Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 137/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 26.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2012 in Form der Änderungsbescheide vom 22.11.2012, Dezember 2012, 14.06.2013, 17.11.2014 und 29.12.2014 verurteilt, bei der Bemessung der Beiträge des Klägers zur freiwilligen Krankenversicherung ab dem 01.01.2012 die Zahlungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose nicht zu berücksichtigen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht von Zahlungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose zur freiwilligen Krankenversicherung.
Der 1994 geborene Kläger ist bei der Beklagten freiwillig gegen Krankheit versichert. Er erhält Versorgungsbezüge in Höhe von 2.567,43 Euro, eine gesetzliche Rente in Höhe von 214,05 Euro und Landesblindengeld nach dem Gesetz für Blinde und Gehörlose in Höhe von 473,00 Euro monatlich.
Mit Bescheiden von 26.04.2012 setzte die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.01.2012 beziehungsweise mit Wirkung ab dem 01.04.2012 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fest und berücksichtigte dabei das Landesblindengeld in voller Höhe.
Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Er vertritt die Auffassung, das Landesblindengeld sei bei der Beitragsbemessung nicht zu berücksichtigen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2012 als unbegründet zurück. Sie macht geltend, auch das Landesblindengeld stelle die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers sicher und sei damit der Beitragsbemessung zugrunde zu legen.
Am 16.10.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, das Landesblindengeld werde auch in vielen anderen Vorschriften im Sozialrecht nicht als Einkommen angerechnet.
Auch in den Folgebescheiden vom 22.11.2012, Dezember 2012, 14.06.2013, 17.11.2014 und 29.12.2014 hat die Beklagte das Landesblindengeld in Höhe von 473,00 Euro monatlich der Beitragsbemessung unterworfen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 26.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2012 in Form der Änderungsbescheide vom 22.11.2012, Dezember 2012, 14.06.2013, 17.11.2014 und 29.12.2014 zu verurteilen, bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung ab dem 01.01.2012 ohne Berücksichtigung des Landesblindengeldes neu festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und verweist ergänzend auf die rückwirkend zum 01.01.2009 geltende Regelung des § 4 Nr. 4 der "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Streitgegenstand auf die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung begrenzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beteiligten den Streitgegenstand auf die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung begrenzt haben, war nur noch hierüber zu entscheiden.
Die Klage ist zulässig. Die Bescheide der Beklagten vom 22.11.2012, Dezember 2012, 14.06.2013, 17.11.2014 und 29.12.2014 sind gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 26.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2012 in Form der Änderungsbescheide vom 22.11.2012, Dezember 2012, 14.06.2013, 17.11.2014 und 29.12.2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Der Kläger hat ab dem 01.01.2012 keine Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung auf die monatlichen Zahlungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose zu leisten.
Grundlage für die Bemessung der Beiträge des Klägers für die Zeit ab dem 01.01.2012, in welcher der Kläger freiwillig versichertes Mitglied bei der Beklagten war, ist § 3 Abs. 1 der ab dem 01.01.2009 geltenden Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, die der Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Erfüllung seines Regelungsauftrags aus § 240 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erlassen hat. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 01.01.2009 nicht mehr durch die Satzung der jeweiligen Krankenkasse, sondern einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt.
Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als untergesetzliche Normen für sich genommen ab dem 01.01.2009 eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.2013, B 12 KR 3/12 R; SozR 4 - 2500 § 240 Nr. 22).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gelten als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung.
Die Kammer folgt hier der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts aus dem Urteil vom 06.12.2012 (L 1 KR 172/11; zitiert nach www.juris.de), wonach § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler für die Beitragspflicht des Landesblindesgeldes keine ausreichende Rechtsgrundlage darstellt. Die zum Sächsischen Landesblindesgeldgesetz ergangene Entscheidung ist auch auf die Leistungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose vom 17.12.1997 (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen, Seite 436) anwendbar. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des Sächsischen Landessozialgerichts aus dem Urteil vom 06.12.2012 Bezug genommen und auf die weitere Darstellung der Entscheidungsgründe verzichtet.
Die Beklagte kann sich nach Auffassung der Kammer auch nicht auf die Regelung in § 4 Nr. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (in der Fassung vom 22.11.2013) berufen. Darin wurde rückwirkend zum 01.01.2009 festgelegt, dass Leistungen zum Ausgleich der durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen und Benachteiligungen nach den landesrechtlichen Vorschriften (Blindengeld), zu den beitragspflichtigen Einnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 zuzurechnen sind, soweit diese Leistungen nicht auf die Blindenhilfe nach § 72 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) angerechnet werden. Grundsätzlich sind belastende gesetzliche Regelungen, die nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen (sogenannte echte Rückwirkung) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wegen Verstoßes gegen die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. BVerfGE 13, 139, 145 f.). Von dem Verbot der Rückwirkung hat das BVerfG allerdings Ausnahmen gemacht. So ist ein gesetzlicher Eingriff mit echter Rückwirkung unter anderem dann zulässig, wenn das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig ist (BVerfGE, 95, 64, 86 f.). Das Verbot der echten Rückwirkung greift nur ein, wenn die gesetzliche Regelung geeignet war, Vertrauen auf ihren Fortbestand in vergangenen Zeiträumen zu wecken (BVerfGE 126, 369, 393). Daran fehlt es, wenn einer rückwirkenden Neuregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorangegangen waren. Eine Grundlage für Vertrauensschutz ist nicht gegeben, wenn der Bürger aufgrund einer früheren Regelung, die sich im nach hinein als ungültig erweist, mit seiner Belastung rechnen musste. Nach diesen Grundsätzen ist die rückwirkende Geltung von § 4 Nr. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler im Ergebnis unbedenklich. Aufgrund der Regelung im § 240 SGB V und § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler mussten alle freiwillig Versicherten mit einer Beitragsbemessung auf der Grundlage ihrer gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit rechnen. Sie konnten nicht von vornherein darauf vertrauen, dass Sozialleistungen in Form von Landesblindengeld nicht der Beitragsbemessung unterliegen.
Die Kammer konnte sich vorliegend jedoch davon nicht überzeugen, dass § 4 Nr. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vorliegend eine Anspruchsgrundlage für die Heranziehung des Landesblindengeldes zur Beitragsbemessung bildet. Die Regelung rechnet Leistungen in Form von Blindengeld nach landesrechtlichen Vorschriften nur dann zu den beitragspflichtigen Einnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, soweit diese Leistungen nicht auf die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII angerechnet werden. Dies ist vorliegend jedoch der Fall. Zwar bezieht der Kläger keine Leistungen nach § 72 SGB XII. Die Leistungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose und die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII werden aber grundsätzlich aufeinander angerechnet (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose bzw. § 72 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB XII). Vorrangige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 1 Zweiter Halbsatz SGB V sind Leistungen nach den Landesblindengeldgesetzen (vgl. Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 Randziffer 6; Grube/Warendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 72 Randziffer 2). Dementsprechend geht auch der GKV-Spitzenverband in seinem Rundschreiben zur 5. Änderung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27.11.2013 (RS 2013/530) in den Erläuterungen zu den Neuregelungen davon aus, dass für Personen, die neben dem Blindengeld nach landesrechtlichen Vorschriften auch Blindenhilfe nach dem Recht der Sozialhilfe erhalten, eine konkretisierende Regelung zum Umfang der Beitragspflicht bzw. der Beitragsfreiheit des Blindengeldes getroffen wird. Dies ist aus Sicht der Kammer so zu verstehen, dass Landesblindengeld nur dann der Beitragspflicht bei freiwillig Versicherten unterworfen wird, wenn dies neben den Leistungen nach § 72 SGB XII bezogen wird. So regelt dies auch der GKV-Spitzenverband im "Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V vom 1.Dezember 2013" (Stichwort Blindengeld).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht von Zahlungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose zur freiwilligen Krankenversicherung.
Der 1994 geborene Kläger ist bei der Beklagten freiwillig gegen Krankheit versichert. Er erhält Versorgungsbezüge in Höhe von 2.567,43 Euro, eine gesetzliche Rente in Höhe von 214,05 Euro und Landesblindengeld nach dem Gesetz für Blinde und Gehörlose in Höhe von 473,00 Euro monatlich.
Mit Bescheiden von 26.04.2012 setzte die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.01.2012 beziehungsweise mit Wirkung ab dem 01.04.2012 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fest und berücksichtigte dabei das Landesblindengeld in voller Höhe.
Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Er vertritt die Auffassung, das Landesblindengeld sei bei der Beitragsbemessung nicht zu berücksichtigen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2012 als unbegründet zurück. Sie macht geltend, auch das Landesblindengeld stelle die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers sicher und sei damit der Beitragsbemessung zugrunde zu legen.
Am 16.10.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, das Landesblindengeld werde auch in vielen anderen Vorschriften im Sozialrecht nicht als Einkommen angerechnet.
Auch in den Folgebescheiden vom 22.11.2012, Dezember 2012, 14.06.2013, 17.11.2014 und 29.12.2014 hat die Beklagte das Landesblindengeld in Höhe von 473,00 Euro monatlich der Beitragsbemessung unterworfen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 26.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2012 in Form der Änderungsbescheide vom 22.11.2012, Dezember 2012, 14.06.2013, 17.11.2014 und 29.12.2014 zu verurteilen, bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung ab dem 01.01.2012 ohne Berücksichtigung des Landesblindengeldes neu festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und verweist ergänzend auf die rückwirkend zum 01.01.2009 geltende Regelung des § 4 Nr. 4 der "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Streitgegenstand auf die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung begrenzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beteiligten den Streitgegenstand auf die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung begrenzt haben, war nur noch hierüber zu entscheiden.
Die Klage ist zulässig. Die Bescheide der Beklagten vom 22.11.2012, Dezember 2012, 14.06.2013, 17.11.2014 und 29.12.2014 sind gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 26.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2012 in Form der Änderungsbescheide vom 22.11.2012, Dezember 2012, 14.06.2013, 17.11.2014 und 29.12.2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Der Kläger hat ab dem 01.01.2012 keine Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung auf die monatlichen Zahlungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose zu leisten.
Grundlage für die Bemessung der Beiträge des Klägers für die Zeit ab dem 01.01.2012, in welcher der Kläger freiwillig versichertes Mitglied bei der Beklagten war, ist § 3 Abs. 1 der ab dem 01.01.2009 geltenden Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, die der Spitzenverband Bund der Krankenkassen zur Erfüllung seines Regelungsauftrags aus § 240 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erlassen hat. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 01.01.2009 nicht mehr durch die Satzung der jeweiligen Krankenkasse, sondern einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt.
Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als untergesetzliche Normen für sich genommen ab dem 01.01.2009 eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.2013, B 12 KR 3/12 R; SozR 4 - 2500 § 240 Nr. 22).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gelten als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung.
Die Kammer folgt hier der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts aus dem Urteil vom 06.12.2012 (L 1 KR 172/11; zitiert nach www.juris.de), wonach § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler für die Beitragspflicht des Landesblindesgeldes keine ausreichende Rechtsgrundlage darstellt. Die zum Sächsischen Landesblindesgeldgesetz ergangene Entscheidung ist auch auf die Leistungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose vom 17.12.1997 (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen, Seite 436) anwendbar. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des Sächsischen Landessozialgerichts aus dem Urteil vom 06.12.2012 Bezug genommen und auf die weitere Darstellung der Entscheidungsgründe verzichtet.
Die Beklagte kann sich nach Auffassung der Kammer auch nicht auf die Regelung in § 4 Nr. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (in der Fassung vom 22.11.2013) berufen. Darin wurde rückwirkend zum 01.01.2009 festgelegt, dass Leistungen zum Ausgleich der durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen und Benachteiligungen nach den landesrechtlichen Vorschriften (Blindengeld), zu den beitragspflichtigen Einnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 zuzurechnen sind, soweit diese Leistungen nicht auf die Blindenhilfe nach § 72 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) angerechnet werden. Grundsätzlich sind belastende gesetzliche Regelungen, die nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen (sogenannte echte Rückwirkung) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wegen Verstoßes gegen die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. BVerfGE 13, 139, 145 f.). Von dem Verbot der Rückwirkung hat das BVerfG allerdings Ausnahmen gemacht. So ist ein gesetzlicher Eingriff mit echter Rückwirkung unter anderem dann zulässig, wenn das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig ist (BVerfGE, 95, 64, 86 f.). Das Verbot der echten Rückwirkung greift nur ein, wenn die gesetzliche Regelung geeignet war, Vertrauen auf ihren Fortbestand in vergangenen Zeiträumen zu wecken (BVerfGE 126, 369, 393). Daran fehlt es, wenn einer rückwirkenden Neuregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorangegangen waren. Eine Grundlage für Vertrauensschutz ist nicht gegeben, wenn der Bürger aufgrund einer früheren Regelung, die sich im nach hinein als ungültig erweist, mit seiner Belastung rechnen musste. Nach diesen Grundsätzen ist die rückwirkende Geltung von § 4 Nr. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler im Ergebnis unbedenklich. Aufgrund der Regelung im § 240 SGB V und § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler mussten alle freiwillig Versicherten mit einer Beitragsbemessung auf der Grundlage ihrer gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit rechnen. Sie konnten nicht von vornherein darauf vertrauen, dass Sozialleistungen in Form von Landesblindengeld nicht der Beitragsbemessung unterliegen.
Die Kammer konnte sich vorliegend jedoch davon nicht überzeugen, dass § 4 Nr. 4 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vorliegend eine Anspruchsgrundlage für die Heranziehung des Landesblindengeldes zur Beitragsbemessung bildet. Die Regelung rechnet Leistungen in Form von Blindengeld nach landesrechtlichen Vorschriften nur dann zu den beitragspflichtigen Einnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, soweit diese Leistungen nicht auf die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII angerechnet werden. Dies ist vorliegend jedoch der Fall. Zwar bezieht der Kläger keine Leistungen nach § 72 SGB XII. Die Leistungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose und die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII werden aber grundsätzlich aufeinander angerechnet (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose bzw. § 72 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB XII). Vorrangige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 1 Zweiter Halbsatz SGB V sind Leistungen nach den Landesblindengeldgesetzen (vgl. Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 Randziffer 6; Grube/Warendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 72 Randziffer 2). Dementsprechend geht auch der GKV-Spitzenverband in seinem Rundschreiben zur 5. Änderung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27.11.2013 (RS 2013/530) in den Erläuterungen zu den Neuregelungen davon aus, dass für Personen, die neben dem Blindengeld nach landesrechtlichen Vorschriften auch Blindenhilfe nach dem Recht der Sozialhilfe erhalten, eine konkretisierende Regelung zum Umfang der Beitragspflicht bzw. der Beitragsfreiheit des Blindengeldes getroffen wird. Dies ist aus Sicht der Kammer so zu verstehen, dass Landesblindengeld nur dann der Beitragspflicht bei freiwillig Versicherten unterworfen wird, wenn dies neben den Leistungen nach § 72 SGB XII bezogen wird. So regelt dies auch der GKV-Spitzenverband im "Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V vom 1.Dezember 2013" (Stichwort Blindengeld).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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