L 10 R 2534/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4356/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2534/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ist nicht erkennbar, welches Begehren mit der Berufung verfolgt wird und weigert sich der Berufungsführer, einen Sachantrag zu stellen, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für das Berufungsverfahren.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.04.2014 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist zuletzt noch die Verpflichtung der Beklagten zur Vormerkung von Berücksichtigungszeiten für den Zeitraum vom 01.01.2001 bis 01.06.2004 im Streit gewesen.

Die 1950 geborene Klägerin übte im streitigen Zeitraum eine selbständige Tätigkeit aus (Betreiberin mehrerer Drogeriemärkte). Ausweislich der von ihr erstmals im Klageverfahren vorgelegten Einkommensteuerbescheide erzielte sie aus dieser selbständigen Tätigkeit 2001 ein Einkommen i. H. v. 43.490,00 DM, 2002 ein Einkommen i. H. v. von 18.758,00 EUR, 2003 ein solches i. H. v. 35.406,00 EUR und 2004 eine solches i. H. v. 40.019,00 EUR. Die Klägerin legte daneben zwischen 2001 und 2004 keine Pflichtbeitragszeiten zurück.

Ein erstes Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg wegen der Feststellung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die am 02.06.1994 geborene Tochter S.-A. für die Zeit bis zum Februar 1998 (S 4 R 2730/03) fand sein Ende durch gerichtlichen Vergleich, in welchem die Beklagte weitere Berücksichtigungszeiten innerhalb des Zeitraums bis 1998 anerkannte. Am 31.03.2011 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Rentenauskunft sowie die Klärung der Berücksichtigungszeiten auch für den Folgezeitraum. Sie teilte dabei mit, es habe sich im Verhältnis zu den früheren Angaben nichts geändert. Mit Bescheid vom 07.04.2011 stellte die Beklagte die Beitragszeiten bis 31.12.2004 fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind. Die Prüfung der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung habe ergeben, dass die Zeit vom März 1998 bis Juni 2004 nicht als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorgemerkt werden könne, weil in dieser Zeit eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt worden sei und keine Pflichtbeiträge vorhanden seien. Hinsichtlich der festgestellten Zeiten wird auf den Bescheid verwiesen. Gegen die Ablehnung der Anerkennung von Berücksichtigungszeiten für den Zeitraum 01.03.1998 bis 01.06.2004 legte die Klägerin Widerspruch ein, welchen sie nicht begründete und den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2011 zurückwies.

Die Klägerin hat hiergegen am 11.08.2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben, mit welcher sie weiterhin die Anerkennung von Kinderberücksichtigungszeiten für den Zeitraum vom März 1998 bis einschließlich 01.06.2004 begehrt hat. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe keine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit neben den Zeiten der Kindererziehung ausgeübt. Nachdem die Klägerin die Einkommensteuerbescheide für 1998 bis 2004 vorgelegt hat, hat die Beklagte die Zeit vom 01.07.1997 bis 31.12.2000 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung auf Grund der darin nachgewiesenen geringfügigen selbständigen Tätigkeit anerkannt. Dieses Anerkenntnis hat die Klägerin angenommen (Bl. 61 SG-Akte). Mit Urteil vom 24.04.2014 hat das Sozialgericht die Klage, bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2001 bis 01.06.2004, abgewiesen. Die Klägerin habe während der noch streitigen Zeit vom 01.01.2001 bis 01.06.2004 auf Grund der Höhe des von ihr erzielten Einkommens unstreitig eine mehr als nur (i. S. des § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt. Auch sei die Zeit nicht mit Pflichtbeiträgen belegt. Eine Anerkennung als Berücksichtigungszeit scheide deshalb gemäß § 57 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aus. Die gesetzliche Regelung verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht. Insoweit werde auf die überzeugende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24.10.2013, B 13 R 1/13 R, in SozR 4-2600 § 57 Nr. 1) verwiesen.

Gegen das der Klägerin am 22.05.2014 zugestellte Urteil hat diese am 11.06.2014 Berufung eingelegt. Sie hat mitgeteilt, das Anerkenntnis der Beklagten werde angenommen, denn über das Jahr 2000 hinaus sei auf Grund der Einkommenssituation nach den gegenwärtig geltenden gesetzlichen Vorschriften kein Anerkenntnis möglich. Allerdings sei der Rechtsstreit für sie nicht erledigt. Es sei gegenwärtig nicht bekannt und hier wäre ein Hinweis des Gerichts hilfreich, ob bezüglich der Neuregelung der Vorschriften über die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten bereits verfassungsgerichtliche Verfahren im Hinblick auf die Frage der Berücksichtigung bei selbständigen Erwerbstätigen durchgeführt worden seien. Es könne nicht sein, dass keiner der beiden Elternteile eine Kindererziehungszeit bzw. Berücksichtigungszeit bekomme. Insofern sehe sie einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG).

Die Klägerin stellt ausdrücklich keinen Antrag (mehr).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe im Urteil des Sozialgerichts.

Am 21.04.2015 hat ein Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten stattgefunden, in welchem sich die Klägerin trotz wiederholter Nachfrage des Berichterstatters geweigert hat, einen Berufungsantrag zu stellen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 21.04.2015 verwiesen.

Die Klägerin ist zu der Absicht des Senats, durch Beschluss zu entscheiden, angehört worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Leistungsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet in seiner normalen Besetzung.

Der Berichterstatter ist nicht wegen des zuletzt gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrages (vgl. die Niederschrift über den Termin zur Erörterung des Sachverhaltes vom 21.04.2015) an einer Mitwirkung bei der Entscheidung gehindert. Denn der Befangenheitsantrag ist unzulässig. In dem im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 21.04.2015 formulierten Befangenheitsgesuch werden dieselben Vorwürfe wiederholt, über die der Senat bereits mit Beschluss vom 26.03.2015 im Rahmen des früher u.a. gegen den Berichterstatter gestellten Befangenheitsantrages (vgl. Bl. 5/7 der gesondert geführten Akte L 10 SF 712/15 AB) rechtskräftig entschieden und in dem er die angeführten Befangenheitsgründe - Ablehnung des früheren Befangenheitsantrages, ohne die angekündigte Begründung abzuwarten, vielmehr Gründe zu unterstellen, die zur Annahme von Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuches geführt haben - als nicht zutreffend erachtet hat, sodass ein erneutes Befangenheitsgesuch nicht mehr auf diese Gründe gestützt werden kann (s. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 60 Rdnr. 10b).

Gleichermaßen ist auch der Senatsvorsitzende an der Mitwirkung an dieser Entscheidung nicht gehindert. Zwar hat die Klägerin auch gegen ihn mit am 01.06.2015 eingegangenem Schreiben (erneut) Befangenheitsantrag gestellt (s. L 10 SF 2333/15 AB). Indessen hat sie dieses Befangenheitsgesuch weder begründet noch eine Begründung in Aussicht gestellt. Wenn aber kein Ablehnungsgrund genannt wird, ist das Ablehnungsgesuch unzulässig (Keller, a.a.O.).

Die Berufung ist unzulässig und damit gemäß § 158 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu verwerfen. Dies kann nach § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss geschehen, wobei der Senat - nach erfolgter Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 24.04.2015) - von dieser Möglichkeit hier Gebrauch macht.

Der Senat verneint ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für das Berufungsverfahren. Denn die im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 21.04.2015 persönlich anwesende und zugleich durch zwei rechtskundige Prozessbevollmächtigte vertretene Klägerin hat zuletzt keinen Sachantrag gestellt. Sie hat sich nach Darstellung von Widersprüchen in ihrer Berufungsbegründung durch den Berichterstatter in diesem Erörterungstermin vielmehr geweigert, einen Antrag zu stellen.

Weigert sich ein Kläger, einen Sachantrag zu stellen, ist sein wirklicher Wille zu klären (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 112 Rdnr. 8). In Betracht kommt eine Klagerücknahme, eine Erledigungserklärung, aber auch eine Abweisung des Begehrens als unzulässig wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis (Leitherer, a.a.O. m.w.N.; OVG Berlin vom 21.07.1967, II B 58.66; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 19.07.1984, 13 A 82 A.2307).

Angesichts der Art der Prozessführung seitens der Klägerin bzw. ihrer Prozessbevollmächtigten mit mehreren Terminssäumnissen, einer Vielzahl von Befangenheitsanträgen und der Ankündigung, dies - die Stellung von Befangenheitsanträgen - so lange zu machen, bis sich das ganze Landessozialgericht mit dieser Angelegenheit beschäftigt (Bl. 36 LSG-Akte), vermag der Senat nicht von einem verfahrensbeendigenden Willen der Klägerin auszugehen.

Allerdings vermag der Senat auch nicht hinreichend deutlich zu erkennen, welches Begehren die Klägerin mit ihrer Berufung noch verfolgt. Insbesondere bestehen angesichts der vom Berichterstatter dargelegten Widersprüche in der Berufungsbegründung durchschlagende Zweifel daran, dass die Klägerin ihr zuvor, schriftsätzlich, formuliertes Begehren (Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer "Kinderberücksichtigungszeit" auch für die Zeit vom 01.01.2001 bis 01.06.2004) so aufrecht erhält. Immerhin hat die Klägerin in der Berufungsbegründung selbst dargelegt, dass auf Grund ihrer Einkommenssituation und den geltenden gesetzlichen Vorschriften das prozessuale Begehren nicht anerkannt werden könne. Dies zeigt, dass die Klägerin das formulierte Begehren nach derzeitiger Gesetzeslage selbst als nicht begründet angesehen hat. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung einerseits einen Hinweis des Senats auf ergangene verfassungsgerichtliche Entscheidungen für hilfreich ansieht, andererseits einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz diskutiert, ist ebenfalls nicht hinreichend erkennbar, inwieweit dieser Aspekt angesichts der bereits vom Sozialgericht zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelungen zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24.10.2013, a.a.O.), die umfangreiche Ausführungen auch zur verfassungsrechtlichen Prüfung, insbesondere zum allgemeinen Gleichheitssatz enthält, aus Sicht der Klägerin zur erfolgreichen Verfolgung des ursprünglich formulierten Begehrens dienen soll. Auch hierauf hat der Berichterstatter im Termin hingewiesen. Soweit die Klägerin sich in ihrer Berufungsbegründung ausführlich mit dem nach abgegebenem und angenommenem Teilanerkenntnis nicht mehr streitigen Zeiträumen (vgl. § 101 Abs. 2 SGG) und der Frage der Kostentragung beschäftigt, ist dies nicht Gegenstand des ursprünglichen Berufungsantrages gewesen, zeigt aber eine gewisse Unzufriedenheit mit dem bisherigen Verfahrensausgang (Teilerfolg ohne Kostenerstattung) als mögliches Motiv für die Einlegung der Berufung (s. aber hierzu § 144 Abs. 4 SGG).

Hinzu kommt, dass der Senat die Klägerin schriftlich (Schreiben vom 24.04.2015) unter Hinweis auf die sonst drohende, nunmehr ergehende Entscheidung darauf hingewiesen hat, dass der Senat nicht erkennen kann, aus welchen Gründen die Klägerin das Berufungsverfahren weiterführt und welches prozessuale Begehren sie noch verfolgt. Die Klägerin hat daraufhin trotz Fristsetzung weder selbst noch durch einen ihrer beiden Prozessbevollmächtigten einen Antrag gestellt, sich vielmehr zu diesen Hinweisen nicht geäußert. Dies erhärtet die Erkenntnis, dass die Klägerin kein wenigstens aus ihrer Sicht sinnvolles prozessuales Begehren formulieren kann oder will.

Im Übrigen hätte das ursprünglich von der Klägerin formulierte Begehren - wie von der Klägerin selbst erkannt und formuliert - keinen Erfolg gehabt. Auch insoweit hätte der Senat - allerdings nach vorherigem Hinweis darauf, die Regelung des § 192 SGG anzuwenden - über ein solches Begehren ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG entschieden und die Berufung angesichts der zutreffenden Darstellung der Rechtslage in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils aus diesen, vom Sozialgericht dargelegten Gründen (§ 153 Abs. 2 SGG) zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved