L 14 R 44/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 4 R 140/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 44/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 218/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 04.12.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung weiterer Anrechnungszeiten vom 21.02.2005 bis 31.08.2006 und vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 wegen des vorangegangenen Bezugs einer Erwerbsminderungsrente.

Ausweislich des Versicherungsverlaufs bezog die am 00.00.1951 geborene Klägerin im Zeitraum vom 21.02.2005 bis 10.04.2005, vom 01.07.2006 bis 14.08.2006 und vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 Arbeitslosengeld, darüber hinaus im Zeitraum vom 11.04.2005 bis 30.06.2006 und vom 15.08.2006 bis 31.08.2006 Krankengeld. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 19.07.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Anerkennung eines Leistungsfalls vom 21.02.2005 ab dem 01.09.2005 befristet bis zum 31.01.2008. In Anlage 2, Seite 2 des Rentenbescheides stellte die Beklagte im Zeitraum vom 21.02.2005 bis 04.05.2011 insgesamt 75 Monate als Zurechnungszeit fest. Mit Bescheiden vom 10.10.2007 und 23.11.2009 verlängerte die Beklagte die befristete Rentengewährung bis zum 31.03.2013.

Am 07.09.2012 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 05.12.2012 gewährte die Beklagte der Klägerin daraufhin beginnend ab dem 01.02.2013 Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von monatlich 837,59 EUR abzüglich eines Beitragsanteils zur Krankenversicherung in Höhe von 68,68 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 19,26 EUR monatlich. Auf Seite 3 des Rentenbescheides führte die Beklagte aus, die Zeit vom 21.02.2005 bis 31.08.2006 und vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 könne nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden, weil die Zeit nach Vollendung des 25. Lebensjahres liege und Versicherungspflicht aufgrund Sozialleistungsbezuges bestanden habe. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19.04.2011 - B 13 R 79/09 R) seien Anrechnungszeiten nicht neben Pflichtbeiträgen wegen Sozialleistungsbezuges zu berücksichtigen. Ausweislich der Anlage 3 des Rentenbewilligungsbescheids vom 05.12.2012 hat die Beklagte die streitigen Zeiträume - vom 21.02.2005 bis 31.08.2006 und vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 - durchgängig als Pflichtbeitragszeiten berücksichtigt.

Hiergegen erhob die Klägerin am 14.12.2012 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, der Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) sei zwar zu entnehmen, dass die Zeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen Versicherungspflicht aufgrund Bezuges von Sozialleistungen keine Anrechnungszeiten darstellten. Es müsse jedoch Identität zwischen den Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosigkeit und dem Anrechnungszeittatbestand bestehen. Die Regelung betreffe keine Zurechnungszeiten bei Rentenbezug, da hier keine Versicherungspflicht wegen Sozialleistungsbezuges vorliegen könne. Bei den Zeiten des Bezugs der Erwerbsminderungsrente handele es sich um beitragsgeminderte Zeiten im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB VI. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung habe einen anderen rentenrechtlichen Hintergrund als im vorliegenden Fall.

Die Beklagte legte auf Wunsch der Klägerin eine Rentenprobeberechnung vom 24.01.2013 unter Berücksichtigung der Zeiträume vom 21.02.2005 bis 31.08.2006 und vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 als Anrechnungszeit vor. Sie ermittelte hiernach eine monatliche Rente von 847,41 EUR abzüglich eines Beitragsanteils zur Krankenversicherung in Höhe von 69,49 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 19,49 EUR monatlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Im Zeitraum vom 21.02.2005 bis 31.08.2006 und vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 habe die Klägerin Arbeitslosengeld und Krankengeld bezogen. Aufgrund der Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI könnten diese Zeiten, in denen die Klägerin wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig war, nicht als Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges berücksichtigt werden. In der zitierten Entscheidung habe das BSG entschieden, dass die Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI nicht auf bestimmte Anrechnungszeittatbestände beschränkt sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.03.2013 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Aachen erhoben. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, auch dem Wortlaut der Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI sei zu entnehmen, dass eine Identität der Zeiten bestehen müsse. Die eigentliche Anrechnungszeit, etwa wegen Arbeitslosigkeit, müsse gleichzeitig eine Pflichtbeitragszeit wegen Beitragsentrichtung aufgrund einer Versicherungspflicht bei Arbeitslosengeldbezug darstellen. § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI erfordere die Versicherungspflicht wegen des Bezuges von Sozialleistungen. Die Regelung könne Zurechnungszeiten nicht betreffen. Für Zurechnungszeiten würden keine Sozialleistungen bezogen. Deswegen bestehe keine Versicherungspflicht wegen Sozialleistungsbezuges. Eine Zurechnungszeit werde als eigenständige Zeit nicht verdrängt. Eine derartige Auslegung könne dem Wortlaut des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI nicht entnommen werden. Es handele sich vielmehr um parallele Zeiten, die eine beitragsgeminderte Zeit darstellten. Zurechnungszeiten sollten einen Schutzzweck erfüllen und sich bei Folgerenten als Anrechnungszeiten umwandeln.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2013 zu verurteilen, ihr höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Anerkennung der Zeit vom 21.02.2005 bis 31.08.2006 und 05.10.2006 bis 31.07.2007 als Anrechnungszeiten wegen Rentenbezuges nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI sei bei Berechnung der Altersrente richtig angewandt worden.

Mit Urteil vom 04.12.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die streitgegenständlichen Zeiten seien nicht als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI wegen Rentenbezugs zu berücksichtigen. Für die Klägerin greife § 54 Abs. 3 SGB VI nicht, der ein Zusammentreffen von Anrechnungszeiten und Pflichtbeitragszeiten regele und damit diese Zeit als beitragsgeminderte Zeit einstufe. Der Anerkennung als Anrechnungszeit stehe § 58 Absatz 1 Satz 3 SGB VI entgegen. Eine Identität von Anrechnungszeittatbestand und Pflichtbeitragszeiten müsse nicht bestehen - dies lege die Vorschrift nicht nahe. Der Gesetzgeber begrenze beispielsweise mit § 58 Abs. 2 SGB VI ebenfalls nur bestimmte Anrechnungszeiten. Auch habe das BSG nicht entschieden, dass § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI nur bei Identität von Anrechnungszeit und Pflichtbeitragszeiten in Betracht zu ziehen sei; vielmehr seien sämtliche Anrechnungszeittatbestände des § 58 Absatz 1 Satz 1 SGB VI in Bezug genommen. Auch die Gesetzesmaterialien sprächen für eine weite Anwendung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI. Ziel der Vorschrift sei es, vollwertige Beitragszeiten darüber hinaus nicht auch als Anrechnungszeit zu berücksichtigen. Anrechnungszeiten dienten dem Ausgleich fehlender Pflichtbeiträge und seien Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge. Von einer vergleichbaren Konstellation könne jedoch dann nicht ausgegangen werden, wenn vollwertige Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung geleistet würden. Die aufgrund der Erwerbsminderung aufgehobene Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei daher durch die Berücksichtigung der Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosengeld- und Krankengeldbezug hinreichend kompensiert.

