L 3 AL 57/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AL 1055/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 57/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig ist, bestimmt sich ausschließlich danach, ob die im Einzelfall entscheidungserheblichen Rechtsvorschriften beachtet worden sind. Die "böse" Absicht, einen rechtmäßigen Verwaltungsakt nicht ordnungsgemäß umsetzen oder befolgen zu wollen, macht den Verwaltungsakt nicht rechtswidrig (Bestätigung der Senatsrechtsprechung: Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11).
2. Die bescheidwidrige Mittelverwendung macht nicht den Fördermittelbescheid rückwirkend rechtswidrig, sondern eröffnet der zuständigen Behörde lediglich die Möglichkeit, die Fördergelder nach Maßgabe von § 47 SGB X zurückzufordern (Bestätigung der Senatsrechtsprechung: Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11).
3. Ein Mangel der Ermessensbetätigung kann im Gegensatz zu einem Fehler der Ermessensbegründung nicht mehr im gerichtlichen Verfahren geheilt werden.
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2007 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Teilaufhebung der Bewilligung von Förderleistungen und die Aufforderung, einen Betrag in Höhe von 7116,25 EUR zu erstatten.

Am 21. August 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Verwendung des Antragsformulars "Arbeit für Langzeitarbeitslose (AfL) – Sonderprogramm des Bundes zum (Wieder-)Einstieg von Langzeitarbeitslosen ab 25 Jahren in Beschäftigung, Antrag auf Förderleistung nach den AfL-Richtlinien (AfL-RL)" die Bewilligung von monatlichen Fallpauschalen für 13 Langzeitarbeitslose im Bezug von Arbeitslosenhilfe und 14 Sozialhilfeempfänger ab dem 1. September 2003.

Mit Bescheid vom 15. September 2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf die Richtlinie (forthin: AfL-RL) ab dem 1. September 2003 monatliche Fallpauschalen für die Teilnahme von 27 Arbeitslosen an Maßnahmen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für die Dauer von höchstens sechs Monaten. Insgesamt bewilligte die Beklagte 176.400,00 EUR, von denen 109.200,00 EUR auf die 13 im Bezug von Arbeitslosenhilfe stehenden Langzeitarbeitslosen bei einer monatlichen Fallpauschale in Höhe von 1.400,00 EUR (Artikel 3 § 4 Abs. 1, 2 AfL-RL) und 67.200,00 EUR auf die 14 Sozialhilfeempfänger bei einer monatlichen Fallpauschale in Höhe von 800,00 EUR (Artikel 3 § 4 Abs. 1, 3 AfL-RL) entfielen.

Mit Ergänzungsbescheid vom 2. Februar 2004 bewilligte die Beklagte ab dem 1. März 2004 für einen arbeitslosenhilfebeziehenden Langzeitarbeitslosen 1.400,00 EUR monatlich für zwei Monate und für drei Sozialhilfeempfänger 800,00 EUR monatlich für die Dauer von drei Monaten, insgesamt 10.000,00 EUR (= 2.800,00 EUR + 7.200,00 EUR). Mit weiterem Ergänzungsbescheid vom 24. Februar 2004 wurde für einen Langzeitarbeitslosen im Arbeitslosenhilfebezug die Förderung um drei Monate zu je 1.400,00 EUR (insgesamt 4.200,00 EUR) erhöht.

Abweichend von der in den Bewilligungsbescheiden für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe unterschiedlich geregelten Höhe der Förderung nahm die Klägerin eine "Mischkalkulation" vor und zahlte den Bildungs- und Beschäftigungsträgern – undifferenziert – eine Fallpauschale von monatlich 1.100,00 EUR je Teilnehmer (= 850,00 EUR Bruttolohn und 250,00 EUR sonstige Pauschale).

Im Jahr 2005 prüfte der Europäische Rechnungshof im Hinblick darauf, dass die AfL-Maßnahmen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert worden waren, die sachgemäße Verwendung der insoweit aufgewendeten Haushaltsmittel. Der Prüfbericht des Europäische Rechnungshof vom 3. März 2006 wurde an den Bundesrechnungshof, von diesem an die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit, der Beklagten, und von dieser wiederum am 22. März 2006 an die Agentur für Arbeit P weitergeleitet, die daraufhin alle in ihrem Zuständigkeitsbereich durchgeführten AfL-Maßnahmen, unter anderem die hier streitbefangene, auf die zweckentsprechende Verwendung der Fördermittel hin überprüfte.

Nach Anhörung mit Schreiben vom 8. Juni 2006 hob die Beklagte mit Bescheid vom 12. April 2007 "den Bewilligungsbescheid vom 15.09.2003 und die dazu ergangenen Ergänzungsbescheide teilweise auf" und forderte die Klägerin zur Erstattung eines Betrages in Höhe von 7.116,25 EUR auf. Die von der Klägerin auf Grund einer Vereinbarung mit den Bildungs- beziehungsweise Beschäftigungsträgern gewährte Fallpauschale von monatlich 1.100,00 EUR je Teilnehmer sei als Durchschnittswert aus den bewilligten Fallpauschalen in Höhe von 1.400 EUR und 800 EUR monatlich gebildet worden. Damit seien die Vorgaben von Artikel 3 § 4 Abs. 2 und 3 AfL-RL bei den Maßnahmen nicht umgesetzt worden. Die Entscheidung zur teilweisen Aufhebung und zur Erstattung beruhe auf § 45 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) i. V. m. § 50 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) sowie auf "§ 48 SGB X i. V. m. § 50 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III". Die auf die Anhörung vom 9. Juni 2006 hin gemachten Äußerungen seien "im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung in die Entscheidungsfindung" eingeflossen.

Den Widerspruch der Klägerin vom 14. Mai 2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2007, die dem Ausgangsbescheid tragende Begründung vertiefend, zurück. Die Klägerin habe gegenüber der Beklagten erklärt, dass sie für die Förderung der Sozialhilfeempfänger eigene Haushaltsmittel einsetzen werde. Die Absicht der Verwendung eigener Mittel habe aber tatsächlich nicht bestanden, so dass eine arglistige Täuschung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X vorliege. Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X erfüllt. Die Klägerin habe von vornherein nicht die Absicht gehabt, die monatlichen Fallpauschalen nach den Vorgaben der AfL-Richtlinie zu verwenden und habe daher zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige, zumindest aber unvollständige Angaben gemacht. Soweit die Klägerin ausgeführt habe, keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des zu bewilligenden Verwaltungsaktes gehabt zu haben, liege zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor. Wegen § 330 Abs. 2 SGB III sei eine gebundene Rücknahmeentscheidung zu treffen, also kein Ermessen auszuüben. § 48 SGB X wurde nicht mehr als Rechtsgrundlage bemüht.

Die Klage vom 17. Dezember 2007 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 17. März 2011 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung von Fördermitteln teilweise aufgehoben und eine Erstattungsforderung geltend gemacht. Einschlägige Vorschrift sei § 45 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III. Die Bewilligung der Fallpauschalen in Höhe von 1.400,00 EUR monatlich sei, jedenfalls hinsichtlich des 1.100,00 EUR monatlich übersteigenden Betrages, anfänglich rechtswidrig gewesen. Die Klägerin sei von Anfang an entschlossen gewesen, die ihr bewilligten Fallpauschalen nicht in der jeweils bewilligten Höhe zu verwenden. Vielmehr hätten die Fallpauschalen "gemittelt" werden sollen. Diese Verwendung verstoße aber gegen Artikel 3 § 4 AfL-RL. Wäre die auf Grund der konkreten Finanzierungsausgestaltung von Anfang an objektiv bestehende Nichtförderfähigkeit der Maßnahme der Beklagten zum Zeitpunkt der Erstbewilligung bekannt gewesen, wäre die Förderung abzulehnen gewesen. Die Klägerin habe auch die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt oder zumindest grob fahrlässig nicht erkannt und könne sich daher auf ein Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes nicht berufen (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Ob die Aufhebung auch auf § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB X gestützt werden könne, könne dahingestellt bleiben. Dass § 47 SGB X als Ermessensentscheidung ausgestaltet sei, hindere nicht an einem Austausch der Rechtsgrundlage. Soweit der Widerruf von Förderung im Raum stehe, sei regelmäßig nur der Widerruf ermessensfehlerfrei, so dass eine Ermessensausübung entbehrlich sei. Zudem sei allgemein anerkannt, dass § 47 SGB X "erst recht" für anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte gelte.

Gegen das ihr am 29. März 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 18. April 2011. Rechtmäßigkeitsmaßstab für die streitgegenständlichen Bescheide sei § 47 SGB X, nicht § 45 SGB X. Die von der Beklagten erbrachten Leistungen habe sie, die Klägerin, nicht im Sinne von § 47 Abs. 2 SGB X (teilweise) zweckwidrig verwendet. Aus dem Verwaltungsakt selbst ergebe sich keine Zweckbestimmung der bewilligten Leistungen. Sollten aber die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Abs. 2 SGB X tatsächlich vorliegen, sei die Behörde zur Ermessenausübung verpflichtet. Dieser Pflicht sei die Beklagte aber, wie sich aus dem Widerspruchsbescheid eindeutig ergebe, nicht nachgekommen. Es liege auch keine Ermessensreduzierung auf Null vor, denn sie, die Klägerin, habe die von der Beklagten erbrachten Leistungen vollständig für die geförderte Maßnahme verwendet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 17. März 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die Bewilligungsbescheide zutreffend teilweise nach § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III aufgehoben und zu Unrecht gezahlte Leistungen nach § 50 Abs. 1 SGB X zu Recht zurückgefordert zu haben. Sie verweist auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils und nimmt im Übrigen Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 15. November 2007 und ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Dass zu einem anderen Ergebnis gelangende erstinstanzliche Urteil ist aufzuheben.

(1) Zu Unrecht sehen die Beklagte wie auch das Sozialgericht den Bewilligungsbescheid vom 15. September 2003 und die Ergänzungsbescheide vom 2. Februar 2004 und 24. Februar 2004 als anfänglich rechtswidrig an. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig ist, sich ausschließlich daran entscheidet, ob die im Einzelfall entscheidungserheblichen Rechtsvorschriften beachtet worden sind (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11 – Urteilsabdruck S. 16). Der nicht offenbarte Vorbehalt, ein rechtmäßigen Verwaltungsakt nicht ordnungsgemäß umsetzen oder befolgen zu wollen, macht den Verwaltungsakt nicht rechtswidrig. Die zweckwidrige Verwendung bewilligter Mittel macht auch den Fördermittelbescheid nicht rückwirkend rechtswidrig, sondern eröffnet der Behörde lediglich die Möglichkeit, fehlgeleitete Mittel nach Maßgabe von § 47 SGB X zurückzufordern. Da die zweckwidrige Verwendung von Förderleistungen die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides nicht berührt, kommt eine Umdeutung einer Widerrufsentscheidung in eine Aufhebungsentscheidung (§4 8 SGB X) nicht in Betracht (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11 – Urteilsabdruck S. 21).

(2) Die von der Beklagten für die verfügte (Teil-)Rücknahme von Leistungsbewilligungen herangezogene Rücknahmevorschrift, § 45 SGB X, ist vorliegend nicht einschlägig. Zwar handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid vom 15. September 2003 und den nachfolgenden Ergänzungsbescheiden um begünstigende Verwaltungsakte im Sinne von § 45 Abs. 1 SGB X. Mit ihnen wurden der Klägerin Geldleistungen zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks, der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen und ihrer Qualifizierung, zuerkannt. Die Bescheide sind aber nicht rechtswidrig, denn sie entsprechen den anzuwendenden fördermittelrechtlichen Vorschriften (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall: Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11 – Urteilsabdruck S. 15 ff.).

Grundlage der Förderanträge der Klägerin waren die AfL-Richtlinien und die dort zugrunde gelegten Fallpauschalen. Nach Artikel 3 § 4 AfL-RL vom 16. Juli 2003 erhielt der Träger der Maßnahme für die Durchführung der Maßnahme nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 BSHG eine monatliche Fallpauschale. Nach Artikel 3 § 4 Abs. 2 AfL-RL betrug die Fallpauschale für die Durchführung der Maßnahme gegenüber Beziehern von Arbeitslosenhilfe und gegebenenfalls ergänzender Sozialhilfe im Sinne von Artikel 1 Abs. 1 AfL-RL 1.400,00 EUR pro Monat und Teilnehmer; für die Durchführung der Maßnahme gegenüber Sozialhilfeempfängern im Sinne von Artikel 1 Abs. 1 AfL-RL betrug nach Artikel 3 § 4 Abs. 3 AfL-RL die Fallpauschale 800,00 EUR pro Monat und Teilnehmer. Nach Artikel 3 § 1 AfL-RL wurde mit der Gewährung dieser Fallpauschalen das Ziel verfolgt, Arbeitslose, die nicht in reguläre Beschäftigungsverhältnisse vermittelt werden konnten, öffentlich geförderte, versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse anzubieten. Dabei sollte eine Qualifizierung stattfinden.

Basierend auf dieser Richtlinie und unter Bezugnahme auf die Fallpauschale nach Artikel 3 § 4 AfL-RL hatte die Klägerin in ihren Anträgen für Langzeitarbeitslose, die Arbeitslosenhilfe und ergänzende Sozialhilfe bezogen, eine Fallpauschale in Höhe von 1.400,00 EUR und für Sozialhilfeempfänger eine Fallpauschale von 800,00 EUR beantragt. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen war ausweislich der Anträge dabei aufgeschlüsselt in langzeitarbeitslose Arbeitslosenhilfeempfänger und Sozialhilfeempfänger. Unter Zugrundelegung dieser Anträge enthielten die jeweiligen Bewilligungsbescheide folgerichtig Förderungen, bei denen ebenfalls nach der Zahl der Langzeitarbeitslosen, die zuvor Arbeitslosenhilfe bezogen hatten, und der Sozialhilfeempfänger differenziert wurde. Daraus wurde eine Gesamtsumme gebildet.

Damit standen sowohl die Anträge der Klägerin als auch die daraufhin erlassenen Bewilligungsbescheide im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben der AfL-Richtlinie.

(3) Ohne Erfolg hält die Beklagte dem entgegen, die Klägerin habe bereits vor den jeweiligen Antragstellungen die Absicht verfolgt, die Förderleistungen nicht entsprechend der Fallpauschalen, sondern nach Maßgabe einer Mischkalkulation zu verwenden, mithin die Förderleistungen nicht zweckentsprechend zu verwenden. Denn die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig ist, bestimmt sich ausschließlich danach, ob die im Einzelfall entscheidungserheblichen Rechtsvorschriften beachtet worden sind. Die "böse" Absicht, einen rechtmäßigen Verwaltungsakt nicht ordnungsgemäß umsetzen oder befolgen zu wollen, macht den Verwaltungsakt nicht rechtswidrig (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11 – Urteilsabdruck S. 16). So bleibt beispielsweise eine Baugenehmigung rechtmäßig, auch wenn der Bauherr von Anfang an die Absicht hatte, das Bauvorhaben antrags- und genehmigungsabweichend zu errichten. In diesem Fall bleibt der Bauaufsichtsbehörde nur die Möglichkeit, dem illegalen Bauwerk mit einer Baueinstellungs-, Nutzungsuntersagungs- oder Abrissverfügung zu begegnen. Entsprechend verhält es sich bei einer genehmigungsabweichenden Verwendung von Fördermitteln. Die bescheidwidrige Mittelverwendung macht nicht den Fördermittelbescheid rückwirkend rechtswidrig, sondern eröffnet der zuständigen Behörde lediglich die Möglichkeit, die Fördergelder nach Maßgabe von § 47 SGB X zurückzufordern (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014, a. a. O.).

Auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Beklagten ließe sich auch zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht mehr beurteilen, ob der Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Denn es sind für den weiteren Geschehensablauf zwei Varianten denkbar. Zum einen kann der Antragsteller an seiner Absicht festhalten, die Fördermittel nicht antrags- und genehmigungsentsprechend zu verwenden. In diesem Fall wäre nach Auffassung der Beklagten der Bewilligungsbescheid von Anfang an rechtswidrig. Zum anderen kann der Antragsteller seine bisherige Absicht aufgeben und die Fördermittel antrags- und genehmigungsentsprechend verwenden. Dann wäre nach Auffassung der Beklagten der Bewilligungsbescheid von Anfang an rechtmäßig. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes bestimmt sich aber nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses, wie sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ("beim Erlass eines Verwaltungsaktes") ergibt, und nicht nach Maßgabe späterer Ereignisse und Entwicklungen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014, a. a. O.).

(2) Sind nach alldem die Bewilligungsentscheidungen der Beklagten rechtmäßig, kommt als Grundlage für den von der Beklagten vorgenommenen Eingriff lediglich noch § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X in Betracht. Voraussetzung ist allerdings, dass der Rücknahmebescheid in einen Widerrufsbescheid umgedeutet werden kann. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben.

Nach § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Schließlich kann eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden (vgl. § 43 Abs. 3 SGB X).

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn 1. die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird, 2. mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

(a) Die Bewilligungsentscheidungen der Beklagten waren, wie ausgeführt, rechtmäßig.

(b) Weiter setzt der Widerruf der Leistungsbewilligung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB X voraus, dass die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den im Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird.

Der den Widerruf rechtfertigende Zweck muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes im Verwaltungsakt eindeutig genannt und bestimmt sein (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 11 AL 63/00 RBSGE 87, 219 = SozR 3-1300 § 47 Nr. 1 = NZS 2001, 446; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11 – Urteilsabdruck S. 17; Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 47 Rdnr. 14). Ausgehend hiervon neigt der Senat der Auffassung zu, dass sich vorliegend die Zweckbestimmung mit noch hinreichender Bestimmtheit aus den Bewilligungsbescheiden ergibt. So ist in den Bescheiden nicht nur das Förderprogramm benannt, sondern sind zahlreiche Regelungen aus der Förderrichtlinie in Bezug genommen worden (so auch zu einem ähnlich gelagerten Fall: Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11 – Urteilsabdruck S. 17).

Auch sind die Regelungen der Förderrichtlinie zur Mittelverwendung hinreichend bestimmt (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall: Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11 – Urteilsabdruck S. 17 f.). Zwar enthält Artikel 3 § 4 AfL-RL lediglich Regelungen zur Höhe der Leistungen differenziert nach Arbeitslosenhilfebeziehern und Sozialhilfeempfängern und stellt nicht ausdrücklich klar, dass diese Leistungen für eine Entlohnung oder Aufwandsentschädigung für die Leistungsempfänger dienen sollen. Nach Auffassung des Senates ergibt sich jedoch, auch unter Berücksichtigung des Förderzweckes und der übrigen Regelungen in der Richtlinie, dass die Leistungen, gegebenenfalls abzüglich von Aufwendungen, die aus Anlass der Durchführung des Maßnahme entstanden, als Arbeitsentgelt an die geförderten Personen weitergereicht werden sollten. Die Förderleistungen sollten als Anreiz dienen, Langzeitarbeitslose in öffentlich geförderte versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln und sie dort zu qualifizieren. Mit der Maßnahmeförderung sollte keine Gewinnerzielung des Maßnahmeträgers, insbesondere eines öffentlich-rechtlichen Trägers der Sozialhilfe, verbunden sein. Soweit eine Differenzierung zwischen Arbeitslosenhilfebeziehern und Sozialhilfeempfängern vorgenommen wurde, war dies dem Umstand geschuldet, dass die Träger der Sozialhilfe ihrerseits neben Mitteln der Bundesagentur für Arbeit eigene Förderleistungen einsetzen sollten.

Diesen Förderzweck unterlief die Klägerin dadurch, dass sie die Förderleistungen nicht an die Bezieher von Arbeitslosenhilfe in dem in der Richtlinie und in den Förderbescheiden vorgesehenen Umfang weiterreichte, sondern zum Teil zur Aufstockung der Leistungen an die Sozialhilfeempfänger einsetzte.

(c) Schließlich erfordert der Leistungswiderruf einen fehlenden Vertrauensschutz.

Der Aspekt des Vertrauensschutzes ist in § 47 Abs. 2 Satz 2 bis 4 SGB X geregelt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB X darf der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht widerrufen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einem Widerruf schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter zumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zum Widerruf des Verwaltungsaktes geführt haben (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 4 SGB X).

Der Frage, ob die aus dem Aktenbestand erkennbaren Umstände in Zusammenschau mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Sozialgericht insoweit eine belastbare Erkenntnislage hergeben, muss der Senat aber nicht weiter nachgehen. Denn die Beklagte hat kein Ermessen ausgeübt.

(d) § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X eröffnet nach seinem eindeutigen Wortlaut ("kann") auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen (vgl. Steinwedel, in: Kasseler Kommentar – Sozialversicherungsrecht – [Stand: 84. Erg.-Lfg., Dezember 2014], § 47 Rdnr. 3). Die Beklagte hat aber, was auch zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, weder im angefochtenen Widerrufsbescheid noch im Widerspruchsbescheid Ermessen ausgeübt. Soweit im Bescheid vom 12. April 2007 von einer "pflichtgemäßen Ermessensausübung" die Rede ist, steht dem keine erkennbare Ermessensbetätigung (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X) gegenüber. Der Widerspruchsbescheid vom 15. November 2007 ist nach seiner Begründung als gebundene Entscheidung erlassen worden.

Eine Heilung dieses Mangels im Gerichtsverfahren war nicht möglich. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Nach § 41 Abs. 2 SGB X kann eine solche Handlung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, hier des Berufungsverfahrens, nachgeholt werden. Ein Begründungsmangel in diesem Sinne kann auch vorliegen, wenn der Verwaltungsakt nicht nach Maßgabe von § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X bei einer Ermessensentscheidung die maßgebenden Gesichtspunkte "erkennen" lässt (vgl. hierzu: Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 41 Rdnr. 10). Hiervon zu trennen ist jedoch der Fall des Ermessensnichtgebrauchs oder des Ermessensausfalles. Denn hierbei wird erstmalig während des gerichtlichen Verfahrens das Ermessen ausgeübt. Ein Mangel der Ermessensbetätigung kann aber im Gegensatz zu einem Fehler der Ermessensbegründung nicht mehr im gerichtlichen Verfahren geheilt werden (so ausdrücklich BSG, Beschluss vom 7. Dezember 2010 – B 11 AL 74/10 – JURIS-Dokument Rdnr. 8, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11 – Urteilsabdruck S. 20; Schütze, a. a. O.).

Der Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 15. November 2007 sind daher aufgrund der fehlenden Ermessenserwägung rechtswidrig und aufzuhebend.

Eine andere Sichtweise wäre nur dann geboten, wenn hinsichtlich der Leistungswiderrufe das Ermessen kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen wäre oder eine Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen hätte. Sonderregelungen für die Aufhebung von Verwaltungsakten finden sich in § 330 SGB III. Der dort geregelte Ermessensausschluss betrifft aber nur bestimmte Konstellationen zu den §§ 44, 45 und 48 SGB X, nicht aber des § 47 SGB X. Eine etwaige Ermessensreduzierung auf Null tritt bei Leistungsrückforderungen aber nicht bereits wegen der Bindung der Beklagten an den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit (vgl. § 7 Satz 1 SGB III) ein. Denn andernfalls wäre die Ermessensregelung in § 47 Abs. 2 Nr. 1 SGB X schlichtweg entbehrlich (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – L 3 AL 154/11 – Urteilsabdruck S. 20; gegen eine Ermessensreduzierung auf Null in einem Fall, in dem die Leistung für die tatsächliche Verwendung hätte gewährt werden können: Sächs. LSG, Urteil vom 7. Dezember 2006 – L 3 AL 118/05 – JURIS-Dokument Rdnr. 48 ff.; Steinwedel, a. a. O. Rdnr. 15a).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 SGG.

III. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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