S 12 SB 785/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 12 SB 785/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Das Versorgungsamt Aachen stellte beim Kläger mit Bescheid vom 27.01.2005 aufgrund eines Rheumaleidens mit Auswirkung auf die Gliedmaße, Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizungen, Herzleistungsbeeinträchtigung und Bluthochdruck sowie chronischer Bronchitis einen GdB von 40 fest. Ein im Jahr 2010 gestellter Änderungsantrag wurde, nach Auswertung von Arzt und Befundberichten, mit Bescheid vom 29.09.2010 durch den Beklagten abgelehnt.

Am 10.4.2013 stellte der Kläger sodann erneut einen Änderungsantrag. Zur Begründung gab er an, bei den festgestellten Beeinträchtigungen seien Verschlimmerung eingetreten. Darüber hinaus sei eine interstitielle Lungenerkrankung hinzugetreten. Der Beklagte wertete einen Befundbericht des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. T sowie Arztberichte des Internisten und Rheumatologen Dr. W, der radiologisch-nuklearmedizinischen Gemeinschaftspraxis X sowie der Klinik für internistische Rheumatologie der Medizinisches Zentrum T GmbH durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung, das Rheumaleiden mit Auswirkungen auf die Gliedmaße sei weiterhin mit einem GdB von 30, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule weiterhin mit einem GdB von 20, die Herzleistungsbeeinträchtigungen mit dem Bluthochdruck weiterhin mit einem GdB von 20 und die chronische Bronchitis weiterhin mit einem GdB von 10 zu bewerten. Der Gesamt-GdB bleibe bei 40. Mit Bescheid vom 03.06.2013 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab und stellte fest, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G läge nicht vor, da die Schwerbehinderteneigenschaft beim Kläger nicht gegeben sein.

Am 20.06.2013 legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein, der nach erneuter ärztlicher Stellungnahme von der Bezirksregierung N mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2013 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Am 24.07.2013 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätten sich seit 2005 der Gestalt verschlimmert, dass ein GdB von 50 insgesamt zuzuerkennen sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Dr. W und des Dr. T sowie durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Innere Medizin und Arbeitsmedizin - Rheumatologie, Psychotherapie, spezielle Schmerztherapie – Dr. L, Chefarzt des Fachbereichs Rheumatologie der Rheumaklinik B sowie darüber hinaus – auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) – des Facharztes für Orthopädie – Unfallarzt, Chirotherapie, Sportmedizin – Dr. T.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2015 hat der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 03.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2013 zu verurteilen, den GdB des Klägers mit 50 zu bewerten.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltung- und Widerspruchsverfahren und nimmt überdies Bezug auf die Stellungnahmen seines ärztlichen Beraters im Gerichtsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Ihm steht derzeit kein höherer GdB als 40 zu.

Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (BSG Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).

Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).

Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen.

Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.

Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei dem Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht die Feststellung eines GdB von mehr als 40 rechtfertigen.

Der Kläger leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Wesentlichen unter

1. chronischer Polyarthritis (Anamnese seit 2002, Erstdiagnose 2008, CCP-Antikörper sowie Rheumafaktor positiv; nicht erosiv), zurzeit nur wenig entzündlich aktiv, anamnestisch: mögliche pulmonale Mitbeteiligung im Sinne einer interstitiellen Lungenerkrankung 2. Funktionseinschränkung der oberen Gliedmaße bei incipienter Omarthrose links, Arthrose der Handgelenke sowie der Finger- und Daumengelenke 3. Funktionseinschränkung der unteren Gliedmaße bei deutlicher Gonarthrose links, Arthrose der Großzehengrundgelenke (rechts betont) und Sprunggelenke; anamnestisch Verdacht auf komplexen Einriss des Innenminiskushornes 4. Rezidivierende Cervikalgien und Lumbalgien ohne aktuelles sensomotorisches Defizit bei mäßigen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule 5. Anamnestisch Herzleistungsbeeinträchtigung, Bluthochdruck 6. Anamnestisch chronische Bronchitis

Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte, sowie der Gutachten des Dr. L sowie des Dr. T fest. Die Gutachten beruhen auf umfangreichen Untersuchungen, die unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Lediglich die sozialmedizinische Bewertung ist bis zuletzt umstritten geblieben.

Für die beim Kläger bestehende rheumatische Erkrankung ist der GdB gemäß Teil B Ziffer 18.2.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit 30 zu bewerten. Bei entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind dabei nach Teil B Ziffer 18.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze allgemein zum einen die mit der Krankheitsentwicklung verbundenen strukturellen und funktionellen Einbußen auch die Aktivität der Erkrankung mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Beim Kläger besteht eine chronische Polyarthritis, auch rheumatoide Arthritis genannt. Es ließen und lassen sich hochtitrig Rheumafaktoren und Antikörper gegen cyclisches citrulliniertes Peptid (CCP) nachweisen. In den vom Gutachter Dr. Kruse veranlassten Laboruntersuchung wurde der IgM mit 277 U/ml (Referenzwert ( 15), IgG mit 117 U/ml (Referenzwert ( 15) IgA mit 123 U/ml (Referenzwert ( 15). Der ACPA-Wert wurde mit 146 U/ml (Referenzwert ( 7). Solche Werte weisen nach den Feststellungen des Gutachters Dr. Kruse oft auf eine eher aggressive Form der rheumatoiden Arthritis hin. Es kommt – auch dies stellt der Gutachter fest – trotz kontinuierlicher entzündungshemmender Therapie mit einer Basismedikation mit Lantarel® (Wirkstoff: Methotrexat) und einer niedrigdosierten systemischen Glucocorticosteroidtherapie bislang nicht zu einer länger anhaltenden Unterdrückung der entzündlichen Aktivität der Erkrankung, sondern es kam und kommt immer wieder zu einem kurzfristigen Aufflackern der Krankheit. Bei diesen kurzzeitigen Schüben sind vor allem die Hände betroffen, an denen sich auch radiologisch bereits degenerative Veränderungen an einzelnen Fingergelenken und Daumengelenken sowie – weniger – der Handgelenke nachweisen lassen. Weitere radiologisch nachweisbare Gelenkschäden finden sich aber noch nicht. Für den vom Kläger anamnestisch geäußerten Verdacht einer Mitbeteiligung der Lungen an der rheumatischen Erkrankung ergab die durch den Gutachter mit Bodyplethysmograohie und Ergometrie durchgeführte kardio-pulmonale Funktionsdiagnostik bei insgesamt guter Belastbarkeit (dazu unten) keinen Anhalt für eine wesentliche Störung der Lungen und tieferen Atemwege. Auch Anhaltspunkte für eine Mitbeteiligung anderer Organe fanden sich weder im Rahmen der Untersuchung noch sind sie vorbefundet. Diese Feststellungen decken sich auch weitgehend mit denen des behandelnden Rheumatologen in dessen Befundbericht. Nach Auffassung der Kammer, die sich insoweit den Ausführungen des Gutachters Dr. L anschließt, ist derzeit noch von einer Erkrankung mit geringen Auswirkungen auszugehen. Insbesondere im Hinblick auf den derzeit noch weitgehend eingeschränkten Gelenkbefall, ist von einem GdB von 30 auszugehen. Der vom Kläger nach § 109 SGG benannte Gutachter Dr. T trägt zur Frage der rheumatischen Erkrankungen keine neuen Erkenntnisse bei. Welchen GdB er für zutreffend hält, lässt sich seinem Gutachten auch nicht eindeutig entnehmen. Offenbar schließt er sich der Einschätzung des Dr. L an, dass hier leichtgradige Funktionseinbußen vorliegen. Hierfür bringt er aber einen GdB von 40 in Ansatz. Eine weitergehende Begründung hierfür liefert er nicht. Wie bereits oben ausführlich dargelegt, kommt beim Kläger indes ein höherer GdB als 30 für die chronische Polyarthritis nicht in Betracht.

Für das Funktionssystem der oberen Extremitäten ist gemäß Teil B Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinische Grundsätze insgesamt ein GdB von 20 in Ansatz zu bringen.

Die gutachterliche Untersuchung der Schultergelenke durch Dr. L ergab eine eingeschränkte Außen- und Innenrotation bei im Übrigen freier Beweglichkeit rechst sowie eine mäßiggradig konzentrisch schmerzhafte Einschränkung der Beweglichkeit links. Der Nacken- und Schürzengriff waren frei durchführbar, links waren sie endgradig schmerzhaft. Dr. L ermittelte folgende Bewegungsausmaße nach Neutral-Null: Abduktion/Adduktion links 120°/0°/20°, rechts 150°/0°/20°, Ante-/Retroversion links 140°/0°/20°, rechts 160°/0°/30°, Außen-/Innenrotation links 20°/0°/40°, rechts 50°/0°/30°. Auch hier zeigte sich somit ein leichtgradige Einschränkung der Beweglichkeit links (vgl. zur normgerechten Beweglichkeit des Schultergelenks, Buckup/Buckup, Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln, 5. Aufl. 2012, S 95). Entsprechendes fand sich auch bei der Untersuchung durch Dr. T, wobei sich dort die Beweglichkeit der Schultern beidseits jeweils um ca. 20 stärker eingeschränkt zeigte. Diese Werte sind nach den Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem GdB von 10 gut bewertet. Die Beweglichkeit der Ellenbogengelenke zeigte sich bei beiden Gutachtern altersentsprechend normgerecht (vgl. dazu Neurath/Lohse, Anamnese und klinische Untersuchung, 3. Aufl. 2010, S 322 ff.).

Im Bereich der Finger- und Handgelenke zeigte sich bei der Untersuchung durch Dr. L eine harte Schwellung einzelner Fingergelenke im Sinne einer (beginnenden) Fingerpolyarthrose, eine sehr geringe Schwellung ohne Rötung oder Überwärmung im Bereich der rechten Handgelenks, der Fingergrundgelenke (Metacarpophalangealgelenk – MCP) IV und V rechts sowie III und V links. Das Zeichen nach Gaenslen ("sog. diagnostischer Händedruck") war beidseits positiv (vgl. dazu Hettenkofer/Schneider/Braun, Rheumatologie, 6. Aufl. 2015, S. 137). Die Bewegungsausmaße konnten bei Dorsalextension/Palmarflexion links mit 45°/0°/50°, rechts mit 40°/0°/45°, die Abduktion ulnar/radial links mit 20°/0°/20°, rechts mit 30°/0°/5° ermittelt werden (vgl. dazu Neurath/Lohse, Anamnese und klinische Untersuchung, 3. Aufl. 2010, S 322). Die Griffkraft betrug rechts 0,25 kp/cm2 und links 0,3 kp/cm2. Bei der Untersuchung durch Dr. T zeigten sich hier bessere Werte. So waren dort die Hand- und Fingergelenke frei von Schwellungen und waren frei beweglich. Die Bewegungsausmaße konnten bei Dorsalextension/Palmarflexion links mit 80°/0°/75°, und rechts mit 70°/0°/65° ermittelt werden. Es fand sich ein leichter Druckschmerz im Bereich der Fingermittelgelenke. Der Händedruck war mit 0,60 kp/cm2 bzw. 0,63 kp/cm2 nur mäßig abgeschwächt. Nach Auffassung der Kammer zeigt sich hier, dass die beschriebenen Beeinträchtigungen in diesem Bereich – wie von Dr. L beschrieben – mit der Entzündungsaktivität der rheumatischen Erkrankung schwanken. Unter Berücksichtigung der vom Kläger gegenüber dem Gutachter Dr. L geschilderten Probleme, insbesondere beim Schrauben ist hier – auch wenn die reinen Bewegungseinschränkungen hier einen geringeren GdB rechtfertigen würden und insbesondere eine berufliches Betroffensein im Schwerbehindertenrecht nicht zu berücksichtigen ist – mit dem Gutachter Dr. Kruse von einem GdB von 20 auszugehen. Hier bestehen aber freilich Überschneidungen zum GdB von 30 für die rheumatische Erkrankungen. Dies ist im Rahmen der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen, da eine Doppelbewertung insoweit nicht in Betracht kommt.

Für das Funktionssystem der unteren Gliedmaße ist gemäß Teil B Ziffer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 10 in Ansatz zu bringen.

Beim Kläger sind nativradiologisch deutliche degenerative Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenks nachgewiesen. Allerdings ist im Rahmen des Schwerbehindertenrechts nicht die Diagnose sondern es sind die Auswirkungen relevant. Hier zeigten beide Knie eine lediglich leichtgradige Einschränkung der Beweglichkeit, und zwar links von 120°/0°/0° und rechts ebenfalls. Die Hüftgelenke waren, bei einer geringen Innenrotationseinschränkung, im Übrigen ebenfalls frei beweglich. Im Bereich des linken Sprunggelenks ließ sich eine Druckschmerzhaftigkeit nachweisen. Die Supination im Bereich des rechten unten Sprunggelenks war schmerzhaft eingeschränkt, bei im Übrigen konzentrisch schmerzhafter aber nicht eingeschränkter Beweglichkeit im Bereich der Sprunggelenke. Im Bereich der Großzehengrundgelenke fand sich ebenfalls eine endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Im Rahmen der Untersuchung durch Dr. T waren auch in diesem Bereich bessere Werte festzustellen. Die Feststellung eines höheren GdB als 10 kommt nach den Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht in Betracht.

Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 10 in Ansatz zu bringen. Allenfalls kommt nach Auffassung der Kammer hier ein GdB von 20 in Betracht, der indes nur soeben erreicht ist.

Es sind beim Kläger mäßige degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule nachgewiesen. Hier zeigte sich in der Untersuchung durch Dr. L auch eine mäßige Rotationseinschränkung. Die Anteversion/Retroversion wurde mit 40°/0°/40°, die Rotation seitengleich mit 50°/0°/50° und die Seitneigung seitengleich mit 40°/0°/40° ermittelt. Dr. T ermittelte die Anteversion/Retroversion mit 50°/0°/20°, das Seitneigen mit 15°/0°/15° und die Rotation mit 15°/0°/15°. Für den Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ermittelte Dr. T das Seitneigen (re/li) mit 45°/0°/40° und die Rotation mit 40°/0°/45°. Den Finger-Boden-Abstand ermittelte er mit 20 cm. Das Maß nach Ott mit 30/31,5 cm und das Maß nach Schober mit 10/13 cm (vgl. zu den Werten nach Ott und Schober, Wülker (Hrsg.), Orthopädie und Unfallchirurgie, 2. Aufl. 2010, S. 224). Angefertigte Röntgenbilder der Lendenwirbelsäule zeigten eine deutlichen Beckenschiefstand rechts von 1,1 cm, eine rechtskonvexe Verbiegung mit geringem Torsionsfehler und Hyperlordose. Hinweise auf eine verschleißbedingte Bandscheibenerkrankung zeigten sich nicht, ebensowenig Hinweise auf ein Wirbelgleiten. Dr. L hatte die Seitenneigung mit 30°/0°/30° und die Rotation mit 30°/0°/30° ermittelt, das Maß nach Schober mit 13,5/10 cm und das nach Ott auf 32,5/30 cm. Beide Gutachten machen nach Auffassung der Kammer deutlich, dass beim Kläger nur geringe funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten nachgewiesen sind. Neurologische Ausfälle sind nicht objektiviert, weswegen insoweit allerhöchstens ein GdB von 20, eher von 10 in Ansatz zu bringen ist.

Soweit der Beklagte bislang für Funktionsbeeinträchtigungen von Herz und Kreislauf einen GdB von 20 in Ansatz gebracht hat, erscheint dies nach Auffassung der nunmehr nicht mehr gerechtfertigt. Im Rahmen der bei Dr. L durchgeführten Ergometrie erreichte der Kläger eine Belastung von 100 Watt über zwei Minuten. Hierbei zeigten sich keine pathologischen Werte. Es wurde vom Kläger auch keine Atemnot angegeben. Hier zeigt sich eine gute kardio-respiratorische Belastbarkeit. Die Voraussetzungen gemäß Teil B Ziffer 9.1.1 Nr. 2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sind hier jedenfalls nicht mehr objektiviert. Der Blutdruck in Ruhe war mit RR 140/80 mmHg bzw. 125/85 mmHg bei den Untersuchungen durch die Gutachter ebenfalls nicht erhöht. Gemäß Teil B Ziffer 9.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze kommt damit auch insoweit kein GdB in Betracht. Soweit Dr. T hier einen GdB von 20 in Ansatz gebracht hat, fehlt jegliche Begründung. Eigene Untersuchungen hat er nicht vorgenommen, sondern lediglich die Bewertung des Beklagten insoweit übernommen. Diese ist aufgrund der Ergebnisse des sorgfältigen Gutachtens des Dr. L indes nicht mehr haltbar.

Soweit der Beklagte bislang für eine chronische Bronchitis einen GdB von 10 in Ansatz gebracht hat, erscheint auch dies nach Auffassung der Kammer nicht mehr gerechtfertigt. Zum einen hat der Kläger, wie bereits dargelegt im Rahmen der Ergometrie eine gute kardio-respiratorische Belastbarkeit gezeigt. Auch die Werte der Lungenfunktionsuntersuchung, insbesondere der Wert für die Einsekundenkapazität (FEV1) und den exspiratorischen Spitzenfluss (PEF), machen deutlich, dass beim Kläger eine nur leichtgradige, funktionell nicht relevante partielle reversible Erhöhung des zentralen Atemwegswiderstandes vorliegt. Auch ansonsten zeigten sich keine Anhaltspunkte für eine periphere Atemwegsobstruktion. Gemäß Teil B Ziffer 8 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist hierfür kein GdB in Ansatz zu bringen.

Wesentliche weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen GdB bedingen könnten sind nicht objektiviert.

Vor diesem Hintergrund ist bei dem Kläger § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden.

§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchtigungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammenschau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrachtungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris).

Im Vordergrund stehen vorliegend die Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der rheumatischen Erkrankung des Klägers. Diese bedingen – wie oben ausgeführt – einen GdB von 30. Neben diesem können – für den Kläger sehr wohlwollend - erhöhend die Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten berücksichtigt werden. Dass der GdB von 40 nach Auffassung der Kammer – wenn überhaupt – nur soeben erreicht ist, ergibt sich daraus, dass die Beeinträchtigungen der Hände, bereits wesentlich zur Begründung des GdB für die rheumatische Erkrankung herangezogen worden sind. Auch wenn man den GdB für die Wirbelsäule mit 20 in Ansatz bringen wollte, und – was unzutreffend wäre – den GdB von 20 für die Beeinträchtigungen von Herz- und Kreislauf in Ansatz bringen würde, käme ein GdB von mehr als 40 nicht in Betracht.

Die Feststellung eines GdB von mindestens 50, kommt nach obigen Ausführungen keinesfalls in Betracht. Die objektivierten Beeinträchtigungen des Klägers lassen sich nicht gemäß Teil A Nr. 3 lit. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem einzelnen Gesundheitsschaden vergleichen, für den die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen festen GdB-Wert von 50 angeben (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 49 ff. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG und den hierzu vertretenen Meinungsstand in der Literatur). Insbesondere lassen sich Beeinträchtigungen vergleichbar einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthesen die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst, schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb), oder aber einer Versteifung des Hüftgelenks in ungünstiger Stellung oder dem Verlust eines Beins im Unterschenkel bei dem Kläger nicht feststellen. Auch ist keine Vergleichbarkeit mit den Fallgruppen mittelgradiger Auswirkungen einer rheumatoiden Arthritis gegeben.

Die begehrte Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft kommt damit derzeit nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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