Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3447/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 3458/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. August 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger ist gelernter Bauzeichner und Dipl.-Ing. (FH) Bauingenieur. Zuletzt hat er bis 31.03.2004 als Bauingenieur in der Tragwerksplanung gearbeitet. Vom 30.08.2004 bis 25.11.2004 hat er eine berufliche Ausbildung CAD Architektur Bautechnik absolviert. Vorbereitungen zur selbständigen Tätigkeit mussten krankheitsbedingt abgebrochen werden. Seither ist der Kläger arbeitsunfähig krank und arbeitslos.
Am 30.04.2007 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten und begründete dies mit Bewegungs- und Belastungseinschränkungen am rechten Fuß nach einer Tumorerkrankung. Im beigefügten ärztlichen Attest des Dr. G., Facharzt für Allgemeinmedizin vom 04.04.2007 wurden folgende Diagnosen genannt: Essentieller Hochdruck, Skoliose, Rhinocunjunktivitis allergica, akute allergische Konjunktivitis, monophasisch fibröses Knochensarkom rechts, Kalkaneus sowie Unterschenkelamputation. Zuvor hatte der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme in den Fachkliniken H. absolviert (29.01.2007 bis 23.02.2007). Im beigezogenen Reha-Entlassungsbericht vom 28.02.2007 von dort sind folgende Diagnosen genannt: Z.n. operativer Entfernung eines fibrösen Synovialsarkoms G2 des Musculus plantaris rechts (09/2006) mit Funktionsdefizit rechtes OSG (Stadium pT1, N0, M0 G2 R1). Gehen und Stehen über längere Strecken und Zeit sei nicht möglich. Die Tätigkeit als Bauingenieur könne der Kläger sowohl in Eigenregie als auch als angestellter Bauingenieur weiterhin 6 Stunden und mehr ausüben und fortsetzen. Darauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 20.09.2007 ab. Der Kläger sei trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer fünf-Tage-Woche erwerbstätig zu sein. Hiergegen legte der Kläger am 05.10.2007 Widerspruch ein und ergänzte mit Schreiben vom 28.07.2008 seine Gesundheitsstörungen um Tibiakopf-Impressionsfraktur rechts, Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich der Tibia rechts sowie Weber-B-Fraktur rechts, Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich der Fibula distal (Unfall am 15.01.2008) sowie seit dem Wehrdienst nach Knalltrauma Hörverlust und Tinnitus, Lärmempfindlichkeit, Geräuschempfindlichkeit, Schwindel, Schlafstörungen, Angstzustände und Depressionen. Auf Anfrage der Beklagten teilte der HNO-Arzt des Klägers Dr. B. mit, der Kläger leide seit Mitte 2008 gesichert an Tinnitus aurium (Bl. 115 VA). Die Beklagte ließ den Kläger durch die Ärztin für Nervenheilkunde Dr. O. begutachten. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 22.10.2009 folgende Diagnosen: Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, zwanghaften und selbstunsicheren Anteilen, Z.n. Resektion eines synovialen Sarkoms des M. plantaris rechts 02/2006, Tinnitus und Hypakusis beidseits sowie Z.n. Mehrfragmentfraktur der rechten Tibia und des rechten Sprunggelenks 01/2008. Dem Kläger dringend empfohlene Therapiemöglichkeiten, insbesondere im Sinne einer Verhaltenstherapie, seien von dem Kläger bei fehlender Motivation und fehlendem Antrieb bisher nicht in die Wege geleitet worden. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei dahingehend eingeschränkt, dass ihm Tätigkeiten überwiegend im Gehen, auf Leitern und Gerüsten nicht mehr zumutbar seien. Eine Tätigkeit mit fest vorgeschriebener Struktur in seinem Beruf sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Sitzen sei dem Kläger noch vollschichtig zumutbar. Gegen dieses Gutachten hat der Kläger Einwände erhoben. Die weitere orthopädische Begutachtung durch Dr. D.(Gutachten vom 26.01.2010) ergab folgende Diagnosen: 1. Bislang vier Jahre rezidivfreies, histologisch monophasisch fibröses Synovialsarkom Malignitätsgrad II, R1 (ED 09/2005) mit Zustand nach intraläsionaler Tumorresektion 02/2006 und adjuvanter Radiatio bis 50,4/64,8 Gy 06-07/2006 mit schmerzhafter Strahlendystrophie und ausgedünnter Fibrose der rechten Fußsohle und Einschränkung der Steh- und Gehbelastungsfähigkeit mit limitierter Gehstrecke und Gehhilfebedarf. ICD C 49.2-R-G 2. Zustand nach lateraler Tibiakopfimpressionsfraktur sowie mehrfragmentärer distaler Fibulafraktur Typ Weber-B nach Wegeunfall vom 15.01.2008 mit osteosynthetisch gelenkflächenrekonstruierender und belastungsstatisch korrekter Versorgung ohne auffällige Sekundärarthrosen am 22.01.2008 mit einliegendem Metall und posttraumatisch verstärkter Belastungsreduktion des rechten Beines mit sekundärverstärkter Teilimmobilisationsatrophie Unterschenkelniveau – 3 cm, Oberschenkelniveau – 5 cm. ICD C F 82.18 und S 82.6 -R-G 3. Konstitutionell bereits kindliche mittelgradige Kyphoskoliose mit territorial segmentaler Entfaltungsbehinderung thorakolumbal sowie schmerzhafter muskulärer Dysbalance ohne radikuläre Irritation oder klinisch manifeste Bandscheibenschäden. ICD M 41.00 -G 4. Sekundär fibröses Beweglichkeitsdefizit rechte Hüfte mit leichter Außenrotationskontraktur und lumbopelviner Bewegungssteifigkeit bei Fehl-/Minderbelastung rechtes Bein, konstitutioneller Beinverkürzung rechts ca. 1,5 cm und Beckenfehlstellung durch skoliotische muskuläre Dysbalance. ICD M 24.55-R-G
Außer-orthopädische Nebendiagnosen: Chronischer Tinnitus, reaktive leichte Depression, Verdacht auf kindlich erziehungsprovozierte Persönlichkeitsstörung im Sinne der ICD F 62.0. Bei adäquater ergonomischer Arbeitsplatzausstattung bestehe für eine ausschließlich sitzende Tätigkeit mit intermittierenden Aufricht- und kurzzeitigen Gehphasen ohne zusätzliche Gewichtsbelastung eine vollschichtige Leistungsfähigkeit.
Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2010 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 07.06.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat geltend gemacht, dass er unter betriebsüblichen Bedingungen keine sechs Stunden täglich arbeiten könne. Es liege ein dekompensierter Tinnitus Grad IV - sehr schwergradig - aus einer Wehrdienstbeschädigung vor. (Anm.: "Ohrgeräusche nach Knalltrauma" wurden mit Bescheid des Landratsamts B. vom 13.07.2009 als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung festgestellt). Die Klage auf Beschädigtengrundrente und die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen blieb erfolglos, Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12.02.2013 - L 6 VS 2273/12).
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers St. und Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. HNO-Arzt Dr. B. hat unter dem 09.09.2010 angegeben, seit seinem letzten Befundbericht hätten keine Konsultationen stattgefunden. Die Fragen zur Belastbarkeit seien auf hausärztlichen und neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet zu beantworten. Der Facharzt für Psychiatrie St. hat mit Stellungnahme vom 27.10.2010 mitgeteilt, im psychischen Befund seien massive Überlastungs- und Überforderungsgefühle, reduzierte Selbstsicherheit, insgesamt niedergeschlagener Affekt mit vermindertem Antrieb bei selbstunsicherer abhängiger Persönlichkeitsstörung auffällig. Auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers wirke sich die seelische Störung als eine ausgeprägte Konzentrationsstörung und nur geringgradige Belastbarkeit - täglich unter 3 Stunden - im beruflichen Alltag aus.
Das SG hat ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. F. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 02.09.2011 bei dem Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Leichte körperliche Arbeiten könne der Kläger überwiegend im Sitzen - allenfalls selten einmal unterbrochen durch notwendige kürzere Distanzen - noch ausüben. Häufiges Bücken, Treppensteigen und Tätigkeiten mit besonderer Beanspruchung an das Gehör kämen nicht mehr in Betracht. Zeitdruck, Publikumsverkehr und erhöhte Verantwortung sowie Tätigkeiten unter nervlicher Belastung seien zu vermeiden. Ein erhöhtes Konzentrationsvermögen könne nicht mehr abverlangt werden. Derartige Tätigkeiten könne der Kläger noch sechs Stunden täglich ausüben. Strecken von mehr als 500 m könne der Kläger bei einem Zeitraufwand von 15 bis 18 Minuten derzeit nicht zurücklegen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ebenfalls problematisch. Mit einem Pkw könne sich der Kläger jedoch durchaus noch fortbewegen. Ausgeprägte Konzentrationsstörungen habe der Gutachter nicht feststellen können.
Der Kläger hat Einwände gegen das Gutachten des Dr. F. erhoben. Auf Grund seines Hörschadens habe es Verständigungsprobleme gegeben. Zudem sei er wegen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome seit Dezember 2010 krankgeschrieben.
Dr. F. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.11.2011 hierzu mitgeteilt, dass die sprachliche Verständigung nicht beeinträchtigt gewesen sei, insbesondere der Kläger dies bei der Untersuchung auch nicht thematisiert habe. Belegt werde dies durch die sinngemäßen Antworten des Klägers. Die Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome beruhe erfahrungsgemäß nicht auf eingehender und operationaler Depressionsdiagnostik und sei mithin nicht mit der von ihm gestellten Diagnose vergleichbar. Im Übrigen habe mit der eigenen Diagnose "depressive Episode" nur ein vergleichsweise kurzfristiger Ist-Zustand erfasst werden können. Eine sich rasch ändernde Depressionstiefe wäre nur bei Vorliegen einer affektiven Psychose bzw. bei einem "Rapidzykler" zu erwarten gewesen, dem der Kläger nicht zuzurechnen sei.
Der Kläger hat noch einen aktuellen HNO-ärztlichen Befund mit ohrenärztlicher Verordnung einer Hörhilfe vom 17.10.2012 vorgelegt (Bl. 138 SG-Akte).
Mit Gerichtsbescheid vom 6.8.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 20.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2010 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Ausgehend von der übereinstimmenden Leistungsbeurteilung durch Dr. O. und Dr. D.im Verwaltungsverfahren als auch durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. sei der Kläger nach der Beweisaufnahme noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliege. Die vom Kläger gegen die Gutachten von Dr. O. und Dr. F. erhobenen Einwände seien nicht substantiiert vorgetragen worden. Die bei dem Kläger auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führten nicht zu einer rentenberechtigenden Leistungseinschränkung. Während Dr. O. bei dem Kläger in ihrem Gutachten vom 22.10.2009 auf psychiatrischem Fachgebiet eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, zwanghaften und selbstunsicheren Anteilen diagnostiziert habe, habe Dr. F. in seinem Gutachten vom 02.09.2011 bei dem Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet nur noch die Diagnose einer leichten depressiven Episode stellen können. Trotz der unterschiedlichen Diagnosestellung seien beide Gutachter letztlich zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger dennoch jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich möglich seien. Dies sei insbesondere auf Grund des durch Dr. F. erhobenen psychischen Befundes nachvollziehbar. Der Gutachter habe den Kläger, der allein mit dem Pkw zur Begutachtung gekommen war, als orientiert und bewusstseinsklar beschrieben. Der Kläger sei ausreichend moduliert und bei der Schilderung der ihm geltenden Therapien sogar deutlich affektiv resonant gewesen. Der Kläger habe erst anlässlich gezielter und checklistengeleiteter Befragung und Exploration auf seine "Depressionen" hingewiesen. Gegen eine stärkere psychiatrische Erkrankung spreche nach den Angaben des Gutachters außerdem die Vielzahl der Verrichtungen, die der Kläger bezüglich seines Tagesablaufs geschildert habe, so dass hieraus kein Unvermögen des Klägers abgeleitet werden könne, mit den ihm verbliebenen Routine-Anforderungen seines täglichen Lebens fertig zu werden. So sei der Kläger nach seinen Angaben gegenüber Dr. F. in der Lage, seinen Haushalt eigenständig zu führen, Wäsche zu waschen, die Wohnung sauber zu halten und selbständig einkaufen zu gehen. Wie aus den Leitlinien der Beklagten für die sozialmedizinische Begutachtung (Stand August 2012) hervorgehe, bedinge im Übrigen selbst eine mittelgradige oder schwere depressive Episode in den meisten Fällen vorübergehende Arbeitsunfähigkeit und erfordere eine Krankenbehandlung, stelle jedoch in Anbetracht der üblicherweise vollständigen Remission keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit dar. Hinsichtlich des bei dem Kläger vorliegenden Tinnitus, dem der Kläger über Schlafstörungen Einfluss auf seine Depressivität beimesse, habe Dr. F. ausgeführt, dass der Kläger, bislang nicht alles therapeutisch Mögliche, etwa eine Retrainingstherapie, unternommen habe. Der abweichenden Auffassung des Psychiaters St. sei aufgrund der ausführlichen und überzeugenden Angaben des Dr. F. nicht zu folgen. Im Gegensatz zu dem Psychiater St. habe Dr. F. keine "ausgeprägte Konzentrationsstörung" feststellen und nachweisen können. Die auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen führten (lediglich) zu Einschränkungen in qualitativer Hinsicht. Nicht mehr möglich seien dem Kläger Tätigkeiten mit besonderer Beanspruchung an das Gehör, Tätigkeiten verbunden mit Zeitdruck, Publikumsverkehr, erhöhter Verantwortung und nervlicher Belastung sowie Tätigkeiten, die ein erhöhtes Konzentrationsvermögen abverlangten. Bezüglich der Einwände des Klägers hinsichtlich des Gutachtens von Dr. O., wie die Richtigstellung des Alters der Mutter des Klägers oder seines Gewichtes, mitgebrachte Unterlagen seien nicht beachtet worden, keine ausreichende Zeit für eine Untersuchung, die möglicherweise ungenaue oder unzutreffende Darstellung der medizinischen Vorgeschichte des Klägers auf anderen Fachgebieten, angezogene Jacke oder nicht, ließen keine Zweifel an der Richtigkeit der erhobenen Befunde aufkommen. Auch die Einwände gegen das Gutachten des Dr. F., die sich im Wesentlichen in nicht substantiiertem Vortrag und einer Stimmungsmache gegen den Gutachter erschöpften, seien nicht geeignet, Zweifel an der Schlüssigkeit des Gutachtes aufkommen zu lassen. Dem Einwand des Klägers, er habe die Fragen des Gutachters nicht verstehen können, stehe bereits die Ausführlichkeit und der Detailreichtum des Gutachtens entgegen. Im Übrigen habe Dr. F. selbst ausgeführt, dass die beidseitige Hörminderung die sprachliche Verständigung mit dem Kläger nicht beeinträchtigt habe, zumal es sich nach den Angaben des Gutachters um einen gänzlich ruhigen Raum ohne jegliche Nebengeräusche gehandelt und der Abstand zwischen dem Gutachter und dem Kläger lediglich etwa 80 cm betragen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger nur "einzelne Fragmente" verstanden habe oder dass der Gutachter "Druck" auf ihn ausgeübt habe, so dass er auf die gestellten Fragen irgendetwas habe antworten müssen. Im Übrigen habe der Kläger auch nicht näher substantiiert, welche Angaben er nur auf Drängen des Gutachters gemacht habe, um "irgendetwas zu antworten". Er habe auch nicht näher vorgetragen, welche seiner Angaben der Gutachter "absichtlich" weggelassen haben solle oder welche nicht "korrekten Antworten" im Gutachten aufgenommen worden sein sollen. Auch die auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen - Zustand nach Tumorresektion rechter Fuß, Zustand nach lateraler Tibiakopfimpressionsfraktur sowie mehrfragmentärer distaler Fibulafraktur, mittelgradige Kyphoskoliose, Sekundär fibröses Beweglichkeitsdefizit rechte Hüfte - führten gestützt auf das Gutachten des Dr. D.nicht zu einer rentenberechtigenden Leistungseinschränkung. Der Gutachter habe nachvollziehbar anhand der erhobenen Befunde ausgeführt, dass die bei dem Kläger auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich zu qualitativen, nicht jedoch zu quantitativen Leistungseinschränkungen führten. Bei erhaltener linksseitiger Beinachse und funktionell nicht sensomotorisch geprägtem Irritationsmuster der Lendenwirbelsäule mit lediglich lokalem tendomuskulärem Wirbelsäulensyndrom und Fehlstatik bestehe bei adäquater ergonomischer Arbeitsplatzausstattung für eine ausschließlich sitzende Tätigkeit mit intermittierenden Aufricht- und kurzzeitigen Gehphasen ohne zusätzliche Gewichtsbelastung eine vollschichtige Leistungsfähigkeit. Nicht mehr zumutbar seien dem Kläger auch nur episodisch mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten, regelmäßig stehende und gehende Tätigkeiten mit Einzelwegstrecken ) 500 m, regelmäßiges Begehen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten in Rumpfbeuge- oder Verdrehhaltung und freistehende Tätigkeiten mit zusätzlichem feinmotorischen digitalen Bewegungseinsatz oder sonstigem Hantieren. Schließlich führten auch die auf HNO-ärztlichem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen chronischer Tinnitus und beidseitige Hörminderung nicht zu einer rentenberechtigenden Leistungseinschränkung. Hinsichtlich des Tinnitus und der damit verbundenen Auswirkungen auf psychiatrischem Fachgebiet wurde auf die vorhergehenden Ausführungen verwiesen. Hinsichtlich der beidseitigen Hörminderung sei unter Hinweis auf die ohrenärztliche Verordnung vom 17.10.12 ein Ausgleich durch Hörhilfen möglich. Aus den genannten qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ergäben sich weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellten die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar. Auch bestehe bei dem Kläger keine Beschränkung des zumutbaren Arbeitsweges. Zumindest könne sich der Kläger, der im Besitz eines Pkw sei - wie er es auch bei der Begutachtung durch Dr. F. getan habe - mit einem Pkw und ansonsten mit Unterarmgehstützen fortbewegen. Nicht erheblich sei, ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden könne oder nicht. Der Kläger habe aus Altersgründen auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI).
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.08.2014 schriftlich beim SG Berufung eingelegt und sinngemäß vorgetragen, dass aufgrund der Wehrdienstbeschädigung mit nachfolgender Innenohrschwerhörigkeit und schwerem Tinnitus keine ausreichende Sprachverständlichkeit beim Gutachter vorgelegen habe, ausgeprägte Konzentrationsstörungen sowie schwere psychische Störungen, soziale Anpassungsschwierigkeiten und Gleichgewichtsstörungen vorlägen. Es sei eine erneute Auskunft über die nunmehr 76 Behandlungstermine bei Psychiater Dr. St. einzuholen. Im Gutachten der Dr. O. sei die Wehrdienstbeschädigung infolge der Misshandlungen durch Vorgesetzte nicht untersucht worden. Das Gutachten des Dr. F. sei vorsätzlich und grob fahrlässig unrichtig erstellt. Der Gutachter habe seine Fragen gestellt und auch selber beantwortet. Er habe Dr. F. einerseits nicht ausreichend hören und andererseits nicht ausreichend verstehen können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. August 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie St. schriftlich als Sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Auskunft vom 11.11.2014 hat der Psychiater mitgeteilt, den Kläger seit September 2012 regelmäßig in 14-tägigen bis vierwöchigen Abständen zu behandeln. Die letzte Behandlung sei am 10.11.2014 erfolgt. Als Diagnosen wurde Dysthymie (F34.1) und selbstunsicher vermeidende Persönlichkeit (F60.7) mitgeteilt. Der Kläger leide unter einer durchgängigen depressiven Krankheitssymptomatik mit eingeschränkter Schwingungsfähigkeit, Niedergestimmtheit, negativer Kognition bezüglich der Zukunft. Er könne wenig Initiative entfalten. Eine deutliche Reduktion des psychomotorischen Antriebs liege vor. Kreisende, negative Gedanken, die sich vornehmlich mit seiner hoffnungslosen persönlichen Situation beschäftigten, würden nach Ansicht des Klägers sich seit der Bundeswehrzeit mit Knalltrauma negativ entwickelt haben. Wegen seiner fehlenden Initiative, dem eingeschränkten Antrieb und der durchgängig depressiven Stimmungslage sei die Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. Eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei nur mit Einschränkungen möglich, aktuell sei der Kläger arbeitsunfähig. Für die Beurteilung des beruflichen Leidens (gemeint: Leistungsvermögens) liege die Haupterkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet. Die körperlichen Erkrankungen wirkten sich erschwerend auf die psychische Krankheitssymptomatik aus und beeinträchtigten die körperliche Belastungsfähigkeit zusätzlich entscheidend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, weil er im rentenrechtlichen Sinne nicht erwerbsgemindert ist.
Das SG hat nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts, unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen sowie unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG verbunden mit einer rechtsfehlerfreien und ausführlichen Würdigung des Beweisergebnisses zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die erneute Befragung des behandelnden Psychiaters St. hat keine abweichenden Erkenntnisse erbracht und veranlasst auch nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens. Es verbleibt bei der auch den Senat überzeugenden übereinstimmenden Leistungsbeurteilung durch Dr. O., Dr. D.und Dr. F., wonach der Kläger unter Beachtung der vom SG genannten qualitativen Einschränkungen, die sowohl das nervenärztliche als auch das orthopädische Fachgebiet betreffende Gesundheitsstörungen berücksichtigen, noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuführen. Hinsichtlich der vom Facharzt für Psychiatrie St. mitgeteilten Diagnose Dysthymia (F34.1) ist anzumerken, dass damit eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung ohne Auftreten hypomanischer Zustände bezeichnet wird, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Diagnostisch bleibt der behandelnde Psychiater vom Schweregrad damit hinter der Beurteilung von Dr. F. zurück, eventuell auch als Folge der langandauernden Behandlung. Personen mit affektiven Störungen, zu denen die Dysthymia zählt, sind überwiegend in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig (6 Stunden und mehr) regelmäßig auszuüben (Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung, Sozialmedizinische Beurteilung bei psychischen und Verhaltensstörungen, August 2012, S. 98 ff). Die weiter diagnostizierte selbstunsicher vermeidende Persönlichkeit, eine Unterform der Persönlichkeitsstörungen, beeinträchtigt das allgemeine Leistungsvermögen in der Regel ebenfalls nicht (Leitlinien aaO. S. 160). Auch wenn der sachverständige Zeuge von einer deutlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit berichtet und eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit Einschränkungen für möglich hält, steht dies nicht im Gegensatz zu der Beurteilung durch Dr. F., dessen Gutachten Psychiater St. - abgesehen von der zusätzlich zu diagnostizierenden Persönlichkeitsstörung - zugestimmt hat. Ein Hinweis auf eine über auch von Dr. F. bejahte qualitative Einschränkungen hinausgehende quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit lässt sich der Aussage nicht entnehmen. Die vom Kläger behaupteten schwersten kognitiven Defizite hat Psychiater St. nach Kenntnis des Gutachtens von Dr. F. - anders als in seiner Auskunft vom 27.10.2010 gegenüber dem SG - nicht mehr bestätigt. Auch vor dem Hintergrund der Aussage von Psychiater St. erscheint die Behauptung des Klägers, Dr. F. habe sich seine Fragen selbst beantwortet, aus der Luft gegriffen und als ein untaugliches Mittel, sich gegen das vom Ergebnis her nicht genehme Gutachten zur Wehr zu setzen.
Nochmals darauf hinzuweisen ist der Kläger, dass die für die Beurteilung von Erwerbsminderung maßgeblichen Tätigkeiten aus rechtlichen Gründen - wie vom SG ausgeführt - nicht die Tätigkeit als Bauingenieur, sondern auch einfache Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind. Ausgehend davon ist der Kläger nach dem Beweisergebnis nicht erwerbsgemindert, weil er solche Tätigkeiten noch mit gewissen qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr ausüben kann. Vor diesem Hintergrund unerheblich ist daher auch, dass er seit geraumer Zeit arbeitsunfähig ist, da sich die Arbeitsfähigkeit am Bezugsberuf und nicht am allgemeinen Arbeitsmarkt orientiert. Ebenso unerheblich ist, ob die Wehrdienstbeschädigung wissenschaftlich untersucht ist oder nicht, da die Rentenbegutachtung Funktionsbegutachtung ist, also im Wesentlichen die Auswirkungen einer Erkrankung auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben beurteilt werden, die beim Kläger nicht im rentenberechtigenden Grade eingeschränkt ist.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger ist gelernter Bauzeichner und Dipl.-Ing. (FH) Bauingenieur. Zuletzt hat er bis 31.03.2004 als Bauingenieur in der Tragwerksplanung gearbeitet. Vom 30.08.2004 bis 25.11.2004 hat er eine berufliche Ausbildung CAD Architektur Bautechnik absolviert. Vorbereitungen zur selbständigen Tätigkeit mussten krankheitsbedingt abgebrochen werden. Seither ist der Kläger arbeitsunfähig krank und arbeitslos.
