S 12 KA 458/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 458/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 23/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Kassenärztliche Vereinigung, die Zahlungen auf ein Konto leistet, dessen Inhaber nicht die zahlungsberechtigte Vertragsärztin ist, kann die Zahlung nicht von der Vertragsärztin zurückfordern. Eine E-Mail mit dem Namen der Vertragsärztin und der Bitte, die Zahlung auf das andere Konto (hier: des Ehemanns) zu leisten, reicht als Nachweis für den Zugang der Zahlung gegenüber der Vertragsärztin nicht aus, da eine E-Mail ohne ein Verfahren der Absicherung der Authentizität keine Rückschlüsse auf den Urheber bzw. Absender zulässt.
1. Der Bescheid vom 07.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 26.06.2013 wird aufgehoben, soweit die Honorarrückforderung über einen Betrag von 3.327,32 EUR festgesetzt wurde.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat 8 %, die Beklagte 92 % der Gerichtskosten zu tragen. Die Beklagte hat 92 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarrückforderung in Höhe von 43.327,32 EUR wegen der Überzahlung des Honorarkontos.

Die Klägerin war als Fachärztin für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in ZP. zugelassen. Sie hat ihre Tätigkeit zum 30.09.2012 beendet.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 03.04.2012 gegenüber der Klägerin für das Quartal III/11 einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 13.805,86 EUR wegen Überzahlung des Honorarkontos fest, der der Klägerin wegen Verzugs nicht übersandt werden konnte.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 07.02.2013 gegenüber der Klägerin für das Quartal III/12 einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 58.313,07 EUR fest. Sie wies auf eine Überzahlung des Honorarkontos für das Quartal III/12 in Höhe von 18.313,07 EUR hin. Da die vertragsärztliche Tätigkeit der Klägerin zum 30.09.2012 rückwirkend beendet worden sei, habe sie noch für das Quartal IV/12 monatliche Ratenzahlung in Höhe von 40.000,00 EUR erhalten.

Hiergegen legte die Klägerin am 19.02.2013 Widerspruch ein. Sie trug vor, die vertragsärztliche Tätigkeit habe sie am 30.09.2012 beendet und nicht rückwirkend. Die geltend gemachten Rückforderungen seien nicht plausibel. Ihnen werde widersprochen.

Die Beklagte half mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2013 dem Widerspruch der Klägerin teilweise ab und wies ihn im Übrigen als unbegründet zurück. Sie reduzierte die Rückforderung auf 43.327,32 EUR. Zur Begründung führte sie aus, das Honorarkonto für das Quartal IV/11 habe mit einer Überzahlung in Höhe von 27.829,55 EUR, für das Quartal I/12 von 22.292,13 EUR, für das Quartal II/12 von 14.985,75 EUR abgeschlossen. Dieser Betrag sei auf das Quartal III/12 umgebucht worden. Das Nettohonorar habe 26.845,02 EUR betragen. Unter Berücksichtigung der Kontobelastungen für Abschlagszahlungen in Höhe von 30.000,00 EUR, der ÄBD-Umlage von 176,34 EUR und einer Gutschrift von 4,00 EUR habe sich die Überzahlung um 3.327,32 EUR auf 18.313,07 EUR erhöht. Insofern hätte lediglich der Differenzbetrag in Höhe von 3.327,32 EUR zurückgefordert werden dürfen. Die Klägerin habe erst mit Schreiben vom 14.09.2012 die Beendigung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit erklärt, der Zulassungsausschuss habe erst am 29.01.2013 den Beschluss gefasst, weshalb es zu weiteren Abschlagszahlungen in Höhe von 40.000,00 EUR gekommen sei, weshalb zunächst der Betrag in Höhe von 58.313,07 EUR zurückgefordert worden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.08.2013 die Klage erhoben. Sie trägt vor, die letzten Zahlungen habe sie im Juli erhalten, die weiteren Abschlagszahlungen in Höhe von 40.000,00 EUR seien nicht zur Auszahlung gekommen. Das von der Beklagten genannte Konto bei der X-Bank sei ihr unbekannt. Die von der Beklagten angeführte E-Mail stamme nicht von ihr. Kontoummeldungen erfolgten auch schriftlich. Die in der E-Mail erbetene schriftliche Bestätigung habe die Beklagte nicht vorgenommen. In diesem Fall hätte sie sofort reagieren können. Es fehle an einer Zahlung mit befreiender Wirkung. Ihre offizielle Mail-Adresse laute auch 123@XYZ.de, wie sie auch im hessischen Arztregister niedergelegt sei. Die E-Mail sei auch an eine nicht zuständige Abteilung gesandt worden. Aus einer späteren Verwendung der E-Mail-Adresse könne die Beklagte keinen Vertrauenstatbestand konstruieren. Die fragliche E-Mail-Adresse sei zukunftsweisend für den Standort A-Stadt gedacht gewesen. Sie habe die Beendigung ihrer Tätigkeit zum 30.09.2012 bereits mit Schreiben vom 14.08.2012 mitgeteilt.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 07.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 26.06.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt ergänzend zu ihren Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vor, die weiteren Abschlagszahlungen seien dem Konto mit der Kontonr.: 0009876543 gutgeschrieben worden. Die Klägerin habe mit E-Mail vom 14.05.2012 ausdrücklich gewünscht, dass für Honorarzahlungen die neue Bankverbindung bei der X-Bank benutzt werde. Kontoinhaber sei B., der auch in der E-Mail bezeichnet worden sei. Ab August 2012 seien alle Zahlungen, insb. auch die Abschlagszahlungen, auf dieses Konto erfolgt, wogegen die Klägerin keine Einwände erhoben habe. Die verwandte E-Mail-Adresse habe die Klägerin selbst angegeben, sie sei auch zuvor von ihr verwandt worden. Sie sei auch wiederholt mit ihrem Ehemann B. ihr gegenüber aufgetreten.

Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Klammer hat mit Beschluss vom 28.03.2014 die Beiladung beschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SG). Die Kammer konnte trotz Abwesenheit des Beigeladenen verhandeln und entscheiden. Der Beigeladene hat kurz vor Verhandlungsbeginn eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, die ihm "Reiseunfähigkeit" attestiert. Dies war aber von der Kammer nicht nachprüfbar, da es an einer Begründung oder der Angabe von Diagnosen fehlt. Der Beigeladene hat aber einen Prozessbevollmächtigten, der ohne Angabe von Gründen im Termin nicht erschienen ist.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist auch z. T. begründet. Der angefochtene Bescheid vom 07.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 26.06.2013 ist, soweit eine Honorarrückforderung über einen Betrag von 3.327,32 EUR festgesetzt wurde, rechtswidrig und war daher insoweit aufzuheben. Im Übrigen war er aber rechtmäßig und daher nicht aufzuheben. Die Klage war im Übrigen abzuweisen.

Die Beklagte war grundsätzlich berechtigt, eine Honorarüberzahlung durch Bescheid zurückzufordern. Soweit die Beklagte aber in den Kontoausgleich die Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils 10.000,00 EUR für die Monate Oktober 2012 bis Januar 2013 eingerechnet hat, fehlt es an einem Nachweis darüber, dass die Klägerin diese Zahlungen tatsächlich erhalten hat.

Die Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils 10.000,00 EUR für die Monate Oktober 2012 bis Januar 2013 hat die Beklagte auf das Konto des beigeladenen Ehemanns der Klägerin eingezahlt. In der mündlichen Bank hat sie hierzu eine Auskunft der Bank vorgelegt, dass Kontoinhaber der Beigeladene ist und dass die Zahlungen auf dem Konto eingegangen sind. Damit hat die Klägerin das Geld nicht erhalten. Es liegen der Kammer auch keine Nachweise vor, dass die Eheleute, also die Klägerin und der Beigeladene, Gütergemeinschaft vereinbart hätten. Allein die Tatsache, dass das Konto dem Ehemann gehört und er damit das Geld erhalten hat, berechtigt nicht, das Geld auch von der Ehefrau, also der Klägerin, zurückzufordern. Im Verhältnis zu Dritten sind die Eheleute rechtlich jeder für sich zu behandeln und bilden sie keine rechtliche Einheit.

Die Zahlung auf das Konto des Beigeladenen kann der Klägerin nicht zugerechnet werden. Die Klägerin beruft sich hierzu auf eine E-Mail vom 14.05.2012, in der die Klägerin ausdrücklich gewünscht habe, dass für Honorarzahlungen die neue Bankverbindung bei der X-Bank benutzt werde. Es liegt jedoch keinerlei Nachweis vor, dass die E-Mail, die zwar mit ihrem Namen unterzeichnet ist, tatsächlich von ihr stammt. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn die E-Mail-Adresse tatsächlich der Klägerin zuzuordnen wäre. Insofern lässt eine E-Mail ohne ein Verfahren der Absicherung der Authentizität keine Rückschlüsse auf den Urheber bzw. Absender zu. Soweit die Beklagte sich dennoch darauf verlässt und auf eine schriftliche Bestätigung verzichtet, trägt sie das Risiko der Fehlleitung. Von daher war der Kammer nicht verständlich, dass die Beklagte gerade bei Zahlungsangelegenheiten, letztlich geht es um nicht ganz unerhebliche Beträge, von einer Schriftform absieht. Insofern ist der mit zwei Vertragsärzten besetzten Kammer bekannt, dass die Beklagte bei anderen Angelegenheiten, wie z. B. einer Umzugsmeldung, einen E-Mail-Verkehr nicht gelten lässt und auf einer schriftlichen Mitteilung besteht.

Aus dem Umstand, dass die Klägerin die Abschlagszahlungen für die Monate August und September 2012 nicht explizit angegriffen hat, kann gleichfalls nicht gefolgert werden, dass sie die Folgezahlungen erhalten hat. Insoweit hat sie mit Schriftsatz vom 28.08.2014 erklärt, sie habe die letzte Zahlung der Beklagten im Juli 2012 erhalten.

Der Beklagten bleibt es im Übrigen unbenommen, die Forderung in Höhe von 40.000,00 EUR bei dem Beigeladenen einzuklagen, der sich trotz Aufforderung des Gerichts zur Sache nicht eingelassen hat, und/oder die Angelegenheit einer strafrechtlichen Würdigung zu unterziehen.

Die Klage war aber im Übrigen abzuweisen. In Höhe von 3.327,32 EUR hat die Beklagte aus anderen Gründen eine Überzahlung anhand der Kontoübersichten dargelegt. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Insofern kommt es auch nicht auf die lapidare Erklärung an, sie habe die letzte Zahlung im Juli 2012 von der Beklagten erhalten.

Nach allem war der Klage im tenorierten Umfang stattzugeben, war sie aber im Übrigen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Quotelung folgt dem Anteil des jeweiligen Unterliegens.
Rechtskraft
Aus
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