L 3 R 171/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 R 729/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 171/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.

Die am ... 1962 geborene Klägerin durchlief zunächst von September 1979 bis Juli 1981 eine Ausbildung zum Maschinist für Pump- und Verdichteranlagen und war in der Folgezeit als Anlagenfahrer, Krippenhelfer, Küchenhilfe, Lagerhalter, Fachwerker und Bauhelfer beschäftigt. Von Januar bis Juli 1998 durchlief sie zudem erfolgreich eine Ausbildung zur technisch-kaufmännischen Fachkraft für Tankstellen. Seit Januar 2000 ist sie arbeitssuchend. Seit 2005 bezieht sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Bei der Klägerin ist seit dem 15. Dezember 2003 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 und seit dem 18. April 2011 ein GdB von 50 (Bescheid vom 28. Juli 2011) anerkannt.

Am 1. Oktober 2009 beantragte die Klägerin zum zweiten Mal die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Wegen eines im Mai 2003 erlittenen Herzinfarktes, Diabetes, eines Bluthochdrucks, eines Halswirbelsäulensyndrom, Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung ins linke Bein, Wasseransammlungen in den Beinen, Muskelkrämpfen, einer Schilddrüsenunterfunktion, erhöhten Augeninnendrucks, Schlafstörungen und Schweißausbrüchen könne sie leichte Bürohilfstätigkeiten nur noch drei Stunden täglich verrichten. Die Beklagte holte einen Behandlungs- und Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin - Naturheilverfahren - Dr. S. vom 10. Oktober 2009 ein und veranlasste sodann die Begutachtung der Klägerin durch die Fachärztin für Innere Medizin/Diagnostische Radiologie Dr. H. Die Gutachterin kam in ihrem Gutachten vom 6. Januar 2010 nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 4. Januar 2010 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten zeitweise im Gehen, Stehen und Sitzen in Früh- und Spätschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Als Diagnosen seien Adipositas per magna (BMI 45) mit inkomplettem Stoffwechselsyndrom, Diabetes mellitus Typ II, sekundär insulinisiert, Hyperlipidämie mit erheblicher Steatosis hepatis (Fettleber), Zustand nach koronarer Bypass-Operation Juli 2003 ohne Angina pectoris bei Zustand nach Vorderwand-Myokardinfarkt Mai 2003 und gesicherter koronarer Ein-Gefäßerkrankung auf der Basis eines Nikotinabusus bis 2003, essentielle Hypertonie ohne kardiale Dekompensation und muskuläre Dysbalance bei statischer Fehlbelastung und Immobilität mit myofascialen Schmerzen zu berücksichtigen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Januar 2010 den Antrag der Klägerin auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Trotz eines bestehenden Übergewichts, einer insulinpflichtigen Zuckerkrankheit, einer koronaren Herzkrankheit, Rückenschmerzen und Hüftgelenkbeschwerden könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Hiergegen legte die Klägerin am 28. Januar 2010 Widerspruch ein. Das Gutachten von Dr. H. enthalte Unrichtigkeiten zu den persönlichen Verhältnissen und seit tendenziös, da auf Seite 13 angeführt werde, dass ihr Ehemann seine "EU-Rente" eingeklagt habe, weshalb das Gutachten dem Verwertungsverbot unterliege. Sie leide unter einer Schilddrüsenunterfunktion, Wasseransammlungen in den Beinen, Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, der linken Hüfte, unter Schlafstörungen, unter starkem Übergewicht und starkem Schwitzen. Eine auf Kosten der Beklagten durchgeführte Eingliederungsmaßnahme als Bürohilfe sei erfolglos geblieben. Zudem trug die Klägerin im April 2010 vor, unter einer chronischen Urozystitis (Blasenentzündung) und Belastungsinkontinenz zu leiden; sie übersandte den Entlassungsbericht des Universitätsklinikums (UKH) H. vom 18. März 2010 über ihren stationären Aufenthalt vom 8. bis zum 11. März 2010. Daraufhin holte die Beklagte einen Behandlungs- und Befundbericht von der Fachärztin für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-Med. F. vom 27. Mai 2010 ein, die als Diagnosen eine Chondropathia patellae beidseits, ein vertebragenes Schmerzsyndrom bei muskulärer Dysbalance, Adipositas, eine leichte S-Skoliose, ein Impingementsyndrom beidseits sowie eine initiale Coxarthrose links als Diagnosen benannte. Nach Auswertung der weiteren Unterlagen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2010 den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Bei der Klägerin bestehe ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen, ohne Nachtschicht, häufiges Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen, Absturzgefahr, Eigen- und Fremdgefährdung, häufiges Knien sowie ohne häufige Überkopfarbeiten für sechs Stunden und mehr täglich.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. August 2010 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung weiterverfolgt. Sie wiederholt ihre Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. H. und hat auf einen in der Magnetresonanztomografie (MRT) vom 5. Oktober 2010 festgestellten Bandscheibenvorfall sowie eine nunmehr aufgetretene leichte Schwerhörigkeit als Folge der Diabeteserkrankung hingewiesen.

Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundberichte von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. G. vom 3. März 2011, von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. L. vom 10. März 2011 und von der Fachärztin u.a. für Orthopädie G. vom 13. Juli 2011 eingeholt. Dipl.-Med. G. hat die Klägerin am 15. Oktober 2010 wegen einer Sinusitis maxillaris und am 10. Januar 2011 wegen Unterschenkelschwellungen bei Zustand nach Myokardinfarkt mit diastolischer Relaxationsstörung behandelt. Über eine Tendenz der Erkrankungsmanifestation könne er keine Angaben machen. Dr. L. hat leichte körperliche Arbeiten mit der Möglichkeit regelmäßiger Essenzeiten sowie Insulininjektion für möglich erachtet. Frau G. hat wechselnde Beschwerden bei einem generell unveränderten Gesundheitszustand angegeben.

Vom 5. bis 23. März 2012 nahm die Klägerin an einer ganztägig ambulanten Rehabilitationsmaßnahme in der Reha F. S. Rehabilitationsklinik in H. teil. Dort wurden als Diagnosen ein chronisch rezidivierendes Lumboischialgiesyndrom rechts mehr als links bei NPP L 4/5, ein chronisch rezidivierendes Zervikalsyndrom bei muskulären Dysbalancen, eine beginnende Gonarthrose beidseits, ein sekundär insulinpflichtiger Diabetes mellitus sowie eine arterielle Hypertonie genannt (Entlassungsbericht vom 28. März 2012). In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung werden leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Gehen, Stehen und/oder Sitzen in Tagesschicht sechs Stunden und mehr täglich für zumutbar erachtet. Zu vermeiden seien häufige Stauchungen, kniegelenks- und wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen wie Knien, Hocken, Bücken und Überkopfarbeiten sowie häufiges Heben und Tragen schwerer Lasten und Schichtwechselarbeit.

Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass nunmehr durch den Facharzt für Pneumologie Dipl.-Med. N. und Dr. L. die Diagnosen eines Asthma bronchiale sowie eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms gestellt worden seien, und insoweit auf Behandlungsberichte vom 10. April und 2. Mai 2012 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 17. April 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zu, da sie noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich verrichten könne. Weitere medizinische Ermittlungen insbesondere durch Einholung eines internistischen Gutachtens durch den Facharzt für Schlafmedizin Dr. H. seien nicht erforderlich gewesen, da sich aus dem Bericht von Dipl.-Med. N. vom 10. April 2012 der "Ausschluss eines behandlungsbedürftigen obstruktiven Schlafapnoesyndroms" ergeben habe.

Gegen das ihr am 29. April 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Mai 2013 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hält daran fest, dass ihr eine Rente zustehe und eine weitere Aufklärung des Schlafapnoesyndroms zu erfolgen habe.

Der Senat hat zunächst durch Einholung von Behandlungs- und Befundberichten von Dipl.-Med. N. vom 21./27. August 2013, von der Fachärztin für Urologie Dr. B. vom 28. August 2013, von dem Praktischen Arzt G. vom 27. August 2013, von der Fachärztin für Augenheilkunde S. vom 3. September 2013, von dem Facharzt für Innere Medizin K. vom 9. September 2013, von Frau G. vom 6. September 2013 und von Dr. L. vom 18./ 28. Oktober 2013 eingeholt. Dipl.-Med. N. hat mitgeteilt, dass die durchgeführte Polygraphie das Ergebnis erbracht habe, ein behandlungsbedürftiges obstruktives Schlafapnoesyndrom sei auszuschließen. Dr. B. hat angegeben, dass nach einer Bandimplantation eine Besserung der Stressinkontinenz eingetreten sei. Die Klägerin klage jedoch weiterhin über leichtes Tröpfeln aus der Blase. Herr G. hat angegeben, seit einem Jahr habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert; hinzugetreten sei ein Erschöpfungssyndrom. Dr. S. hat eine mäßige Visusverschlechterung beidseits auf jetzt 0,6 angegeben. Herr K. hat in Bezug auf den letzten Kontakt am 9. September 2013 eine insgesamt gute Entwicklung der Blutzuckerwerte attestiert. Frau G. hat erneut Beschwerden in wechselnder Intensität ohne wesentliche Verschlechterung der Befunde angegeben. Dr. L. hat bescheinigt, dass aus der Zusammenfassung der erhobenen klinischen und operativen Befunde derzeit kein Anhalt für eine Progredienz der koronaren Herzkrankheit bestehe; subjektiv empfinde die Klägerin eine Abnahme ihrer Leistungsfähigkeit. Aus einem beigefügten Arztbrief vom 2. Mai 2012 geht hervor, dass die Ejektionsfraktion (EF) 60 Prozent betragen habe.

Schließlich hat der Senat die Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin, Betriebsmedizin Dr. H. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dr. H. hat die Klägerin am 3. Juni 2014 ambulant untersucht und ihr Gutachten unter dem 17. Juli 2014 erstattet. Die Klägerin hat zum Tagesablauf angegeben, um 4.00 Uhr aufzustehen und sich nach der ersten Insulininjektion noch einmal hinzulegen. Endgültig stehe sie gegen 8.30 Uhr auf, frühstücke, kümmere sich um die Geschirrwäsche und bereite das Mittagessen vor. Nach dem Essen sehe sie Fernsendungen (Serien, Krimi). Der Fernseher bleibe eigentlich den ganzen Tag angestellt. Sie beschäftige sich auch am PC mit Spielen. Wegen der kleinen Schrift lese sie nicht so gern. Sie lebe seit 2012 von ihrem Ehemann getrennt. Ab und zu bekomme sie Besuch von einer Freundin, einmal wöchentlich gehe sie mit ihrem "dritten Sohn" zur Mutter, die nicht pflegebedürftig sei. Sie sei nicht unzufrieden mit dem Tagesablauf. Die Klägerin habe sich in schwergradig übergewichtigem Ernährungszustand (Größe 164 cm/Gewicht 127 kg) vorgestellt. Sie wirke in der Mobilität dementsprechend schwerfällig. Der Allgemeinzustand sei altersgerecht. Ein Nachlassen von Ausdauer, Aufmerksamkeit und Konzentration sei nicht feststellbar gewesen. Das Umstellungsvermögen im Rahmen der Untersuchungen seien nicht erschwert, die Stimmung ausgeglichen und emotional stabil sowie affektiv gut schwingungsfähig bei intellektuell durchschnittlich erscheinender Befähigung entsprechend der beruflichen Entwicklung erschienen. Bei der Spirometrie und der Fahrrad-Ergometrie im Sitzen habe die Klägerin gut mitgearbeitet. Die Spirometrie habe keine Restriktion und keine Obstruktion ergeben und die Fahrrad-Ergometrie sei nach acht Minuten Belastung auf der 50-Watt-Stufe wegen Rückenschmerzen ohne Erreichen der submaximalen Ausbelastungsherzfrequenz beendet worden. Bei der Klägerin lägen folgende Gesundheitsstörungen vor:

Diabetes mellitus seit 1996, intensivierte Insulintherapie, keine diabetische Neuropathie, beginnender Katarakt, keine Angiographie.

Herzleistungsminderung bei koronarer Herzkrankheit und Vorderwandinfarkt mit 2-fach-Bypass-Operation 2003 sowie Bluthochdruck ohne Linksherzhypertrophie mit diastolischer Compliancestörung und normaler Pumpfunktion.

Leichtes Schlagapnoesyndrom ohne Indikation zur apparativen Therapie.

Leichtes Asthma bronchiale ohne dauernde Lungenfunktionsstörung.

Schwergradiges Übergewicht.

Chronisches Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit leichten Funktionsstörungen, klinisch ohne sensomotorische Ausfälle bei muskulärer Reizerscheinung, Osteochondrose, medialem Bandscheibenvorfall L4/L5 und bei Adipositas. Migräne und Spannungskopfschmerz.

Schmerzhafte, belastungsabhängige Achillessehnenverdickung links.

Schulter-Arm-Syndrom bei leichtgradiger Funktionsstörung.

Knieschmerzsyndrom beidseits ohne Funktionsstörung bei Gonarthrose.

Belastungs- und Dranginkontinenz Grad I.

Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren mit ausreichender Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit zur Alltagsgestaltung.

Die Klägerin sei leichten bis gelegentlich mittelschweren Arbeiten als Dauerbelastung gewachsen. Es könnten Lasten bis unter zehn kg ohne mechanische Hilfsmittel ständig getragen und gehoben werden. Die Klägerin sollte diese Arbeiten im gelegentlichen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und/oder Sitzen, in geschlossenen Räumen oder auch im Freien unter Witterungsschutz ausüben. Ein gelegentlicher Haltungswechsel sei ausreichend. Ausgeschlossen seien Arbeiten unter Zeitdruck, wie Akkord- und Fließbandarbeit, oder mit Wechselschicht wegen der chronischen Schmerzstörung, Arbeiten in überwiegender Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung wegen der Wirbelsäulenbeschwerden und der Adipositas sowie Arbeiten auf Gerüsten oder Leitern, an rotierenden Maschinen wegen des Diabetes mellitus und der Adipositas. Keine medizinischen Einwände bestünden gegen Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr. Eine Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens liege nicht vor. Die Klägerin sei durchschnittlichen Anforderungen an mnestische Fähigkeiten gewachsen. Insbesondere körperliche Arbeiten, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert würden, seien körperlich zumutbar. Die Greiffunktion der Hände sei unbeeinträchtigt. Die Gehfähigkeit sei nicht relevant eingeschränkt. Die Klägerin könne die ihr zumutbaren Arbeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Die gerichtliche Sachverständige Dr. H. hat in drei ergänzenden Stellungnahmen vom 12. und 26. August sowie vom 16. September 2014 zu den Einwänden der Klägerin zu ihrem Gutachten und zu der Auffassung der Klägerin, es müsse von dem Facharzt für Schlafmedizin Dr. H. aus H. ein weiteres Gutachten eingeholt werden, Stellung genommen. Sie hat darauf hingewiesen, dass zur Liste der Facharztanerkennungen nach der Bundesärztekammer die Schlafmedizin nicht gehöre. Die Schlafmedizin sei auch nicht als sogenanntes Schwerpunktgebiet innerhalb einer Facharztrichtung in der Facharztliste aufgeführt. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. N. habe sich zum Schlafapnoesyndrom eindeutig dahingehend positioniert, dass kein behandlungsbedürftiges obstruktives Schlafapnoesyndrom vorliege. Während der dreistündigen Begutachtung seien Zeichen von Tagesmüdigkeit nicht vorhanden gewesen. Im Gegenteil sei die Klägerin sehr aktiv bei der Exploration gewesen und habe auf der Erwähnung aller ihrer Beschwerden, unabhängig für die Wichtigkeit für das Rentenverfahren, bestanden. Die mnestischen Leistungen seien während der Untersuchung unbeeinträchtigt geblieben. Dr. H. hat ferner nochmals die internistischen Berichte von Dr. L. referiert und auf das gute koronare Interventionsergebnis, insbesondere auf die Ergometrie am 3. März 2014, bei der die Klägerin bis 125 Watt ohne Ischämie belastbar gewesen sei, hingewiesen. Zum Begutachtungstag habe die Klägerin Symptome am Stütz- und Bewegungsapparat in den Mittelpunkt gerückt. Zeichen kardiopulmonaler Insuffizienz hätten nicht bestanden. Trotz nicht immer ordnungsgemäß durchgeführter Insulininjektionen sei der Blutzuckerwert zufriedenstellend. Es bestehe kein Grund zu einer neuerlichen internistischen Begutachtung, insbesondere nicht in Bezug auf das Schlafapnoesyndrom.

