Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 286/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 504/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. November 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Zugrundelegung eines geänderten Geburtsdatums.
Die in der Türkei geborene Klägerin kam 1999 in die Bundesrepublik Deutschland. Ab dem 1. Dezember 1999 wurden für sie erstmals rentenrechtliche Zeiten verzeichnet. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten vergab seinerzeit aufgrund der vorgelegten Unterlagen am 14. April 2000 die Versicherungsnummer xx 220181 xxx auf Grundlage eines Geburtsdatums am 22. Januar 1981. Dieses Datum entsprach dem seinerzeit im türkischen Pass der Klägerin ausgewiesenen Geburtsdatum.
Durch rechtskräftigen Beschluss des türkischen Zivilgerichts in Kadiköy vom 5. Juli 2004 wurde das Geburtsdatum der Klägerin von 22. Januar 1981 in 9. Dezember 1978 geändert. Das geänderte Geburtsdatum wurde in der Folge in den türkischen Pass sowie in den Bundespersonalausweis der Klägerin übernommen. Am 22. Dezember 2004 und erneut am 31. Oktober 2008 beantragte die Klägerin unter Vorlage ihres Reisepasses bei der Beklagten die Änderung ihrer Versicherungsnummer unter Berücksichtigung ihres Geburtsdatums vom 9. Dezember 1978, was jeweils durch die Beklagte abgelehnt wurde.
Am 3. März 2009 beantragte die Klägerin erneut die Änderung ihrer Versicherungsnummer. Sie legte hierzu eine Bescheinigung des "C. Ausbildungs- und Forschungskrankenhaus für Frauen- und Kinderkrankheiten" vom 13. Januar 2009 vor, wonach Frau X.D. am 9. Dezember 1978 um 22.30 Uhr unter der Protokollnummer 12345 ein lebendiges Baby weiblichen Geschlechts auf die Welt gebracht habe. Die Geburtsurkunde sei ihrem Original entsprechend am 13. Januar 2009 neu ausgestellt worden.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin erneut ab mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 33a Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I) seien nicht erfüllt. Die Versicherungsnummer sei entsprechend der ursprünglichen Angaben der Klägerin erstellt worden.
Hiergegen legte die Klägerin am 29. Juni 2009 Widerspruch ein und legte ergänzend eine Bescheinigung des türkischen Einwohnerbuches mit dem Ausstellungsdatum 30. September 2009 vor. Danach sei aufgrund des Beschlusses des Zivilgerichts Nr. 4 der ersten Instanz in Kadiköy vom 5. Juli 2004 das Geburtsdatum der Klägerin von 22. Januar 1981 in 9. Dezember 1978 geändert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, für in der Türkei geborene Versicherte sei eine Änderung der Versicherungsnummer regelmäßig nur nach Vorlage des Auszuges aus dem türkischen Einwohnerbuch (Nüfus) vorzunehmen. Dabei seien nur Eintragungen von Bedeutung, die vor der ersten Angabe des Geburtsdatums bei einem deutschen Sozialversicherungsträger erfolgt seien. Vor dem 14. April 2000, der Vergabe der Versicherungsnummer, ausgestellte Urkunden, die das Geburtsdatum 22. Januar 1981 als unzutreffend und das Geburtsdatum 9. Dezember 1978 als zutreffend feststellen, seien von der Klägerin nicht vorgelegt worden. Aus dem vorgelegten Auszug des Einwohnerbuches gehe hervor, dass das Geburtsdatum 22. Januar 1981 erst durch den rechtskräftigen Beschluss des Zivilgerichts Nr. 4 der ersten Instanz in Kadiköy vom 6. August 2004 in das Geburtsdatum 9. Dezember 1978 geändert worden sei.
Daraufhin erhob die Klägerin am 24. Juni 2010 Klage vor dem Sozialgericht Gießen und legte ergänzend erneut eine Geburtsbescheinigung der "C. Frauen- und Kinderklinik, Ausbildungs- und Forschungskrankenhaus" ausgestellt am 11. Januar 2011 vor, nach der Frau X.D. am 9. Dezember 1978 eine Tochter zur Welt gebracht hat. Aus dem beiliegenden Auszug des Geburtsregisters geht neben dem Geburtsdatum der Name der Mutter (X.D.) und des Vaters (E.) hervor, Vor- und Zuname des Kindes sind in der entsprechenden Rubrik nicht angegeben.
Die Klägerin legte weiterhin Kopien eines Lichtbilds, der Rückseite eines Lichtbilds mit Beschriftung, des Abschlusszeugnisses der Grundschule, des Abschlusszeugnisses der Oberschule sowie eines Berechtigungsausweises zum Erwerb eines ermäßigten Fahrausweises im öffentlichen Verkehr für Schüler aus dem Jahr 1994/1995 vor. Das Lichtbild zeigt einen Mann mit zwei kleinen Kindern. Das Bild sei nach Angaben der Klägerin im August 1982 bei einem Fotografen gemacht worden. Die Beschriftung der Rückseite enthält neben einem Stempel mit Datierung August 1982 nach Angaben der Klägerin Kommentierungen des Vaters und eines Onkels. Die Abschlusszeugnisse der Grundschule, ausgestellt am 24. Oktober 1986, sowie der Oberschule, ausgestellt am 31. Januar 1997, sind auf den Namen A.D. ausgestellt und enthalten das Geburtsdatum 22. Januar 1981. Die Dauer der Schulausbildung auf der Oberschule betrug laut Zeugnis drei Jahre, zuvor sei eine Mittelschule besucht worden.