Gegen das am 08.01.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.01.2014 Berufung eingelegt. Die Klägerin trägt vertiefend vor, § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI sei nicht auf Zurechnungszeiten anwendbar; in diesen Zeiten würden nie Sozialleistungen bezogen. Diese würden als eigenständige Zeit nicht verdrängt. Es gelte § 54 Abs. 3 SGB VI; die Zeiten stellten beitragsgeminderte Zeiten dar. Unter Berufung auf die Entscheidung des BSG (vom 19.04.2011 - B 13 R 79/09 R) müsse daher Identität zwischen Anrechnungszeit und Pflichtbeitragszeiten bestehen; eine Übertragung dieser Sichtweise auf Zeiten, die nicht identisch seien, sei fragwürdig. Die aus dieser Entscheidung resultierende Praxis der Rechtsauslegung der Rentenversicherungsträger sei eine grobe Fehlinterpretation. Die aus der Zurechnungszeit entstehende Anrechnungszeit bei der Folgerente erfülle im Übrigen einen Schutzzweck. Die Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit dürfe nicht wahllos auch andere Anrechnungszeittatbestände verdrängen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat im Übrigen noch einen Auszug aus der BT-Drucksache 11/4124 zu § 58 SGB VI und im Termin am 27.03.2015 die (nicht mit einem Namen versehene) Abhandlung "Begründung gegen Verbindliche Erklärung" überreicht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 04.12.2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.12.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2013 zu verurteilen, ihr höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Anerkennung der Zeiten vom 21.02.2005 bis 31.08.2006 und vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 als Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI nach im Übrigen näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI sei mit Blick auf die Entscheidung des BSG auch auf § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB VI anwendbar. Entscheidungsgrund für das BSG sei der eindeutige Wortlaut des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI gewesen. Die Vorschrift erfasse sämtliche Anrechnungszeittatbestände im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Auch Sinn und Zweck sprächen hierfür. Anrechnungszeiten dienten dem Ausgleich, wenn der Versicherte keiner rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen und so keine Pflichtbeiträge zahlen könne. Anrechnungszeiten seien Ausdruck staatlicher Fürsorge. Der Zweck liege im Ausgleich fehlender Pflichtbeiträge. Dieser Zweck stelle sich dann nicht, wenn Pflichtbeiträge aufgrund versicherungspflichtiger Sozialleistung entrichtet worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 05.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Zeiträume vom 21.02.2005 bis 31.08.2006 und vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI aufgrund des Bezugs der Erwerbsminderungsrente bzw. aufgrund einer vor dem Beginn dieser Rente liegenden Zurechnungszeit. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI ist zwar für den gesamten hier streitigen Zeitraum dem Wortlaut nach einschlägig. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 19.07.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Anerkennung eines Leistungsfalls vom 21.02.2005 ab dem 01.09.2005 befristet bis zum 31.01.2008. Die Zeit vom 21.02.2005 bis zum 31.08.2005 gilt als Zurechnungszeit i.S.d. § 59 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI und unterfällt damit - wie der Rentenbezug an sich; § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, 1. HS. SGB VI - dem Anwendungsbereich von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, 2. HS. SGB VI.

Die Berücksichtigung scheidet jedoch aufgrund § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI aus, weil die Klägerin im gesamten hier streitigen Zeitraum - vom 21.02.2005 bis 31.08.2006 und vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 - wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig war und auch das 25. Lebensjahr vollendet hatte. Ausweislich des Versicherungsverlaufs bezog die Klägerin im Zeitraum vom 21.02.2005 bis 10.04.2005 Arbeitslosengeld, dann im Zeitraum vom 11.04.2005 bis 30.06.2006 Krankengeld, dann wieder vom 01.07.2006 bis 14.08.2006 Arbeitslosengeld und vom 15.08.2006 bis 31.08.2006 Krankengeld; außerdem bezog die Klägerin vom 05.10.2006 bis 31.07.2007 Arbeitslosengeld. In diesen Zeiträumen resultiert die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung aus § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. In diesen Zeiträumen hatte die am 05.05.1951 geborene Klägerin ihr 25. Lebensjahr bereits vollendet.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Ausschlusstatbestand des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI auch anzuwenden. Die Anwendung von § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI ist bei gleichzeitigem Bezug von Rente im Sinne des Anrechnungszeittatbestands nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI nicht ausgeschlossen. Die Vorschrift findet - so wie von der Beklagten beschieden - auf alle Anrechnungstatbestände des § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB VI und damit auch auf § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI bei Rentenbezug Anwendung. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut bzw. der systematischen Stellung der Vorschrift (hierzu unter a.) als auch aus Sinn und Zweck der Regelung (hierzu unter b.). Auch hat das Bundessozialgericht (BSG) die Anwendung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI auf alle Anrechnungstatbestände bestätigt (BSG, Urteil vom 19. April 2011 - B 13 R 79/09 R -, SozR 4-2600 § 58 Nr 13, SozR 4-2600 § 149 Nr 3, Rn. 23 - hierzu unter c.).

a. § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI als Ausschlusstatbestand ist offen formuliert. Im Gesetzeswortlaut findet sich keine Beschränkung auf die Anrechnungszeittatbestände bei Krankheit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI oder bei Bezug von Arbeitslosengeld nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Auch ist die hier streitige Anrechnungsvorschrift bei Rentenbezug nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI nicht vom Anwendungsbereich nach § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI ausgenommen. Für die generelle Anwendung von § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI spricht auch der Wortlaut von § 58 Abs. 2 SGB VI, der sich nur auf die dort ausdrücklich in Bezug genommenen Anrechnungszeittatbestände bezieht. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass im Anwendungsbereich des § 58 Abs. 1 S. 3 SGB VI kein Raum für eine einschränkende Anwendung besteht, da er die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Anrechnungszeittatbestände insgesamt gewertet hat.

Auch die systematische Stellung von § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI innerhalb des Abs. 1 mit dem Regelungsgegenstand aller Anrechnungszeittatbestände nach Satz 1 spricht für die generelle Anwendung von § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI auf alle Anrechnungszeittatbestände im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB VI.

b. Die Anwendung des Ausschlusstatbestandes nach § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI auf alle Anrechnungszeittatbestände im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB VI gebietet auch die ratio legis der Norm unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Erwägungen. In den gesetzgeberischen Erwägungen (vgl. BT-Drucksache 11/4124, Seite 167) heißt es:

"Nummer 5 enthält die Anrechnungszeit wegen einer in einer früheren Rente berücksichtigten Zurechnungszeit. Da die Zurechnungszeit Beitragszeiten ersetzen soll, wird künftig jede Zurechnungszeit in einer ersten Rente bei einer späteren Bewilligung einer anderen Rente insoweit als Anrechnungszeit berücksichtigt."

Der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI liegt darin, dass die Anrechnungszeit eine Beitragszeit ersetzen soll. Der Gesetzgeber verfolgt damit den Gedanken der Kompensation. Anrechnungszeiten dienen nach den zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Urteil vom 04.12.2013 dem Ausgleich fehlender Pflichtbeiträge und sind daher Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge. Von einer vergleichbaren Konstellation kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn vollwertige Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung geleistet wurden und - wie hier durch den streitigen Rentenbescheid vom 05.12.2012 - diese auch entsprechend als vollwertige Pflichtbeiträge im Versicherungslauf berücksichtigt worden sind. Die Rechtsauffassung der Klägerin würde praktisch zu einer Doppelberücksichtigung bei der Höhe der Rente führen; zum einen durch die Berücksichtigung der Pflichtbeitragszahlung beim Arbeitslosengeld- und Krankengeldbezug aufgrund § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, zum anderen durch die Berücksichtigung der Zeiten des Rentenbezugs als Anrechnungszeit im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB VI. Dies widerspricht dem gesetzgeberischen Kompensationsgedanken und begründet daher auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift eine umfassende Anwendung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI auf alle Anrechnungszeittatbestände im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB VI.

c. Das BSG hat darüber hinaus ausgeführt, dass der Wortlaut des Ausschlusstatbestands von § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI ("sind nicht Anrechnungszeiten") keinen Anhaltspunkt dafür enthält, ihn nicht auch auf andere Anrechnungszeittatbestände (dort konkret den Anrechnungszeittatbestand von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI) anzuwenden. Tragfähige Gesichtspunkte für eine einschränkende Auslegung von § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI finden sich nach dem BSG daher weder in der Formulierung des Gesetzes noch unter Berücksichtigung der Auslegung der Vorschrift (BSG, Urteil vom 19. April 2011 - B 13 R 79/09 R -, SozR 4-2600 § 58 Nr 13, SozR 4-2600 § 149 Nr 3, Rn. 23; dem folgend: Gürtner in Kassler Kommentar, Stand: März 2013, § 58, Rdn. 65; Fichte in Hauck/Heines, Kommentar zum SGB VI, Stand: VIII/14, § 58, Rdn. 179, der auf eine erwogene Gesetzesinitiative im Bundesrat hinweist, wonach § 58 Abs. 1 S. 3 dahingehend geändert werden soll, indem nach dem Wort "Zeiten" die Wörter "nach Satz 1 Nummer 1, 3 und 4" eingefügt werden sollen).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der §§ 160 Abs. 1 S. 1, 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Das BSG hat mit seiner Entscheidung vom 19.04.2011 (B 13 R 79/09 R) hinreichende Anhaltspunkte zur Reichweite des Ausschlussgrundes nach § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved