L 3 U 3448/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 3902/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3448/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 4. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht in zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt höhere Verletztenrente wegen des am 11.12.2008 erlittenen Arbeitsunfalles.

Die 1951 geboren Klägerin bezieht wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles vom 23.03.2001 von der Beklagten eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. Am 11.12.2008 verletzte sie sich während einer beruflichen Fortbildung, als sie von einer zufallenden großen Flügeltür am rechten Oberarm und an der rechten Schulter getroffen wurde. Eine am 15.12.2008 durchgeführte Kernspintomographie ergab eine frische Deckplattenimpressionsfraktur am Brustwirbelkörper (BWK) 7, die von Dr. F. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26.01.2009 auf das Unfallereignis zurückgeführt wurde. Die Behandlung erfolgte konservativ mittels Korsett und Schmerzbehandlung.

Wegen anhaltender Beschwerden erfolgte eine stationäre Behandlung im SRH Klinikum A.-B. (28.02.2009 bis 4.02.2009). Im Bericht dieser Klinik vom 4.02.2009 heißt es, es bestehe eine Kompressionsfraktur BWK 7 mit Deckplattenimpressionen, resultierende keilförmige Dekonfiguration, Kyphosewinkel 21°, Hinterkante intakt, A 1-Fraktur; im Dexa-Scan habe sich eine deutliche Osteoporose gezeigt. Ein weiteres Heilverfahren wurde in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik C. in der Zeit vom 13.07. bis 16.07.2009 durchgeführt. Die dort gestellten Diagnosen lauteten: Bewegungs- und Belastungsdefizit mit somatoformen Schmerzen nach BWK-7-Deckplattenfraktur, nicht objektivierbares Beschwerdebild. Arbeitsfähigkeit bestehe ab 17.07.2009, die unfallbedingte MdE betrage 0 v.H. Bei allen durchgeführten Testungen seien funktionelle Leistungsgrenzen nicht erkennbar gewesen (Bericht vom 24.07.2009).

Mit Bescheid vom 22.07.2009 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 11.12.2008 als Arbeitsunfall an. Gleichzeitig lehnte sie einen Anspruch auf Verletztenrente sowie eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sowie Behandlungsbedürftigkeit über den 16.07.2009 hinaus ab.

Im sich anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten bei Dr. E. und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. D. ein. Dr. E. führte unter dem 21.12.2009 aus, bei vorbestehender Osteoporose sei das Ereignis vom 11.12.2008 wesentliche Teilursache für das Entstehen der Fraktur des BWK 7. Die bestehenden Beschwerden seien Folgen der Keilwirbelbildung und mangelnder Rehabilitation. Nach einer adäquaten Rehabilitation betrage die unfallbedingte MdE 10 bis 20 v.H. Eine Begutachtung könne in sechs Monaten erfolgen. Dr. D. gelangte in seinem Gutachten vom 19.02.2009 zu dem Ergebnis, die Frage einer osteoporotischen Spontanfraktur stelle sich nicht, da das Ereignis geeignet gewesen sei, bei erhöhter wahrscheinlich osteoporotisch bedingter Fragilität eine Deckplattenimpressionsfraktur des BWK 7 zu verursachen. Auf neurologischem Gebiet sei kein krankhafter Befund auf Grund der Verletzung des Brustwirbels zu erheben gewesen. Subjektiv seien bewegungs- und belastungsabhängige Schmerzen vorhanden, teilweise bestünden beschwerdebedingt auch Atemnot und Schlafstörungen. Hinweise auf Aggravation oder Simulation lägen nicht vor. Eine Anpassungsstörung oder eine somatoforme Schmerzstörung seien auszuschließen. Nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit am 16.07.2009 betrage die MdE wegen der Schmerzen und der Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule 20 v.H. Dr. D. empfahl, diese Einschätzung von einem orthopädischen Gutachter überprüfen zu lassen.

Zu beiden Gutachten holte die Beklagte beratungsärztliche Stellungnahmen ein. Dr. F. empfahl, die keilförmige Deformierung des BWK 7 ohne statisch wirksame Knickbildung und ohne Hinweise auf eine Instabilität mit einer MdE um 10 v.H. einzuschätzen. Sofern unfallbedingt eine besondere Schmerzproblematik angenommen werden könne, sei die MdE mit 20 v.H. einzuschätzen (Stellungnahme vom 20.05.2010). Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Neuroradiologie Dr. Roos führte unter dem 04.06.2010 aus, im Anschluss an die durch Dr. D. gut begründete diagnostische Einordnung des Beschwerdebildes müsse bei der Klägerin von einem organisch begründeten Schmerzsyndrom im Gefolge der Wirbelfraktur ausgegangen werden. Außergewöhnliche Schmerzen, wie z.B. bei Stumpf- und Phantomschmerzen oder einem chronischen regionalen Schmerzsyndrom, ließen sich aus den aktenkundigen Arztberichten nicht ableiten. Die MdE sei mit 10 v.H. einzuschätzen.

Die Beklagte half daraufhin dem Widerspruch der Klägerin teilweise ab und bewilligte mit Bescheid vom 23.06.2010 Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 10 v.H. ab 17.07.2009. Als Folgen des Arbeitsunfalles anerkannte sie eine Bewegungseinschränkung sowie belastungsabhängige Beschwerden durch Keilwirbelbildung in Folge der stattgehabten BWK-7-Deckplattenimpressionsfraktur. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2010 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück. Da bei der Klägerin keine statisch wirksame Knickbildung vorliege und keine besondere Schmerzsituation gegeben sei, betrage die unfallbedingte MdE 10 v.H. unter Berücksichtigung der objektivierbaren Beschwerden. Eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 17.07.2009 hinaus seien im Hinblick auf die in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik C. erhobenen Befunde nicht nachgewiesen.

Am 17.09.2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Folgen des Arbeitsunfalles vom 11.12.2008 seien über den 16.07.2009 hinaus mit einer MdE um mehr als 10 v.H. zu bewerten. Dr. D. habe aus neurologischer Sicht eine MdE um 20 v.H. für diesen Zeitraum bekundet und Dr. E. habe für das orthopädische Fachgebiet eine MdE zwischen 10 und 20 v.H. nach einer adäquaten Rehabilitation, die nicht erfolgt sei, für angemessen erachtet. Ferner hat sie ein Gutachten der Fachärztin für Chirurgie Dr. H. vom 14.11.2011, erstattet für eine private Unfallversicherung, vorgelegt, in welchem die Unfallfolgen (Ruhe-, Bewegungs- und Belastungsschmerzen bei deutlicher Bewegungseinschränkung und zunehmenden belastungsabhängigen Beschwerden, Wetterfühligkeit, Einschränkung im beruflichen und privaten Bereich, radiologische Veränderungen) mit einer MdE um 20 v.H. bewertet wurden.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte das Gutachten zur Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit bei Dr. G., Facharzt für Chirurgie und Orthopädie vom 21.09.2011 eingeholt. Dieser ist unter Mitberücksichtigung einer von ihm in Auftrag gegebenen Kernspintomographie zu dem Ergebnis gelangt, dass eine unfallbedingte MdE um 10 v.H. nicht mehr bestehe (siehe Frage 5 des Gutachtensauftrages). An eine Anpassung und Gewöhnung an die Unfallfolgen bzw. an eine Verbesserung durch Heilverfahren sei nicht zu denken (siehe Frage 6). Gestützt hierauf hat die Beklagte nach vorheriger Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 22.11.2011 die bisher gewährte Rente als vorläufige Entschädigung mit Ablauf des Monats November 2011 entzogen und die Gewährung einer Verletztenrente auf Dauer abgelehnt.

Das SG hat weitere Gutachten erhoben, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. K. und ein orthopädisches Gutachten bei Dr. von I ... Dr. K. hat im Gutachten vom 10.10.2011 ausgeführt, auf seinem Fachgebiet bestünden keine Unfallfolgen seit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit. Außergewöhnliche Schmerzen bestünden nicht. Die Bewertung der MdE durch die Fraktur und den dadurch bedingten Schmerzen müsse auf orthopädischem Fachgebiet geklärt werden.

Dr. von I. hat unter dem 21.02.2012 über eine vollständige Ausheilung der von der Klägerin beim Unfall erlittenen BWK-7-Kompressionsfraktur in nahezu identischer Stellung ohne thorakale Instabilität oder wesentliche Einengung des thorakalen Spinalkanals berichtet. Die durch den Unfall entstandene Keilwirbelbildung von 20° wirke sich im Falle der Klägerin nicht wesentlich fehlstatisch, sondern eher kompensatorisch aus, weil bei der Klägerin unfallunabhängig eine steile und abgeflachte Brustwirbelsäulenkyphose bestehe. Gleichwohl führe die plötzliche traumatische Änderung des Zustandes zu chronischen Beschwerden wie Muskelverspannungen, wiederholten Blockierungen der kleinen Wirbelgelenke und Interkostalneuralgien. Die MdE sei daher weiterhin mit 10 v.H. zu beurteilen.

Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 18.04.2012 unter Aufhebung des Entziehungsbescheides vom 22.11.2011 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 10 v.H. über den 30.11.2011 hinaus bewilligt. Als Folgen des Unfalls vom 11.12.2008 wurden anerkannt: Bewegungseinschränkung der Brustwirbelsäule, kyphosebedingte muskuläre Dysfunktion im Bereich der mittleren BWS nach unter Knickbildung knöchern fest verheiltem Deckplattenimpressionsbruch des 7. BWK.

Die Klägerin ist dem Gutachten von Dr. von I. entgegen getreten. Sie hat geltend gemacht, das von ihr angebotene Gutachten von Dr. H. habe er nicht in Augenschein nehmen wollen. Auch habe er nicht ausgeführt, dass sie nachts nicht schlafen könne, ihr übel sei und ihre Körperhaltung ändern müsse. Die durch Dr. von I. gestellte Diagnose eines Steilrückens sei ihr neu. Seit dem Unfall könne sie ihre selbständige Tätigkeit nicht mehr ausüben, insbesondere nicht mehr Auto fahren.

Das SG hat mit Urteil vom 04.07.2012 die Klage abgewiesen. Die Folgen des Arbeitsunfalles vom 11.12.2008 führten bei der Klägerin nicht zu einer höheren MdE als um 10 v.H. Nach den Ausführungen des Dr. von I. sei die von der Beklagten als Unfallfolge anerkannte BWK- 7-Fraktur vollständig und ohne thorakale Instabilität oder wesentliche Einengung des thorakalen Spinalkanals verheilt. Verblieben sei ein Zustand mit chronischen Beschwerden, welche neben den Schmerzen auch zu Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule führten. Die Bewertung der muskulären Dysfunktion mit einer MdE um 10 v.H. sei nicht zu beanstanden und stehe im Einklang mit dem unfallmedizinischen Schrifttum (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 442). Danach betrage die MdE bei einem isolierten Wirbelkörperbruch, d.h. ohne Bandscheibenbeteiligung wie im vorliegenden Fall, unter 10 v.H. Erst bei einer Bandscheibenbeteiligung und einem statisch wirksamen Achsenknick komme eine MdE um 10 bis 20 v.H. in Betracht, eine noch höhere MdE nur bei Instabilität, bei voll ausgebildeten Wirbelsäulenverletzungen oder bei einer Schädigung der Nerven. Für letzteres lägen keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere neurologische Folgen habe Dr. D. ausdrücklich verneint. Die von Dr. von I. erhobenen funktionellen Einschränkungen nach der sog. Neutral-Null-Methode (kombinierte Rumpfseitneigung beidseits je 25° bei Normalwert von 30 bis 40° und kombinierte Rotation beidseits je 30° bei Normalwert von 30 bis 40°, Reklination bis 10°, Fingerboden-Abstand von 40 cm bei Inklination) rechtfertigten keine MdE um mehr als 10 v.H. Eine höhere MdE ergebe sich auch nicht aus der von Dr. von I. - sowie von Dr. D. und von Dr. F. - berichteten Keilwirbelbildung durch den Unfall. Denn diese wirke sich auf Grund der vor dem Unfall bestehenden physiologischen Fehlhaltung im Sinne einer steilen und abgeflachten Brustwirbelsäulenkyphose nicht wesentlich fehlstatisch aus. Entsprechend habe Dr. F. auch bei Berücksichtigung der Keilwirbelbildung eine MdE nur von 10 v.H. empfohlen. Die Schmerzsymptomatik rechtfertige keine MdE um 20 v.H. Außergewöhnliche Schmerzen habe Dr. Roos verneint. Soweit Dr. D. die unfallbedingte Schmerzen zusammen mit den funktionellen Einschränkungen mit einer MdE um 20 v.H. bewertet habe, könne ihm nicht gefolgt werden. Die Einschätzung von Dr. E., der prognostisch eine MdE um 10 bis 20 v.H. auf Dauer für angemessen erachtet habe, halte sich im Rahmen der von Dr. von I. getroffenen MdE-Einschätzung. Der Bewertung der Dr. H. könne ebenfalls nicht gefolgt werden. Aus der von der Gutachterin geäußerten Einschränkung der allgemeinen Leistungsfähigkeit um 20 % könne nicht auf eine MdE um 20 v.H. geschlossen werden, weil sie nicht von entsprechenden Feststellungen gestützt werde und es sich um einen anderen Bewertungsmaßstab handele. Dr. H. habe ihre Einschätzung ausdrücklich auch mit Einschränkungen im privaten Bereich begründet, während sich im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens richte.

Gegen das ihr am 02.08.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.08.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Es wird bemängelt, dass das SG dem Gutachten des Dr. von I. folge, ohne auf die Widersprüchlichkeiten einzugehen, welche sich bei der Heranziehung der Gutachten Dr. D., Dr. E., Dr. G. und Dr. H. ergeben hätten. Ferner wird geltend gemacht, dass die Fragestellungen des von der Beklagten veranlassten Gutachtenauftrages an Dr. G. irreführend gewesen seien, soweit sie die Fragen 5 und 6 beträfen. Ferner wird geltend gemacht, dass das SG zu Unrecht die Beurteilung von Dr. H. nicht in seine Entscheidung einbezogen habe.

Der Senat hat zunächst eine sachverständige Zeugenauskunft bei Dr. G. eingeholt und sodann von Amts wegen den Facharzt für Orthopädie Dr. L. mit einer Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dr. G. hat unter dem 03.03.2013 ausgeführt, entgegen seiner ursprünglichen Beantwortung der Frage 5 des von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens schätze er die MdE mit 20 v.H. auf Dauer ein. Dr. L. hat sich in seinem Gutachten vom 14.08.2013 der Bedeutung von Dr. von I. angeschlossen. Er hat es allerdings für gerechtfertigt erachtet, die MdE bis zum Ende des ersten Unfalljahres (10.12.2009) mit 20 v.H. zu bewerten. Zur Begründung hat er ausgeführt, zum Zeitpunkt der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit am 16.07.2009 seien die reparativen Vorgänge, deren Dauer bei Wirbelkörperfrakturen mit einem Jahr anzusetzen seien, noch nicht abgeschlossen gewesen.

Die Beklagte hat daraufhin der Klägerin ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, für die Zeit vom 17.07.2009 bis 10.12.2009 eine MdE um 20 v.H. anzuerkennen und ein Viertel der außergerichtlichen Kosten zu übernehmen. Die Klägerin hat dieses Vergleichsangebot nicht angenommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04. Juli 2012 aufzuheben, den Bescheid vom 22. Juli 2009 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 23. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 sowie die Bescheide vom 22. November 2011 und vom 18. April 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalles vom 11. Dezember 2008 nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. über den 16. Juli 2009 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 01.10.2014 haben die Beteiligten ausdrücklich einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführten Verwaltungsakten verwiesen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden und haben sich ausdrücklich hiermit einverstanden erklärt.

2. Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. abgewiesen. Ein solcher Anspruch steht der Klägerin nicht zu; der Bescheid vom 22.07.2009 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 23.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2010 sowie die nach § 96 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheide vom 22.11.2011 und vom 18.04.2012 sind rechtmäßig.

Das SG hat in seinem Urteil die rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verletztenrente auf Grund eines Arbeitsunfalles nach § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zutreffend dargelegt. Es hat insbesondere ausgeführt, dass nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ein Rentenanspruch nur besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten in Folge des Versicherungsfalles um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, dass aber nach § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII auch eine MdE von nur 10 v.H. einen solchen Anspruch begründen kann, wenn weitere Versicherungsfälle vorliegen und diese zusammen die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v.H. mindern. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass im Falle der Klägerin ein Anspruch auf eine "gestützte Rente" in Betracht kommt, weil bei ihr auf Grund des früheren Arbeitsunfalles eine MdE um 20 v.H. bindend anerkannt wurde. Der Senat verweist nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Ausführungen.

Auch der Senat ist in Übereinstimmung mit dem SG der Ansicht, dass die Folgen des anerkannten Arbeitsunfalles vom 11.12.2008 nicht zu einer höheren Minderung der MdE als um 10 v.H. führen.

Das SG hat die in der unfallmedizinischen Fachliteratur niedergelegten Bewertungsmaßstäbe für Wirbelkörperbrüche zutreffend zitiert; auch hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Der Unfall hat eine unter Höhenminderung und leichter keilförmiger Deformierung verheilten Deckplatten-Impressionsfraktur des BWK 7 verursacht. Zu diesem Ergebnis sind Dr. E., Dr. G., Dr. von I. und zuletzt auch Dr. L. in Auswertung der bildgebenden Befunde gelangt. Der Kyphosewinkel im Segment Th 6/7 beträgt 20°, unter Berücksichtigung des physiologisch vorhandenen Kyphosewinkels von 5° beträgt er insgesamt 15°. Als erheblich gilt ein Knickwinkel vom 15 bis 20° (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 445), sodass ein statisch wirksamer Achsenknick anzunehmen ist. Darüber hinaus ist jedoch weder eine Instabilität des Bewegungssegmentes festzustellen, noch ist eine Bandscheibenbeteiligung dokumentiert. Daraus resultiert nach der medizinischen Unfallliteratur eine MdE um 10 v.H (vgl. auch Schiltenwolf/Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Aufl., S. 902). Zu diesem Ergebnis ist auch Dr. von I. gelangt. Soweit Dr. G. in seiner Stellungnahme gegenüber dem Senat am 03.03.2013 angegeben hat, die MdE betrage 20 v.H., kann dem nicht gefolgt werden. Eine Begründung, weshalb er in seinem Gutachten vom 21.09.2011 eine MdE von wenigstens 10 v.H. verneint und nunmehr mit 20 v.H. veranschlagt hat, hat er nicht gegeben, sodass sich eine Entscheidung hierauf nicht stützen lässt.

Zutreffend hat das SG ferner ausgeführt, dass die von Dr. H. getroffene Einschätzung mit 20% auf dem Gebiet der privaten Unfallversicherung getroffen wurde, die mit der Bewertung der unfallbedingten MdE auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach dem SGB VII nicht deckungsgleich ist.

In Ansehung der im unfallmedizinischen Schrifttum niedergelegten Maßstäbe vermag der Senat auch der Berurteilung von Dr. L. nicht zu folgen, wonach bis zum Ende des ersten Unfalljahres eine MdE um 20 v.H., mithin bis zum 10.12.2009 bestehen solle, nicht zu folgen. Dass die Beklagte diese Beurteilung in ihren Vergleichsvorschlag übernommen hat, bindet den Senat nicht, nachdem dieser Vorschlag von der Klägerin nicht angenommen wurde.

Eine Erhöhung der MdE ergibt sich auch nicht mit Blick auf die bestehenden Schmerzen. Die prozentuale Einschätzung der MdE durch Schmerzzustände aller Art ist naturgemäß schwierig. Grundsätzlich gilt, dass für die "üblichen Schmerzen" davon auszugehen ist, dass die MdE für körperliche Funktionseinschränkungen eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung mit umfasst und in den Richtwerten erfahrungsgemäße Begleitschmerzen (z.B. beim Bewerten von Amputationen) eingeschlossen sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 221; Roller, Chronischer Schmerz - Anforderungen an die sozialmedizinische Begutachtung, SGb 2007, S. 271 bis 275). Bei "außergewöhnlichen Schmerzen", wie bei kausalgieformen Schmerzen und dem chronischen regionalen Schmerzsyndrom, ist - wenn neben dem Schmerz keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung vorliegt - in Abhängigkeit von der Schwere der Schmerzen eine eigenständige Berücksichtigung erforderlich. Dabei ist konkret darzustellen, inwieweit das Schmerzsyndrom die für die organische Funktionsbeeinträchtigung eingeschätzte MdE erhöht.

Der Sachverständige Dr. K. ist auf Grund seiner Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin haltungs- und belastungsabhängig Schmerzen im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule und damit im Bereich der BWK 7-Fraktur bestehen. Das Bestehen von außergewöhnlichen Schmerzen hat Dr. K. jedoch ausdrücklich verneint und hierzu ausgeführt, dass die Bewertung der MdE durch die erlittene Fraktur des BWK 7 mit keilwirbelförmiger Konfiguration nebst den dadurch bedingten Schmerzen ausschließlich von orthopädischer Seite zu erfolgen hat. In diesem Sinne hat sich auch Dr. Roos geäußert. Dem folgt der Senat.

Keine andere Beurteilung ergibt sich aus den Ausführungen des Dr. D. im Gutachten vom 19.02.2010. Auch er hat Anhaltspunkte für ein besonderes, über die üblichen Begleitsymptome hinaus gehendes Schmerzsyndrom mit eigenständigem Krankheitswert nicht festgestellt. Zwar hat Dr. D. die MdE wegen der Schmerzen und der Bewegungseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule mit 20 v.H. eingeschätzt, diese Bewertung jedoch ausdrücklich zur Überprüfung durch den orthopädischen Gutachter gestellt. Im Ergebnis hat er damit eine Bewertung der MdE auf seinem, dem neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht getroffen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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