Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 2929/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 883/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 26.01.2015 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Der am 22.01.1931 geborene Kläger begehrt eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme.
Die Beklagte erbringt im Auftrag des zuständigen Sozialhilfeträgers Leistungen auf der Grundlage von § 264 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die letzten, von der Beklagten bewilligten, stationären Reha-Maßnahmen des Klägers fanden im Jahr 2013 statt. Nachdem eine stationäre Maßnahme auf neurologisch-orthopädischem Fachgebiet vorzeitig abgebrochen und seitens der Einrichtung eine Maßnahme auf psychosomatischem Fachgebiet empfohlen worden war (Bl 25 f SG-Akte), fand eine stationäre medizinische Reha-Maßnahme in der A.-Klinik für Psychosomatik vom 25.09.2013 bis 09.10.2013 statt (Bl 47 SG-Akte), die vom Kläger vorzeitig abgebrochen wurde (vgl Bl 51, 24 SG-Akte). Die Einrichtung riet zu einer ambulanten Psychotherapie.
Am 17.04.2014 stellte die Praxis Dres. H./R./H. aus Mannheim eine Verordnung von medizinischer Rehabilitation aus (Diagnose: Gangstörung psychogen, Bl 1, 4 Verwaltungsakte). Der Kläger wünsche eine Behandlung im M. P. B.-F ... Unter der Rubrik "negative Kontextfaktoren/Risikofaktoren" ist vermerkt "unrealistische Erwartungen". Eine stationäre Reha-Maßnahme sei nicht vor Ablauf der Wartefrist von 4 Jahren dringend medizinisch notwendig (Bl 4 Verwaltungsakte
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung, ob die Kostenübernahme sozialmedizinisch empfohlen werden kann. Dieser teilte unter dem 06.05.2014 mit, dass die Nutzung ambulanter Behandlungsmöglichkeiten, wie Gangschulung, Krankengymnastik, Reha-Sport sowie psychosomatische Weiter- und Mitbetreuung vorrangig sei (Bl 15 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 14.05.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger erhob am 15.05.2014 Widerspruch und legte mehrere Arztatteste vor.
Die Beklagte beauftragte den MDK mit einer erneuten Prüfung. Dr. W. führte im sozialmedizinischen Gutachten vom 09.07.2014 (Bl 29 Verwaltungsakte) aus, dass beim Kläger ein Zustand nach Hirninfarkten auf dem Boden einer vaskulären Encephalopathie vorliege, die zu einer Hirnatrophie geführt habe. Das Infarktereignis liege mehrere Jahre zurück. Innerhalb der Wohnung sei der Kläger vollkommen selbstständig gehfähig. Außerhalb der Wohnung sei er eingeschränkt und fühle sich unsicher. Trotz adäquater fachärztlicher Behandlung sei es nicht zu einer Besserung gekommen. Es liege ein Dauerzustand vor. Drei stationäre Reha-Versuche 2013 in unterschiedlichen Reha-Einrichtungen hätten jeweils abgebrochen werden müssen; der Kläger sei nicht reha-fähig. Er könne sich auf das Setting in einer Reha-Klinik nicht einlassen und arbeite auch nicht adäquat mit. Mangels positiver Reha-Prognose und nicht vorhandener Reha-Fähigkeit bestehe keine Notwendigkeit einer stationären Reha-Maßnahme. Der Kläger könne im Rahmen ambulanter Therapien am Wohnort zB durch Ergotherapie oder auch durch Teilnahme am Reha-Sport ausreichend adäquat behandelt werden. Die fachärztliche psychiatrische Therapie solle fortgeführt werden.
In einer neuen Verordnung von medizinischer Reha vom 03.09.2014 erklärte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. ua erneut, eine stationäre Reha-Maßnahme sei nicht vor Ablauf der Wartefrist von 4 Jahren dringend medizinisch notwendig (Bl 41 Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 29.09.2014 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. hat mit Schreiben vom 28.10.2014 mitgeteilt, die mangelnde Gefähigkeit des Klägers außerhalb des häuslichen Bereichs sei phobisch bedingt; die multifaktorielle Gangstörung enthalte eine funktionelle Komponente iS einer dissoziativen Bewegungsstörung. Es liege eine zunehmende Symptomfixierung mit dem Wunsch nach immer neuen Behandlungsversuchen vor. Die große Zahl an stationären Voraufenthalten ohne nachhaltigen Erfolg spreche eher dagegen, dass durch eine medizinische stationäre Reha-Maßnahme die Gangstörung gebessert werden könne. Ambulante Maßnahmen würden vom Kläger als nicht ausreichend eingeschätzt, eine gedankliche Umstrukturierung sei hier nicht gelungen (Bl 22 f SG-Akte).
Das SG hat dem Kläger nach Abschluss der Beweisaufnahme mitgeteilt, die Voraussetzungen für eine vorzeitige, vor Ablauf des Vierjahreszeitraums, weitere stationäre medizinische Reha-Maßnahme würden nicht vorliegen.
Der Kläger hat mitgeteilt, an der Klage festzuhalten und hat durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 02.12.2014 die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Bei der offensichtlich vorliegenden dissoziativen Störung sei eine Psychoanalyse und eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie erforderlich, verbunden mit krankengymnastischer Behandlung und übendem Vorgehen sowie verhaltenstherapeutischen Elementen. Dies müsse im Rahmen einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme bzw einer stationären Krankenhausbehandlung erfolgen.
Mit Beschluss vom 26.01.2015 hat das SG den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Gegenstand des Klageverfahrens sei allein die Gewährung einer stationären Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen bestehe kein Anhalt dafür, dass eine Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf von vier Jahren erforderlich sei.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 02.02.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss des SG hat der Kläger am 02.03.2015 Beschwerde beim SG eingelegt, welche dem Landessozialgericht am 09.03.2015 vorgelegt worden ist. Zur Begründung hat er vorgebracht, ambulante Maßnahmen seien nicht ausreichend. Die Behandlung der vorliegenden dissoziativen Störung müsse stationär erfolgen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass aus ihrer Sicht weder die Voraussetzungen für eine stationäre Krankenbehandlung noch für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme gegeben seien. Zielführend seien ambulante Maßnahmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 172 SGG), sie ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat für das Klageverfahren vor dem SG keinen Anspruch auf PKH.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl Bundesverfassungsgericht 04.02.1997, 1 BvR 391/93 NJW 1997, 2102, 2103).
Unter Beachtung der og Grundsätze hat die Rechtsverfolgung des Klägers vor dem SG keine hinreichende Erfolgsaussicht. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zu. Zum einen sind zur Verfügung stehende ambulante Maßnahmen vorrangig, zum anderen steht der Vierjahreszeitraum des § 40 Abs 3 S 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch SGB V entgegen.
Nach dem in § 40 SGB V geregelten Stufensystem der Reha-Leistungen dürfen stationäre Reha-Leistungen erst erbracht werden, wenn ambulante Leistungen nicht ausreichen.
§ 40 Abs 1 S 1 SGB V bestimmt: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht. Nur wenn dies nicht ausreicht, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs 2 S 1 SGB V).
Dr. W. vom MDK hat im sozialmedizinischen Gutachten vom 09.07.2014 (Bl 29 Verwaltungsakte) für den Senat überzeugend ausgeführt, dass nach dem Abbruch von drei stationären Reha-Maßnahmen im Jahr 2013 es bereits an einer positiven Reha-Prognose fehlt, da der Kläger sich auf das Setting in einer Reha-Klinik gar nicht einlassen kann und nicht adäquat mitarbeitet. Dies wird bestätigt durch die Schilderung der Behandlung im Entlassungsbericht der A.-Klinik vom 06.11.2013 (vgl Bl 51 SG-Akte, zB Weigerung, an Gruppentherapie teilzunehmen). Auch der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. hat darauf hingewiesen, dass die große Zahl an stationären Voraufenthalten ohne nachhaltigen Erfolg prognostisch eher dagegen spricht, dass durch eine weitere medizinische stationäre Reha-Maßnahme die Gangstörung gebessert werden könne.
Dr. W. hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass eine stationäre Maßnahme für die Behandlung der Gangstörung nicht erforderlich ist. Der Kläger kann im Rahmen ambulanter Therapien am Wohnort zB durch Ergotherapie oder auch durch Teilnahme am Reha-Sport ausreichend adäquat behandelt werden. Dies wird durch den Entlassungsbericht der A.-Klinik für Psychosomatik gestützt, der eine ambulanten Psychotherapie für zweckmäßig und geeignet hält. Auch der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. hat dargelegt, dass er dem Kläger die Sinnhaftigkeit ambulanter Maßnahmen habe vermitteln wollen, aber eine gedankliche Umstrukturierung noch nicht gelungen sei.
Schließlich sind auch keine dringenden medizinischen Gründe ersichtlich, die vor Ablauf des Vierjahreszeitraums eine erneute stationäre medizinische Rehabilitationsleistung erforderten.
Nach § 40 Abs 3 Satz 4 SGB V können stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen grundsätzlich nicht vor Ablauf einer Vierjahresfrist nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind. Eine Ausnahme von diesem Leistungsintervall ist nur bei dringender Erforderlichkeit aus medizinischen Gründen zulässig. Das ist der Fall, wenn andernfalls die unmittelbare Gefahr erheblicher gesundheitlicher Nachteile besteht (vgl Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, § 40 SGB V Rn 62, Stand 07/2013). Hieran fehlt es vorliegend. Der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. hat in beiden vorliegenden Reha-Verordnungen erklärt, eine solche Notwendigkeit bestehe nicht. Zutreffend hat sich das SG hierauf gestützt. Herr R. hat im SG-Verfahren ausgeführt es liege beim Kläger eine zunehmende Symptomfixierung mit dem Wunsch nach immer neuen Behandlungsversuchen vor. Dies ist kein ausreichender Grund für eine vorgezogene stationäre Reha-Maßnahme.
Die Beklagte ist zwar als zuständiger Träger nach § 14 SGB IX auch verpflichtet, Vorschriften anderer Reha-Träger zu berücksichtigen. Es liegen aber keine vorliegend in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen anderer Reha-Träger vor, aus denen sich der geltend gemachte Anspruch ergeben könnte.
Auch aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ergibt sich kein Anspruch. Die UN-BRK steht im Rang eines Bundesgesetzes und ist als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte heranzuziehen, insbesondere auch des Art 3 Abs 3 S 2 GG, denn das unmittelbar anwendbare UN-konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot entspricht dem verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbot behinderter Menschen (eingehend zum Ganzen BSG 06.03.2012, B 1 KR 10/11 R, BSGE 110, 194, SozR 4-1100 Art 3 Nr 69 Rn 31 mwN). Art 25 (Gesundheit) und Art 26 (Habilitation und Rehabilitation) UN-BRK, die von den Vertragsstaaten wirksame und geeignete Maßnahmen verlangt, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten, einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation, sind keine unmittelbaren Anspruchsgrundlagen, denn die Normen sind nicht derart hinreichend bestimmt, dass sie den Sozialleistungsträgern unmittelbar angewandt werden könnte ("non-self-executing", vgl dazu BSG 18.05.2011, B 3 KR 10/10 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 35 Rn 19; 02.09.2014, B 1 KR 12/13 R, juris Rn 22 f). Die Versorgung mit Leistungen der Krankenbehandlung/medizinischer Rehabilitation nach §§ 27, 40 SGB V trägt den von der UN-BRK vorgegebenen Zwecken hinreichend Rechnung und stellt eine diskriminierungsfreie Zurverfügungstellung von Gesundheitsversorgung und –leistungen sicher (vgl etwa BSG 18.05.2011, B 3 KR 10/10 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 35 Rn 19 und speziell zu Art 25 und 26 UN-BRK BT-Drucks 16/10808, S 58-60).
Nach alldem war der Beschluss des SG nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen war.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Der am 22.01.1931 geborene Kläger begehrt eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme.
Die Beklagte erbringt im Auftrag des zuständigen Sozialhilfeträgers Leistungen auf der Grundlage von § 264 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die letzten, von der Beklagten bewilligten, stationären Reha-Maßnahmen des Klägers fanden im Jahr 2013 statt. Nachdem eine stationäre Maßnahme auf neurologisch-orthopädischem Fachgebiet vorzeitig abgebrochen und seitens der Einrichtung eine Maßnahme auf psychosomatischem Fachgebiet empfohlen worden war (Bl 25 f SG-Akte), fand eine stationäre medizinische Reha-Maßnahme in der A.-Klinik für Psychosomatik vom 25.09.2013 bis 09.10.2013 statt (Bl 47 SG-Akte), die vom Kläger vorzeitig abgebrochen wurde (vgl Bl 51, 24 SG-Akte). Die Einrichtung riet zu einer ambulanten Psychotherapie.
Am 17.04.2014 stellte die Praxis Dres. H./R./H. aus Mannheim eine Verordnung von medizinischer Rehabilitation aus (Diagnose: Gangstörung psychogen, Bl 1, 4 Verwaltungsakte). Der Kläger wünsche eine Behandlung im M. P. B.-F ... Unter der Rubrik "negative Kontextfaktoren/Risikofaktoren" ist vermerkt "unrealistische Erwartungen". Eine stationäre Reha-Maßnahme sei nicht vor Ablauf der Wartefrist von 4 Jahren dringend medizinisch notwendig (Bl 4 Verwaltungsakte
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung, ob die Kostenübernahme sozialmedizinisch empfohlen werden kann. Dieser teilte unter dem 06.05.2014 mit, dass die Nutzung ambulanter Behandlungsmöglichkeiten, wie Gangschulung, Krankengymnastik, Reha-Sport sowie psychosomatische Weiter- und Mitbetreuung vorrangig sei (Bl 15 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 14.05.2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger erhob am 15.05.2014 Widerspruch und legte mehrere Arztatteste vor.
Die Beklagte beauftragte den MDK mit einer erneuten Prüfung. Dr. W. führte im sozialmedizinischen Gutachten vom 09.07.2014 (Bl 29 Verwaltungsakte) aus, dass beim Kläger ein Zustand nach Hirninfarkten auf dem Boden einer vaskulären Encephalopathie vorliege, die zu einer Hirnatrophie geführt habe. Das Infarktereignis liege mehrere Jahre zurück. Innerhalb der Wohnung sei der Kläger vollkommen selbstständig gehfähig. Außerhalb der Wohnung sei er eingeschränkt und fühle sich unsicher. Trotz adäquater fachärztlicher Behandlung sei es nicht zu einer Besserung gekommen. Es liege ein Dauerzustand vor. Drei stationäre Reha-Versuche 2013 in unterschiedlichen Reha-Einrichtungen hätten jeweils abgebrochen werden müssen; der Kläger sei nicht reha-fähig. Er könne sich auf das Setting in einer Reha-Klinik nicht einlassen und arbeite auch nicht adäquat mit. Mangels positiver Reha-Prognose und nicht vorhandener Reha-Fähigkeit bestehe keine Notwendigkeit einer stationären Reha-Maßnahme. Der Kläger könne im Rahmen ambulanter Therapien am Wohnort zB durch Ergotherapie oder auch durch Teilnahme am Reha-Sport ausreichend adäquat behandelt werden. Die fachärztliche psychiatrische Therapie solle fortgeführt werden.
