Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 11 KR 143/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 381/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 55/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Unterstützungsleistungen der Krankenkasse bei einem Verdacht auf ärztliche Behandlungsfehler im Rahmen seiner medizinischen Behandlung.
Der 1941 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger befand sich vom 23. November 2010 bis zum 2. Dezember 2010 stationär im Klinikum Kassel, wo eine radikale Prostatovesikulektomie mit regionaler Lymphadenektomie erfolgte. Im September 2012 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Unterstützung bei seinem Verdacht auf Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers im Rahmen seiner medizinischen Behandlung. Zur Begründung wies der Kläger u.a. darauf hin, dass er vor der Operation nur unzureichend über die Risiken einer Prostata-Operation aufgeklärt worden sei, äußerte den Verdacht auf Verletzung des Schließmuskels und des Lymphgefäßsystems von außen durch die Prostata-Operation und rügte eine fehlende Nachsorge nach der Prostata-Operation. So leide er u.a. unter einer starken Harninkontinenz, schweren Hautschäden an den Beinen und im gesamten Genitalbereich. Die Beklagte forderte medizinische Unterlagen bei dem Klinikum Kassel, der Földi-Klinik, Fachklinik für Lymphologie, Hinterzarten und von dem Hausarzt des Klägers, Dr. C., an und holte im Anschluss daran eine medizinische Stellungnahme des Zentralen Beratungsdienstes - Sozialmedizin -, Dr. D., ein. Dr. D. kam in seiner Stellungnahme vom 26. Februar 2013 nach Auswertung der medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis, dass aus seiner Sicht keine belastbaren Indizien für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers welcher Art auch immer als Ursache oder Verschlimmerungsfaktor der in der Tat sehr ungewöhnlichen und leider schweren und stark beeinträchtigenden Komplikation bestünden. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27. Februar 2013 mit, wies darauf hin, dass eine weitere Hilfe von Seiten der Beklagten nicht mehr erfolgen könne, es dem Kläger aber freistehe, die Gutachter- und Schlichtungs-stelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen einzuschalten oder die Schadensersatzansprüche durch Erhebung einer Schadensersatzklage geltend zu machen und übersandte dem Kläger die medizinischen Unterlagen. Am 6. März 2013 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2013 als unzulässig zurückwies. Das aufklärende Schreiben vom 27. Februar 2013 habe lediglich der Erläuterung des Ergebnisses der Prüfung der medizinischen Unterlagen durch den Sozialmedizinischen Dienst zu dem vermuteten Behandlungsfehler gedient. Es stelle keinen Verwaltungsakt dar, da eine rechtsverbindliche Entscheidung nicht getroffen worden sei, so dass der Widerspruch als unzulässig einzustufen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 18. April 2013 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben und ausgeführt, dass der Behandlungsfehler bei der Operation und in der Nachsorge von Fachärzten, z.B. im Wege seiner persönlichen Vorstellung bei diesen, überprüft werden müsse. Er leide mittlerweile u.a. unter einer Belastungsinkontinenz II - III, einem ausgeprägten Lymphödem beider Beine, der Hoden und des Penis und chronischen Harnröhrenentzündungen. Zur Bestätigung seines Vorbringens hat der Kläger einen Arztbrief von Dr. E. vom 10. April 2013 und Schreiben der Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen vom 4. Juli 2013 und vom 29. August 2013 vorgelegt. Mit Beschluss vom 30. April 2013 hat sich das Sozialgericht Kassel für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Gießen verwiesen. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung festgehalten und auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Mit Urteil vom 5. November 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Widerspruch zwar zulässig, aber unbegründet. Bei dem Schreiben vom 27. Februar 2013 handele es sich nicht um ein rein informatives Schreiben, sondern um einen Verwaltungsakt. Mit dem Schreiben habe die Beklagte dem Kläger die Entscheidung mitgeteilt, dass eine weitere Unterstützung bei der Vermutung eines ärztlichen Behandlungsfehlers durch sie nicht in Betracht komme. Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitere Untersuchung oder Unterstützung. Es liege im Ermessen der Krankenkasse, bei der Unterstützung zwischen verschiedenen Verwaltungsmaßnahmen unter Zweckmäßigkeitserwägungen auszuwählen. Die Gerichte übten insoweit lediglich eine Rechtskontrolle aus. Vorliegend habe die Beklagte ihr Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Unterstützung bedeute nicht die Übernahme der Kosten einer Rechtsverfolgung. Die Beklagte habe sämtliche relevanten Krankenunterlagen beigezogen und dem Sozialmedizinischen Dienst vorgelegt und damit zunächst abzuklären versucht, ob ein Anfangsverdacht bestehe und nach Verneinung eines solchen eine weitere Unterstützung abgelehnt.
Der Kläger hat gegen das ihm am 15. November 2013 zugestellte Urteil am 26. November 2013 bei dem Sozialgericht Gießen Klage zum Hessischen Landessozialgericht erhoben. Zur Begründung weist er erneut darauf hin, dass sein schlechter gesundheitlicher Zustand (u.a.: massives Lymphödem beider Beine, der Hoden, des Penis, außerordentlich schwere Stressinkontinenz) durch eine Kette von Behandlungsfehlern (kein Aufzeigen verschiedener Therapiewege, zu kurzer stationärer Aufenthalt, keine Diagnose des Lymphödems, keine Einweisung in Spezialklinik, zu späte Bewilligung der Rehabilitation) entstanden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm bei dem Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler Unterstützungsleistungen, etwa in Form seiner Vorstellung bei Fachärzten, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin konnte im vorliegenden Fall anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben, §§ 155 Abs. 3 und Abs. 4,153 Abs. 1,124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der angegriffene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist nicht zu beanstanden.
Bezüglich des Bescheidcharakters des Schreibens der Beklagten an den Kläger vom 27. Februar 2013 nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Beklagte ist vorliegend ihrer Verpflichtung aus § 66 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) bereits nachgekommen.
Nach § 66 SGB V sollen die Krankenkassen die Versicherten zwar bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen. § 66 SGB V wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013, BGBl. I S. 277 mit Wirkung zum 26. Februar 2013 geändert. Den Krankenkassen war zunächst ein Ermessen ("können") eingeräumt, ob und gegebenenfalls wie sie diese Unterstützungsleistungen erbringen. Dieses Ermessen ist durch die Verstärkung zum "sollen" durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten deutlich begrenzt und dadurch eine Ermessensintention eingeführt worden. Die Krankenkassen sind nach dem Willen des Gesetzgebers nun grundsätzlich zur Unterstützung verpflichtet, es sei denn, es sprechen besondere Gründe dagegen (BT-Drucks. 17/10488, S. 32; Flint in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: 04/14, § 66 SGB V Rdnr. 16).
Inhaltlich ist die Unterstützung im Sinne des § 66 SGB V jedoch nicht darauf gerichtet, dem Versicherten eine umfassende Hilfeleistung zur Klärung der Frage, ob ein Behandlungsfehler vorlag oder nicht zu gewähren oder gar die Kosten der Rechtsverfolgung zu übernehmen. Durch die Neuregelung zum 26. Februar 2013 erfolgte insoweit keine Änderung der Leistung selbst. Unterstützung im Sinne des § 66 SGB V zielt im Gegensatz dazu darauf ab, dem Versicherten Leistungen zu gewähren, die ihm die Beweisführung erleichtern, also ihm die für eine Rechtsverfolgung essentiellen Informationen zugänglich zu machen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der insoweit lediglich von einer Unterstützung und nicht von einer umfassenden Hilfeleistung bzw. gar einer Durchführung des Prozesses spricht (so auch: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. Juli 1998, L 4 KR 4/98; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. März 2015, L 5 KR 40/15 B ER; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juli 2013, L 11 KR 5691/11). Diese Auffassung folgt zudem aus der Gesetzesbegründung zu § 66 SGB V. Die Einführung der Unterstützungsregelung begründete der Gesetzgeber damit, dass die Beweisführung bei einem Behandlungsfehler dadurch erschwert werde, dass der Versicherte häufig weder Diagnose und Therapie noch den Namen des behandelnden Arztes genau kenne (BT-Drucks. 11/2237, S. 189). Unterstützungsleistungen beschränken sich demnach regelmäßig auf die Verschaffung von Auskünften über die vom Arzt gestellten Diagnosen, die angewandte Therapie, die Namen der Behandler, die Anforderung ärztlicher Unterlagen einschließlich Röntgenaufnahmen etc. von der Behandlung und die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Diesem und seinen Gutachten kommt bei der Beratung und Prüfung von vorgeworfenen ärztlichen Behandlungs- und Pflegefehlern eine zentrale Rolle zu (vgl. hierzu: Flint, a.a.O., § 66 Rdnr. 17; Roters in: Kasseler Kommentar, Stand: März 2013, § 66 Rdnr. 7f; Koch in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Auflage 2012, § 66 Rdnr. 8 ff; Psathakis/Hildebrand, Die Rolle des MDK bei Beratung und Prüfung vorgeworfener ärztlicher Behandlungs- und Pflegefehlern, ASR 2008, S. 79; Schultze-Zeu/Riehn, Ärztliche Behandlungsfehler - die Unterstützungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 66 SGB V und die Mitwirkungspflichten des Versicherten, VersR 2013, S. 1482).
Dem hat die Krankenkasse vorliegend entsprochen und den Sozialmedizinischen Dienst ein Gutachten nach Beiziehung der relevanten medizinischen Unterlagen erstellen lassen und im Anschluss daran dem Kläger alle Unterlagen zur Verfügung gestellt. Wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die gerichtliche Überprüfung auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Das Gutachten von Dr. D. ist auch fachlich nicht zu beanstanden. Allein dass der Kläger mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden ist, verpflichtet nicht zur Einholung eines weiteren oder zur Vorstellung des Klägers bei "kompetenten Fachärzten Lymphologie". Das Verhalten der Beklagten, den Sozialmedizinischen Dienst mit einer Begutachtung zu beauftragen, ist nicht zu beanstanden. Dieser ist als Medizinischer Dienst der Krankenversicherung zur Objektivität im Rahmen der ärztlichen Berufsausübung verpflichtet, da dessen Ärzte bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgabe nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und weisungsfrei sind (vgl. § 275 Abs. 5 SGB V). Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes nimmt für die Krankenversicherung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See deren Sozialmedizinischer Dienst wahr, § 283 Satz 3 SGB V. Zum anderen fallen durch die Einholung dieser Gutachten keine zusätzlichen Kosten an, § 281 SGB V. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Krankenversicherung ihre Mittel nur zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben verwenden darf. Im Rahmen des § 66 SGB V handelt es sich aber um die Unterstützung privater Interessen (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. Juli 1998, L 4 KR 4/98; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. März 2015, L 5 KR 40/15 B ER; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juli 2013, L 11 KR 5691/11).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Unterstützungsleistungen der Krankenkasse bei einem Verdacht auf ärztliche Behandlungsfehler im Rahmen seiner medizinischen Behandlung.
Der 1941 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger befand sich vom 23. November 2010 bis zum 2. Dezember 2010 stationär im Klinikum Kassel, wo eine radikale Prostatovesikulektomie mit regionaler Lymphadenektomie erfolgte. Im September 2012 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Unterstützung bei seinem Verdacht auf Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers im Rahmen seiner medizinischen Behandlung. Zur Begründung wies der Kläger u.a. darauf hin, dass er vor der Operation nur unzureichend über die Risiken einer Prostata-Operation aufgeklärt worden sei, äußerte den Verdacht auf Verletzung des Schließmuskels und des Lymphgefäßsystems von außen durch die Prostata-Operation und rügte eine fehlende Nachsorge nach der Prostata-Operation. So leide er u.a. unter einer starken Harninkontinenz, schweren Hautschäden an den Beinen und im gesamten Genitalbereich. Die Beklagte forderte medizinische Unterlagen bei dem Klinikum Kassel, der Földi-Klinik, Fachklinik für Lymphologie, Hinterzarten und von dem Hausarzt des Klägers, Dr. C., an und holte im Anschluss daran eine medizinische Stellungnahme des Zentralen Beratungsdienstes - Sozialmedizin -, Dr. D., ein. Dr. D. kam in seiner Stellungnahme vom 26. Februar 2013 nach Auswertung der medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis, dass aus seiner Sicht keine belastbaren Indizien für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers welcher Art auch immer als Ursache oder Verschlimmerungsfaktor der in der Tat sehr ungewöhnlichen und leider schweren und stark beeinträchtigenden Komplikation bestünden. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27. Februar 2013 mit, wies darauf hin, dass eine weitere Hilfe von Seiten der Beklagten nicht mehr erfolgen könne, es dem Kläger aber freistehe, die Gutachter- und Schlichtungs-stelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen einzuschalten oder die Schadensersatzansprüche durch Erhebung einer Schadensersatzklage geltend zu machen und übersandte dem Kläger die medizinischen Unterlagen. Am 6. März 2013 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2013 als unzulässig zurückwies. Das aufklärende Schreiben vom 27. Februar 2013 habe lediglich der Erläuterung des Ergebnisses der Prüfung der medizinischen Unterlagen durch den Sozialmedizinischen Dienst zu dem vermuteten Behandlungsfehler gedient. Es stelle keinen Verwaltungsakt dar, da eine rechtsverbindliche Entscheidung nicht getroffen worden sei, so dass der Widerspruch als unzulässig einzustufen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 18. April 2013 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben und ausgeführt, dass der Behandlungsfehler bei der Operation und in der Nachsorge von Fachärzten, z.B. im Wege seiner persönlichen Vorstellung bei diesen, überprüft werden müsse. Er leide mittlerweile u.a. unter einer Belastungsinkontinenz II - III, einem ausgeprägten Lymphödem beider Beine, der Hoden und des Penis und chronischen Harnröhrenentzündungen. Zur Bestätigung seines Vorbringens hat der Kläger einen Arztbrief von Dr. E. vom 10. April 2013 und Schreiben der Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen vom 4. Juli 2013 und vom 29. August 2013 vorgelegt. Mit Beschluss vom 30. April 2013 hat sich das Sozialgericht Kassel für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Gießen verwiesen. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung festgehalten und auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Mit Urteil vom 5. November 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Widerspruch zwar zulässig, aber unbegründet. Bei dem Schreiben vom 27. Februar 2013 handele es sich nicht um ein rein informatives Schreiben, sondern um einen Verwaltungsakt. Mit dem Schreiben habe die Beklagte dem Kläger die Entscheidung mitgeteilt, dass eine weitere Unterstützung bei der Vermutung eines ärztlichen Behandlungsfehlers durch sie nicht in Betracht komme. Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitere Untersuchung oder Unterstützung. Es liege im Ermessen der Krankenkasse, bei der Unterstützung zwischen verschiedenen Verwaltungsmaßnahmen unter Zweckmäßigkeitserwägungen auszuwählen. Die Gerichte übten insoweit lediglich eine Rechtskontrolle aus. Vorliegend habe die Beklagte ihr Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Unterstützung bedeute nicht die Übernahme der Kosten einer Rechtsverfolgung. Die Beklagte habe sämtliche relevanten Krankenunterlagen beigezogen und dem Sozialmedizinischen Dienst vorgelegt und damit zunächst abzuklären versucht, ob ein Anfangsverdacht bestehe und nach Verneinung eines solchen eine weitere Unterstützung abgelehnt.
Der Kläger hat gegen das ihm am 15. November 2013 zugestellte Urteil am 26. November 2013 bei dem Sozialgericht Gießen Klage zum Hessischen Landessozialgericht erhoben. Zur Begründung weist er erneut darauf hin, dass sein schlechter gesundheitlicher Zustand (u.a.: massives Lymphödem beider Beine, der Hoden, des Penis, außerordentlich schwere Stressinkontinenz) durch eine Kette von Behandlungsfehlern (kein Aufzeigen verschiedener Therapiewege, zu kurzer stationärer Aufenthalt, keine Diagnose des Lymphödems, keine Einweisung in Spezialklinik, zu späte Bewilligung der Rehabilitation) entstanden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm bei dem Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler Unterstützungsleistungen, etwa in Form seiner Vorstellung bei Fachärzten, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin konnte im vorliegenden Fall anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben, §§ 155 Abs. 3 und Abs. 4,153 Abs. 1,124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der angegriffene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist nicht zu beanstanden.
Bezüglich des Bescheidcharakters des Schreibens der Beklagten an den Kläger vom 27. Februar 2013 nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Beklagte ist vorliegend ihrer Verpflichtung aus § 66 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) bereits nachgekommen.
Nach § 66 SGB V sollen die Krankenkassen die Versicherten zwar bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen. § 66 SGB V wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013, BGBl. I S. 277 mit Wirkung zum 26. Februar 2013 geändert. Den Krankenkassen war zunächst ein Ermessen ("können") eingeräumt, ob und gegebenenfalls wie sie diese Unterstützungsleistungen erbringen. Dieses Ermessen ist durch die Verstärkung zum "sollen" durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten deutlich begrenzt und dadurch eine Ermessensintention eingeführt worden. Die Krankenkassen sind nach dem Willen des Gesetzgebers nun grundsätzlich zur Unterstützung verpflichtet, es sei denn, es sprechen besondere Gründe dagegen (BT-Drucks. 17/10488, S. 32; Flint in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: 04/14, § 66 SGB V Rdnr. 16).
Inhaltlich ist die Unterstützung im Sinne des § 66 SGB V jedoch nicht darauf gerichtet, dem Versicherten eine umfassende Hilfeleistung zur Klärung der Frage, ob ein Behandlungsfehler vorlag oder nicht zu gewähren oder gar die Kosten der Rechtsverfolgung zu übernehmen. Durch die Neuregelung zum 26. Februar 2013 erfolgte insoweit keine Änderung der Leistung selbst. Unterstützung im Sinne des § 66 SGB V zielt im Gegensatz dazu darauf ab, dem Versicherten Leistungen zu gewähren, die ihm die Beweisführung erleichtern, also ihm die für eine Rechtsverfolgung essentiellen Informationen zugänglich zu machen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der insoweit lediglich von einer Unterstützung und nicht von einer umfassenden Hilfeleistung bzw. gar einer Durchführung des Prozesses spricht (so auch: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. Juli 1998, L 4 KR 4/98; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. März 2015, L 5 KR 40/15 B ER; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juli 2013, L 11 KR 5691/11). Diese Auffassung folgt zudem aus der Gesetzesbegründung zu § 66 SGB V. Die Einführung der Unterstützungsregelung begründete der Gesetzgeber damit, dass die Beweisführung bei einem Behandlungsfehler dadurch erschwert werde, dass der Versicherte häufig weder Diagnose und Therapie noch den Namen des behandelnden Arztes genau kenne (BT-Drucks. 11/2237, S. 189). Unterstützungsleistungen beschränken sich demnach regelmäßig auf die Verschaffung von Auskünften über die vom Arzt gestellten Diagnosen, die angewandte Therapie, die Namen der Behandler, die Anforderung ärztlicher Unterlagen einschließlich Röntgenaufnahmen etc. von der Behandlung und die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Diesem und seinen Gutachten kommt bei der Beratung und Prüfung von vorgeworfenen ärztlichen Behandlungs- und Pflegefehlern eine zentrale Rolle zu (vgl. hierzu: Flint, a.a.O., § 66 Rdnr. 17; Roters in: Kasseler Kommentar, Stand: März 2013, § 66 Rdnr. 7f; Koch in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Auflage 2012, § 66 Rdnr. 8 ff; Psathakis/Hildebrand, Die Rolle des MDK bei Beratung und Prüfung vorgeworfener ärztlicher Behandlungs- und Pflegefehlern, ASR 2008, S. 79; Schultze-Zeu/Riehn, Ärztliche Behandlungsfehler - die Unterstützungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 66 SGB V und die Mitwirkungspflichten des Versicherten, VersR 2013, S. 1482).
Dem hat die Krankenkasse vorliegend entsprochen und den Sozialmedizinischen Dienst ein Gutachten nach Beiziehung der relevanten medizinischen Unterlagen erstellen lassen und im Anschluss daran dem Kläger alle Unterlagen zur Verfügung gestellt. Wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die gerichtliche Überprüfung auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Das Gutachten von Dr. D. ist auch fachlich nicht zu beanstanden. Allein dass der Kläger mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden ist, verpflichtet nicht zur Einholung eines weiteren oder zur Vorstellung des Klägers bei "kompetenten Fachärzten Lymphologie". Das Verhalten der Beklagten, den Sozialmedizinischen Dienst mit einer Begutachtung zu beauftragen, ist nicht zu beanstanden. Dieser ist als Medizinischer Dienst der Krankenversicherung zur Objektivität im Rahmen der ärztlichen Berufsausübung verpflichtet, da dessen Ärzte bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgabe nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und weisungsfrei sind (vgl. § 275 Abs. 5 SGB V). Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes nimmt für die Krankenversicherung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See deren Sozialmedizinischer Dienst wahr, § 283 Satz 3 SGB V. Zum anderen fallen durch die Einholung dieser Gutachten keine zusätzlichen Kosten an, § 281 SGB V. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Krankenversicherung ihre Mittel nur zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben verwenden darf. Im Rahmen des § 66 SGB V handelt es sich aber um die Unterstützung privater Interessen (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. Juli 1998, L 4 KR 4/98; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. März 2015, L 5 KR 40/15 B ER; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juli 2013, L 11 KR 5691/11).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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