Die Beklagte verwies hinsichtlich der vorgelegten Zeugnisse darauf, dass unter Zugrundelegung des auf beiden Zeugnissen vermerkten Geburtsdatums vom 22. Januar 1981 keine Widersprüche zu den Ausstellungsdaten der Zeugnisse bestünden. Das Abschlusszeugnis der Grundschule, welches auch einem deutschen Kindergarten entsprechen könne, sei mit einer Einschulung am 24. Oktober 1986, d.h. im Alter von fast sechs Lebensjahren, vereinbar, während das Abschlusszeugnis der Oberschule vom 31. Januar 1997 im Alter von 16 Jahren ebenfalls plausibel sei. Der Berechtigungsausweis gebe keine Hinweise auf das Alter der Klägerin. Ebenso wenig könne dem vorgelegten Bild ein bestimmtes Lebensalter entnommen werden.
Mit Urteil vom 27. November 2013 wies das Sozialgericht die Klage ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen für eine Änderung des Geburtsdatums der Klägerin als Teil der Versicherungsnummer nach § 33a SGB I nicht vorlägen. Ein Schreibfehler sei vorliegend nicht aufgetreten. Daneben habe die Klägerin keine Originalurkunde vorgelegt, die vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Vergabe der Versicherungsnummer am 14. April 2000 ausgestellt worden sei. Als einziges Beweismittel verbleibe die vorgelegte Fotografie, die auf der Rückseite beschrieben sei als im August 1982 aufgenommen. Selbst wenn es sich hierbei um eine Urkunde im Sinne des § 33a SGB I handele, lasse sich der Fotografie allenfalls entnehmen, dass das auf der Fotografie abgebildete Mädchen älter als 17 Monate wirke. Der Fotografie könne aber nicht entnommen werden, dass die Klägerin gerade am 9. Dezember 1978 geboren worden sei. Das vorgelegte Bild sei schon deshalb nicht geeignet, das Geburtsdatum 9. Dezember 1978 nachzuweisen. Ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Alter der Klägerin habe nicht eingeholt werden müssen, da § 33a SGB I nur den Urkundenbeweis zulasse. § 33a SGB I sei weder verfassungswidrig, noch berühre die Vorschrift das Assoziationsrecht EWG/Türkei.
Gegen das ihr am 19. Dezember 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Dezember 2013 Berufung eingelegt und wiederholt ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. November 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2010 zu verurteilen, ihr eine neue Versicherungsnummer unter Berücksichtigung des Geburtsdatums 9. Dezember 1978 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Rentenakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. November 2013 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nach § 147 Abs. 1 SGB VI kann die Datenstelle des Trägers der Rentenversicherung für Personen eine Versicherungsnummer vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach dem SGB VI versicherten Personen hat sie eine Versicherungsnummer zu vergeben. Nach § 147 Abs. 2 SGB VI setzt sich die Versicherungsnummer einer Person aus der Bereichsnummer des zuständigen Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer, zusammen. Gemäß § 3 Abs. 1 Verordnung über die Versicherungsnummern, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf (VKVV) wird eine Versicherungsnummer nur einmal vergeben und nicht berichtigt. Versicherungsnummern, in denen u.a. das Geburtsdatum unrichtig ist, oder Versicherungsnummern, die auf Grund einer nach § 33a SGB I zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden sind, werden gesperrt. Die Versicherten erhalten eine neue Versicherungsnummer.
Als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers kann allein die Bestimmung des § 33a SGB I in Betracht kommen. Sind Rechte oder Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, so ist gemäß § 33a Abs. 1 SGB I das Geburtsdatum maßgebend, dass sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger ergibt. Von einem nach § 33a Abs. 1 SGB I maßgebenden Geburtsdatum darf nach § 33a Abs. 2 SGB I nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass
1. ein Schreibfehler vorliegt oder
2. sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.
Die Absätze 1 und 2 des § 33a SGB I gelten der Vorschrift des § 33a Abs. 3 SGB I zufolge für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.
Der Gesetzgeber hat mit § 33a SGB I die Anknüpfung an das "wahre" Geburtsdatum aufgegeben und - zur Vermeidung einer dafür besonders verwaltungsintensiven Prüfung und um missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen vorzubeugen (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/8994, S. 67 zu Art. 1a) - das im Geltungsbereich des SGB für altersabhängige Rechte und Pflichten maßgebende Geburtsdatum eigenständig definiert (BSG, Urteil vom 28. April 2004, B 5 RJ 33/03 R, juris Rn. 20).
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, wird von der Beklagten in Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen im Falle der Klägerin zu Recht das bei deren erstmaliger Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland von ihr angegebene Geburtsdatum (22. Januar 1981) zu Grunde gelegt.
Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Berichtigung des Geburtsdatums aufgrund eines Schreibfehlers sind nicht ersichtlich. Dies wäre nur dann möglich, wenn das Geburtsdatum der Klägerin wegen eines Schreibfehlers beim deutschen Sozialleistungsträger falsch eingetragen worden wäre (st. Rspr. des Hessischen Landessozialgerichts, vgl. Beschluss vom 1. November 2005, L 2 RA 66/04; zuletzt Urteile vom 2. Juli 2013, L 2 R 436/12 und vom 8. Oktober 2013, L 2 R 34/13). Dass das Geburtsdatum 22. Januar 1981 auf einem Schreibfehler beruht, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin vorgetragen.
Darüber hinaus liegt auch eine Urkunde, die ein früheres Geburtsdatum, insbesondere den 9. Dezember 1978, bezeichnet und deren Original vor der ersten Angabe des Geburtsdatums 22. Januar 1981, d.h. vor dem 14. April 2000, ausgestellt worden ist, nicht vor.
Der Begriff der Urkunde im Sinne des § 33a Abs. 2 SGB I richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen. Eine Beschränkung auf die Berücksichtigung nur bestimmter Urkunden ist der Vorschrift nicht zu entnehmen (st. Rspr., u.a. BSG, Urteile vom 5. April 2001, B 13 RJ 35/00 R – BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr. 4; vom 31. Januar 2002, B 13 RJ 9/01 R, juris Rn. 28; vom 28. April 2004, B 5 RJ 33/03 R, juris Rn. 21). § 33a Abs. 2 SGB I verlangt auch nicht, dass das Geburtsdatum als solches in der Urkunde ausdrücklich und vollständig vermerkt ist; es "ergibt" sich aus der Urkunde auch, wenn die durch die Urkunde bewiesenen Tatsachen zur vollen Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum im Sinne des § 33a Abs. 2 SGB I schließen lassen.
Nach den allgemeinen Bestimmungen sind unter Urkunden im Sinne von § 33a SGB I wie in § 21 Abs. 1 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 Zivilprozessordnung (ZPO) alle durch Niederschrift verkörperten Gedankenerklärungen zu verstehen, die geeignet sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen (BSG, Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 35/00 R - BSGE 88, 89, 92 = SozR 3-1200 § 33a Nr. 4 S. 19 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 28. November 1975 – V ZR 127/74; BSG, Urteil vom 28. April 2004, B 5 RJ 33/03 R, juris Rn. 22). Der Aussteller und die Art und Weise der Herstellung sind unerheblich. Auch Fotokopien stellen nach diesen allgemeinen Bestimmungen Urkunden dar. Für die Frage, welche Tatsachen durch eine Urkunde bewiesen werden, und für deren Echtheit gelten nach § 118 SGG die besonderen Beweisregeln der §§ 415 bis 419 ZPO bzw. die §§ 437 bis 440 ZPO entsprechend.
Der ehemalige türkische Pass der Klägerin, der Bundespersonalausweis der Klägerin sowie die nachträglich erstellte Geburtsbescheinigung der "C. Frauen- und Kinderklinik" sind zwar Urkunden in diesem Sinne, sie sind jedoch durchweg erst nach Vergabe der Versicherungsnummer am 14. April 2000 erstellt worden. Sie entsprechen damit nicht der qualifizierten Voraussetzung des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I, der lediglich vor dem Zeitpunkt der Angabe der Versicherungsnummer ausgestellte Urkunde als Nachweis zulässt.
Darüber hinaus wäre selbst die Vorlage des Originals des Geburtsregisters der "C. Frauen- und Kinderklinik", das vor dem 14. April 2000 erstellt wurde, nicht ausreichend, um das von der Klägerin vorgetragene frühere Geburtsdatum nachzuweisen. Der Inhalt des Geburtsregisters mag zwar die Geburt einer Tochter durch die Mutter der Klägerin belegen, ob es sich hierbei aber um die Geburt der Klägerin gehandelt hat geht aus dem Inhalt der vorgelegten Urkunde nicht hervor. Als alleiniger Beleg des Geburtsdatums 9. Dezember 1978 der Klägerin wäre daher auch die Originalurkunde ungeeignet.
Weitere vor dem 14. April 2000 ausgestellte Urkunden stellen das Abschlusszeugnis der Grundschule sowie der Oberschule dar. Diese Urkunden enthalten jedoch jeweils das Geburtsdatum 22. Januar 1981 und vermögen damit gerade nicht das vorgetragene Geburtsdatum 9. Dezember 1978 zu belegen. Sofern nach dem Vortrag der Klägerin aus den Urkunden aufgrund des Besuchszeitraums der Schulen auf die Unrichtigkeit des eingetragenen Geburtsdatums geschlossen werden soll, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Die durch die Abschlüsse der Grundschule bzw. durch den Abschluss der Oberschule gesetzten Eckdaten 24. Oktober 1986 (Abschluss Grundschule) und 31. Januar 1997 (Abschluss Oberschule nach 3-jähriger Schulausbildung) können ebenso mit dem von der Klägerin bei Vergabe der Versicherungsnummer angegeben und auf beiden Zeugnissen angegebenen Geburtsdatum 22. Januar 1981 in Einklang gebracht werden. Ersichtlich ist auch das türkische Schulsystem bei der Eingliederung der Klägerin seinerzeit von einem Geburtsdatum im Januar 1981 ausgegangen. Darüber hinaus wären die Urkunden selbst bei Widerlegung dieses Geburtsdatums ungeeignet, gerade das von der Klägerin vorgetragene konkrete Geburtsdatum 9. Dezember 1978 zu belegen.
Gleiches gilt schließlich für das von der Klägerin vorgelegte Foto, das aus August 1982 stammen soll. Für den Senat ist zunächst über den Vortrag der Klägerin hinaus nicht objektiv überprüfbar, ob es sich bei dem dort abgebildeten kleinen Mädchen um die Klägerin handelt. Aus dem Bild selbst heraus ist nicht zu erkennen, wer abgebildet ist. Die rückseitige Kommentierung lässt ihrerseits nicht erkennen, wann und von wem sie erfolgt ist. Doch auch unterstellt bei dem älteren Kind auf dem Bild handelt es sich um die Klägerin, so kann zur Überzeugung des Senates aus dem Erscheinungsbild jedenfalls nicht auf ein konkretes Geburtsdatum der Klägerin geschlossen werden. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Foto, ggfs. in Verbindung mit der auf der Rückseite vorgenommenen Beschriftung, um eine Urkunde im Sinne des § 33a Abs. 2 SGB I handelt. Das vorgelegte Foto ist jedenfalls ungeeignet, ein konkretes Geburtsdatum, insbesondere den 9. Dezember 1978, nachzuweisen.
§ 33a Abs. 2 SGB I verstößt auch nicht gegen europarechtlich vorrangige Vorschriften. Zwar hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 2. Dezember 1997 (C-336/94 - EuGHE I 1997, 6761-6782 = SozR 3-7670 § 66 Nr. 1) die nationalen Sozialversicherungsträger und Gerichte eines Mitgliedstaats für verpflichtet gehalten, in Verfahren über sozialrechtliche Leistungsansprüche eines Wanderarbeitnehmers aus der Gemeinschaft die von zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Urkunden und ähnliche Schriftstücke über den Personenstand zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt sei. Gerade in Bezug auf Versicherte türkischer Herkunft führte der EuGH in einem Urteil vom 14. März 2000 (C-102/98 und C-211/98, Kocak, Örs, Slg. 2000-3, S. 1287) jedoch aus, dass § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I auch unter Berücksichtigung des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (Assoziierungsabkommen) auf türkische Arbeitnehmer anwendbar sei. Wie im vorliegenden Verfahren hatten sich die deutschen Rentenversicherungsträger in den beiden vom EuGH zu beurteilenden Ausgangsverfahren geweigert, die von einem türkischen Gericht beschlossene Berichtigung des Geburtsdatums, das die Kläger bei ihrem Eintritt in die deutsche Sozialversicherung angegeben hatten, zu berücksichtigen. Der EuGH führt insoweit aus, § 33a Abs. 2 SGB I stelle eine einzelstaatliche Regelung dar, die unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer anwendbar sei. Sie erkennt den Urkunden, die vorgelegt werden müssen, damit von dem bei der ersten Anmeldung bei einem Sozialleistungsträger angegebenen Geburtsdatum abgewichen werden kann, die gleiche Beweiskraft zu, unabhängig davon, woher sie stammen. Sie unterscheide weder nach dem Ausstellungsstaat noch nach der Art der vorgelegten Urkunde und spreche nicht nur Personenstandsurkunden Beweiskraft zu, sondern auch anderen Urkunden, die Rückschlüsse auf das Geburtsdatum des Betroffenen zulassen, wie etwa solchen, die anlässlich des Schulbesuchs oder des Wehrdienstes ausgestellt worden seien. Sie verleihe türkischen Staatsangehörigen keine andere Rechtsstellung als den Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, in dem sie wohnten. Sofern türkischen Arbeitnehmern deshalb Nachteile entstünden, weil nationale türkische Vorschriften, eine Geburt innerhalb eines Monats der zuständigen Behörde anzuzeigen, insbesondere in ländlichen Gebieten nicht immer zeitgerecht und zuverlässig erfüllt würden, könne von einem Mitgliedstaat jedoch nicht verlangt werden, dass er bei der Regelung der Frage, welches Geburtsdatum für die Erteilung einer Versicherungsnummer und die Gewährung einer Altersrente maßgebend sei, der besonderen Situation Rechnung trägt, die sich aus dem Inhalt und der praktischen Anwendung der türkischen Personenstandsbestimmungen ergebe. § 33a Abs. 2 SGB I stelle insoweit auch keine mittelbare Diskriminierung türkischer Arbeitnehmer dar.
Soweit die Klägerin anregt, ein rechtsmedizinisches Gutachten zur Bestimmung ihres Lebensalters erstellen zu lassen, verkennt sie, dass der Gesetzgeber ganz bewusst nicht alle (möglicherweise) geeigneten Beweismittel zum Nachweis für das Vorliegen eines unrichtigen Geburtsdatums zugelassen hat, sondern stattdessen in § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nur den Urkundenbeweis als zulässig bezeichnet (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Oktober 2012, L 2 R 256/12, unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drs. 13/8994, S. 67). Der Senat brauchte sich angesichts dessen nicht gedrängt zu fühlen, ein altersdiagnostisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Vor diesem Hintergrund konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG fehlt.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Zugrundelegung eines geänderten Geburtsdatums.
Die in der Türkei geborene Klägerin kam 1999 in die Bundesrepublik Deutschland. Ab dem 1. Dezember 1999 wurden für sie erstmals rentenrechtliche Zeiten verzeichnet. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten vergab seinerzeit aufgrund der vorgelegten Unterlagen am 14. April 2000 die Versicherungsnummer xx 220181 xxx auf Grundlage eines Geburtsdatums am 22. Januar 1981. Dieses Datum entsprach dem seinerzeit im türkischen Pass der Klägerin ausgewiesenen Geburtsdatum.
Durch rechtskräftigen Beschluss des türkischen Zivilgerichts in Kadiköy vom 5. Juli 2004 wurde das Geburtsdatum der Klägerin von 22. Januar 1981 in 9. Dezember 1978 geändert. Das geänderte Geburtsdatum wurde in der Folge in den türkischen Pass sowie in den Bundespersonalausweis der Klägerin übernommen. Am 22. Dezember 2004 und erneut am 31. Oktober 2008 beantragte die Klägerin unter Vorlage ihres Reisepasses bei der Beklagten die Änderung ihrer Versicherungsnummer unter Berücksichtigung ihres Geburtsdatums vom 9. Dezember 1978, was jeweils durch die Beklagte abgelehnt wurde.
Am 3. März 2009 beantragte die Klägerin erneut die Änderung ihrer Versicherungsnummer. Sie legte hierzu eine Bescheinigung des "C. Ausbildungs- und Forschungskrankenhaus für Frauen- und Kinderkrankheiten" vom 13. Januar 2009 vor, wonach Frau X.D. am 9. Dezember 1978 um 22.30 Uhr unter der Protokollnummer 12345 ein lebendiges Baby weiblichen Geschlechts auf die Welt gebracht habe. Die Geburtsurkunde sei ihrem Original entsprechend am 13. Januar 2009 neu ausgestellt worden.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin erneut ab mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 33a Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I) seien nicht erfüllt. Die Versicherungsnummer sei entsprechend der ursprünglichen Angaben der Klägerin erstellt worden.
Hiergegen legte die Klägerin am 29. Juni 2009 Widerspruch ein und legte ergänzend eine Bescheinigung des türkischen Einwohnerbuches mit dem Ausstellungsdatum 30. September 2009 vor. Danach sei aufgrund des Beschlusses des Zivilgerichts Nr. 4 der ersten Instanz in Kadiköy vom 5. Juli 2004 das Geburtsdatum der Klägerin von 22. Januar 1981 in 9. Dezember 1978 geändert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, für in der Türkei geborene Versicherte sei eine Änderung der Versicherungsnummer regelmäßig nur nach Vorlage des Auszuges aus dem türkischen Einwohnerbuch (Nüfus) vorzunehmen. Dabei seien nur Eintragungen von Bedeutung, die vor der ersten Angabe des Geburtsdatums bei einem deutschen Sozialversicherungsträger erfolgt seien. Vor dem 14. April 2000, der Vergabe der Versicherungsnummer, ausgestellte Urkunden, die das Geburtsdatum 22. Januar 1981 als unzutreffend und das Geburtsdatum 9. Dezember 1978 als zutreffend feststellen, seien von der Klägerin nicht vorgelegt worden. Aus dem vorgelegten Auszug des Einwohnerbuches gehe hervor, dass das Geburtsdatum 22. Januar 1981 erst durch den rechtskräftigen Beschluss des Zivilgerichts Nr. 4 der ersten Instanz in Kadiköy vom 6. August 2004 in das Geburtsdatum 9. Dezember 1978 geändert worden sei.
Daraufhin erhob die Klägerin am 24. Juni 2010 Klage vor dem Sozialgericht Gießen und legte ergänzend erneut eine Geburtsbescheinigung der "C. Frauen- und Kinderklinik, Ausbildungs- und Forschungskrankenhaus" ausgestellt am 11. Januar 2011 vor, nach der Frau X.D. am 9. Dezember 1978 eine Tochter zur Welt gebracht hat. Aus dem beiliegenden Auszug des Geburtsregisters geht neben dem Geburtsdatum der Name der Mutter (X.D.) und des Vaters (E.) hervor, Vor- und Zuname des Kindes sind in der entsprechenden Rubrik nicht angegeben.
Die Klägerin legte weiterhin Kopien eines Lichtbilds, der Rückseite eines Lichtbilds mit Beschriftung, des Abschlusszeugnisses der Grundschule, des Abschlusszeugnisses der Oberschule sowie eines Berechtigungsausweises zum Erwerb eines ermäßigten Fahrausweises im öffentlichen Verkehr für Schüler aus dem Jahr 1994/1995 vor. Das Lichtbild zeigt einen Mann mit zwei kleinen Kindern. Das Bild sei nach Angaben der Klägerin im August 1982 bei einem Fotografen gemacht worden. Die Beschriftung der Rückseite enthält neben einem Stempel mit Datierung August 1982 nach Angaben der Klägerin Kommentierungen des Vaters und eines Onkels. Die Abschlusszeugnisse der Grundschule, ausgestellt am 24. Oktober 1986, sowie der Oberschule, ausgestellt am 31. Januar 1997, sind auf den Namen A.D. ausgestellt und enthalten das Geburtsdatum 22. Januar 1981. Die Dauer der Schulausbildung auf der Oberschule betrug laut Zeugnis drei Jahre, zuvor sei eine Mittelschule besucht worden.
Die Beklagte verwies hinsichtlich der vorgelegten Zeugnisse darauf, dass unter Zugrundelegung des auf beiden Zeugnissen vermerkten Geburtsdatums vom 22. Januar 1981 keine Widersprüche zu den Ausstellungsdaten der Zeugnisse bestünden. Das Abschlusszeugnis der Grundschule, welches auch einem deutschen Kindergarten entsprechen könne, sei mit einer Einschulung am 24. Oktober 1986, d.h. im Alter von fast sechs Lebensjahren, vereinbar, während das Abschlusszeugnis der Oberschule vom 31. Januar 1997 im Alter von 16 Jahren ebenfalls plausibel sei. Der Berechtigungsausweis gebe keine Hinweise auf das Alter der Klägerin. Ebenso wenig könne dem vorgelegten Bild ein bestimmtes Lebensalter entnommen werden.
Mit Urteil vom 27. November 2013 wies das Sozialgericht die Klage ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen für eine Änderung des Geburtsdatums der Klägerin als Teil der Versicherungsnummer nach § 33a SGB I nicht vorlägen. Ein Schreibfehler sei vorliegend nicht aufgetreten. Daneben habe die Klägerin keine Originalurkunde vorgelegt, die vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Vergabe der Versicherungsnummer am 14. April 2000 ausgestellt worden sei. Als einziges Beweismittel verbleibe die vorgelegte Fotografie, die auf der Rückseite beschrieben sei als im August 1982 aufgenommen. Selbst wenn es sich hierbei um eine Urkunde im Sinne des § 33a SGB I handele, lasse sich der Fotografie allenfalls entnehmen, dass das auf der Fotografie abgebildete Mädchen älter als 17 Monate wirke. Der Fotografie könne aber nicht entnommen werden, dass die Klägerin gerade am 9. Dezember 1978 geboren worden sei. Das vorgelegte Bild sei schon deshalb nicht geeignet, das Geburtsdatum 9. Dezember 1978 nachzuweisen. Ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Alter der Klägerin habe nicht eingeholt werden müssen, da § 33a SGB I nur den Urkundenbeweis zulasse. § 33a SGB I sei weder verfassungswidrig, noch berühre die Vorschrift das Assoziationsrecht EWG/Türkei.
Gegen das ihr am 19. Dezember 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Dezember 2013 Berufung eingelegt und wiederholt ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. November 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2010 zu verurteilen, ihr eine neue Versicherungsnummer unter Berücksichtigung des Geburtsdatums 9. Dezember 1978 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Rentenakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. November 2013 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nach § 147 Abs. 1 SGB VI kann die Datenstelle des Trägers der Rentenversicherung für Personen eine Versicherungsnummer vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach dem SGB VI versicherten Personen hat sie eine Versicherungsnummer zu vergeben. Nach § 147 Abs. 2 SGB VI setzt sich die Versicherungsnummer einer Person aus der Bereichsnummer des zuständigen Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer, zusammen. Gemäß § 3 Abs. 1 Verordnung über die Versicherungsnummern, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf (VKVV) wird eine Versicherungsnummer nur einmal vergeben und nicht berichtigt. Versicherungsnummern, in denen u.a. das Geburtsdatum unrichtig ist, oder Versicherungsnummern, die auf Grund einer nach § 33a SGB I zu berücksichtigenden Änderung des Geburtsdatums fehlerhaft geworden sind, werden gesperrt. Die Versicherten erhalten eine neue Versicherungsnummer.
Als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers kann allein die Bestimmung des § 33a SGB I in Betracht kommen. Sind Rechte oder Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, so ist gemäß § 33a Abs. 1 SGB I das Geburtsdatum maßgebend, dass sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger ergibt. Von einem nach § 33a Abs. 1 SGB I maßgebenden Geburtsdatum darf nach § 33a Abs. 2 SGB I nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass
1. ein Schreibfehler vorliegt oder
2. sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.
Die Absätze 1 und 2 des § 33a SGB I gelten der Vorschrift des § 33a Abs. 3 SGB I zufolge für Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.
Der Gesetzgeber hat mit § 33a SGB I die Anknüpfung an das "wahre" Geburtsdatum aufgegeben und - zur Vermeidung einer dafür besonders verwaltungsintensiven Prüfung und um missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen vorzubeugen (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/8994, S. 67 zu Art. 1a) - das im Geltungsbereich des SGB für altersabhängige Rechte und Pflichten maßgebende Geburtsdatum eigenständig definiert (BSG, Urteil vom 28. April 2004, B 5 RJ 33/03 R, juris Rn. 20).
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, wird von der Beklagten in Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen im Falle der Klägerin zu Recht das bei deren erstmaliger Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland von ihr angegebene Geburtsdatum (22. Januar 1981) zu Grunde gelegt.
Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Berichtigung des Geburtsdatums aufgrund eines Schreibfehlers sind nicht ersichtlich. Dies wäre nur dann möglich, wenn das Geburtsdatum der Klägerin wegen eines Schreibfehlers beim deutschen Sozialleistungsträger falsch eingetragen worden wäre (st. Rspr. des Hessischen Landessozialgerichts, vgl. Beschluss vom 1. November 2005, L 2 RA 66/04; zuletzt Urteile vom 2. Juli 2013, L 2 R 436/12 und vom 8. Oktober 2013, L 2 R 34/13). Dass das Geburtsdatum 22. Januar 1981 auf einem Schreibfehler beruht, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin vorgetragen.
Darüber hinaus liegt auch eine Urkunde, die ein früheres Geburtsdatum, insbesondere den 9. Dezember 1978, bezeichnet und deren Original vor der ersten Angabe des Geburtsdatums 22. Januar 1981, d.h. vor dem 14. April 2000, ausgestellt worden ist, nicht vor.
Der Begriff der Urkunde im Sinne des § 33a Abs. 2 SGB I richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen. Eine Beschränkung auf die Berücksichtigung nur bestimmter Urkunden ist der Vorschrift nicht zu entnehmen (st. Rspr., u.a. BSG, Urteile vom 5. April 2001, B 13 RJ 35/00 R – BSGE 88, 89 = SozR 3-1200 § 33a Nr. 4; vom 31. Januar 2002, B 13 RJ 9/01 R, juris Rn. 28; vom 28. April 2004, B 5 RJ 33/03 R, juris Rn. 21). § 33a Abs. 2 SGB I verlangt auch nicht, dass das Geburtsdatum als solches in der Urkunde ausdrücklich und vollständig vermerkt ist; es "ergibt" sich aus der Urkunde auch, wenn die durch die Urkunde bewiesenen Tatsachen zur vollen Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum im Sinne des § 33a Abs. 2 SGB I schließen lassen.
Nach den allgemeinen Bestimmungen sind unter Urkunden im Sinne von § 33a SGB I wie in § 21 Abs. 1 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 415 Zivilprozessordnung (ZPO) alle durch Niederschrift verkörperten Gedankenerklärungen zu verstehen, die geeignet sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen (BSG, Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 35/00 R - BSGE 88, 89, 92 = SozR 3-1200 § 33a Nr. 4 S. 19 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 28. November 1975 – V ZR 127/74; BSG, Urteil vom 28. April 2004, B 5 RJ 33/03 R, juris Rn. 22). Der Aussteller und die Art und Weise der Herstellung sind unerheblich. Auch Fotokopien stellen nach diesen allgemeinen Bestimmungen Urkunden dar. Für die Frage, welche Tatsachen durch eine Urkunde bewiesen werden, und für deren Echtheit gelten nach § 118 SGG die besonderen Beweisregeln der §§ 415 bis 419 ZPO bzw. die §§ 437 bis 440 ZPO entsprechend.
Der ehemalige türkische Pass der Klägerin, der Bundespersonalausweis der Klägerin sowie die nachträglich erstellte Geburtsbescheinigung der "C. Frauen- und Kinderklinik" sind zwar Urkunden in diesem Sinne, sie sind jedoch durchweg erst nach Vergabe der Versicherungsnummer am 14. April 2000 erstellt worden. Sie entsprechen damit nicht der qualifizierten Voraussetzung des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I, der lediglich vor dem Zeitpunkt der Angabe der Versicherungsnummer ausgestellte Urkunde als Nachweis zulässt.
Darüber hinaus wäre selbst die Vorlage des Originals des Geburtsregisters der "C. Frauen- und Kinderklinik", das vor dem 14. April 2000 erstellt wurde, nicht ausreichend, um das von der Klägerin vorgetragene frühere Geburtsdatum nachzuweisen. Der Inhalt des Geburtsregisters mag zwar die Geburt einer Tochter durch die Mutter der Klägerin belegen, ob es sich hierbei aber um die Geburt der Klägerin gehandelt hat geht aus dem Inhalt der vorgelegten Urkunde nicht hervor. Als alleiniger Beleg des Geburtsdatums 9. Dezember 1978 der Klägerin wäre daher auch die Originalurkunde ungeeignet.
Weitere vor dem 14. April 2000 ausgestellte Urkunden stellen das Abschlusszeugnis der Grundschule sowie der Oberschule dar. Diese Urkunden enthalten jedoch jeweils das Geburtsdatum 22. Januar 1981 und vermögen damit gerade nicht das vorgetragene Geburtsdatum 9. Dezember 1978 zu belegen. Sofern nach dem Vortrag der Klägerin aus den Urkunden aufgrund des Besuchszeitraums der Schulen auf die Unrichtigkeit des eingetragenen Geburtsdatums geschlossen werden soll, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Die durch die Abschlüsse der Grundschule bzw. durch den Abschluss der Oberschule gesetzten Eckdaten 24. Oktober 1986 (Abschluss Grundschule) und 31. Januar 1997 (Abschluss Oberschule nach 3-jähriger Schulausbildung) können ebenso mit dem von der Klägerin bei Vergabe der Versicherungsnummer angegeben und auf beiden Zeugnissen angegebenen Geburtsdatum 22. Januar 1981 in Einklang gebracht werden. Ersichtlich ist auch das türkische Schulsystem bei der Eingliederung der Klägerin seinerzeit von einem Geburtsdatum im Januar 1981 ausgegangen. Darüber hinaus wären die Urkunden selbst bei Widerlegung dieses Geburtsdatums ungeeignet, gerade das von der Klägerin vorgetragene konkrete Geburtsdatum 9. Dezember 1978 zu belegen.
Gleiches gilt schließlich für das von der Klägerin vorgelegte Foto, das aus August 1982 stammen soll. Für den Senat ist zunächst über den Vortrag der Klägerin hinaus nicht objektiv überprüfbar, ob es sich bei dem dort abgebildeten kleinen Mädchen um die Klägerin handelt. Aus dem Bild selbst heraus ist nicht zu erkennen, wer abgebildet ist. Die rückseitige Kommentierung lässt ihrerseits nicht erkennen, wann und von wem sie erfolgt ist. Doch auch unterstellt bei dem älteren Kind auf dem Bild handelt es sich um die Klägerin, so kann zur Überzeugung des Senates aus dem Erscheinungsbild jedenfalls nicht auf ein konkretes Geburtsdatum der Klägerin geschlossen werden. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Foto, ggfs. in Verbindung mit der auf der Rückseite vorgenommenen Beschriftung, um eine Urkunde im Sinne des § 33a Abs. 2 SGB I handelt. Das vorgelegte Foto ist jedenfalls ungeeignet, ein konkretes Geburtsdatum, insbesondere den 9. Dezember 1978, nachzuweisen.
§ 33a Abs. 2 SGB I verstößt auch nicht gegen europarechtlich vorrangige Vorschriften. Zwar hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 2. Dezember 1997 (C-336/94 - EuGHE I 1997, 6761-6782 = SozR 3-7670 § 66 Nr. 1) die nationalen Sozialversicherungsträger und Gerichte eines Mitgliedstaats für verpflichtet gehalten, in Verfahren über sozialrechtliche Leistungsansprüche eines Wanderarbeitnehmers aus der Gemeinschaft die von zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Urkunden und ähnliche Schriftstücke über den Personenstand zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt sei. Gerade in Bezug auf Versicherte türkischer Herkunft führte der EuGH in einem Urteil vom 14. März 2000 (C-102/98 und C-211/98, Kocak, Örs, Slg. 2000-3, S. 1287) jedoch aus, dass § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I auch unter Berücksichtigung des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (Assoziierungsabkommen) auf türkische Arbeitnehmer anwendbar sei. Wie im vorliegenden Verfahren hatten sich die deutschen Rentenversicherungsträger in den beiden vom EuGH zu beurteilenden Ausgangsverfahren geweigert, die von einem türkischen Gericht beschlossene Berichtigung des Geburtsdatums, das die Kläger bei ihrem Eintritt in die deutsche Sozialversicherung angegeben hatten, zu berücksichtigen. Der EuGH führt insoweit aus, § 33a Abs. 2 SGB I stelle eine einzelstaatliche Regelung dar, die unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer anwendbar sei. Sie erkennt den Urkunden, die vorgelegt werden müssen, damit von dem bei der ersten Anmeldung bei einem Sozialleistungsträger angegebenen Geburtsdatum abgewichen werden kann, die gleiche Beweiskraft zu, unabhängig davon, woher sie stammen. Sie unterscheide weder nach dem Ausstellungsstaat noch nach der Art der vorgelegten Urkunde und spreche nicht nur Personenstandsurkunden Beweiskraft zu, sondern auch anderen Urkunden, die Rückschlüsse auf das Geburtsdatum des Betroffenen zulassen, wie etwa solchen, die anlässlich des Schulbesuchs oder des Wehrdienstes ausgestellt worden seien. Sie verleihe türkischen Staatsangehörigen keine andere Rechtsstellung als den Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, in dem sie wohnten. Sofern türkischen Arbeitnehmern deshalb Nachteile entstünden, weil nationale türkische Vorschriften, eine Geburt innerhalb eines Monats der zuständigen Behörde anzuzeigen, insbesondere in ländlichen Gebieten nicht immer zeitgerecht und zuverlässig erfüllt würden, könne von einem Mitgliedstaat jedoch nicht verlangt werden, dass er bei der Regelung der Frage, welches Geburtsdatum für die Erteilung einer Versicherungsnummer und die Gewährung einer Altersrente maßgebend sei, der besonderen Situation Rechnung trägt, die sich aus dem Inhalt und der praktischen Anwendung der türkischen Personenstandsbestimmungen ergebe. § 33a Abs. 2 SGB I stelle insoweit auch keine mittelbare Diskriminierung türkischer Arbeitnehmer dar.
Soweit die Klägerin anregt, ein rechtsmedizinisches Gutachten zur Bestimmung ihres Lebensalters erstellen zu lassen, verkennt sie, dass der Gesetzgeber ganz bewusst nicht alle (möglicherweise) geeigneten Beweismittel zum Nachweis für das Vorliegen eines unrichtigen Geburtsdatums zugelassen hat, sondern stattdessen in § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nur den Urkundenbeweis als zulässig bezeichnet (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Oktober 2012, L 2 R 256/12, unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien in BT-Drs. 13/8994, S. 67). Der Senat brauchte sich angesichts dessen nicht gedrängt zu fühlen, ein altersdiagnostisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Vor diesem Hintergrund konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG fehlt.
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