Vor dem Verhandlungstermin hat die Klägerin ein an ihren Prozessbevollmächtigten gerichtetes Schreiben von Dipl.-Med. N. vom 18. November 2014 zu den Akten gereicht, in dem auf die Polygraphie am 11. Oktober 2012 Bezug genommen wird, wonach ein behandlungsbedürftiges obstruktives Schlafapnoesyndrom habe ausgeschlossen werden können. Soweit die Klägerin meine, doch an einem behandlungsbedürftigen obstruktiven Schlafapnoesyndrom zu leiden bzw. dass sich die Symptomatik verschlechtert habe, würde er empfehlen, die Klägerin ins Schlaflabor nach H.-D. zur Polysomnographie einzuweisen. Eine nochmalige Polygraphie als Drittuntersuchung würde er nicht empfehlen. Die Klägerin ist der Auffassung, die Ergebnisse der anstehenden Untersuchungen im Schlaflabor seien vor einer Senatsentscheidung abzuwarten.

Die Klägerin hat im Verhandlungstermin beim Senat beantragt,

den Rechtsstreit zu vertagen,

hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. April 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Oktober 2009 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat im Anschluss an den Termin zur mündlichen Verhandlung den Vertagungsantrag der Klägerin abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, da er nicht rechtswidrig ist (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Ihr steht ein Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zu.

Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarklage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist nach dem Ergebnis der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen seit Rentenantragstellung in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Die Klägerin kann noch leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten im gelegentlichen Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen sechs Stunden und mehr täglich regelmäßig verrichten. Ausgeschlossen sind Arbeiten in Wechselschicht, unter Zeitdruck wie Akkord- und Fließbandarbeiten, an rotierenden Maschinen, Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von mehr als zehn kg, in überwiegend einseitiger Körperhaltung, in Zwangshaltung oder über Kopf, mit häufigem Knien, auf Gerüsten oder Leitern sowie mit Gefährdung durch Hitze, Kälte, Zugluft, Nässe und starke Temperaturschwankungen. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist nicht eingeschränkt. Die Klägerin ist einfachen bis durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie an mnestische Fähigkeiten gewachsen.

Dies ergibt sich aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen, insbesondere aus dem Gutachten von Dr. H., die nach eingehender Untersuchung der Klägerin und gründlicher Auswertung der beigezogenen Befunde zu ihrer Leistungseinschätzung gelangt ist. Der Senat teilt die Kritik der Klägerin an dem Gutachten von Dr. H. nicht. Sofern ihr in Bezug auf persönliche Daten Schreibfehler unterlaufen sind, hat dies keine Auswirkung auf die Qualität der Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin. Diese Beurteilung ist nach umfassender Zusammenstellung der Vorbefunde und sorgfältiger Erhebung der Untersuchungsbefunde schlüssig, detailliert und nachvollziehbar erstellt worden. Der Senat hat keine Bedenken, das Gutachten von Dr. H. seiner Beurteilung zugrunde zu legen. Danach bestehen bei der Klägerin zum einen Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden, unter denen sie seit Jahren leidet und die nach ihren Angaben gegenüber der gerichtlichen Sachverständigen u.a. Anlass für die Rentenantragstellung gewesen sind. Insbesondere 2011 ist es zu einer Verschlechterung der Lendenwirbelsäulenbeschwerden mit der Notwendigkeit von Injektionen gekommen und eine Verschlechterung der Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule und des Schulter-Arms-Syndroms ist im März 2013 aufgetreten. Bei der klinischen Untersuchung sind jedoch in Übereinstimmung mit den Angaben der behandelnden Orthopädin Dipl.-Med. F. jeweils leichte Funktionsstörungen ohne sensomotorische Ausfälle und mit leichten muskulären Reizerscheinungen feststellbar gewesen. Zum anderen bestehen bei der Klägerin eine leichte Gonarthrose ohne Funktionsstörung beidseits sowie eine schmerzhafte belastungsabhängige Achillessehnenverdickung links. Gelegentlich leidet die Klägerin unter Migräne und Spannungskopfschmerzen. Sie ist aufgrund der Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates in Zusammenschau mit dem schwergradigen Übergewicht nur noch in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ohne Arbeiten mit überwiegender Zwangs- oder einseitiger Körperhaltung, ohne häufige Überkopfarbeiten, häufiges Knien und ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft und Nässe zu verrichten.

Auf internistischem Fachgebiet bestehen eine Herzleistungsminderung bei koronarer Herzkrankheit sowie ein Zustand nach Vorderwandinfarkt mit 2fach-Bypass-Operation 2003 und ein Bluthochdruck. Nach Auswertung der Befunde des Facharztes für Innere Medizin Dr. L. hat die Bypass-Operation ein gutes koronares Interventionsergebnis ergeben und die Klägerin ist in der Folgezeit regelmäßig bis 125 Watt ohne Ischämie belastbar gewesen. Die EF hat regelmäßig zwischen 51 und 60 Prozent gelegen. Die Pumpfunktion der linken Herzkammer ist nicht beeinträchtigt. Zuletzt ist im September 2012 festgestellt worden, dass keine Progredienz der koronaren Herzerkrankung sowie keine Indikation zur Koronarintervention bestehen. Insoweit ergeben sich keine über das oben genannte Leistungsbild hinausgehenden Einschränkungen.