Am 30.04.2007 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten und begründete dies mit Bewegungs- und Belastungseinschränkungen am rechten Fuß nach einer Tumorerkrankung. Im beigefügten ärztlichen Attest des Dr. G., Facharzt für Allgemeinmedizin vom 04.04.2007 wurden folgende Diagnosen genannt: Essentieller Hochdruck, Skoliose, Rhinocunjunktivitis allergica, akute allergische Konjunktivitis, monophasisch fibröses Knochensarkom rechts, Kalkaneus sowie Unterschenkelamputation. Zuvor hatte der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme in den Fachkliniken H. absolviert (29.01.2007 bis 23.02.2007). Im beigezogenen Reha-Entlassungsbericht vom 28.02.2007 von dort sind folgende Diagnosen genannt: Z.n. operativer Entfernung eines fibrösen Synovialsarkoms G2 des Musculus plantaris rechts (09/2006) mit Funktionsdefizit rechtes OSG (Stadium pT1, N0, M0 G2 R1). Gehen und Stehen über längere Strecken und Zeit sei nicht möglich. Die Tätigkeit als Bauingenieur könne der Kläger sowohl in Eigenregie als auch als angestellter Bauingenieur weiterhin 6 Stunden und mehr ausüben und fortsetzen. Darauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 20.09.2007 ab. Der Kläger sei trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer fünf-Tage-Woche erwerbstätig zu sein. Hiergegen legte der Kläger am 05.10.2007 Widerspruch ein und ergänzte mit Schreiben vom 28.07.2008 seine Gesundheitsstörungen um Tibiakopf-Impressionsfraktur rechts, Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich der Tibia rechts sowie Weber-B-Fraktur rechts, Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich der Fibula distal (Unfall am 15.01.2008) sowie seit dem Wehrdienst nach Knalltrauma Hörverlust und Tinnitus, Lärmempfindlichkeit, Geräuschempfindlichkeit, Schwindel, Schlafstörungen, Angstzustände und Depressionen. Auf Anfrage der Beklagten teilte der HNO-Arzt des Klägers Dr. B. mit, der Kläger leide seit Mitte 2008 gesichert an Tinnitus aurium (Bl. 115 VA). Die Beklagte ließ den Kläger durch die Ärztin für Nervenheilkunde Dr. O. begutachten. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 22.10.2009 folgende Diagnosen: Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, zwanghaften und selbstunsicheren Anteilen, Z.n. Resektion eines synovialen Sarkoms des M. plantaris rechts 02/2006, Tinnitus und Hypakusis beidseits sowie Z.n. Mehrfragmentfraktur der rechten Tibia und des rechten Sprunggelenks 01/2008. Dem Kläger dringend empfohlene Therapiemöglichkeiten, insbesondere im Sinne einer Verhaltenstherapie, seien von dem Kläger bei fehlender Motivation und fehlendem Antrieb bisher nicht in die Wege geleitet worden. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei dahingehend eingeschränkt, dass ihm Tätigkeiten überwiegend im Gehen, auf Leitern und Gerüsten nicht mehr zumutbar seien. Eine Tätigkeit mit fest vorgeschriebener Struktur in seinem Beruf sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Sitzen sei dem Kläger noch vollschichtig zumutbar. Gegen dieses Gutachten hat der Kläger Einwände erhoben. Die weitere orthopädische Begutachtung durch Dr. D.(Gutachten vom 26.01.2010) ergab folgende Diagnosen: 1. Bislang vier Jahre rezidivfreies, histologisch monophasisch fibröses Synovialsarkom Malignitätsgrad II, R1 (ED 09/2005) mit Zustand nach intraläsionaler Tumorresektion 02/2006 und adjuvanter Radiatio bis 50,4/64,8 Gy 06-07/2006 mit schmerzhafter Strahlendystrophie und ausgedünnter Fibrose der rechten Fußsohle und Einschränkung der Steh- und Gehbelastungsfähigkeit mit limitierter Gehstrecke und Gehhilfebedarf. ICD C 49.2-R-G 2. Zustand nach lateraler Tibiakopfimpressionsfraktur sowie mehrfragmentärer distaler Fibulafraktur Typ Weber-B nach Wegeunfall vom 15.01.2008 mit osteosynthetisch gelenkflächenrekonstruierender und belastungsstatisch korrekter Versorgung ohne auffällige Sekundärarthrosen am 22.01.2008 mit einliegendem Metall und posttraumatisch verstärkter Belastungsreduktion des rechten Beines mit sekundärverstärkter Teilimmobilisationsatrophie Unterschenkelniveau – 3 cm, Oberschenkelniveau – 5 cm. ICD C F 82.18 und S 82.6 -R-G 3. Konstitutionell bereits kindliche mittelgradige Kyphoskoliose mit territorial segmentaler Entfaltungsbehinderung thorakolumbal sowie schmerzhafter muskulärer Dysbalance ohne radikuläre Irritation oder klinisch manifeste Bandscheibenschäden. ICD M 41.00 -G 4. Sekundär fibröses Beweglichkeitsdefizit rechte Hüfte mit leichter Außenrotationskontraktur und lumbopelviner Bewegungssteifigkeit bei Fehl-/Minderbelastung rechtes Bein, konstitutioneller Beinverkürzung rechts ca. 1,5 cm und Beckenfehlstellung durch skoliotische muskuläre Dysbalance. ICD M 24.55-R-G
Außer-orthopädische Nebendiagnosen: Chronischer Tinnitus, reaktive leichte Depression, Verdacht auf kindlich erziehungsprovozierte Persönlichkeitsstörung im Sinne der ICD F 62.0. Bei adäquater ergonomischer Arbeitsplatzausstattung bestehe für eine ausschließlich sitzende Tätigkeit mit intermittierenden Aufricht- und kurzzeitigen Gehphasen ohne zusätzliche Gewichtsbelastung eine vollschichtige Leistungsfähigkeit.
Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2010 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 07.06.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat geltend gemacht, dass er unter betriebsüblichen Bedingungen keine sechs Stunden täglich arbeiten könne. Es liege ein dekompensierter Tinnitus Grad IV - sehr schwergradig - aus einer Wehrdienstbeschädigung vor. (Anm.: "Ohrgeräusche nach Knalltrauma" wurden mit Bescheid des Landratsamts B. vom 13.07.2009 als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung festgestellt). Die Klage auf Beschädigtengrundrente und die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen blieb erfolglos, Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12.02.2013 - L 6 VS 2273/12).
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers St. und Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. HNO-Arzt Dr. B. hat unter dem 09.09.2010 angegeben, seit seinem letzten Befundbericht hätten keine Konsultationen stattgefunden. Die Fragen zur Belastbarkeit seien auf hausärztlichen und neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet zu beantworten. Der Facharzt für Psychiatrie St. hat mit Stellungnahme vom 27.10.2010 mitgeteilt, im psychischen Befund seien massive Überlastungs- und Überforderungsgefühle, reduzierte Selbstsicherheit, insgesamt niedergeschlagener Affekt mit vermindertem Antrieb bei selbstunsicherer abhängiger Persönlichkeitsstörung auffällig. Auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers wirke sich die seelische Störung als eine ausgeprägte Konzentrationsstörung und nur geringgradige Belastbarkeit - täglich unter 3 Stunden - im beruflichen Alltag aus.
Das SG hat ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. F. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 02.09.2011 bei dem Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Leichte körperliche Arbeiten könne der Kläger überwiegend im Sitzen - allenfalls selten einmal unterbrochen durch notwendige kürzere Distanzen - noch ausüben. Häufiges Bücken, Treppensteigen und Tätigkeiten mit besonderer Beanspruchung an das Gehör kämen nicht mehr in Betracht. Zeitdruck, Publikumsverkehr und erhöhte Verantwortung sowie Tätigkeiten unter nervlicher Belastung seien zu vermeiden. Ein erhöhtes Konzentrationsvermögen könne nicht mehr abverlangt werden. Derartige Tätigkeiten könne der Kläger noch sechs Stunden täglich ausüben. Strecken von mehr als 500 m könne der Kläger bei einem Zeitraufwand von 15 bis 18 Minuten derzeit nicht zurücklegen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ebenfalls problematisch. Mit einem Pkw könne sich der Kläger jedoch durchaus noch fortbewegen. Ausgeprägte Konzentrationsstörungen habe der Gutachter nicht feststellen können.
Der Kläger hat Einwände gegen das Gutachten des Dr. F. erhoben. Auf Grund seines Hörschadens habe es Verständigungsprobleme gegeben. Zudem sei er wegen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome seit Dezember 2010 krankgeschrieben.
Dr. F. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.11.2011 hierzu mitgeteilt, dass die sprachliche Verständigung nicht beeinträchtigt gewesen sei, insbesondere der Kläger dies bei der Untersuchung auch nicht thematisiert habe. Belegt werde dies durch die sinngemäßen Antworten des Klägers. Die Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome beruhe erfahrungsgemäß nicht auf eingehender und operationaler Depressionsdiagnostik und sei mithin nicht mit der von ihm gestellten Diagnose vergleichbar. Im Übrigen habe mit der eigenen Diagnose "depressive Episode" nur ein vergleichsweise kurzfristiger Ist-Zustand erfasst werden können. Eine sich rasch ändernde Depressionstiefe wäre nur bei Vorliegen einer affektiven Psychose bzw. bei einem "Rapidzykler" zu erwarten gewesen, dem der Kläger nicht zuzurechnen sei.
Der Kläger hat noch einen aktuellen HNO-ärztlichen Befund mit ohrenärztlicher Verordnung einer Hörhilfe vom 17.10.2012 vorgelegt (Bl. 138 SG-Akte).
Mit Gerichtsbescheid vom 6.8.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 20.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2010 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Ausgehend von der übereinstimmenden Leistungsbeurteilung durch Dr. O. und Dr. D.im Verwaltungsverfahren als auch durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. sei der Kläger nach der Beweisaufnahme noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliege. Die vom Kläger gegen die Gutachten von Dr. O. und Dr. F. erhobenen Einwände seien nicht substantiiert vorgetragen worden. Die bei dem Kläger auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führten nicht zu einer rentenberechtigenden Leistungseinschränkung. Während Dr. O. bei dem Kläger in ihrem Gutachten vom 22.10.2009 auf psychiatrischem Fachgebiet eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, zwanghaften und selbstunsicheren Anteilen diagnostiziert habe, habe Dr. F. in seinem Gutachten vom 02.09.2011 bei dem Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet nur noch die Diagnose einer leichten depressiven Episode stellen können. Trotz der unterschiedlichen Diagnosestellung seien beide Gutachter letztlich zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger dennoch jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich möglich seien. Dies sei insbesondere auf Grund des durch Dr. F. erhobenen psychischen Befundes nachvollziehbar. Der Gutachter habe den Kläger, der allein mit dem Pkw zur Begutachtung gekommen war, als orientiert und bewusstseinsklar beschrieben. Der Kläger sei ausreichend moduliert und bei der Schilderung der ihm geltenden Therapien sogar deutlich affektiv resonant gewesen. Der Kläger habe erst anlässlich gezielter und checklistengeleiteter Befragung und Exploration auf seine "Depressionen" hingewiesen. Gegen eine stärkere psychiatrische Erkrankung spreche nach den Angaben des Gutachters außerdem die Vielzahl der Verrichtungen, die der Kläger bezüglich seines Tagesablaufs geschildert habe, so dass hieraus kein Unvermögen des Klägers abgeleitet werden könne, mit den ihm verbliebenen Routine-Anforderungen seines täglichen Lebens fertig zu werden. So sei der Kläger nach seinen Angaben gegenüber Dr. F. in der Lage, seinen Haushalt eigenständig zu führen, Wäsche zu waschen, die Wohnung sauber zu halten und selbständig einkaufen zu gehen. Wie aus den Leitlinien der Beklagten für die sozialmedizinische Begutachtung (Stand August 2012) hervorgehe, bedinge im Übrigen selbst eine mittelgradige oder schwere depressive Episode in den meisten Fällen vorübergehende Arbeitsunfähigkeit und erfordere eine Krankenbehandlung, stelle jedoch in Anbetracht der üblicherweise vollständigen Remission keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit dar. Hinsichtlich des bei dem Kläger vorliegenden Tinnitus, dem der Kläger über Schlafstörungen Einfluss auf seine Depressivität beimesse, habe Dr. F. ausgeführt, dass der Kläger, bislang nicht alles therapeutisch Mögliche, etwa eine Retrainingstherapie, unternommen habe. Der abweichenden Auffassung des Psychiaters St. sei aufgrund der ausführlichen und überzeugenden Angaben des Dr. F. nicht zu folgen. Im Gegensatz zu dem Psychiater St. habe Dr. F. keine "ausgeprägte Konzentrationsstörung" feststellen und nachweisen können. Die auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen führten (lediglich) zu Einschränkungen in qualitativer Hinsicht. Nicht mehr möglich seien dem Kläger Tätigkeiten mit besonderer Beanspruchung an das Gehör, Tätigkeiten verbunden mit Zeitdruck, Publikumsverkehr, erhöhter Verantwortung und nervlicher Belastung sowie Tätigkeiten, die ein erhöhtes Konzentrationsvermögen abverlangten. Bezüglich der Einwände des Klägers hinsichtlich des Gutachtens von Dr. O., wie die Richtigstellung des Alters der Mutter des Klägers oder seines Gewichtes, mitgebrachte Unterlagen seien nicht beachtet worden, keine ausreichende Zeit für eine Untersuchung, die möglicherweise ungenaue oder unzutreffende Darstellung der medizinischen Vorgeschichte des Klägers auf anderen Fachgebieten, angezogene Jacke oder nicht, ließen keine Zweifel an der Richtigkeit der erhobenen Befunde aufkommen. Auch die Einwände gegen das Gutachten des Dr. F., die sich im Wesentlichen in nicht substantiiertem Vortrag und einer Stimmungsmache gegen den Gutachter erschöpften, seien nicht geeignet, Zweifel an der Schlüssigkeit des Gutachtes aufkommen zu lassen. Dem Einwand des Klägers, er habe die Fragen des Gutachters nicht verstehen können, stehe bereits die Ausführlichkeit und der Detailreichtum des Gutachtens entgegen. Im Übrigen habe Dr. F. selbst ausgeführt, dass die beidseitige Hörminderung die sprachliche Verständigung mit dem Kläger nicht beeinträchtigt habe, zumal es sich nach den Angaben des Gutachters um einen gänzlich ruhigen Raum ohne jegliche Nebengeräusche gehandelt und der Abstand zwischen dem Gutachter und dem Kläger lediglich etwa 80 cm betragen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger nur "einzelne Fragmente" verstanden habe oder dass der Gutachter "Druck" auf ihn ausgeübt habe, so dass er auf die gestellten Fragen irgendetwas habe antworten müssen. Im Übrigen habe der Kläger auch nicht näher substantiiert, welche Angaben er nur auf Drängen des Gutachters gemacht habe, um "irgendetwas zu antworten". Er habe auch nicht näher vorgetragen, welche seiner Angaben der Gutachter "absichtlich" weggelassen haben solle oder welche nicht "korrekten Antworten" im Gutachten aufgenommen worden sein sollen. Auch die auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen - Zustand nach Tumorresektion rechter Fuß, Zustand nach lateraler Tibiakopfimpressionsfraktur sowie mehrfragmentärer distaler Fibulafraktur, mittelgradige Kyphoskoliose, Sekundär fibröses Beweglichkeitsdefizit rechte Hüfte - führten gestützt auf das Gutachten des Dr. D.nicht zu einer rentenberechtigenden Leistungseinschränkung. Der Gutachter habe nachvollziehbar anhand der erhobenen Befunde ausgeführt, dass die bei dem Kläger auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich zu qualitativen, nicht jedoch zu quantitativen Leistungseinschränkungen führten. Bei erhaltener linksseitiger Beinachse und funktionell nicht sensomotorisch geprägtem Irritationsmuster der Lendenwirbelsäule mit lediglich lokalem tendomuskulärem Wirbelsäulensyndrom und Fehlstatik bestehe bei adäquater ergonomischer Arbeitsplatzausstattung für eine ausschließlich sitzende Tätigkeit mit intermittierenden Aufricht- und kurzzeitigen Gehphasen ohne zusätzliche Gewichtsbelastung eine vollschichtige Leistungsfähigkeit. Nicht mehr zumutbar seien dem Kläger auch nur episodisch mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten, regelmäßig stehende und gehende Tätigkeiten mit Einzelwegstrecken ) 500 m, regelmäßiges Begehen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten in Rumpfbeuge- oder Verdrehhaltung und freistehende Tätigkeiten mit zusätzlichem feinmotorischen digitalen Bewegungseinsatz oder sonstigem Hantieren. Schließlich führten auch die auf HNO-ärztlichem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen chronischer Tinnitus und beidseitige Hörminderung nicht zu einer rentenberechtigenden Leistungseinschränkung. Hinsichtlich des Tinnitus und der damit verbundenen Auswirkungen auf psychiatrischem Fachgebiet wurde auf die vorhergehenden Ausführungen verwiesen. Hinsichtlich der beidseitigen Hörminderung sei unter Hinweis auf die ohrenärztliche Verordnung vom 17.10.12 ein Ausgleich durch Hörhilfen möglich. Aus den genannten qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ergäben sich weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellten die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar. Auch bestehe bei dem Kläger keine Beschränkung des zumutbaren Arbeitsweges. Zumindest könne sich der Kläger, der im Besitz eines Pkw sei - wie er es auch bei der Begutachtung durch Dr. F. getan habe - mit einem Pkw und ansonsten mit Unterarmgehstützen fortbewegen. Nicht erheblich sei, ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden könne oder nicht. Der Kläger habe aus Altersgründen auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI).
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.08.2014 schriftlich beim SG Berufung eingelegt und sinngemäß vorgetragen, dass aufgrund der Wehrdienstbeschädigung mit nachfolgender Innenohrschwerhörigkeit und schwerem Tinnitus keine ausreichende Sprachverständlichkeit beim Gutachter vorgelegen habe, ausgeprägte Konzentrationsstörungen sowie schwere psychische Störungen, soziale Anpassungsschwierigkeiten und Gleichgewichtsstörungen vorlägen. Es sei eine erneute Auskunft über die nunmehr 76 Behandlungstermine bei Psychiater Dr. St. einzuholen. Im Gutachten der Dr. O. sei die Wehrdienstbeschädigung infolge der Misshandlungen durch Vorgesetzte nicht untersucht worden. Das Gutachten des Dr. F. sei vorsätzlich und grob fahrlässig unrichtig erstellt. Der Gutachter habe seine Fragen gestellt und auch selber beantwortet. Er habe Dr. F. einerseits nicht ausreichend hören und andererseits nicht ausreichend verstehen können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. August 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie St. schriftlich als Sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Auskunft vom 11.11.2014 hat der Psychiater mitgeteilt, den Kläger seit September 2012 regelmäßig in 14-tägigen bis vierwöchigen Abständen zu behandeln. Die letzte Behandlung sei am 10.11.2014 erfolgt. Als Diagnosen wurde Dysthymie (F34.1) und selbstunsicher vermeidende Persönlichkeit (F60.7) mitgeteilt. Der Kläger leide unter einer durchgängigen depressiven Krankheitssymptomatik mit eingeschränkter Schwingungsfähigkeit, Niedergestimmtheit, negativer Kognition bezüglich der Zukunft. Er könne wenig Initiative entfalten. Eine deutliche Reduktion des psychomotorischen Antriebs liege vor. Kreisende, negative Gedanken, die sich vornehmlich mit seiner hoffnungslosen persönlichen Situation beschäftigten, würden nach Ansicht des Klägers sich seit der Bundeswehrzeit mit Knalltrauma negativ entwickelt haben. Wegen seiner fehlenden Initiative, dem eingeschränkten Antrieb und der durchgängig depressiven Stimmungslage sei die Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. Eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei nur mit Einschränkungen möglich, aktuell sei der Kläger arbeitsunfähig. Für die Beurteilung des beruflichen Leidens (gemeint: Leistungsvermögens) liege die Haupterkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet. Die körperlichen Erkrankungen wirkten sich erschwerend auf die psychische Krankheitssymptomatik aus und beeinträchtigten die körperliche Belastungsfähigkeit zusätzlich entscheidend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, weil er im rentenrechtlichen Sinne nicht erwerbsgemindert ist.
Das SG hat nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts, unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen sowie unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG verbunden mit einer rechtsfehlerfreien und ausführlichen Würdigung des Beweisergebnisses zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die erneute Befragung des behandelnden Psychiaters St. hat keine abweichenden Erkenntnisse erbracht und veranlasst auch nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens. Es verbleibt bei der auch den Senat überzeugenden übereinstimmenden Leistungsbeurteilung durch Dr. O., Dr. D.und Dr. F., wonach der Kläger unter Beachtung der vom SG genannten qualitativen Einschränkungen, die sowohl das nervenärztliche als auch das orthopädische Fachgebiet betreffende Gesundheitsstörungen berücksichtigen, noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuführen. Hinsichtlich der vom Facharzt für Psychiatrie St. mitgeteilten Diagnose Dysthymia (F34.1) ist anzumerken, dass damit eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung ohne Auftreten hypomanischer Zustände bezeichnet wird, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Diagnostisch bleibt der behandelnde Psychiater vom Schweregrad damit hinter der Beurteilung von Dr. F. zurück, eventuell auch als Folge der langandauernden Behandlung. Personen mit affektiven Störungen, zu denen die Dysthymia zählt, sind überwiegend in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig (6 Stunden und mehr) regelmäßig auszuüben (Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung, Sozialmedizinische Beurteilung bei psychischen und Verhaltensstörungen, August 2012, S. 98 ff). Die weiter diagnostizierte selbstunsicher vermeidende Persönlichkeit, eine Unterform der Persönlichkeitsstörungen, beeinträchtigt das allgemeine Leistungsvermögen in der Regel ebenfalls nicht (Leitlinien aaO. S. 160). Auch wenn der sachverständige Zeuge von einer deutlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit berichtet und eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit Einschränkungen für möglich hält, steht dies nicht im Gegensatz zu der Beurteilung durch Dr. F., dessen Gutachten Psychiater St. - abgesehen von der zusätzlich zu diagnostizierenden Persönlichkeitsstörung - zugestimmt hat. Ein Hinweis auf eine über auch von Dr. F. bejahte qualitative Einschränkungen hinausgehende quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit lässt sich der Aussage nicht entnehmen. Die vom Kläger behaupteten schwersten kognitiven Defizite hat Psychiater St. nach Kenntnis des Gutachtens von Dr. F. - anders als in seiner Auskunft vom 27.10.2010 gegenüber dem SG - nicht mehr bestätigt. Auch vor dem Hintergrund der Aussage von Psychiater St. erscheint die Behauptung des Klägers, Dr. F. habe sich seine Fragen selbst beantwortet, aus der Luft gegriffen und als ein untaugliches Mittel, sich gegen das vom Ergebnis her nicht genehme Gutachten zur Wehr zu setzen.
Nochmals darauf hinzuweisen ist der Kläger, dass die für die Beurteilung von Erwerbsminderung maßgeblichen Tätigkeiten aus rechtlichen Gründen - wie vom SG ausgeführt - nicht die Tätigkeit als Bauingenieur, sondern auch einfache Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind. Ausgehend davon ist der Kläger nach dem Beweisergebnis nicht erwerbsgemindert, weil er solche Tätigkeiten noch mit gewissen qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr ausüben kann. Vor diesem Hintergrund unerheblich ist daher auch, dass er seit geraumer Zeit arbeitsunfähig ist, da sich die Arbeitsfähigkeit am Bezugsberuf und nicht am allgemeinen Arbeitsmarkt orientiert. Ebenso unerheblich ist, ob die Wehrdienstbeschädigung wissenschaftlich untersucht ist oder nicht, da die Rentenbegutachtung Funktionsbegutachtung ist, also im Wesentlichen die Auswirkungen einer Erkrankung auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben beurteilt werden, die beim Kläger nicht im rentenberechtigenden Grade eingeschränkt ist.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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