Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 26 SF 328/12 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 115/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein gegen Unbeteiligte (hier: Klägerin und Beklagte) ergangener Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 55 RVG ist grob rechtswidrig und damit nichtig und tatsächlich wirkungslos. In diesem Fall kommt eine Rubrumsberichtigung nicht in Betracht. Das Gericht muss den Beschluss aufheben und seinen Rechtsschein beseitigen.
2. Eine Kostenerstattung kommt nur den Fällen des § 197 Abs. 2 SGG in Betracht, nicht wenn der Anwalt das Verfahren in eigenem Namen betreibt.
2. Eine Kostenerstattung kommt nur den Fällen des § 197 Abs. 2 SGG in Betracht, nicht wenn der Anwalt das Verfahren in eigenem Namen betreibt.
Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 5. Januar 2015 und der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Mai 2012 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Gotha (S 40 AS 857/09). Mit der Klage S 40 AS 857/09 hatte sich die von den Rechtsanwälten R. und H. vertretene selbständige Klägerin gegen die Ablehnung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozial-gesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. August 2008 bis 28. Februar 2009 gewandt. Mit einer weiteren Klage (S 26 AS 2473/10) wandte sie sich gegen die Ablehnung von Leistungen für die Zeit vom 1. November 2009 bis 31. Mai 2010. In beiden Fällen hatte die Beklagte, eine SGB II, ihre Hilfebedürftigkeit mit der Begründung bestritten, sie habe Anspruch auf Rückübertragung eines Grundstücks nach § 528 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und Einkommen aus einer Erbschaft. Mit Beschluss vom 3. April 2009 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin im Verfahren S 40 AS 857/09 Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete Rechtsanwalt H. bei. Unter dem 20. Oktober 2010 teilte die Beschwerdegegnerin, eine Rechtsanwältin, dem Sozialgericht mit, die Klägerin habe sie mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen beauftragt; die Verbindung beider Verfahren werde beantragt.
In der 143 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung am 10. November 2010 bewilligte die 40. Kammer des Sozialgerichts der Klägerin mit Beschluss für den Zeitraum 23. Februar 2009 bis 30. September 2010 PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. und ab 1. Oktober 2010 unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Sie bewilligte der Klägerin dann für das Verfahren S 26 AS 2473/10 PKH ab 2. April 2010 unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Anschließend verband sie beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens S 40 AS 857/09. Den in der Verhandlung geschlossenen Vergleich widerrief die Beklagte am 10. Dezember 2010. Nach weiterem Schriftverkehr vernahm das Sozialgericht in der 117 Minuten dauernden Verhandlung am 26. Januar 2011 u.a. einen Zeugen. Nach weiterem umfangreichen Schriftverkehr und Beiziehung weiterer Urkunden teilte die Beschwerdegegnerin dem Sozialgericht am 10. Oktober 2011 mit, sie vertrete die Klägerin nicht mehr. Nachdem sich im November 2011 Rechtsanwalt R. als Prozessbevollmächtigter bestellt hatte, änderte das Sozialgericht mit Beschluss vom 14. November 2011 den PKH-Beschluss vom 3. April 2009 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 3. April 2010 dergestalt ab, dass für den Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 10. Oktober 2011 die Beschwerdegegnerin und ab 11. Oktober 2011 Rechtsanwalt R. beigeordnet werde.
Unter dem 13. Dezember 2011 beantragte die Beschwerdegegnerin die Festsetzung folgender Gebühren: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 350,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 380,00 Euro Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 20,00 Euro Fahrtkosten 10.11.2010 Nr. 7003 VV-RVG 19,20 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten 26.01.201 Nr. 7003 VV-RVG 19,20 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld 20,00 Euro Zwischensummer 828,40 Euro USt 157,40 Euro Summe 985,80 Euro
Nach Anhörung der Beklagten setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Mai 2012 in dem Rechtsstreit der Klägerin vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei S. und R. und die Rechtsanwältin R. gegen die Beklagte die "der Klägerin im Rahmen der Prozesskostenhilfe zustehende Vergütung" auf 652,60 Euro fest und berücksichtigte die Verfahrens- und Terminsgebühr jeweils in Höhe der Mittelgebühr.
Dagegen hat die Beschwerdegegnerin Erinnerung eingelegt und vorgetragen, die Kürzung auf die Mittelgebühren sei angesichts ihres überdurchschnittlichen anwaltlichen Aufwands (u.a. Sichtung umfangreicher Unterlagen und mehrere Besprechungstermine mit der Klägerin) nicht nachvollziehbar. Unter dem 4. November 2014 hat der Vorsitzende der 26. Kammer des Sozialgerichts das Rubrum des Erinnerungsverfahrens "berichtigt" und die Beschwerdegegnerin als Erinnerungsführerin und den Beschwerdeführer als Erinnerungsgegner eingetragen. Mit Beschluss vom 5. Januar 2015 hat er die der Erinnerungsführerin zu erstattenden "Kosten" auf 926,29 Euro festgesetzt und im Übrigen die Erinnerung zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer habe der Beschwerdegegnerin 4/5 der Kosten des Erinnerungsverfahrens zu erstatten. Die Mittelgebühr komme angesichts der Tatsache, dass zwei Verhandlungstermine mit Zeugenbefragung durchgeführt wurden und von einem erhöhten Schwierigkeitsgrad des "Prozessstoffes" angesichts der richterlichen Hinweise und der erkennbaren Hinarbeitung des Kammervorsitzenden auf einen Vergleich nicht in Betracht. Die Mittelgebühr der Verfahrens-gebühr sei lediglich um 20 v.H. zu erhöhen, weil die Beschwerdegegnerin das Verfahren nicht abgeschlossen habe. Eine Kostenentscheidung sei erforderlich, weil das Erinnerungsverfahren eine gesonderte Angelegenheit im Sinne von § 18 Nr. 5 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) sei. Gegen den am 19. Januar 2015 zugestellten Beschluss hat der Erinnerungsführer am 22. Januar 2015 Beschwerde eingelegt und sich gegen die Auferlegung der Kosten und die erhöhte Vergütung gewandt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 28. Januar 2015) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Beschlüsse der UdG und der Vorinstanz aufzuheben. Mit Beschluss vom 8. Mai 2015 hat er das Verfahren dem Senat nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 S. 2 RVG übertragen.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und zulässig. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss der Vorinstanz fehlerhaft ist. Die Beschwerdefrist beträgt nach den §§ 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3 RVG zwei Wochen (nicht: ein Monat) und die Einlegung der Beschwerde beim Thüringer Landessozialgericht nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 S. 3 RVG wahrt sie nicht (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2013 - L 6 SF 840/13 B).
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der UdG vom 14. Mai 2012 und der Beschluss der Vorinstanz waren aufzuheben. Für jedermann erkennbar und damit grob rechtswidrig hatte die UdG den Kostenfeststellungsbeschluss vom 14. Mai 2012 gegen Unbeteiligte (Klägerin und Beklagte) erlassen und im Tenor sogar die "der Klägerin" im Rahmen der PKH zustehende Vergütung festgesetzt, was inhaltlich unverständlich ist. Am Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG sind nur die im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwälte und die Staatskasse beteiligt. Gegenüber den Beteiligten des Hauptsacheverfahrens entfaltet die Entscheidung der UdG keine Rechtskraftwirkung (vgl. Müller Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 55 RVG Rdnr. 5). Daher ist dieser Beschluss gegen die unbeteiligten Dritten nichtig und tatsächlich wirkungslos (vgl. Senatsbeschluss vom 1. September 2011 - L 6 SF 1070/11 B). Die Vorinstanz hätte diesen Beschluss nur aufheben und damit seinen Rechtsschein beseitigen dürfen (vgl. vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1994 - LwZB 5/94, nach juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 125 Rdnr. 5c). In der Sache war ihr mangels Festsetzung keine Entscheidung möglich. Die Rubrumsberichtigung kam nicht in Betracht. Sie kann den Fehler nicht beseitigen, denn eine Entscheidung zwischen den Beteiligten lag damit immer noch nicht vor. Im vorliegenden Fall wird dies zusätzlich aus dem nicht geänderten Tenor offensichtlich. Nachdem die notwendige Vorentscheidung der UdG fehlt, ist auch der Beschluss der Vorinstanz nichtig. Zu einer eigenen Festsetzung nach § 55 Abs. 1 RVG ist sie nicht berechtigt. Damit hat die UdG des Sozialgerichts Gotha unverzüglich über den Festsetzungsantrag der Beschwerdegegnerin zu entscheiden.
Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass eine Kostenerstattung des Erinnerungs-verfahrens nicht in Betracht kommt. Sie kommt nur in den Fällen des § 197 SGG in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2007 - L 6 B 139/07 SF), nicht aber wenn der Anwalt das Verfahren in eigenem Namen betreibt (vgl. Thiel in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 1. Auflage 2014, RVG § 33 Rdnr. 50).
Angesichts des Zeitablaufs seit der Antragstellung hält der Senat im Rahmen eines obiter dictums ausnahmsweise folgende Ausführungen zur Höhe der festzusetzenden Vergütung angebracht:
1. Bedenken gegen die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG in Höhe der beantragten 350,00 Euro bestehen nicht. Bei konkreter Betrachtung lag der tatsächlich betriebene und erforderliche (vgl. Senatsbeschuss vom 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B m.w.N.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15) Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Vergleich mit den übrigen bei den Sozialgerichten anhängigen Verfahren und nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II deutlich über dem Durchschnitt. Die Beschwerdegegnerin nahm Akteneinsicht, musste sich auf zwei Verhandlungen vorbereiten (vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B) und fertigte eine Reihe von Schriftsätzen, in denen sie ihre Rechtsansicht vortrug, sich mit den Argumenten der Beklagten auseinandersetzte und zu den richterlichen Anfragen Stellung nahm. Angesichts der Rückfragen des Gerichts und der tatsächlich schwierigen Materie ist der Vortrag, sie habe sich mehrmals mit der Klägerin besprechen müssen, nachvollziehbar. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kommt es für die Gebührenhöhe nicht darauf an, dass sie das Verfahren nicht beendete. § 14 Abs. 1 RVG stellt gerade nicht auf das Verfahrensergebnis ab. Zwar hat der Senat Bedenken dagegen, dass das Sozialgericht nach Aufhebung der Beiordnung des Rechtsanwalts H. die Beschwerdegegnerin uneingeschränkt beiordnete. So traf der Kammervorsitzende zum Verfahren S 26 AS 2473/10 seine PKH-Entscheidung, ob-wohl er vor der Verbindung nicht gesetzlicher Richter war. Auch besteht kein An-spruch auf Beiordnung eines neuen Rechtsanwalts, wenn der Rechtsanwaltswechsel mutwillig erfolgte oder hierfür ein triftiger Grund fehlt, der auch einen verständigen und auf eigene Kosten klagenden Kläger zur Kündigung des Mandats veranlasst hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 7. November 2002 - L 6 RA 606/97; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 73a Rdnr. 13e). Dies hatte das Sozialgericht nicht geprüft. Allerdings ist der Senat, wie auch das Sozialgericht, bei der Festsetzung der Kosten an die uneingeschränkten Beiordnungsbeschlüsse gebunden. In diesem Fall hat der neu beigeordnete Bevollmächtigte Anspruch auf volle gesetzliche Vergütung. Die objektive Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war angesichts der Materie (SGB II, selbständige Arbeit, Erbrecht, Schenkung) hoch. Unerheblich ist allerdings das "Hinarbeiten" des Vorsitzenden der 40. Kammer auf einen Vergleich. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin war überdurchschnittlich, denn es ging um Leistungen nach dem SGB II für relativ lange Zeiträume. Nur die überdurchschnittliche Bedeutung wird durch die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin kompensiert (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris). Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht er-sichtlich.
2. Bedenken bestehen nicht gegen die Höhe der begehrten Terminsgebühr. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit für beide Termine war deutlich überdurchschnittlich ... Hinsichtlich der Bedeutung für die Klägerin wird auf Nr. 1 verwiesen. Eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist angesichts der Rechtsmaterie und der Zeugenbefragung zu bejahen. Gerade dieser überragende Gesichtspunkt spricht hier trotz der niedrigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin und des geringen Haftungsrisikos für die Höchstgebühr (vgl. Senatsbeschluss vom 11. November 2013 - L 6 SF 230/13 B).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 59 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG)
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Gotha (S 40 AS 857/09). Mit der Klage S 40 AS 857/09 hatte sich die von den Rechtsanwälten R. und H. vertretene selbständige Klägerin gegen die Ablehnung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozial-gesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. August 2008 bis 28. Februar 2009 gewandt. Mit einer weiteren Klage (S 26 AS 2473/10) wandte sie sich gegen die Ablehnung von Leistungen für die Zeit vom 1. November 2009 bis 31. Mai 2010. In beiden Fällen hatte die Beklagte, eine SGB II, ihre Hilfebedürftigkeit mit der Begründung bestritten, sie habe Anspruch auf Rückübertragung eines Grundstücks nach § 528 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und Einkommen aus einer Erbschaft. Mit Beschluss vom 3. April 2009 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin im Verfahren S 40 AS 857/09 Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete Rechtsanwalt H. bei. Unter dem 20. Oktober 2010 teilte die Beschwerdegegnerin, eine Rechtsanwältin, dem Sozialgericht mit, die Klägerin habe sie mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen beauftragt; die Verbindung beider Verfahren werde beantragt.
In der 143 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung am 10. November 2010 bewilligte die 40. Kammer des Sozialgerichts der Klägerin mit Beschluss für den Zeitraum 23. Februar 2009 bis 30. September 2010 PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. und ab 1. Oktober 2010 unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Sie bewilligte der Klägerin dann für das Verfahren S 26 AS 2473/10 PKH ab 2. April 2010 unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Anschließend verband sie beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens S 40 AS 857/09. Den in der Verhandlung geschlossenen Vergleich widerrief die Beklagte am 10. Dezember 2010. Nach weiterem Schriftverkehr vernahm das Sozialgericht in der 117 Minuten dauernden Verhandlung am 26. Januar 2011 u.a. einen Zeugen. Nach weiterem umfangreichen Schriftverkehr und Beiziehung weiterer Urkunden teilte die Beschwerdegegnerin dem Sozialgericht am 10. Oktober 2011 mit, sie vertrete die Klägerin nicht mehr. Nachdem sich im November 2011 Rechtsanwalt R. als Prozessbevollmächtigter bestellt hatte, änderte das Sozialgericht mit Beschluss vom 14. November 2011 den PKH-Beschluss vom 3. April 2009 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 3. April 2010 dergestalt ab, dass für den Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 10. Oktober 2011 die Beschwerdegegnerin und ab 11. Oktober 2011 Rechtsanwalt R. beigeordnet werde.
Unter dem 13. Dezember 2011 beantragte die Beschwerdegegnerin die Festsetzung folgender Gebühren: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 350,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 380,00 Euro Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 20,00 Euro Fahrtkosten 10.11.2010 Nr. 7003 VV-RVG 19,20 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten 26.01.201 Nr. 7003 VV-RVG 19,20 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld 20,00 Euro Zwischensummer 828,40 Euro USt 157,40 Euro Summe 985,80 Euro
Nach Anhörung der Beklagten setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Mai 2012 in dem Rechtsstreit der Klägerin vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei S. und R. und die Rechtsanwältin R. gegen die Beklagte die "der Klägerin im Rahmen der Prozesskostenhilfe zustehende Vergütung" auf 652,60 Euro fest und berücksichtigte die Verfahrens- und Terminsgebühr jeweils in Höhe der Mittelgebühr.
Dagegen hat die Beschwerdegegnerin Erinnerung eingelegt und vorgetragen, die Kürzung auf die Mittelgebühren sei angesichts ihres überdurchschnittlichen anwaltlichen Aufwands (u.a. Sichtung umfangreicher Unterlagen und mehrere Besprechungstermine mit der Klägerin) nicht nachvollziehbar. Unter dem 4. November 2014 hat der Vorsitzende der 26. Kammer des Sozialgerichts das Rubrum des Erinnerungsverfahrens "berichtigt" und die Beschwerdegegnerin als Erinnerungsführerin und den Beschwerdeführer als Erinnerungsgegner eingetragen. Mit Beschluss vom 5. Januar 2015 hat er die der Erinnerungsführerin zu erstattenden "Kosten" auf 926,29 Euro festgesetzt und im Übrigen die Erinnerung zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer habe der Beschwerdegegnerin 4/5 der Kosten des Erinnerungsverfahrens zu erstatten. Die Mittelgebühr komme angesichts der Tatsache, dass zwei Verhandlungstermine mit Zeugenbefragung durchgeführt wurden und von einem erhöhten Schwierigkeitsgrad des "Prozessstoffes" angesichts der richterlichen Hinweise und der erkennbaren Hinarbeitung des Kammervorsitzenden auf einen Vergleich nicht in Betracht. Die Mittelgebühr der Verfahrens-gebühr sei lediglich um 20 v.H. zu erhöhen, weil die Beschwerdegegnerin das Verfahren nicht abgeschlossen habe. Eine Kostenentscheidung sei erforderlich, weil das Erinnerungsverfahren eine gesonderte Angelegenheit im Sinne von § 18 Nr. 5 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) sei. Gegen den am 19. Januar 2015 zugestellten Beschluss hat der Erinnerungsführer am 22. Januar 2015 Beschwerde eingelegt und sich gegen die Auferlegung der Kosten und die erhöhte Vergütung gewandt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 28. Januar 2015) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Beschlüsse der UdG und der Vorinstanz aufzuheben. Mit Beschluss vom 8. Mai 2015 hat er das Verfahren dem Senat nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 S. 2 RVG übertragen.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und zulässig. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss der Vorinstanz fehlerhaft ist. Die Beschwerdefrist beträgt nach den §§ 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3 RVG zwei Wochen (nicht: ein Monat) und die Einlegung der Beschwerde beim Thüringer Landessozialgericht nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 S. 3 RVG wahrt sie nicht (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2013 - L 6 SF 840/13 B).
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der UdG vom 14. Mai 2012 und der Beschluss der Vorinstanz waren aufzuheben. Für jedermann erkennbar und damit grob rechtswidrig hatte die UdG den Kostenfeststellungsbeschluss vom 14. Mai 2012 gegen Unbeteiligte (Klägerin und Beklagte) erlassen und im Tenor sogar die "der Klägerin" im Rahmen der PKH zustehende Vergütung festgesetzt, was inhaltlich unverständlich ist. Am Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG sind nur die im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwälte und die Staatskasse beteiligt. Gegenüber den Beteiligten des Hauptsacheverfahrens entfaltet die Entscheidung der UdG keine Rechtskraftwirkung (vgl. Müller Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 55 RVG Rdnr. 5). Daher ist dieser Beschluss gegen die unbeteiligten Dritten nichtig und tatsächlich wirkungslos (vgl. Senatsbeschluss vom 1. September 2011 - L 6 SF 1070/11 B). Die Vorinstanz hätte diesen Beschluss nur aufheben und damit seinen Rechtsschein beseitigen dürfen (vgl. vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1994 - LwZB 5/94, nach juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 125 Rdnr. 5c). In der Sache war ihr mangels Festsetzung keine Entscheidung möglich. Die Rubrumsberichtigung kam nicht in Betracht. Sie kann den Fehler nicht beseitigen, denn eine Entscheidung zwischen den Beteiligten lag damit immer noch nicht vor. Im vorliegenden Fall wird dies zusätzlich aus dem nicht geänderten Tenor offensichtlich. Nachdem die notwendige Vorentscheidung der UdG fehlt, ist auch der Beschluss der Vorinstanz nichtig. Zu einer eigenen Festsetzung nach § 55 Abs. 1 RVG ist sie nicht berechtigt. Damit hat die UdG des Sozialgerichts Gotha unverzüglich über den Festsetzungsantrag der Beschwerdegegnerin zu entscheiden.
Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass eine Kostenerstattung des Erinnerungs-verfahrens nicht in Betracht kommt. Sie kommt nur in den Fällen des § 197 SGG in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2007 - L 6 B 139/07 SF), nicht aber wenn der Anwalt das Verfahren in eigenem Namen betreibt (vgl. Thiel in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 1. Auflage 2014, RVG § 33 Rdnr. 50).
Angesichts des Zeitablaufs seit der Antragstellung hält der Senat im Rahmen eines obiter dictums ausnahmsweise folgende Ausführungen zur Höhe der festzusetzenden Vergütung angebracht:
1. Bedenken gegen die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG in Höhe der beantragten 350,00 Euro bestehen nicht. Bei konkreter Betrachtung lag der tatsächlich betriebene und erforderliche (vgl. Senatsbeschuss vom 6. November 2014 - L 6 SF 1022/14 B m.w.N.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15) Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Vergleich mit den übrigen bei den Sozialgerichten anhängigen Verfahren und nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II deutlich über dem Durchschnitt. Die Beschwerdegegnerin nahm Akteneinsicht, musste sich auf zwei Verhandlungen vorbereiten (vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B) und fertigte eine Reihe von Schriftsätzen, in denen sie ihre Rechtsansicht vortrug, sich mit den Argumenten der Beklagten auseinandersetzte und zu den richterlichen Anfragen Stellung nahm. Angesichts der Rückfragen des Gerichts und der tatsächlich schwierigen Materie ist der Vortrag, sie habe sich mehrmals mit der Klägerin besprechen müssen, nachvollziehbar. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kommt es für die Gebührenhöhe nicht darauf an, dass sie das Verfahren nicht beendete. § 14 Abs. 1 RVG stellt gerade nicht auf das Verfahrensergebnis ab. Zwar hat der Senat Bedenken dagegen, dass das Sozialgericht nach Aufhebung der Beiordnung des Rechtsanwalts H. die Beschwerdegegnerin uneingeschränkt beiordnete. So traf der Kammervorsitzende zum Verfahren S 26 AS 2473/10 seine PKH-Entscheidung, ob-wohl er vor der Verbindung nicht gesetzlicher Richter war. Auch besteht kein An-spruch auf Beiordnung eines neuen Rechtsanwalts, wenn der Rechtsanwaltswechsel mutwillig erfolgte oder hierfür ein triftiger Grund fehlt, der auch einen verständigen und auf eigene Kosten klagenden Kläger zur Kündigung des Mandats veranlasst hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 7. November 2002 - L 6 RA 606/97; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 73a Rdnr. 13e). Dies hatte das Sozialgericht nicht geprüft. Allerdings ist der Senat, wie auch das Sozialgericht, bei der Festsetzung der Kosten an die uneingeschränkten Beiordnungsbeschlüsse gebunden. In diesem Fall hat der neu beigeordnete Bevollmächtigte Anspruch auf volle gesetzliche Vergütung. Die objektive Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war angesichts der Materie (SGB II, selbständige Arbeit, Erbrecht, Schenkung) hoch. Unerheblich ist allerdings das "Hinarbeiten" des Vorsitzenden der 40. Kammer auf einen Vergleich. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin war überdurchschnittlich, denn es ging um Leistungen nach dem SGB II für relativ lange Zeiträume. Nur die überdurchschnittliche Bedeutung wird durch die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin kompensiert (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris). Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht er-sichtlich.
2. Bedenken bestehen nicht gegen die Höhe der begehrten Terminsgebühr. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit für beide Termine war deutlich überdurchschnittlich ... Hinsichtlich der Bedeutung für die Klägerin wird auf Nr. 1 verwiesen. Eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist angesichts der Rechtsmaterie und der Zeugenbefragung zu bejahen. Gerade dieser überragende Gesichtspunkt spricht hier trotz der niedrigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin und des geringen Haftungsrisikos für die Höchstgebühr (vgl. Senatsbeschluss vom 11. November 2013 - L 6 SF 230/13 B).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 59 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG)
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