Ferner leidet die Klägerin an einem Diabetes mellitus ohne diabetische Neuropathie und Angiographie mit einem beginnenden Katarakt. Auf Grund der intensivierten Insulintherapie liegt eine ausgeglichene Stoffwechselführung vor. Die Sehleistung ist für jedes Auge auf 0,6 im Rahmen einer mäßigen Sehschädigung reduziert. Einfachen bis durchschnittlichen Anforderungen an das Sehvermögen ist die Klägerin gleichwohl gewachsen. Die in der Berufungsbegründung vorgetragene leichte Hörstörung ist weder durch entsprechende Facharztbefunde belegt noch bei der Untersuchung durch Dr. H. aufgefallen.

Die weiteren von Dr. H. festgestellten Gesundheitsstörungen sind ohne weitergehende Auswirkungen auf das Leistungsvermögen der Klägerin. Die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren schließt ebenfalls Arbeiten unter Zeitdruck und mit Wechselschicht aus. Darüber hinaus ergeben sich aber aufgrund der festgestellten ausreichenden Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit bei der Alltagsgestaltung keine quantitativen oder weitere qualitative Einschränkungen. Die Schilddrüsenerkrankung ist medikamentös eingestellt. Die Inkontinenz ist nach einer urologischen Straffungsoperation wesentlich gebessert; es tritt nur noch gelegentliches Tröpfeln aus der Blase auf. Die Wasseransammlungen in den Beinen sind bei Dr. H. gering ausgeprägt gewesen; ihnen ist durch das qualitativ eingeschränkte Leistungsbild hinreichend Rechnung getragen. Dies gilt auch für das von Dr. H. berücksichtigte leichte Schlafapnoesyndrom. Dieses ist von ihr in Übereinstimmung mit Dr. L. als leicht und nicht behandlungsbedürftig beurteilt worden. Insbesondere eine ausgeprägte Müdigkeit hat sich bei der Untersuchung durch die gerichtliche Sachverständige nicht feststellen und aus der Alltagsgestaltung auch nicht schlussfolgern lassen. Insoweit bestand auch kein Anlass, das Ergebnis der eventuell demnächst stattfindenden Polysomnographie abzuwarten. Es steht bereits nicht fest, ob eine solche Untersuchung von dem nunmehr behandelnden Arzt Dr. L. veranlasst werden wird. Selbst wenn ein nunmehr behandlungsbedürftiges Schlafapnoesyndrom festgestellt werden sollte, ergäbe sich aus der Behandlungsbedürftigkeit keine Leistungsminderung. Maßgebend für die streitentscheidende Leistungsbeurteilung sind allein die klinischen Auswirkungen einer Erkrankung auf das Leistungsvermögen. Klinische Auswirkungen des Schlafapnoesyndroms sind von Dr. H., wie sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 16. September 2014 klargestellt hat, nicht festgestellt worden und werden auch von den behandelnden Ärzten nicht beschrieben.

Bei der Klägerin liegen deshalb auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt im Urteil des BSG vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -, juris). Insbesondere aus der leichtgradigen Inkontinenz ergibt sich nichts anderes. Denn die Klägerin kann im Rahmen der persönlichen Verteilzeiten auch am Arbeitsplatz den gegebenenfalls erforderlichen Wechsel des Inkontinenzmaterials durchführen.

Zudem ist für die Klägerin der Arbeitsmarkt nicht verschlossen, weil es ihr an der so genannten Wegefähigkeit fehlte. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße eingeschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Ist ein Arbeitsplatz auf andere Art als zu Fuß erreichbar, z.B. mit einem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitsmarkt ebenfalls nicht verschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - juris). Die Gehfähigkeit der Klägerin ist zwar bei längeren Strecken aufgrund der schwergradigen Adipositas eingeschränkt. Sie ist jedoch nach den Einschätzungen von Dr. H. in der Lage, viermal täglich knapp mehr als 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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