S 18 P 113/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 P 113/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Wohngruppenzuschlages nach § 38a Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) streitig.

Die Klägerin ist 1936 geboren und bei der Beklagten pflegepflichtversichert. Sie schloss am 20.12.2013 mit der Fa. U Q GmbH aus S einen Mietvertrag über ein Zimmer mit Badezimmer im Haus X-straße 00-00 in S1-X1. Ausweislich des Mietvertrages umfasste das gemietete Zimmer eine Größe von ca. 25 m² sowie die Berechtigung zur gemeinsamen Nutzung sämtlicher übriger Räume der Allgemeinfläche sowie der entsprechenden Keller, Terrasse und des Gartens. Zur vermieteten Mietsache gehörte ebenso eine Kücheneinrichtung sowie eine Teilmöblierung der Allgemeinräume. Der Mietvertrag enthielt den Hinweis, dass das Mietverhältnis unabhängig von Pflege- und Betreuungsleistungen der Vermieterin geschlossen sei.

Ebenfalls am 20.12.2013 schloss die Klägerin mit der Fa. U Q GmbH (der Vermieterin) einen Vertrag über Pflege- und Betreuungsleistungen. In dem Vertrag vereinbarte die Klägerin mit der Fa. U Q GmbH, dass diese für die erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen eine monatliche Pauschale erhält. Die Höhe der Pauschale richtete sich nach der festgestellten Pflegestufe gemäß des Gutachtens des MDK bzw. des Amtsarztes. Die Festsetzung der Monatspauschale erfolgte auf Grundlage der Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung zwischen dem Kreis H und der Hausgemeinschaft Xstraße 00-00.

Am 23.04.2014 ging ein Antrag der Klägerin auf die Gewährung eines Wohngruppenzu-schlages bei der Beklagten ein. Hierin gab die Klägerin an, dass sie am 16.01.2014 in die Hausgemeinschaft eingezogen sei. Weiterhin gab sie an, dass in ihrer Wohngruppe noch 13 weitere Personen leben würden und sämtliche Personen mindestens die Pflegestufe I hätten.

Weiterhin gab die Klägerin an, dass eine Pflegekraft als Präsenzkraft tätig sei und die Anwesenheitszeit auf Abruf erfolgen würde sowie, dass sie den ambulanten Pflegedienst habe frei wählen können.

Mit Bescheid vom 24.04.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Wohngruppenzuschlages ab. Dies begründete sie damit, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden. Die Pflegewohngemeinschaft würde der örtlichen Heimaufsicht unterliegen. Die freie Wählbarkeit des Pflegedienstes sei eingeschränkt, daher handele es sich nicht um eine selbstbestimmte ambulant betreute Wohngemeinschaft im Sinn der Gesetzgebung.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Diesen begründete sie damit, dass zwei Verträge geschlossen seien mit zwei voneinander unabhängigen Rechtsgeschäften. Die Vermietung des Wohnraumes sei mietvertraglich in keiner Weise an die Beauftragung des ambulanten Pflegedienstes gebunden gewesen. Man sei nicht gedrängt worden, den gewählten ambulanten Pflegedienst zu beauftragen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dies begründete sie damit, dass die Voraussetzungen des § 38a SGB XI nicht vorliegen würden. Ausweislich des Mietvertrages verfüge die Klägerin über ein eigenes Bad, daher liege bereits keine Wohngruppe vor. Eine Wohngruppe erfordere eine gemeinsame Wohnung. Dies sei der Fall, wenn die Sanitärbereich, die Küche und die Aufenthaltsräume von allen Bewohnern jederzeit allein oder gemeinsam genutzt werden könnten. Eine Wohngruppe liege nicht vor bei einem Appartement in einer Wohnanlage oder in einem Wohnhaus. Auch sei die Fa. U Q GmbH zugleich Vermieter und der Pflegedienst, daher sei die freie Wählbarkeit des Pflegedienstes tatsächlich eingeschränkt. Insofern liege keine Wohngruppe im Sinn der gesetzlichen Regelung vor.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.08.2014 Klage erhoben.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Wohngruppenzuschlages erfüllt seien. Ihr Zimmer verfüge über ein eigenes Bad, jedoch stehe ein Gemeinschaftsbad mit Wanne allen Mitbewohnern zur Verfügung. Auch würden andere Pflegekassen den begehrten Zuschlag gewähren. Schließlich sei sie auch in der Wahl des beauftragten Pflegedienstes frei gewesen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid vom 24.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen gemäß § 38a SGB XI ab dem 14.04.2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist hierzu auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat eine schriftliche Auskunft des Vermieters und gleichzeitig für die Klägerin tätigen Pflegedienstes eingeholt. Dieser hat angegeben, dass in der Wohngemeinschaft 18 Personen wohnen würden. Für alle diese 18 Personen würden durch die Fa. U Q GmbH Pflegedienstleistungen erbracht. Es sei nicht bekannt, ob andere Pflegedienste für die dort wohnhaften Personen Pflegedienstleistungen anbieten würden. Es sei so, dass bei Abschluss des Mietervertrages auch der Abschluss eines Pflege- und Betreuungsvertrages mit der Fa. U Q GmbH angeboten werde.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten. Dieser lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte auch in Abwesenheit der Klägerin und ihres Vertreters verhandeln und entscheiden, da die Klägerin ordnungsgemäß geladen wurde und mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinn von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beklagte hat es durch den angefochtenen Bescheid zu Recht abgelehnt, der Klägerin zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen gemäß § 38a Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) zu gewähren. Die Klägerin erfüllte die notwendigen Anspruchsvoraussetzungen hierfür weder nach der alten Fassung (a.F.) des § 38a SGB XI, welcher bis zum 31.12.2014 Geltung hatte, noch erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 38a SGB XI in der ab dem 01.01.2015 geltenden neuen Fassung (n.F.).

Die Beklagte hat zu Recht den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines pauschalen Zuschlages in Höhe von zunächst 200,00 EUR monatlich ab ihrem Einzug in die ihr zur Verfügung gestellten Wohnräume durch die Fa. U Q GmbH abgelehnt. Es kann hierbei offenbleiben, ob die Voraussetzungen des § 38a Abs. 1 SGB XI a.F. vorgelegen haben, da jedenfalls aufgrund von § 38a Abs. 2 Satz 1 SGB XI a.F. ein Anspruch der Klägerin ausgeschlossen ist. Gemäß § 38a Abs. 2 Satz 1 SGB XI a.F. liegt keine ambulante Versorgungsform im Sinn des Abs. 1 vor, wenn die freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen rechtlich oder tatsächlich eingeschränkt ist. Dies ist im Fall der Klägerin gegeben. Vorliegend liegt nämlich eine tatsächliche Einschränkung der freien Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen vor. Die freie Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen erfordert bezogen auch den Wohn- sowie den Pflegebereich eine klare Aufgabentrennung. Es ist insofern nicht zulässig, dass derselbe Träger, welcher den Wohnraum beschafft, organisiert und verwaltet, dies damit verbindet, dass durch ihn auch die Pflege- und Betreuungsleistungen erfolgen müssen. Diese Einschränkung beruht auf den Ergebnissen von früheren Modellprojekten, die als Grundprinzip für die von § 38a SGB XI a.F. erfassten Wohngemeinschaften aufgenommen hatten, dass die Bewohner eigenständige Mieter sind, eine strikte Trennung von Miet- und Pflegevertrag erfolgt sowie dass es sich bei den Pflegeanbietern und dem Vermieter um getrennte juristische Personen handeln solle (so Behrend in: Schlegel/Fölzke, juris PK-SGB XI, 1. Aufl., 2014, § 38a Rd.-Nrn. 25-26). Im Fall der Klägerin ist es gerade so, dass durch den Vermieter auch die Pflegeleistungen in der Wohngruppe erbracht werden. Zwar sieht der geschlossene Mietvertrag keine ausdrückliche Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungs- und Pflegevertrages mit dem Vermieter vor. Jedoch ist die vorliegende Situation ausreichend, um eine tatsächliche Einschränkung der freien Wählbarkeit des Anbieters der Pflege- und Betreuungsleistungen anzunehmen. Die tatsächliche Einschränkung der freien Wählbarkeit im Sinn von § 38a Abs. 2 Satz 1 SGB XI a.F. bestätigt sich auch dadurch, dass ausweislich der schriftlich durch das Gericht eingeholten Stellungnahme des Pflege- und Betreuungsdienstleisters/Vermieters der Klägerin im November 2014 die von der Klägerin bewohnte Wohngemeinschaft von insgesamt 18 Personen bewohnt wurde, und für alle 18 Personen auch Pflegedienstleistungen durch die Fa. U Q GmbH erbracht wurden. Auch ist es nach den Angaben des Pflegedienstanbieters/Vermieters so, dass bei Abschluss eines Mietvertrages zugleich auch der Abschluss eines Pflege- und Betreuungsvertrages angeboten wird. Dies spricht für die Annahme der Einschränkung der freien Wählbarkeit im Sinn von § 38a Abs. 2 Satz 1 SGB XI a.F. Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass eine ambulant betreute Wohngemein-schaft im Sinne von § 38a Abs. 1 Nr. 1 SGB XI a.F. dahingehend verstanden wird, dass eine kleinere Gruppe pflegebedürftiger bzw. hilfebedürftiger älterer Menschen als Mieter in einer normalen Wohnung oder einem Haus, überwiegend in bestehenden Wohngebäuden, zusammen lebt (so Behrend a.a.O., Rd.-Nr. 15). Vorliegend stellt sich die von der Klägerin bewohnte Wohngruppe vielmehr dergestalt dar, dass sie von einem Pflegedienstanbieter in dessen zusätzlicher Eigenschaft als Vermieter angeboten wird. Hieraus ergibt sich jedenfalls eine tatsächlich wirkende Kopplung des Verhältnisses von Vermieter und Pflegedienstanbieter. Eben eine solche Konstellation sollte durch den Ausschluss nach § 38a Abs. 2 Satz 1 SGB XI a.F. ausdrücklich vom Leistungsanspruch ausgeschlossen werden.

Auch für die Zeit ab dem 01.01.2015 ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsänderung des § 38a SGB XI n.F. weiterhin kein Anspruch der Klägerin. Der ursprüngliche Ablehnungsbescheid vom 24.04.2014, mit dem die als Dauerleistung konzipierte zusätzliche Leistung des § 38a SGB XI abgelehnt wurde, wirkt auch über den 01.01.2015 hinaus fort. Insofern ist die Ablehnungsentscheidung ab diesem Zeitpunkt anhand der geänderten Vorschrift des § 38a SGB XI n.F. zu messen. Auch unter Berücksichtigung der geänderten Gesetzesfassung erweist sich die Ablehnungsentscheidung als im Ergebnis rechtmäßig. Gemäß § 38a Abs. 1 Nr. 1 SGB XI n.F. besteht der Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag für Pflegebedürftige in einer ambulant betreuten Wohngruppe dann, wenn der Berechtigte mit mindestens 2 und höchstens 11 weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe lebt. Dies ist im Fall der Klägerin nicht gegeben, da sie nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren zunächst mit 13 weiteren Personen eine Wohngruppe bewohnte und nach den aktuelleren Angaben des Vermieters/Pflegedienstanbieters Ende November 2014 18 Personen in dieser Wohngruppe lebten, so dass jedenfalls mehr als insgesamt 12 Personen die Wohngruppe bewohnten. Insofern handelt es sich um keine ambulant betreute Wohngruppe im Sinn des § 38a SGB XI in der ab dem 01.01.2015 geltenden Fassung.

Im Hinblick auf die vorgenannten Gründe, die einen Leistungsanspruch der Klägerin ausschließen, musste die Kammer nicht klären, ob die weiteren Voraussetzungen des § 38a SGB XI in der alten bzw. der neuen Fassung vorgelegen hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved