfolgte Schmerzmodulation über eine Rückenmarksstimulation zu einer anhaltenden Besserung geführt habe, könne er nicht beurteilen. Der Allgemeinmediziner Dr. R. hat am 25.08.2013 berichtet, bei der Klägerin läge eine Nierenerkrankung, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit sowie depressive Episoden mit Schlafstörungen vor. Nach der Implantation eines Schrittmachers habe die Klägerin weniger Schmerzen in den Beinen; auch sei eine längere Gehstrecke gegeben. Die Nierenerkrankung sei kompensiert und verursache derzeit keine wesentlichen Einschränkungen. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten 4 bis 6 Stunden täglich verrichten. Der Orthopäde Dr. S., der die Klägerin zuletzt im Juni 2012 gesehen hatte, konnte keine Leistungseinschätzung abgeben (Auskunft vom 18.09.2013). Die Allgemeinmedizinerin Dr. L. hat am 04.10.2013 über Zolpidem- und Nikotinabhängigkeit, Ess-Brechsucht sowie rezidivierende depressive Störung berichtet. Auf Grund der Behandlung von August 2011 bis August 2012 könne von ihr keine aktuelle Aussage über die Leistungsfähigkeit getroffen werden. Aus ihrer Sicht habe die Klägerin zumindest leichte Tätigkeiten über 3 Stunden täglich verrichten können. Der Ärztliche Direktor der Universitätsklinik für Neurochirurgie Prof. Dr. M. berichtete am 15.10.2013 von der Behandlung der Klägerin seit Februar 2013. Hinsichtlich der beiderseitigen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sowie des chronischen neuropathischen Schmerzsyndroms im Bereich der Beine sei durch die Implantation einer Stimulationssonde der Schmerz gemindert und eine wesentliche Verschlechterung der Durchblutung aufgehalten worden. Der Klägerin sei es nur eingeschränkt möglich, 6 Stunden täglich leichten Tätigkeiten nachzugehen. Entscheidend sei, ob die Klägerin weitgehend stehen müsse oder ob sie sich zwischenzeitlich auch setzen könne. Handle es sich um eine sitzende Tätigkeit, beispielsweise eine Bürotätigkeit, sei davon auszugehen, dass dies möglicherweise von der Klägerin toleriert werde.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender Haltung mit gelegentlichem Stehen und Gehen mindestens 6 Stunden täglich ausüben könne. Zu vermeiden seien Tätigkeiten, die ein längeres Stehen bedingten, Nachtschicht sowie Tätigkeiten mit erheblichem Zeitdruck. Dieses Leistungsbild ergab sich für das SG aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, insbesondere aus dem Gutachten von Dr. P. vom 22.02.2013 sowie aus den Zeugenauskünften von Prof. Dr. M. und Dr. F ... Im Vordergrund stünde bei der Klägerin die periphere arterielle Verschlusskrankheiten beider Unterschenkel sowie das chronische Schmerzsyndrom. Dies führe jedoch nicht zu einer rentenrelevanten Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Der Klägerin sei am 11.03.2013 eine Stimulationssonde und am 18.03.2013 ein wiederaufladbarer Generator zur Behandlung der Durchblutungsstörungen und der Schmerzen implantiert worden. Nach Einschätzung von Prof. M. konnte durch die Implantation der Schmerz verringert und eine wesentliche Verschlechterung der Durchblutung aufgehalten werden. Gegen die Beurteilung, dass die Klägerin eine leichte Tätigkeit im Sitzen mindestens 6 Stunden täglich ausüben könne, bestünden keine Bedenken. Es sei entscheidend, ob die Klägerin weitgehend stehen müsse oder ob sie sich zwischenzeitlich auch setzen könne. Diese Einschätzung decke sich im Wesentlichen mit der Beurteilung von Dr. P ... Mit Blick auf die Beindurchblutungsstörungen seien Tätigkeiten, die ein längeres Stehen bedingten, nicht mehr ausübbar. Die Einschränkung der Nierenfunktion führe nicht zu einer Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Aus den auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen lasse sich keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens der Klägerin ableiten. Zum einen seien im Gutachten von Dr. P. keine schwerwiegenden Erkrankungen geschildert, zum anderen befinde sich die Klägerin nicht in psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung, so dass die Therapiemöglichkeiten nicht ausgeschöpft seien. Der abweichenden Leistungseinschätzung des Dr. R. konnte sich das SG nicht anschließen, da er keine Begründung hierfür gegeben und sogar teilweise eine Besserung der Beschwerden angegeben habe. Auch hat es die Einschätzung der Allgemeinmedizinerin Dr. L. nicht überzeugt, da die Klägerin seit August 2012 nicht bei ihr in Behandlung gewesen sei und sie keine Aussage über die aktuelle Leistungsfähigkeit habe abgeben können. Die Klägerin sei auch nicht deshalb teilweise bzw. voll erwerbsgemindert, weil sie wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könne. Die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen seien weder ungewöhnlich noch stellten sie eine schwerwiegende Leistungsbehinderung dar. Eine Verweisungstätigkeit müsse nicht benannt werden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch gemäß § 240 SGB VI auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, nachdem sie nach dem 02.01.1961 geboren sei.
Gegen den ihr mit Postzustellungsurkunde am 21.03.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.04.2014 schriftlich Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie unter Vorlage von Behandlungsberichten vom 07.04.2014 und 23.09.2013 vorgetragen, dass sie wieder in psychologischer Behandlung bei Dr. B. sei, da sich ihr Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert habe. Diese habe sie zur Abklärung einer Borderline-Störung sofort an die Psychiatrie nach Tübingen verwiesen. Ihr sei es nicht möglich irgendwelche alltäglichen Dinge zu verrichteten, geschweige denn in das Arbeitsleben zurückzukehren. Sie leide unter sehr starken Stimmungsschwankungen, die sie nicht mehr selber unter Kontrolle habe. Des Weiteren habe sie einen Termin am 15.04.2014 bei der Psychologin Sc.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. März 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat die Nervenärztin Dr. B. und Dipl. Psychologin Sc. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dipl. Psychologin Sc., psychologische Psychotherapeutin, hat unter dem 16.06.2014 mitgeteilt, die Klägerin seit 15.04.2014 im Rahmen einer Verhaltenstherapie zu behandeln. Sie habe eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, diagnostiziert, welche im Zusammenhang mit den schweren körperlichen Beeinträchtigungen zu sehen sei. Darüber hinaus bestehe eine Persönlichkeitsakzentuierung mit emotionaler Vulnerabilität, mangelnder Impulskontrolle und inadäquaten Strategien im Umgang mit Emotionen. Aktuell sei die Klägerin bei einer beruflichen Tätigkeit überfordert.
Dr. B., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie teilte mit, die Klägerin nochmals am 19.08.2013 und 04.04.2014 behandelt zu haben (Schreiben vom 20.06.2014). Bei den Untersuchungen habe sie den Verdacht auf eine emotionale Instabilität, Verdacht auf Persönlichkeitsstörung gestellt und die Vorstellung in der psychiatrischen Ambulanz für Persönlichkeitsstörungen der Universität Tübingen empfohlen, die noch ausstehe. Bei nicht regelmäßiger Behandlung und seltenen Arztbesuchen sei es ihr nicht möglich die berufliche Leistungsfähigkeit zu beurteilen, die maßgeblich von Seiten des psychiatrischen Fachgebiets dominiert werde.
Weiter hat der Senat das nervenärztliche Gutachten vom 08.12.2014 bei Dr. L., Chefarzt der Neuropsychiatrischen Klinik der Diakonie M. eingeholt. Er diagnostizierte bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelschwerer bis schwerer Ausprägung, wenn die Appetitstörung der Depression zugerechnet werde. Hinsichtlich der beklagten emotionalen Labilität mit innerer Unruhe und verbal aggressiven Verhaltensweisen, die sich in den letzten eineinhalb Jahren verstärkt hätten, sei im Zusammenhang mit der bekannten Gefäßerkrankung auch an eine hirnorganische Verursachung dieser Störung zu denken. Differenzialdiagnostisch komme auch eine persönlichkeitsgetragene Symptomatik, die sich zuletzt akzentuiert zu haben scheine, infrage. Die weitere Abklärung habe ergeben, dass die Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht erfüllt seien. Für die vorerwähnte Angststörung hätten sich bei der jetzigen Untersuchung keine hinreichenden Hinweise ergeben. Zudem bestehe eine Nikotinabhängigkeit mit ständigem Substanzmissbrauch. Die von der Klägerin gemachten Angaben seien glaubhaft, in sich schlüssig und fremdanamnestisch von der Mutter mit deutlicher emotionaler Beteiligung bestätigt worden. Die Essstörung scheine aktuell weitgehend kompensiert zu sein, könne sich jedoch durch zusätzliche seelische Belastungen wie z.B. Stress verstärken. Deshalb seien Akkordarbeit, Publikumsverkehr oder Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Konzentration, ebenso Schichtarbeit oder Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung zu vermeiden. Derzeit sei die Klägerin aufgrund der depressiven Symptomatik nicht in der Lage mindestens 3 Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Durch eine Behandlung - empfohlen werde die Verstärkung der bisherigen Behandlung durch eine tagesklinisch-psychiatrische oder vollstationär-psychiatrische Behandlung - sei eine Besserung zu erzielen, wegen der Chronifizierung aber nicht innerhalb von sechs Monaten.
Die Beklagte ist dem mit der Stellungnahme von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. vom 12.02.2015 entgegengetreten, der anhand der mitgeteilten Freizeit- und Tagesaktivitäten eine schwere Depression nicht als nachgewiesen ansah.
Dr. L. hat hierzu unter dem 26.03.2015 ergänzend Stellung genommen. Bei der Klägerin bleibe insgesamt ein deutliches Rückzugsverhalten mit erheblicher Einschränkung der früheren Lebensbezüge festzuhalten. Daraus ergebe sich eine schwere soziale Beeinträchtigung, auch die wenigen noch vorhandenen sozialen Kontakte ließen keine andere Einschätzung zu. Von vielen früheren Aktivitäten sei lediglich der genannte Besuch eines Tanzlokals geblieben. Auch wenn die Klägerin keine Tagesschwankungen hinsichtlich der Stimmungslage berichte, könne das abendliche Aufsuchen eines Tanzlokals ein Hinweis auf eine bei Depression mögliche Besserung der Symptomatik am Abend sein. Auch bei bestehenden wenigen Restaktivitäten und Möglichkeiten der Lebensgestaltung sei die Klägerin derzeit nicht in der Lage, eine Gewinn bringende berufliche Tätigkeit auszuüben.
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. hat sich hierzu nochmals sozialmedizinisch geäußert (Stellungnahme vom 24.04.2015).
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 05.05.2015 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da ein Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht.
Das SG hat nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts, unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen sowie unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG verbunden mit einer rechtsfehlerfreien und ausführlichen Würdigung des Beweisergebnisses zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist im Hinblick auf die weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren auszuführen, dass sich der Senat auch danach nicht hat davon überzeugen können, dass die Klägerin in rentenberechtigendem Grade in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Im Berufungsverfahren sind - auch durch die Wiederaufnahme der Behandlung - die Beeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet in den Vordergrund gerückt. Hierzu hielt zwar der Gutachter Dr. L. die Klägerin in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 08.12.2014 mit ergänzender Stellungnahme vom 26.03.2015 für nicht mehr in der Lage, mindestens 3 Stunden an 5 Tagen in der Woche erwerbstätig sein zu können. Diese Leistungseinschätzung überzeugt vor dem Hintergrund der mitgeteilten Anamnese und Befunde, die wesentliche Anknüpfungstatsachen zur Objektivierbarkeit der behaupteten Einschränkungen sind, jedoch nicht. So hat die Klägerin berichtet, regelmäßig aufzustehen, ihren Haushalt zu versorgen, einkaufen zu gehen, Essen zu kochen, Sendungen im Fernsehen zu verfolgen, die Cousine um die Ecke zu besuchen, zu Eltern und Schwester zu gehen, bis vor kurzem einen Freund gehabt zu haben und am Wochenende ein Tanzlokal aufzusuchen. Mit Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. hält der Senat dies nicht mit der Diagnose eines schwer depressiven Menschen, der keine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten kann, für vereinbar, zumal auch die behandelnde Psychotherapeutin Dipl.-Psychologin Sc. von einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung berichtetet hat. Angesichts der im Hinblick auf eine schwere psychische Erkrankung noch relativ vielzähligen Aktivitäten und Interessen kann auch nicht, wie Dr. L. beschreibt, von "insulär von Betroffenen aufgesuchten Aktivitäten" ausgegangen werden. Die Stimmung war zwar deutlich gedrückt, immer wieder weinerlich, konnte affektiv jedoch aufgelockert werden. Zudem hat Dr. L. die Diagnose einer schweren Depression unter Mitberücksichtigung der Appetitstörung als gegeben angesehen, da mit dieser entsprechend der ICD 10 F33.2 8 Kriterien erfüllt seien. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben seit der abgebrochenen Rehabilitationsmaßnahme im Jahre 2012 in Bad Neustadt nicht mehr akut unter Bulimie leidet, weshalb es fraglich erscheint, dieses als Kriterium für den Schweregrad der Depression zu berücksichtigen.
Zusammenfassend ist die Klägerin daher trotz der somatischen und psychischen Erkrankung noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, überwiegend im Sitzen, ohne Stress, Schichtarbeit, Akkordarbeit und Publikumsverkehr sowie ohne erhöhte Anforderungen an die Konzentration oder mit erhöhter Verantwortung 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche zu verrichten. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt bis Oktober 2008 als Verkäuferin in einer Metzgerei versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos und bezieht nun Arbeitslosengeld II.
Die vorhergehenden Rentenanträge der Klägerin aus den Jahren 2010 und 2011, bei denen die Verschlusskrankheit beider Unterschenkel im Vordergrund stand, sind erfolglos geblieben (Bescheid vom 12.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2010, Bescheid vom 12.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.06.2011).
Von November bis Dezember 2011 befand sich die Klägerin zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik Bad H ... Im Entlassungsbericht vom 21.12.2011 sind als Diagnosen benannt: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode bei abhängiger Persönlichkeitsentwicklung, Angststörung mit Panikattacken, Bulimia nervosa (Essstörung), Nikotinabhängigkeit sowie periphere AVK (arterielle Verschlusskrankheit). Die Klägerin könne ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Fleischereiverkäuferin nur noch unter 3 Stunden, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 6 Stunden täglich ausüben.
Am 31.01.2013 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste die Begutachtung durch den Allgemeinmediziner Dr. P ... Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 22.02.2013: arterielle Beindurchblutungsstörungen beidseits vom peripheren Typ, formal Stadium II bei fortgesetztem Zigarettenrauchen, wiederkehrende depressive Störungen, derzeit leichtgradig, gemischt mit Angst, wiederkehrende Essstörung im Sinne einer Bulimia nervosa sowie chronische Nierenerkrankung, Nierenentfernung links wegen Schrumpfnierenentwicklung im Stadium II. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Metzgereiverkäuferin sei nicht mehr leidensgerecht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünde ein über 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender Haltung sowie gelegentlichem Stehen und Gehen. Zu vermeiden seien Tätigkeiten, die mit längerem Stehen verbunden seien und Tätigkeiten mit erheblichem Zeitdruck und Nachtschicht. Die sozialmedizinisch zum Erreichen des Arbeitsplatzes notwendigen Gehstrecken seien der Klägerin auch weiterhin gut möglich.
Mit Bescheid vom 01.03.2013 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Der Widerspruch, in dem die Klägerin auf schwere seelische und körperliche Beeinträchtigungen verwies, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2013 zurück. Der Klägerin seien noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne besonderen Zeitdruck und Nachtschicht mindestens 6 Stunden und mehr zumutbar.
Dagegen hat die Klägerin am 27.06.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und geltend gemacht, dass es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei mindestens 3 bis 6 Stunden täglich zu arbeiten. Ihr Gesundheitszustand habe sich eher verschlechtert. Sie könne nicht lange stehen, geschweige denn sitzen. Des Weiteren sei auch nicht berücksichtigt worden, dass sie sehr unter Schlafstörungen und LWS-Syndrom leide.
Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. hat am 16.07.2013 mitgeteilt, die Klägerin zuletzt am 03.08.2012 gesehen zu haben. Das aktuelle Leistungsvermögen könne sie daher nicht beurteilen. Der Internist und Nephrologe Dr. F. hat unter dem 07.08.2013 ausgeführt, die Klägerin seit Juni 2008, zuletzt am 24.07.2013, behandelt zu haben. Aufgrund der Einnierigkeit bestehe eine leichtgradige Einschränkung der Nierenfunktion ohne Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit. Der Blutdruckhochdruck sei normotensiv eingestellt. Das klinische Hauptproblem stelle ein chronisches Schmerzsyndrom bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit beider Unterschenkel dar mit Ruheschmerzen im Bereich der Füße und Verschlechterung bei Kälte. Die Gehstrecke in der Ebene betrage circa 1 Kilometer, dann komme es zu Wadenschmerzen und Schmerzen am Oberschenkel. Eine leichte Erwerbstätigkeit über 6 Stunden sei nicht zumutbar. Inwieweit die seit März 2013 erfolgte Schmerzmodulation über eine Rückenmarksstimulation zu einer anhaltenden Besserung geführt habe, könne er nicht beurteilen. Der Allgemeinmediziner Dr. R. hat am 25.08.2013 berichtet, bei der Klägerin läge eine Nierenerkrankung, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit sowie depressive Episoden mit Schlafstörungen vor. Nach der Implantation eines Schrittmachers habe die Klägerin weniger Schmerzen in den Beinen; auch sei eine längere Gehstrecke gegeben. Die Nierenerkrankung sei kompensiert und verursache derzeit keine wesentlichen Einschränkungen. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten 4 bis 6 Stunden täglich verrichten. Der Orthopäde Dr. S., der die Klägerin zuletzt im Juni 2012 gesehen hatte, konnte keine Leistungseinschätzung abgeben (Auskunft vom 18.09.2013). Die Allgemeinmedizinerin Dr. L. hat am 04.10.2013 über Zolpidem- und Nikotinabhängigkeit, Ess-Brechsucht sowie rezidivierende depressive Störung berichtet. Auf Grund der Behandlung von August 2011 bis August 2012 könne von ihr keine aktuelle Aussage über die Leistungsfähigkeit getroffen werden. Aus ihrer Sicht habe die Klägerin zumindest leichte Tätigkeiten über 3 Stunden täglich verrichten können. Der Ärztliche Direktor der Universitätsklinik für Neurochirurgie Prof. Dr. M. berichtete am 15.10.2013 von der Behandlung der Klägerin seit Februar 2013. Hinsichtlich der beiderseitigen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sowie des chronischen neuropathischen Schmerzsyndroms im Bereich der Beine sei durch die Implantation einer Stimulationssonde der Schmerz gemindert und eine wesentliche Verschlechterung der Durchblutung aufgehalten worden. Der Klägerin sei es nur eingeschränkt möglich, 6 Stunden täglich leichten Tätigkeiten nachzugehen. Entscheidend sei, ob die Klägerin weitgehend stehen müsse oder ob sie sich zwischenzeitlich auch setzen könne. Handle es sich um eine sitzende Tätigkeit, beispielsweise eine Bürotätigkeit, sei davon auszugehen, dass dies möglicherweise von der Klägerin toleriert werde.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten in überwiegend sitzender Haltung mit gelegentlichem Stehen und Gehen mindestens 6 Stunden täglich ausüben könne. Zu vermeiden seien Tätigkeiten, die ein längeres Stehen bedingten, Nachtschicht sowie Tätigkeiten mit erheblichem Zeitdruck. Dieses Leistungsbild ergab sich für das SG aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, insbesondere aus dem Gutachten von Dr. P. vom 22.02.2013 sowie aus den Zeugenauskünften von Prof. Dr. M. und Dr. F ... Im Vordergrund stünde bei der Klägerin die periphere arterielle Verschlusskrankheiten beider Unterschenkel sowie das chronische Schmerzsyndrom. Dies führe jedoch nicht zu einer rentenrelevanten Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Der Klägerin sei am 11.03.2013 eine Stimulationssonde und am 18.03.2013 ein wiederaufladbarer Generator zur Behandlung der Durchblutungsstörungen und der Schmerzen implantiert worden. Nach Einschätzung von Prof. M. konnte durch die Implantation der Schmerz verringert und eine wesentliche Verschlechterung der Durchblutung aufgehalten werden. Gegen die Beurteilung, dass die Klägerin eine leichte Tätigkeit im Sitzen mindestens 6 Stunden täglich ausüben könne, bestünden keine Bedenken. Es sei entscheidend, ob die Klägerin weitgehend stehen müsse oder ob sie sich zwischenzeitlich auch setzen könne. Diese Einschätzung decke sich im Wesentlichen mit der Beurteilung von Dr. P ... Mit Blick auf die Beindurchblutungsstörungen seien Tätigkeiten, die ein längeres Stehen bedingten, nicht mehr ausübbar. Die Einschränkung der Nierenfunktion führe nicht zu einer Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Aus den auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen lasse sich keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens der Klägerin ableiten. Zum einen seien im Gutachten von Dr. P. keine schwerwiegenden Erkrankungen geschildert, zum anderen befinde sich die Klägerin nicht in psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung, so dass die Therapiemöglichkeiten nicht ausgeschöpft seien. Der abweichenden Leistungseinschätzung des Dr. R. konnte sich das SG nicht anschließen, da er keine Begründung hierfür gegeben und sogar teilweise eine Besserung der Beschwerden angegeben habe. Auch hat es die Einschätzung der Allgemeinmedizinerin Dr. L. nicht überzeugt, da die Klägerin seit August 2012 nicht bei ihr in Behandlung gewesen sei und sie keine Aussage über die aktuelle Leistungsfähigkeit habe abgeben können. Die Klägerin sei auch nicht deshalb teilweise bzw. voll erwerbsgemindert, weil sie wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könne. Die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen seien weder ungewöhnlich noch stellten sie eine schwerwiegende Leistungsbehinderung dar. Eine Verweisungstätigkeit müsse nicht benannt werden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch gemäß § 240 SGB VI auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, nachdem sie nach dem 02.01.1961 geboren sei.
Gegen den ihr mit Postzustellungsurkunde am 21.03.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.04.2014 schriftlich Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie unter Vorlage von Behandlungsberichten vom 07.04.2014 und 23.09.2013 vorgetragen, dass sie wieder in psychologischer Behandlung bei Dr. B. sei, da sich ihr Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert habe. Diese habe sie zur Abklärung einer Borderline-Störung sofort an die Psychiatrie nach Tübingen verwiesen. Ihr sei es nicht möglich irgendwelche alltäglichen Dinge zu verrichteten, geschweige denn in das Arbeitsleben zurückzukehren. Sie leide unter sehr starken Stimmungsschwankungen, die sie nicht mehr selber unter Kontrolle habe. Des Weiteren habe sie einen Termin am 15.04.2014 bei der Psychologin Sc.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. März 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat die Nervenärztin Dr. B. und Dipl. Psychologin Sc. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dipl. Psychologin Sc., psychologische Psychotherapeutin, hat unter dem 16.06.2014 mitgeteilt, die Klägerin seit 15.04.2014 im Rahmen einer Verhaltenstherapie zu behandeln. Sie habe eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, diagnostiziert, welche im Zusammenhang mit den schweren körperlichen Beeinträchtigungen zu sehen sei. Darüber hinaus bestehe eine Persönlichkeitsakzentuierung mit emotionaler Vulnerabilität, mangelnder Impulskontrolle und inadäquaten Strategien im Umgang mit Emotionen. Aktuell sei die Klägerin bei einer beruflichen Tätigkeit überfordert.
Dr. B., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie teilte mit, die Klägerin nochmals am 19.08.2013 und 04.04.2014 behandelt zu haben (Schreiben vom 20.06.2014). Bei den Untersuchungen habe sie den Verdacht auf eine emotionale Instabilität, Verdacht auf Persönlichkeitsstörung gestellt und die Vorstellung in der psychiatrischen Ambulanz für Persönlichkeitsstörungen der Universität Tübingen empfohlen, die noch ausstehe. Bei nicht regelmäßiger Behandlung und seltenen Arztbesuchen sei es ihr nicht möglich die berufliche Leistungsfähigkeit zu beurteilen, die maßgeblich von Seiten des psychiatrischen Fachgebiets dominiert werde.
Weiter hat der Senat das nervenärztliche Gutachten vom 08.12.2014 bei Dr. L., Chefarzt der Neuropsychiatrischen Klinik der Diakonie M. eingeholt. Er diagnostizierte bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelschwerer bis schwerer Ausprägung, wenn die Appetitstörung der Depression zugerechnet werde. Hinsichtlich der beklagten emotionalen Labilität mit innerer Unruhe und verbal aggressiven Verhaltensweisen, die sich in den letzten eineinhalb Jahren verstärkt hätten, sei im Zusammenhang mit der bekannten Gefäßerkrankung auch an eine hirnorganische Verursachung dieser Störung zu denken. Differenzialdiagnostisch komme auch eine persönlichkeitsgetragene Symptomatik, die sich zuletzt akzentuiert zu haben scheine, infrage. Die weitere Abklärung habe ergeben, dass die Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht erfüllt seien. Für die vorerwähnte Angststörung hätten sich bei der jetzigen Untersuchung keine hinreichenden Hinweise ergeben. Zudem bestehe eine Nikotinabhängigkeit mit ständigem Substanzmissbrauch. Die von der Klägerin gemachten Angaben seien glaubhaft, in sich schlüssig und fremdanamnestisch von der Mutter mit deutlicher emotionaler Beteiligung bestätigt worden. Die Essstörung scheine aktuell weitgehend kompensiert zu sein, könne sich jedoch durch zusätzliche seelische Belastungen wie z.B. Stress verstärken. Deshalb seien Akkordarbeit, Publikumsverkehr oder Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Konzentration, ebenso Schichtarbeit oder Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung zu vermeiden. Derzeit sei die Klägerin aufgrund der depressiven Symptomatik nicht in der Lage mindestens 3 Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Durch eine Behandlung - empfohlen werde die Verstärkung der bisherigen Behandlung durch eine tagesklinisch-psychiatrische oder vollstationär-psychiatrische Behandlung - sei eine Besserung zu erzielen, wegen der Chronifizierung aber nicht innerhalb von sechs Monaten.
Die Beklagte ist dem mit der Stellungnahme von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. vom 12.02.2015 entgegengetreten, der anhand der mitgeteilten Freizeit- und Tagesaktivitäten eine schwere Depression nicht als nachgewiesen ansah.
Dr. L. hat hierzu unter dem 26.03.2015 ergänzend Stellung genommen. Bei der Klägerin bleibe insgesamt ein deutliches Rückzugsverhalten mit erheblicher Einschränkung der früheren Lebensbezüge festzuhalten. Daraus ergebe sich eine schwere soziale Beeinträchtigung, auch die wenigen noch vorhandenen sozialen Kontakte ließen keine andere Einschätzung zu. Von vielen früheren Aktivitäten sei lediglich der genannte Besuch eines Tanzlokals geblieben. Auch wenn die Klägerin keine Tagesschwankungen hinsichtlich der Stimmungslage berichte, könne das abendliche Aufsuchen eines Tanzlokals ein Hinweis auf eine bei Depression mögliche Besserung der Symptomatik am Abend sein. Auch bei bestehenden wenigen Restaktivitäten und Möglichkeiten der Lebensgestaltung sei die Klägerin derzeit nicht in der Lage, eine Gewinn bringende berufliche Tätigkeit auszuüben.
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. hat sich hierzu nochmals sozialmedizinisch geäußert (Stellungnahme vom 24.04.2015).
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 05.05.2015 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da ein Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht.
Das SG hat nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts, unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen sowie unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG verbunden mit einer rechtsfehlerfreien und ausführlichen Würdigung des Beweisergebnisses zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist im Hinblick auf die weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren auszuführen, dass sich der Senat auch danach nicht hat davon überzeugen können, dass die Klägerin in rentenberechtigendem Grade in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Im Berufungsverfahren sind - auch durch die Wiederaufnahme der Behandlung - die Beeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet in den Vordergrund gerückt. Hierzu hielt zwar der Gutachter Dr. L. die Klägerin in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 08.12.2014 mit ergänzender Stellungnahme vom 26.03.2015 für nicht mehr in der Lage, mindestens 3 Stunden an 5 Tagen in der Woche erwerbstätig sein zu können. Diese Leistungseinschätzung überzeugt vor dem Hintergrund der mitgeteilten Anamnese und Befunde, die wesentliche Anknüpfungstatsachen zur Objektivierbarkeit der behaupteten Einschränkungen sind, jedoch nicht. So hat die Klägerin berichtet, regelmäßig aufzustehen, ihren Haushalt zu versorgen, einkaufen zu gehen, Essen zu kochen, Sendungen im Fernsehen zu verfolgen, die Cousine um die Ecke zu besuchen, zu Eltern und Schwester zu gehen, bis vor kurzem einen Freund gehabt zu haben und am Wochenende ein Tanzlokal aufzusuchen. Mit Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. hält der Senat dies nicht mit der Diagnose eines schwer depressiven Menschen, der keine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten kann, für vereinbar, zumal auch die behandelnde Psychotherapeutin Dipl.-Psychologin Sc. von einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung berichtetet hat. Angesichts der im Hinblick auf eine schwere psychische Erkrankung noch relativ vielzähligen Aktivitäten und Interessen kann auch nicht, wie Dr. L. beschreibt, von "insulär von Betroffenen aufgesuchten Aktivitäten" ausgegangen werden. Die Stimmung war zwar deutlich gedrückt, immer wieder weinerlich, konnte affektiv jedoch aufgelockert werden. Zudem hat Dr. L. die Diagnose einer schweren Depression unter Mitberücksichtigung der Appetitstörung als gegeben angesehen, da mit dieser entsprechend der ICD 10 F33.2 8 Kriterien erfüllt seien. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben seit der abgebrochenen Rehabilitationsmaßnahme im Jahre 2012 in Bad Neustadt nicht mehr akut unter Bulimie leidet, weshalb es fraglich erscheint, dieses als Kriterium für den Schweregrad der Depression zu berücksichtigen.
Zusammenfassend ist die Klägerin daher trotz der somatischen und psychischen Erkrankung noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, überwiegend im Sitzen, ohne Stress, Schichtarbeit, Akkordarbeit und Publikumsverkehr sowie ohne erhöhte Anforderungen an die Konzentration oder mit erhöhter Verantwortung 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche zu verrichten. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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