In einer neuen Verordnung von medizinischer Reha vom 03.09.2014 erklärte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. ua erneut, eine stationäre Reha-Maßnahme sei nicht vor Ablauf der Wartefrist von 4 Jahren dringend medizinisch notwendig (Bl 41 Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 29.09.2014 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. hat mit Schreiben vom 28.10.2014 mitgeteilt, die mangelnde Gefähigkeit des Klägers außerhalb des häuslichen Bereichs sei phobisch bedingt; die multifaktorielle Gangstörung enthalte eine funktionelle Komponente iS einer dissoziativen Bewegungsstörung. Es liege eine zunehmende Symptomfixierung mit dem Wunsch nach immer neuen Behandlungsversuchen vor. Die große Zahl an stationären Voraufenthalten ohne nachhaltigen Erfolg spreche eher dagegen, dass durch eine medizinische stationäre Reha-Maßnahme die Gangstörung gebessert werden könne. Ambulante Maßnahmen würden vom Kläger als nicht ausreichend eingeschätzt, eine gedankliche Umstrukturierung sei hier nicht gelungen (Bl 22 f SG-Akte).
Das SG hat dem Kläger nach Abschluss der Beweisaufnahme mitgeteilt, die Voraussetzungen für eine vorzeitige, vor Ablauf des Vierjahreszeitraums, weitere stationäre medizinische Reha-Maßnahme würden nicht vorliegen.
Der Kläger hat mitgeteilt, an der Klage festzuhalten und hat durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 02.12.2014 die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Bei der offensichtlich vorliegenden dissoziativen Störung sei eine Psychoanalyse und eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie erforderlich, verbunden mit krankengymnastischer Behandlung und übendem Vorgehen sowie verhaltenstherapeutischen Elementen. Dies müsse im Rahmen einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme bzw einer stationären Krankenhausbehandlung erfolgen.
Mit Beschluss vom 26.01.2015 hat das SG den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Gegenstand des Klageverfahrens sei allein die Gewährung einer stationären Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen bestehe kein Anhalt dafür, dass eine Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf von vier Jahren erforderlich sei.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 02.02.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss des SG hat der Kläger am 02.03.2015 Beschwerde beim SG eingelegt, welche dem Landessozialgericht am 09.03.2015 vorgelegt worden ist. Zur Begründung hat er vorgebracht, ambulante Maßnahmen seien nicht ausreichend. Die Behandlung der vorliegenden dissoziativen Störung müsse stationär erfolgen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass aus ihrer Sicht weder die Voraussetzungen für eine stationäre Krankenbehandlung noch für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme gegeben seien. Zielführend seien ambulante Maßnahmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 172 SGG), sie ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat für das Klageverfahren vor dem SG keinen Anspruch auf PKH.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl Bundesverfassungsgericht 04.02.1997, 1 BvR 391/93 NJW 1997, 2102, 2103).
Unter Beachtung der og Grundsätze hat die Rechtsverfolgung des Klägers vor dem SG keine hinreichende Erfolgsaussicht. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme zu. Zum einen sind zur Verfügung stehende ambulante Maßnahmen vorrangig, zum anderen steht der Vierjahreszeitraum des § 40 Abs 3 S 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch SGB V entgegen.
Nach dem in § 40 SGB V geregelten Stufensystem der Reha-Leistungen dürfen stationäre Reha-Leistungen erst erbracht werden, wenn ambulante Leistungen nicht ausreichen.
§ 40 Abs 1 S 1 SGB V bestimmt: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht. Nur wenn dies nicht ausreicht, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs 2 S 1 SGB V).
Dr. W. vom MDK hat im sozialmedizinischen Gutachten vom 09.07.2014 (Bl 29 Verwaltungsakte) für den Senat überzeugend ausgeführt, dass nach dem Abbruch von drei stationären Reha-Maßnahmen im Jahr 2013 es bereits an einer positiven Reha-Prognose fehlt, da der Kläger sich auf das Setting in einer Reha-Klinik gar nicht einlassen kann und nicht adäquat mitarbeitet. Dies wird bestätigt durch die Schilderung der Behandlung im Entlassungsbericht der A.-Klinik vom 06.11.2013 (vgl Bl 51 SG-Akte, zB Weigerung, an Gruppentherapie teilzunehmen). Auch der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. hat darauf hingewiesen, dass die große Zahl an stationären Voraufenthalten ohne nachhaltigen Erfolg prognostisch eher dagegen spricht, dass durch eine weitere medizinische stationäre Reha-Maßnahme die Gangstörung gebessert werden könne.
Dr. W. hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass eine stationäre Maßnahme für die Behandlung der Gangstörung nicht erforderlich ist. Der Kläger kann im Rahmen ambulanter Therapien am Wohnort zB durch Ergotherapie oder auch durch Teilnahme am Reha-Sport ausreichend adäquat behandelt werden. Dies wird durch den Entlassungsbericht der A.-Klinik für Psychosomatik gestützt, der eine ambulanten Psychotherapie für zweckmäßig und geeignet hält. Auch der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. hat dargelegt, dass er dem Kläger die Sinnhaftigkeit ambulanter Maßnahmen habe vermitteln wollen, aber eine gedankliche Umstrukturierung noch nicht gelungen sei.
Schließlich sind auch keine dringenden medizinischen Gründe ersichtlich, die vor Ablauf des Vierjahreszeitraums eine erneute stationäre medizinische Rehabilitationsleistung erforderten.
Nach § 40 Abs 3 Satz 4 SGB V können stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen grundsätzlich nicht vor Ablauf einer Vierjahresfrist nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind. Eine Ausnahme von diesem Leistungsintervall ist nur bei dringender Erforderlichkeit aus medizinischen Gründen zulässig. Das ist der Fall, wenn andernfalls die unmittelbare Gefahr erheblicher gesundheitlicher Nachteile besteht (vgl Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, § 40 SGB V Rn 62, Stand 07/2013). Hieran fehlt es vorliegend. Der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie R. hat in beiden vorliegenden Reha-Verordnungen erklärt, eine solche Notwendigkeit bestehe nicht. Zutreffend hat sich das SG hierauf gestützt. Herr R. hat im SG-Verfahren ausgeführt es liege beim Kläger eine zunehmende Symptomfixierung mit dem Wunsch nach immer neuen Behandlungsversuchen vor. Dies ist kein ausreichender Grund für eine vorgezogene stationäre Reha-Maßnahme.
Die Beklagte ist zwar als zuständiger Träger nach § 14 SGB IX auch verpflichtet, Vorschriften anderer Reha-Träger zu berücksichtigen. Es liegen aber keine vorliegend in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen anderer Reha-Träger vor, aus denen sich der geltend gemachte Anspruch ergeben könnte.
Auch aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ergibt sich kein Anspruch. Die UN-BRK steht im Rang eines Bundesgesetzes und ist als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte heranzuziehen, insbesondere auch des Art 3 Abs 3 S 2 GG, denn das unmittelbar anwendbare UN-konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot entspricht dem verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbot behinderter Menschen (eingehend zum Ganzen BSG 06.03.2012, B 1 KR 10/11 R, BSGE 110, 194, SozR 4-1100 Art 3 Nr 69 Rn 31 mwN). Art 25 (Gesundheit) und Art 26 (Habilitation und Rehabilitation) UN-BRK, die von den Vertragsstaaten wirksame und geeignete Maßnahmen verlangt, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechtsspezifischen Gesundheitsdiensten, einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation, sind keine unmittelbaren Anspruchsgrundlagen, denn die Normen sind nicht derart hinreichend bestimmt, dass sie den Sozialleistungsträgern unmittelbar angewandt werden könnte ("non-self-executing", vgl dazu BSG 18.05.2011, B 3 KR 10/10 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 35 Rn 19; 02.09.2014, B 1 KR 12/13 R, juris Rn 22 f). Die Versorgung mit Leistungen der Krankenbehandlung/medizinischer Rehabilitation nach §§ 27, 40 SGB V trägt den von der UN-BRK vorgegebenen Zwecken hinreichend Rechnung und stellt eine diskriminierungsfreie Zurverfügungstellung von Gesundheitsversorgung und –leistungen sicher (vgl etwa BSG 18.05.2011, B 3 KR 10/10 R, SozR 4-2500 § 33 Nr 35 Rn 19 und speziell zu Art 25 und 26 UN-BRK BT-Drucks 16/10808, S 58-60).
Nach alldem war der Beschluss des SG nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen war.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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