L 11 KR 1984/15 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1097/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1984/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 22.04.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im einstweiligen Rechtsschutz Kostenübernahme für Leistungen im Rahmen einer kostenfreien Familienversicherung der Antragstellerin zu 2) bei der Beklagten.

Der Antragsteller zu 1) ist seit 17.04.2014 mit der Mutter der Antragstellerin zu 2) verheiratet. Die am 19.11.2004 geborene Antragstellerin zu 2) stammt aus früherer Ehe der Mutter und ist die Stieftochter des Antragstellers zu 1). Der Antragsteller zu 1) hat mit der Mutter der Antragstellerin zu 2) ein weiteres, gemeinsames, Kind.

Die Antragsgegnerin hat eine Mitversicherung der Antragstellerin zu 2) als familienversicherte Stieftochter im Rahmen der bei ihr bestehenden Stammversicherung des Antragstellers zu 1) abgelehnt, weil der Antragsteller zu 1) das Stiefkind im Sinne des § 10 Abs 4 S 1 SGB V nicht überwiegend unterhalte (Bescheid vom 18.06.2014, Widerspruchsbescheid vom 24.10.2014).

Diesbezüglich ist eine Klage beim Sozialgericht Freiburg (S 14 KR 5493/14) anhängig, mit der eine kostenfreie Familienversicherung der Antragstellerin zu 2) begehrt wird.

Die Antragstellerin zu 2) befindet sich seit 21.11.2014 in Behandlung bei der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Dr. W ...

Am 10.03.2015 hat die Bevollmächtigte der Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt. Sie hat zunächst beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die laufenden Kosten der Heilbehandlung der Antragstellerin zu 2) im Rahmen einer bestehenden Familienversicherung des Antragstellers zu 1), insbesondere die Kostenübernahme für die laufende Behandlung bei Dr. W., zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 12.03.2015 erklärt, dass sie für die Antragstellerin zu 2) im Anschluss an die bisherige Familienversicherung, die bis zum 31.03.2014 über deren Mutter durchgeführt worden sei, ab dem 01.04.2014 eine Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V durchführe. Zur Festsetzung der Beiträge für die Zeit ab dem 01.04.2014 ergehe ein gesonderter Beitragsbescheid. Die Antragstellerin zu 2) könne somit auch ab dem 01.04.2014 weiterhin Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen, soweit die übrigen Leistungsvoraussetzungen erfüllt seien. Hierunter falle auch die Kostenübernahme für eine laufende Behandlung bei Frau Dr. W ...

Mit weiterem Schreiben vom 12.03.2015 hat die Antragsgegnerin auch gegenüber Dr. W. eine uneingeschränkte Kostenzusage erteilt.

Mit Bescheid vom 31.03.2015 hat die Antragsgegnerin mit Wirkung ab 01.04.2014 monatliche Beiträge für die freiwillige Versicherung der Antragstellerin zu 2) festgesetzt (ab 01.04.2014: 156,22 EUR; ab 01.01.2015: 163,02 EUR).

Die Antragsteller haben den Antrag nicht für erledigt erklärt. Zur Begründung hat die Bevollmächtigte ausgeführt, dass täglich Behandlungsbedarf entstehen könne und die Antragsteller eine kostenlose Versicherung begehren würden. Beiträge könnten aufgrund der finanziellen Situation nicht bezahlt werden.

Mit Beschluss vom 22.04.2015 hat das Sozialgericht Freiburg den Antrag auf einstweilige Anordnung abgewiesen. Hiergegen hat die Bevollmächtigte der Antragsteller am 11.05.2015 Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Sie ist der Ansicht, dass die Antragstellerin zu 2) Anspruch auf kostenlose Familienversicherung gemäß § 10 SGB V in der Krankenversicherung ihres Stiefvaters, dem Antragsteller zu 1) habe. Die Antragstellerin zu 2) sei nicht in der Lage, die Kosten der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung rückwirkend seit dem 01.04.2014 zu tragen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 22.04.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens laufende und künftig notwendig werdende Behandlungskosten für die Antragstellerin zu 2) im Rahmen einer kostenlosen Familienversicherung gemäß § 10 SGB V zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des streitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 S 1 SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Vorliegend begehren die Antragsteller sinngemäß die Übernahme von Behandlungskosten im Rahmen einer kostenlosen Familienversicherung. Insoweit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung. Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365). Die Frage, ob der hier streitgegenständliche Anspruch auf Kostenübernahme im Rahmen einer kostenlosen Familienversicherung besteht, kann offen bleiben. Denn es fehlt für die begehrte Eilentscheidung am Anordnungsgrund.

Wie das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12.03.2015 rechtsverbindlich erklärt, dass sie die Kosten für die laufende Behandlung bei Dr. W. übernimmt. Zugleich hat sie gegenüber der Ärztin mit Schreiben vom gleichen Tag eine unbedingte Kostenzusage erteilt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwieweit es diesbezüglich noch einer gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz bedarf.

Aber auch bezüglich der begehrten Durchführung einer kostenlosen Familienversicherung liegt keine Eilbedürftigkeit vor. Zum einen würde eine solche Entscheidung die Hauptsache vorwegnehmen. Dazu besteht derzeit kein Anlass, da bei entsprechender Hauptsacheentscheidung gegebenenfalls die derzeit durchgeführte Auffangversicherung gem § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V bzw. freiwillige Weiterversicherung gem § 188 Abs 4 SGB V rückabgewickelt wird.

Zudem hat die Antragstellerin zu 2) aufgrund der bestehenden Versicherung derzeit einen uneingeschränkten Leistungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin. Dies gilt auch für den Fall, dass sie die Beiträge nicht bezahlt, solange kein Ruhen des Anspruchs auf Leistungen nach § 16 Abs 3a S 2 SGB V festgestellt wird. Aber auch dann bestünden weiter Ansprüche auf Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Da demnach derzeit ein uneingeschränkter Leistungsanspruch für eventuell notwendig werdende weitere Behandlungen besteht, besteht keine Notwendigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Im Übrigen sind solche auch momentan nicht konkret ersichtlich.

Alleine die Pflicht der Antragstellerin zu 2), Beiträge zu bezahlen, führt noch nicht zur Eilbedürftigkeit. Bezüglich der rückständigen Beiträge für die Vergangenheit hat die Antragsgegnerin angeboten, auf Antrag über eine Stundung zu entscheiden. Hierfür bedarf es keiner gerichtlichen Entscheidung. Für die Zukunft hat die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 13.04.2015 ebenfalls angeboten, von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung abzusehen, wenn eine Absprache über die weitere Zahlung der Beiträge getroffen wird. Bislang hat sich die Antragstellerin zu 2) diesbezüglich noch nicht an die Antragsgegnerin gewandt. Es ist deshalb keine gerichtliche vorläufige Entscheidung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, dass der Antrag nicht erfolgreich war.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, da die Beschwerde aus obigen Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet. Im Übrigen liegt bis zum heutigen Tag keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor, so dass der PKH-Antrag auch nicht früher entscheidungsreif gewesen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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