Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 KR 284/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 23/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Abdominoplastik sowie eine Liposuktion der Oberschenkel.
Die 1975 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin stellte im Juni 2010 einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten. Zur Begründung fügte sie einen Befundbericht des Facharztes für plastische Chirurgie Dr. M. vom 11. Juni 2010 bei, in dem es heißt, bei der Klägerin bestehe eine ausgeprägte, lockere, ptotische und adipöse Bauchdecke mit Bildung einer Hautfettschürze, eine beginnende Intertrigo, Striae distensae, eine stark eingezogene Narbe am Unterbauch sowie Fettdepots am Oberschenkel und eine psychische Belastung.
Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) kam in seinem Gutachten vom 12. August 2010 zu dem Ergebnis, dass eine Erschlaffung der Bauchdecke vorliege, die jedoch nicht zu Funktionsbehinderungen führe. Intertriginöse Hautreizungen seien mit Körperpflege zu behandeln. Auch die kräftigen Oberschenkel stellten keine Erkrankung dar.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 16. August 2010 ab. Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch reichte die Klägerin eine Stellungnahme der Gemeinschaftspraxis für Nervenheilkunde Dres. L., G. und K. vom 2. September 2010 ein, in der ausgeführt wird, dass die Klägerin an einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung leide, die sich therapeutisch nur gering beeinflussbar zeige. Ein gravierendes Therapiehemmnis sei dabei ihr mangelndes Selbstwertgefühl, sodass es sich bei der begehrten Hautstraffung nicht nur um eine rein kosmetische Korrektur handele.
Der MDK hielt in seinem weiteren Gutachten vom 22. September 2010 an seiner Auffassung fest, dass es sich bei der Hauterschlaffung weder um einen krankhaften Befund noch um eine Entstellung handele. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2011 zurück.
Mit ihrer am 18. März 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie sei wegen einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung in Behandlung. Ein Therapieerfolg habe sich noch nicht eingestellt, weil ihre körperliche Auffälligkeit insoweit ein Therapiehemmnis darstelle. Durch die überhängenden Bauchlappen würden sich außerdem Entzündungen, Exzeme und Abszesse bilden. Diese könnten durch Salben und Antibiotika immer nur vorübergehend behandelt werden, wogegen die Beseitigung der Bauchfalte eine kausale Therapie darstellen würde.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der Gemeinschaftspraxis für Nervenheilkunde vom 14. April 2012, der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S1 vom 14. April 2012, der Fachärztin für Dermatologie Dr. P. vom 18. Juli 2012, des Facharztes für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. von P1 vom 5. Dezember 2012 sowie von der Asklepios Klinik N. vom 2. November 2012 eingeholt. Daraufhin hat es die Klage durch Gerichtsbescheid vom 6. Februar 2014 abgewiesen und ausgeführt, weder die erschlaffte Bauchdecke noch die kräftigen Oberschenkel stellten eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Die aufgetretenen Hautreizungen könnten mithilfe von Medikamenten behandelt werden, eine Operation sei dafür nicht erforderlich. Psychische Erkrankungen seien allein mit Mitteln der Psychiatrie zu behandeln und rechtfertigten keine Operation am gesunden Körper.
Die Klägerin hat gegen den ihrem Bevollmächtigten am 20. Februar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid am 17. März 2014 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, es komme im Bereich der Hautlappen kontinuierlich zu Pilzbefall und sehr schmerzhaften Abszessen. Es könne nicht sein, dass sie diese lebenslang mit Salben und Antibiotika behandeln müsse, während sie durch eine entsprechende Operation nachhaltig beseitigt werden könnten. Darüber hinaus sei die Operation notwendig, um ein Therapiehindernis für die Behandlung ihrer psychischen Erkrankung zu beseitigen. Diese sei bisher wegen ihres mangelnden Selbstwertgefühls erfolglos geblieben.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer Abdominoplastik sowie einer Liposuktion der Oberschenkel bis hin zu den Knien zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Das Gericht hat einen Befundbericht des Facharztes für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe Dr. P. vom 5. Mai 2014 eingeholt und sodann ein Gutachten von Dr. S. (Fachärztin für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Sozialmedizin und Sportmedizin) vom 1. September 2014 eingeholt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung allein durch die Berichterstatterin ergehen, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Abdominoplastik oder einer Liposuktion der Oberschenkel.
Nach § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheits-beschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder Ar-beitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist dabei ein Zustand anzusehen, der von der Norm, das heißt vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu. Erforderlich ist vielmehr, dass entweder eine körperliche Fehlfunktion besteht oder eine Abweichung vom Regelfall vorliegt, die entstellend wirkt. Eine Entstellung liegt dabei nur vor, wenn die körperliche Abweichung so ausgeprägt ist, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (BSG, Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 19/07 R – Juris, m.w.N.). Eine Krankheit liegt dagegen nicht vor bei einem Zustand, der noch dem Bereich der individuellen menschlichen Unterschiede zugerechnet werden kann oder lediglich die Abweichung von einem Idealmaß darstellt.
Ein derartiger regelwidriger Zustand liegt bei der Klägerin nicht vor. Eine körperliche Fehlfunktion des Bauches oder der Oberschenkel besteht unstreitig nicht. Ebenso wenig leidet sie unter einer Entstellung. Das Gericht konnte sich vielmehr anhand der Fotoaufnahmen, die Bestandteil des Gutachtens von Dr. S. sind, davon überzeugen, dass sowohl der Bauchbereich als auch die Oberschenkel der Klägerin im üblichen Bereich der Normvarianten des menschlichen Körpers liegen. Keinesfalls handelt es sich dabei um eine körperliche Anomalie, die geeignet wäre, die Blicke anderer auf sich zu ziehen.
Es konnte auch nicht nachgewiesen werden, dass die bestehende Hauterschlaffung im Bauchbereich zu therapieresistenten Hauterkrankungen geführt hat. Vielmehr hat Dr. S. in ihrem Gutachten vom 1. September 2014 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ausgeführt, dass es insbesondere durch eine weitere Gewichtszunahme der Klägerin um 30 kg zu einer weiteren Hauterschlaffung und einer diskreten Hautfaltendoppelung im Bereich des Mittel- und Unterbauches gekommen sei. Eine Fettschürze liege jedoch nicht vor. Therapieresistente Infektionen im Bereich der Hautfalte seien nicht dokumentiert. Die Haut an den Oberschenkelinnenseiten sei reizlos. Soweit es insbesondere im Leistenbereich zu Abszessen gekommen sei, seien diese auf eine Akne-Erkrankung der Klägerin zurückzuführen, die unter anderem auch in den Achselhöhlen auftrete, nicht auf eine Hautfaltendoppelung. Zu empfehlen seien daher fachdermatologische Behandlungen sowie Nikotinkarenz und eine Gewichtsreduktion, um die Akne-Erkrankung zu bessern.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vorliegenden Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin. Im Befundbericht von Dr. S1 ist insoweit lediglich von einer leichten Rötung im Bauchfaltenbereich die Rede. Die Hautärztin Dr. P. hat als Diagnose eine Akne papulopustulosa mit Furunkeln im Leistenbereich und Follikulitiden im Gesicht sowie am Hals und Oberkörper beschrieben. Auch Dr. von P1 hat als Diagnose eine Akneerkrankung angegeben. Schließlich bestätigt auch der im Berufungsverfahren eingeholte Befundbericht von Dr. P2 nicht den Vortrag der Klägerin über therapieresistente Hauterscheinungen im Bereich der Hautfalte, denn dort ist nur von einer einmaligen Behandlung wegen Scheidenpilz sowie zwei Vorstellungen wegen einer Furunkulose im Schritt die Rede.
Schließlich rechtfertigt auch die psychische Erkrankung der Klägerin nicht die begehrten Maßnahmen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung, denn psychische Leiden können einen Anspruch auf chirurgische Maßnahmen nicht begründen. Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Operationen am gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen. Dies beruht vor allem auf den Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose sowie darauf, dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken grundsätzlich nicht zu rechtfertigen sind (BSG, Urteil vom 28.02.2008, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Abdominoplastik sowie eine Liposuktion der Oberschenkel.
Die 1975 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin stellte im Juni 2010 einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten. Zur Begründung fügte sie einen Befundbericht des Facharztes für plastische Chirurgie Dr. M. vom 11. Juni 2010 bei, in dem es heißt, bei der Klägerin bestehe eine ausgeprägte, lockere, ptotische und adipöse Bauchdecke mit Bildung einer Hautfettschürze, eine beginnende Intertrigo, Striae distensae, eine stark eingezogene Narbe am Unterbauch sowie Fettdepots am Oberschenkel und eine psychische Belastung.
Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) kam in seinem Gutachten vom 12. August 2010 zu dem Ergebnis, dass eine Erschlaffung der Bauchdecke vorliege, die jedoch nicht zu Funktionsbehinderungen führe. Intertriginöse Hautreizungen seien mit Körperpflege zu behandeln. Auch die kräftigen Oberschenkel stellten keine Erkrankung dar.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 16. August 2010 ab. Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch reichte die Klägerin eine Stellungnahme der Gemeinschaftspraxis für Nervenheilkunde Dres. L., G. und K. vom 2. September 2010 ein, in der ausgeführt wird, dass die Klägerin an einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung leide, die sich therapeutisch nur gering beeinflussbar zeige. Ein gravierendes Therapiehemmnis sei dabei ihr mangelndes Selbstwertgefühl, sodass es sich bei der begehrten Hautstraffung nicht nur um eine rein kosmetische Korrektur handele.
Der MDK hielt in seinem weiteren Gutachten vom 22. September 2010 an seiner Auffassung fest, dass es sich bei der Hauterschlaffung weder um einen krankhaften Befund noch um eine Entstellung handele. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2011 zurück.
Mit ihrer am 18. März 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie sei wegen einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung in Behandlung. Ein Therapieerfolg habe sich noch nicht eingestellt, weil ihre körperliche Auffälligkeit insoweit ein Therapiehemmnis darstelle. Durch die überhängenden Bauchlappen würden sich außerdem Entzündungen, Exzeme und Abszesse bilden. Diese könnten durch Salben und Antibiotika immer nur vorübergehend behandelt werden, wogegen die Beseitigung der Bauchfalte eine kausale Therapie darstellen würde.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der Gemeinschaftspraxis für Nervenheilkunde vom 14. April 2012, der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S1 vom 14. April 2012, der Fachärztin für Dermatologie Dr. P. vom 18. Juli 2012, des Facharztes für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. von P1 vom 5. Dezember 2012 sowie von der Asklepios Klinik N. vom 2. November 2012 eingeholt. Daraufhin hat es die Klage durch Gerichtsbescheid vom 6. Februar 2014 abgewiesen und ausgeführt, weder die erschlaffte Bauchdecke noch die kräftigen Oberschenkel stellten eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Die aufgetretenen Hautreizungen könnten mithilfe von Medikamenten behandelt werden, eine Operation sei dafür nicht erforderlich. Psychische Erkrankungen seien allein mit Mitteln der Psychiatrie zu behandeln und rechtfertigten keine Operation am gesunden Körper.
Die Klägerin hat gegen den ihrem Bevollmächtigten am 20. Februar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid am 17. März 2014 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, es komme im Bereich der Hautlappen kontinuierlich zu Pilzbefall und sehr schmerzhaften Abszessen. Es könne nicht sein, dass sie diese lebenslang mit Salben und Antibiotika behandeln müsse, während sie durch eine entsprechende Operation nachhaltig beseitigt werden könnten. Darüber hinaus sei die Operation notwendig, um ein Therapiehindernis für die Behandlung ihrer psychischen Erkrankung zu beseitigen. Diese sei bisher wegen ihres mangelnden Selbstwertgefühls erfolglos geblieben.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer Abdominoplastik sowie einer Liposuktion der Oberschenkel bis hin zu den Knien zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Das Gericht hat einen Befundbericht des Facharztes für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe Dr. P. vom 5. Mai 2014 eingeholt und sodann ein Gutachten von Dr. S. (Fachärztin für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Sozialmedizin und Sportmedizin) vom 1. September 2014 eingeholt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung allein durch die Berichterstatterin ergehen, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Abdominoplastik oder einer Liposuktion der Oberschenkel.
Nach § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheits-beschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder Ar-beitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist dabei ein Zustand anzusehen, der von der Norm, das heißt vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu. Erforderlich ist vielmehr, dass entweder eine körperliche Fehlfunktion besteht oder eine Abweichung vom Regelfall vorliegt, die entstellend wirkt. Eine Entstellung liegt dabei nur vor, wenn die körperliche Abweichung so ausgeprägt ist, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (BSG, Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 19/07 R – Juris, m.w.N.). Eine Krankheit liegt dagegen nicht vor bei einem Zustand, der noch dem Bereich der individuellen menschlichen Unterschiede zugerechnet werden kann oder lediglich die Abweichung von einem Idealmaß darstellt.
Ein derartiger regelwidriger Zustand liegt bei der Klägerin nicht vor. Eine körperliche Fehlfunktion des Bauches oder der Oberschenkel besteht unstreitig nicht. Ebenso wenig leidet sie unter einer Entstellung. Das Gericht konnte sich vielmehr anhand der Fotoaufnahmen, die Bestandteil des Gutachtens von Dr. S. sind, davon überzeugen, dass sowohl der Bauchbereich als auch die Oberschenkel der Klägerin im üblichen Bereich der Normvarianten des menschlichen Körpers liegen. Keinesfalls handelt es sich dabei um eine körperliche Anomalie, die geeignet wäre, die Blicke anderer auf sich zu ziehen.
Es konnte auch nicht nachgewiesen werden, dass die bestehende Hauterschlaffung im Bauchbereich zu therapieresistenten Hauterkrankungen geführt hat. Vielmehr hat Dr. S. in ihrem Gutachten vom 1. September 2014 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ausgeführt, dass es insbesondere durch eine weitere Gewichtszunahme der Klägerin um 30 kg zu einer weiteren Hauterschlaffung und einer diskreten Hautfaltendoppelung im Bereich des Mittel- und Unterbauches gekommen sei. Eine Fettschürze liege jedoch nicht vor. Therapieresistente Infektionen im Bereich der Hautfalte seien nicht dokumentiert. Die Haut an den Oberschenkelinnenseiten sei reizlos. Soweit es insbesondere im Leistenbereich zu Abszessen gekommen sei, seien diese auf eine Akne-Erkrankung der Klägerin zurückzuführen, die unter anderem auch in den Achselhöhlen auftrete, nicht auf eine Hautfaltendoppelung. Zu empfehlen seien daher fachdermatologische Behandlungen sowie Nikotinkarenz und eine Gewichtsreduktion, um die Akne-Erkrankung zu bessern.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vorliegenden Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin. Im Befundbericht von Dr. S1 ist insoweit lediglich von einer leichten Rötung im Bauchfaltenbereich die Rede. Die Hautärztin Dr. P. hat als Diagnose eine Akne papulopustulosa mit Furunkeln im Leistenbereich und Follikulitiden im Gesicht sowie am Hals und Oberkörper beschrieben. Auch Dr. von P1 hat als Diagnose eine Akneerkrankung angegeben. Schließlich bestätigt auch der im Berufungsverfahren eingeholte Befundbericht von Dr. P2 nicht den Vortrag der Klägerin über therapieresistente Hauterscheinungen im Bereich der Hautfalte, denn dort ist nur von einer einmaligen Behandlung wegen Scheidenpilz sowie zwei Vorstellungen wegen einer Furunkulose im Schritt die Rede.
Schließlich rechtfertigt auch die psychische Erkrankung der Klägerin nicht die begehrten Maßnahmen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung, denn psychische Leiden können einen Anspruch auf chirurgische Maßnahmen nicht begründen. Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Operationen am gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen. Dies beruht vor allem auf den Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose sowie darauf, dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken grundsätzlich nicht zu rechtfertigen sind (BSG, Urteil vom 28.02.2008, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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