L 7 AS 436/13 WA

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 33 AS 1570/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 436/13 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 85/14 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens wird als unzulässig verworfen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Wiederaufnahmeverfahren wird abgelehnt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Aufgrund des klageabweisenden Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2011 (S 33 AS 1570/08) war zwischen den Beteiligten unter dem Aktenzeichen L 7 AS 8/12 ein Berufungsverfahren anhängig. Nach Hinweisen des Berichterstatters, dass die Berufung wegen Nichterreichens des erforderlichen Beschwerdewertes unzulässig sei, wurde die Berufung mit Schriftsatz der damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 17. Oktober 2012 wieder zurückgenommen und gleichzeitig Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2012 hat der Senat die unter dem Aktenzeichen L 7 AS 713/12 NZB sodann geführte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Damit ist das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2011 rechtskräftig geworden (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2013 hat sich der Kläger erneut an das Hessische Landessozialgericht gewandt und einen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand" gestellt. Wie er nunmehr erfahren habe, würden die Leistungen nach dem SGB II rückwirkend zum jeweils ersten des Monats seit Antragstellung und zum Ende des Monats, zu dem der Leistungsempfänger sich abgemeldet habe berechnet bzw. bis zu dem Monat, zu dem der Leistungsempfänger zum ersten Mal sein Gehalt oder Lohn erhalten habe. Vorliegend müsse die Berechnung daher vom 1. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2008 erfolgen. Der Streitwert habe daher bei 1.445,30 Euro und nicht bei 722,65 Euro gelegen. Die Berechnung des Landessozialgerichts Darmstadt sei somit grundlegend falsch. Die Beschlüsse zu den Aktenzeichen L 7 AS 8/12 und L 7 AS 713/12 NZB seien rechtswidrig. Die Berufung vom 7. Januar 2012 gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main mit dem Aktenzeichen S 33 AS 1570/08 sei zulässig gewesen, da der Streitwert von über 750,- Euro erreicht worden sei. Eine Nichtzulassungsbeschwerde sei nicht erforderlich gewesen. Daher würden die Rücknahme der Berufung vom 17. Oktober 2012 sowie die Nichtzulassungsbeschwerde widerrufen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2013 hat der Kläger zudem die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Wiedereinsetzungsverfahren beantragt.

Die Beklagte beantragt, die Restitutionsklage als unzulässig zu verwerfen. Im Ergebnis begehre der Kläger die Fortführung eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Insoweit sei der Antrag des Klägers orientiert an seinem Interesse auszulegen. Ein Wiederaufnahmebegehren nach §§ 179 ff. SGG i.V.m. §§ 578 ff. ZPO scheitere jedoch schon an der schlüssigen Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes. Auch ein Widerruf der (Berufungs-)Rücknahmeerklärung komme vorliegend nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die bei der Entscheidung vorgelegen hat, Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte entsprechend § 158 S. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden.

Danach kann eine nicht statthafte oder aus sonstigen Gründen unzulässige Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen werden. Entsprechendes gilt, wenn eine Wiederaufnahmeklage nach § 179 SGG i.V.m. §§ 579, 580 Zivilprozessordnung (ZPO) unzulässig ist (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. März 2003 - L 8 LW 14/01; Bundessozialgericht, Beschluss vom 2. Juli 2003, B 10 LW 8/03 B; Meyer-Ladewig u.a., SGG, § 158, Rdnr. 6a m.w.Nw.).

Der Antrag des Klägers ist – orientiert an seinem tatsächlichen Begehren – dahingehend auszulegen, dass er die Wiederaufnahme des unter dem Aktenzeichen L 7 AS 8/12 anhängig gewesenen Berufungsverfahrens begehrt.

Soweit er wörtlich einen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gestellt hat, geht dieser Antrag an dem offensichtlichen Begehren des Klägers vorbei. Nach § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelt, ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Vorliegend geht es jedoch erkennbar nicht um die Einhaltung oder Nichteinhaltung einer gesetzlichen Verfahrensfrist, sondern um die Frage, ob das anhängig gewesene Berufungsverfahren fortgeführt werden muss.

Die Wiederaufnahmeklage in Form einer Restitutionsklage nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 580 Abs. 1 S. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) oder in Form einer Nichtigkeitsklage nach § 179 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 579 ZPO ist nicht zulässig.

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung wieder aufgenommen werden, § 179 Abs. 1 SGG. Die Vorschrift verweist insoweit auf die Vorschriften der §§ 578 bis 591 ZPO. Das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren ist wieder aufzunehmen, wenn die Wiederaufnahmeklage zulässig und begründet ist.

Nach § 580 ZPO ist eine Restitutionsklage zulässig bei Mängeln der Urteilsgrundlagen, soweit zwischen Urteil und Restitutionsgrund ein ursächlicher Zusammenhang besteht (RGZ 130, 386, 387). § 580 ZPO nennt abschließend die Restitutionsgründe. Gemäß § 179 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 589 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Die Klagefrist beträgt gemäß § 586 Abs. 1 ZPO einen Monat; sie beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Der Senat kann offenlassen, ob die Klagefrist eingehalten ist, da der Kläger jedenfalls einen Wiederaufnahmegrund nicht schlüssig behaupten kann. Denn es fehlt insoweit bereits an einer gerichtlichen Entscheidung, die zur Beendigung des Berufungsverfahrens geführt hat. Maßgeblich hierfür war vielmehr die Prozesserklärung des Klägers bzw. seiner damaligen Bevollmächtigten (Rücknahme der Berufung) vom 17. Oktober 2012. Aus gleichen Gründen ist auch eine Nichtigkeitsklage nach § 179 Abs. 1 SGG, § 579 ZPO nicht zulässig. Denn zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage gehört die Behauptung eines Prozessverstoßes, der unter § 579 Abs. 1 ZPO abschließend genannt ist, so wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1), wenn ein kraft Gesetz ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat (Nr. 2), wenn ein wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat (Nr. 3) oder wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war (Nr. 4). Derartige Gründe können mangels Entscheidung des Senats im Berufungsverfahren ebenfalls nicht schlüssig behauptet werden.

Wird ein solcher Restitutionsgrund bzw. Nichtigkeitsgrund somit nicht einmal schlüssig behauptet, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (Hess. LSG, Beschluss vom 30. März 2007 - L 1 KR 303/06 WA m.w.Nw.).

Sofern der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juni 2013 die Rücknahme der Berufungsklage vom 17. Oktober 2012 widerrufen möchte ist darauf hinzuweisen, dass die Berufungsrücknahme als Prozesshandlung grundsätzlich nicht widerrufen und nicht angefochten werden kann (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 10. Auflage 2012, § 156 Rn. 2a mit weiteren Nachweisen).

Ein Widerruf der Rücknahmeerklärung kommt nur dann in Betracht, soweit die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 179 SGG in Verbindung mit §§ 578 ff. Zivilprozessordnung bzw. § 180 SGG gegeben sind. Dies ist jedoch – wie bereits ausgeführt – offensichtlich nicht der Fall.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 73a SGG war abzulehnen, da es aus den dargelegten Gründen an der erforderlichen Erfolgsaussicht des Wiederaufnahmebegehrens fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist der Beschluss unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved