Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 322/11
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einer vollstationären Einrichtung für behinderte Menschen nach § 43 a SGB XI kann es sich um einen
sonst geeigneten Ort nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V handeln.
Auch in vollstationären Einrichtungen für behinderte Menschen nach § 43 a SGB XI, in denen Unterkunft und
Verpflegung gewährt und eine Eingliederungshilfe gezahlt wird, besteht ein Anspruch auf häusliche
Krankenpflege (Behandlungspflege) nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V, wenn und solange kein vertraglicher
Anspruch gegenüber der Einrichtung auf diese Leistung besteht (vgl. auch SG Lübeck, Urteil vom 18. Februar
2014, S 1 KR 743/12).
sonst geeigneten Ort nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V handeln.
Auch in vollstationären Einrichtungen für behinderte Menschen nach § 43 a SGB XI, in denen Unterkunft und
Verpflegung gewährt und eine Eingliederungshilfe gezahlt wird, besteht ein Anspruch auf häusliche
Krankenpflege (Behandlungspflege) nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V, wenn und solange kein vertraglicher
Anspruch gegenüber der Einrichtung auf diese Leistung besteht (vgl. auch SG Lübeck, Urteil vom 18. Februar
2014, S 1 KR 743/12).
1. Die Bescheide der Beklagten vom 27. Mai 2010, 24. Juni 2010 und 04. August 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. November 2010 werden aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege nach und unter entsprechender Vorlage der Rechnungen und der Leistungsnachweise freizustellen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Freistellung von den Kosten für die häusliche Krankenpflege.
Die 1954 geborene und bei der Beklagten seit 1996 als Rentnerin versicherte Klägerin leidet unter einem Down-Syndrom und wohnt seit 2009 in der DRK-Wohnstätte für Menschen mit Behinderungen in Kaltenkirchen. Die sie dort betreuende Ärztin Dr. verordnete wegen Blasenbildung im Fersen- und Zehenbereich einmal täglich und 7-mal wöchentlich das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2010. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27. Mai 2010 Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit der Begründung ab, die Klägerin lebe in einer vollstationären Einrichtung und führe keinen eigenen Haushalt. Dagegen erhob die Klägerin am 7. Juni 2010 Widerspruch, ohne diesen näher zu begründen.
Dr. verordnete am 4. Juni 2010 erneut häusliche Krankenpflege, und zwar 1 x täglich und 7 x wöchentlich Injektionen sowie 1 x täglich und 7 x wöchentlich das Anlegen von Kompressionsverbänden wegen einer Beckenvenenthrombose sowie am 18. Juni 2010 1 x täglich und 7 x wöchentlich das Anziehen einer Kompressionsstrumpfhose (Zeitraum insgesamt vom 4. Juni bis 8. Juli 2010).
Auch diese Leistungen lehnte die Beklagte ab, und zwar mit Bescheid vom 24. Juni 2010, erneut unter Hinweis darauf, dass die Klägerin in einer Einrichtung der Hilfe für Behinderte lebe. Dagegen erhob die Klägerin keinen Widerspruch.
Schließlich verordnete Dr. für den Zeitraum vom 8. Juli bis zum 30. September einmal täglich und 7-mal wöchentlich häusliche Krankenpflege für das Anziehen einer Kompressionsstrumpfhose. Auch diese Leistungen lehnte die Beklagte ab, unter Wiederholung der bisherigen Begründung. Gegen diesen Bescheid wurde Widerspruch erhoben (13. August 2010).
Mit Bescheid vom 1. November 2010 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 27. Mai und 4. August 2010 zurück und führte zur Begründung aus, die Klägerin lebe in einer Einrichtung für behinderte Menschen, bei der es sich um eine vollstationäre Einrichtung nach § 43 a SGB XI handele. Die Bewohner erhielten hier Unterkunft und Verpflegung als Leistungen der Eingliederungshilfe und führten insofern keinen eigenen Haushalt. In diesem Zusammenhang gelte die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 1. September 2005, Aktenzeichen B 3 KR 19/04 R). Darin sei ausgeführt worden, dass Krankenkassen nicht zu Leistungen der häuslichen Krankenpflege verpflichtet seien, wenn es sich bei dem Aufenthaltsort in einer Behinderteneinrichtung an dem Erfordernis eines eigenen Haushalts mangele. Es handele sich dabei nicht um ein reguläres Mietverhältnis sondern um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII. Die DRK-Wohnstätte sei kein geeigneter Ort im Sinne des § 37 Abs.2 Satz 1 SGB V, insbesondere keine betreute Wohnform. Betreute Wohnformen seien speziell von Heimen im Sinne des Heimgesetzes abzugrenzen. Die Entscheidung betraf alle Bescheide über häusliche Krankenpflege, auch hinsichtlich des nicht angefochtenen Bescheides vom 24. Juni 2010 (Zeitraum 4. Juni bis 8. Juli 2010).
Dagegen richtet sich die am 6. Dezember 2010 bei dem Sozialgericht Itzehoe erhobene Klage, die durch Beschluss vom 28. Januar 2011 an das örtlich zuständige Sozialgericht Lübeck verwiesen worden ist.
Zur Begründung macht die Klägerin geltend, sie habe einen Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V, denn auch in Wohnstätten der Eingliederungshilfe sei diese zu leisten, da es sich dabei um einen sonstigen geeigneten Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V handele.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 27. Mai 2010, 24. Juni 2010 und 04. August 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. November 2010 zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten für die häusliche Krankenpflege in dem Zeitraum vom 01. Januar bis zum 30. April 2010 und vom 04. Juni bis zum 09. September 2010 unter entsprechender Vorlage der Rechnungen und der Leistungsnachweise freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wendet ein, die beispielhaft aufgeführten Orte betreute Wohnformen, Schulen und Kindergärten stellten keine abschließende Aufzählung dar, sprächen aber insgesamt gegen eine undifferenzierte Ausweitung des Haushaltsbegriffs. Der Begriff sonstiger geeigneter Orte beziehe sich nur auf besondere Wohnformen, die dem betreuten Wohnen in Flexibilität und Ähnlichkeit einem eigenen Haushalt nahe käme. Stationäre Einrichtungen mit einer geschuldeten Rundumversorgung entsprächen nicht diesem Leitbild.
Die Kammer hat das Deutsche Rote Kreuz, Kreisverband Bad Segeberg (zu 1), den Kreis Pinneberg, der Landrat, Fachdienst Soziales (zu 2) nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG (zu 1) sowie nach § 75 Abs. 2 Satz 1 SGG (zu 2) beigeladen.
Der Beigeladene zu 2) hat darauf hingewiesen, dass in gleicher Angelegenheit bereits ein Verfahren gegen ihn unter dem Aktenzeichen S betrieben werde und es sich teilweise um dieselben Zeiträume handele.
Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene zu 1) hat darauf hingewiesen, dass sie Eingliederungshilfe der Klägerin leiste, die auch pflegerische Tätigkeiten beinhalte, allerdings nicht behandlungspflegerische Maßnahmen einschließe. Der vereinbarte Personalschlüssel sehe einzig pflegerische Hilfspersonen und eine pflegerische Fachkraft mit einem Deputat von 0,9% vor, was einer täglichen Arbeitszeit von 0,01 Stunden entspreche. Dabei sei unschwer zu erkennen, dass auf Grundlage dieser vereinbarten Leistung eine adäquate Behandlungspflege nicht geleistet werden könne. Es könne nicht sein, dass – vor allem wenn man die gesundheitlich sehr kritische Situation 2009 bedenke – eine Schlechterstellung einzig mit der Begründung des Wohnortes geschehe.
Auch die Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Verwaltungs- und die Gerichtsakte vorgelegen, ebenso die Gerichtsakte S. Darauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, auch soweit sie sich gegen den Bescheid vom 24. Juni 2010 richtet, denn die Beklagte hat auch über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides im Widerspruchsbescheid entschieden. Die Klage ist auch in dem beantragten Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie waren deshalb aufzuheben und die Klägerin von den Forderungen des Entgelts für die geleistete häusliche Krankenpflege in dem benannten Zeitraum unter Vorlage aller Rechnungen und Leistungsnachweise freizustellen.
Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war ( § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V ). Bei bereits erfolgter Rechnungslegung ist der Versicherte von den Kosten freizustellen, soweit die Rechnungen nicht bezahlt worden sind, was vorliegend der Fall ist.
Zu Unrecht abgelehnt ist eine Leistung dann, wenn zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme ein Leistungsanspruch bestand. Der Anspruch auf Kostenerstattung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten voraus. Ohne diesen Zusammenhang ist die in § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V (vgl "dadurch ... entstanden") geregelte Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz (vgl § 2 Abs 2 Satz 1, § 13 Abs 1 SGB V) nicht erfüllt (BSGE 79, 125, 127 = SozR 3 2500 § 13 Nr 11 S 51; BSG SozR 3 2500 § 13 Nr 15 S 74 f; BSG SozR 4 2500 § 13 Nr 1 RdNr 12 bis 14). Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 SGB V ist ausgeschlossen, wenn die Entscheidung der Krankenkasse das weitere Geschehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Leistung nicht mehr beeinflussen konnte, weil der Betroffene sich bereits unabhängig vom Verhalten seiner Krankenkasse endgültig auf eine bestimmte Leistungsform festgelegt hatte. Der Versicherte ist indessen vor der Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Sachleistungssystems grundsätzlich gehalten, sich an seine Krankenkasse zu wenden, die Leistungsgewährung zu beantragen (BSG SozR 3 2500 § 13 Nr 15 S 74) und die Entscheidung der Krankenkasse darüber abzuwarten (BSG SozR 4 2500 § 13 Nr 1 RdNr 11). Ein Abwarten des Ausgangs des Widerspruchsverfahrens ist allerdings nicht erforderlich.
Diese Voraussetzungen werden von der Klägerin sowohl formal als auch materiell, was noch auszuführen sein wird, erfüllt. Die Beklagte hat mithin die Sachleistung zu Unrecht abgelehnt, so dass die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von den ihr entstandenen Kosten geltend machen kann.
Der Anspruch eines Versicherten auf häusliche Krankenpflege als Behandlungspflege ergibt sich aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung -GKV-Wettbewerbs-Stärkungs-Gesetz – GKV-WSG- vom 26.03.2007, BGBl I S. 378). Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Diese Neuregelung bewirkt durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden (Begründung zum GKV-WSG). Nach den Merkmalen des zwischen dem Kläger und dem Träger der Einrichtung geschlossenen Vertrages geht die Kammer davon aus, dass es sich um eine Einrichtung des betreuten Wohnens handelt. In derartigen Einrichtungen bestand ein Anspruch auf Krankenpflege nach § 37 SGB V bisher und bis zum 31. März 2007 dann nicht, wenn ein Versicherter neben einem Mietvertrag auch einen Betreuungsvertrag mit dem Träger abgeschlossen hat, in dem Letzterer sich verpflichtete, die notwendigen Maßnahmen auch ohne zusätzliche Vergütung zu gewähren.
Mit Wirkung zum 01.04.2007 hat der Gesetzgeber weitere Tatbestandsmerkmale zugefügt. Die Unsicherheit darüber, wann beim betreuten Wohnen Krankenpflege durch die GKV zu gewähren ist, hat er im Sinne des betreuten Wohnens entschieden. Krankenpflege in betreuter Wohnform ist jetzt ausdrücklich in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen eingeschlossen worden (Pade in JURIS, Praxiskommentar zum SGB V, 1. Auflage 2007, § 37 Rn 25). Die frühere Rechtsprechung zur alten Formulierung, wo auch bei betreuter Wohnform der "eigene" Haushalt der Maßstab war, d. h. der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst tragen muss (BSG, Urteil v. 01.09.2005, Az.: B 3 KR 19/04 R) und der Leistungsanspruch nur dann besteht, wenn die Versorgung des Versicherten nicht (vertraglich) umfassend von der Einrichtung geschuldet wird, gilt ab 01.04.2007 nicht mehr, weil der weitere Ort der Leistungserbringung, die "betreute Wohnform", ausdrücklich genannt ist und eine weitere Anspruchsgrundlage neben dem "eigenen Haushalt" darstellt.
Das Abstellen auf den eigenen Haushalt ist also seitdem überholt, und es verwundert, dass die Beklagte nach wie vor mit dieser Begründung Leistungen der häuslichen Krankenpflege ablehnt. Die Gesetzesänderung bewirkte jedenfalls, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht mehr benachteiligt werden (GKV-WSG Begründung zu Artikel 1 Nr. 22 BT-Drs. 16/3100 Seite 104 = M 016 Seite 42). Der Heimbegriff ist ebenfalls nicht entscheidend. Auch stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII können geeignete Orte im Sinne des § 37 SGB V sein, in denen in die Krankenkassen deshalb für ambulante Leistungen der häuslichen Krankenpflege in ihnen als leistungspflichtig in Betracht kommen (Hauck, Noftz, juris Praxiskommentar, § 37 Rn 63).
Es ist deshalb nicht entscheidungserheblich, ob – wie die Beklagte zunächst behauptet hat – die Klägerin in einer betreuten Wohnform lebt oder es sich um einen sonstigen geeigneten Ort handelt.
Denn die nach der Gesetzesänderung angepassten Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Absatz 7 SGB V in der Fassung der Änderungen vom 17. Januar 2008 und 10. April 2008, veröffentlich im Bundesanzeiger 2008 Nr. 84 Seite 2028, 2029 und 2030 stellen ergänzend klar, dass es sich bei den sonstigen geeigneten Orten um Orte handelt, an denen sich die Versicherten regelmäßig wiederkehrend aufhalten und die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann sowie für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (I Buchstabe 2 Satz 2 der HKP-Richtlinien). Zu diesen sonstigen geeigneten Orte gehören auch Einrichtungen der Eingliederung von Behinderten, dies ergibt sich mangels Ausschluss indirekt aus I Buchstabe 6 Absatz 1 der HKP – Richtlinien (vgl. Urteil des SG Lübeck, vom 18. Februar 2014, S 1 KR 743/12; SG Lübeck, Urteil vom 29. Juni 2012, S 1 KR 1226/11).
Danach sind nicht als sonst geeigneter Ort lediglich Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Hospize und Pflegeheime bezeichnet. Die ursprünglich geplante Erwähnung von Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Behinderte in diesem Absatz wurde im Laufe des Verfahrens zum Erlass der HKP-Richtlinie zum Teil stark kritisiert und ist nun nicht (mehr) in den Richtlinien enthalten, so dass diese Einrichtungen nicht von vorneherein als sonst geeignete Orte aus der Leistungspflicht der Krankenkassen ausscheiden. Hier ist – in Anlehnung an die Rechtsprechung zum betreuten Wohnen – anhand des zwischen Versichertem und Einrichtung auf der Grundlage von Landesrahmenverträgen nach § 79 SGB XII und Verträgen zwischen Sozialhilfeträgern und Einrichtungsträgern nach § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII geschlossenen Vertrags im Einzelfall danach abzugrenzen, ob die konkret begehrte Pflege von der Einrichtung erbracht werden muss oder zusätzlich als Leistung der Krankenversicherung begehrt werden kann (Pade, juris-Praxiskommentar, § 37 SGB 5, RdNr 30 m.w.N.)
Der "sonst geeignete Ort" nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB 5 ist inhaltsgleich mit den "sonstigen geeigneten Orten" nach I Buchstabe 2 der HKP – Richtlinien. Beide stellen den Oberbegriff dar, an dem neben dem eigenen Haushalt ebenfalls häusliche Krankenpflege von den Krankenkassen zu leisten ist, sodass weitere Abgrenzungen, ob es sich um betreutes Wohnen oder bei der Einrichtung um ein Heim handelt, entbehrlich sind und dahinstehen können.
Leistungen der häuslichen Krankenpflege scheitern mithin nur noch dann, wenn der Versicherte durch den Aufenthalt in der Einrichtung einen Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger hat (vergleiche LSG Hamburg, Beschluss vom 12. November 2009, L 1 B 202/09 ER KR in NDV-RD 2010, 12 bis 15).
Ein derartiger Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Leistungsvereinbarung zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein für Einrichtung, in der sich die Klägerin aufhält. Zwar heißt es dort unter § 5 (Inhalt der Leistungen) Buchstabe D, die regelmäßige pädagogische Förder- und Betreuungsangebote, sowie die Pflegeleistungen, umfassen folgende Bereiche: Ausführung, Training und Förderung durch Mitarbeiter bei der medizinischen Versorgung (letzes Fallbeispiel) und Ausführung, Training und Förderung durch Mitarbeiter zum Erhalt für die Gesundheit; Sicherstellung regelmäßig ärztlicher Versorgung (letztes Beispiel), denn daraus ergibt sich kein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung. Vielmehr wird lediglich Unterstützung gewährt in der Ausführung, Training und Förderung.
Handelt es sich aber bei der Wohnstätte für Menschen mit besonderem Hilfebedarf in Kaltenkirchen um einen geeigneten Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V und liegt ein Leistungsausschluss nach der Regelung § 1 Nr. 6 Abs. 1 der HKP-Richtlinien nicht vor, so hat die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die von ihr in Anspruch genommene häusliche Krankenpflege. Da zum Entscheidungszeitpunkt weder Rechnungen noch Leistungsnachweise über die geleistete häusliche Krankenpflege vorlagen, diese Unterlagen jedoch für die Freistellung der entstandenen Kosten zwingend notwendig sind, konnte die Verurteilung der Beklagten lediglich unter der Bedingung der Vorlage aller Rechnungen und Leistungsnachweise aus dem streitgegenständlichen Zeitraum erfolgen.
Soweit einzelne Leistungszeiträume nicht belegt werden können, besteht kein Anspruch auf Freistellung.
Die Kostenfolge folgt aus § 193 SGG, wobei die Kammer zugrundegelegt hat, dass es der Klägerin gelingt, alle Zeiträume durch Nachweise zu belegen.
Der Vorsitzende der 1. Kammer gez. Direktor des Sozialgerichts
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Freistellung von den Kosten für die häusliche Krankenpflege.
Die 1954 geborene und bei der Beklagten seit 1996 als Rentnerin versicherte Klägerin leidet unter einem Down-Syndrom und wohnt seit 2009 in der DRK-Wohnstätte für Menschen mit Behinderungen in Kaltenkirchen. Die sie dort betreuende Ärztin Dr. verordnete wegen Blasenbildung im Fersen- und Zehenbereich einmal täglich und 7-mal wöchentlich das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2010. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27. Mai 2010 Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit der Begründung ab, die Klägerin lebe in einer vollstationären Einrichtung und führe keinen eigenen Haushalt. Dagegen erhob die Klägerin am 7. Juni 2010 Widerspruch, ohne diesen näher zu begründen.
Dr. verordnete am 4. Juni 2010 erneut häusliche Krankenpflege, und zwar 1 x täglich und 7 x wöchentlich Injektionen sowie 1 x täglich und 7 x wöchentlich das Anlegen von Kompressionsverbänden wegen einer Beckenvenenthrombose sowie am 18. Juni 2010 1 x täglich und 7 x wöchentlich das Anziehen einer Kompressionsstrumpfhose (Zeitraum insgesamt vom 4. Juni bis 8. Juli 2010).
Auch diese Leistungen lehnte die Beklagte ab, und zwar mit Bescheid vom 24. Juni 2010, erneut unter Hinweis darauf, dass die Klägerin in einer Einrichtung der Hilfe für Behinderte lebe. Dagegen erhob die Klägerin keinen Widerspruch.
Schließlich verordnete Dr. für den Zeitraum vom 8. Juli bis zum 30. September einmal täglich und 7-mal wöchentlich häusliche Krankenpflege für das Anziehen einer Kompressionsstrumpfhose. Auch diese Leistungen lehnte die Beklagte ab, unter Wiederholung der bisherigen Begründung. Gegen diesen Bescheid wurde Widerspruch erhoben (13. August 2010).
Mit Bescheid vom 1. November 2010 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 27. Mai und 4. August 2010 zurück und führte zur Begründung aus, die Klägerin lebe in einer Einrichtung für behinderte Menschen, bei der es sich um eine vollstationäre Einrichtung nach § 43 a SGB XI handele. Die Bewohner erhielten hier Unterkunft und Verpflegung als Leistungen der Eingliederungshilfe und führten insofern keinen eigenen Haushalt. In diesem Zusammenhang gelte die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 1. September 2005, Aktenzeichen B 3 KR 19/04 R). Darin sei ausgeführt worden, dass Krankenkassen nicht zu Leistungen der häuslichen Krankenpflege verpflichtet seien, wenn es sich bei dem Aufenthaltsort in einer Behinderteneinrichtung an dem Erfordernis eines eigenen Haushalts mangele. Es handele sich dabei nicht um ein reguläres Mietverhältnis sondern um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII. Die DRK-Wohnstätte sei kein geeigneter Ort im Sinne des § 37 Abs.2 Satz 1 SGB V, insbesondere keine betreute Wohnform. Betreute Wohnformen seien speziell von Heimen im Sinne des Heimgesetzes abzugrenzen. Die Entscheidung betraf alle Bescheide über häusliche Krankenpflege, auch hinsichtlich des nicht angefochtenen Bescheides vom 24. Juni 2010 (Zeitraum 4. Juni bis 8. Juli 2010).
Dagegen richtet sich die am 6. Dezember 2010 bei dem Sozialgericht Itzehoe erhobene Klage, die durch Beschluss vom 28. Januar 2011 an das örtlich zuständige Sozialgericht Lübeck verwiesen worden ist.
Zur Begründung macht die Klägerin geltend, sie habe einen Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V, denn auch in Wohnstätten der Eingliederungshilfe sei diese zu leisten, da es sich dabei um einen sonstigen geeigneten Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V handele.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 27. Mai 2010, 24. Juni 2010 und 04. August 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. November 2010 zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten für die häusliche Krankenpflege in dem Zeitraum vom 01. Januar bis zum 30. April 2010 und vom 04. Juni bis zum 09. September 2010 unter entsprechender Vorlage der Rechnungen und der Leistungsnachweise freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wendet ein, die beispielhaft aufgeführten Orte betreute Wohnformen, Schulen und Kindergärten stellten keine abschließende Aufzählung dar, sprächen aber insgesamt gegen eine undifferenzierte Ausweitung des Haushaltsbegriffs. Der Begriff sonstiger geeigneter Orte beziehe sich nur auf besondere Wohnformen, die dem betreuten Wohnen in Flexibilität und Ähnlichkeit einem eigenen Haushalt nahe käme. Stationäre Einrichtungen mit einer geschuldeten Rundumversorgung entsprächen nicht diesem Leitbild.
Die Kammer hat das Deutsche Rote Kreuz, Kreisverband Bad Segeberg (zu 1), den Kreis Pinneberg, der Landrat, Fachdienst Soziales (zu 2) nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG (zu 1) sowie nach § 75 Abs. 2 Satz 1 SGG (zu 2) beigeladen.
Der Beigeladene zu 2) hat darauf hingewiesen, dass in gleicher Angelegenheit bereits ein Verfahren gegen ihn unter dem Aktenzeichen S betrieben werde und es sich teilweise um dieselben Zeiträume handele.
Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene zu 1) hat darauf hingewiesen, dass sie Eingliederungshilfe der Klägerin leiste, die auch pflegerische Tätigkeiten beinhalte, allerdings nicht behandlungspflegerische Maßnahmen einschließe. Der vereinbarte Personalschlüssel sehe einzig pflegerische Hilfspersonen und eine pflegerische Fachkraft mit einem Deputat von 0,9% vor, was einer täglichen Arbeitszeit von 0,01 Stunden entspreche. Dabei sei unschwer zu erkennen, dass auf Grundlage dieser vereinbarten Leistung eine adäquate Behandlungspflege nicht geleistet werden könne. Es könne nicht sein, dass – vor allem wenn man die gesundheitlich sehr kritische Situation 2009 bedenke – eine Schlechterstellung einzig mit der Begründung des Wohnortes geschehe.
Auch die Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Verwaltungs- und die Gerichtsakte vorgelegen, ebenso die Gerichtsakte S. Darauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, auch soweit sie sich gegen den Bescheid vom 24. Juni 2010 richtet, denn die Beklagte hat auch über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides im Widerspruchsbescheid entschieden. Die Klage ist auch in dem beantragten Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie waren deshalb aufzuheben und die Klägerin von den Forderungen des Entgelts für die geleistete häusliche Krankenpflege in dem benannten Zeitraum unter Vorlage aller Rechnungen und Leistungsnachweise freizustellen.
Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war ( § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V ). Bei bereits erfolgter Rechnungslegung ist der Versicherte von den Kosten freizustellen, soweit die Rechnungen nicht bezahlt worden sind, was vorliegend der Fall ist.
Zu Unrecht abgelehnt ist eine Leistung dann, wenn zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme ein Leistungsanspruch bestand. Der Anspruch auf Kostenerstattung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten voraus. Ohne diesen Zusammenhang ist die in § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V (vgl "dadurch ... entstanden") geregelte Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz (vgl § 2 Abs 2 Satz 1, § 13 Abs 1 SGB V) nicht erfüllt (BSGE 79, 125, 127 = SozR 3 2500 § 13 Nr 11 S 51; BSG SozR 3 2500 § 13 Nr 15 S 74 f; BSG SozR 4 2500 § 13 Nr 1 RdNr 12 bis 14). Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 SGB V ist ausgeschlossen, wenn die Entscheidung der Krankenkasse das weitere Geschehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Leistung nicht mehr beeinflussen konnte, weil der Betroffene sich bereits unabhängig vom Verhalten seiner Krankenkasse endgültig auf eine bestimmte Leistungsform festgelegt hatte. Der Versicherte ist indessen vor der Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Sachleistungssystems grundsätzlich gehalten, sich an seine Krankenkasse zu wenden, die Leistungsgewährung zu beantragen (BSG SozR 3 2500 § 13 Nr 15 S 74) und die Entscheidung der Krankenkasse darüber abzuwarten (BSG SozR 4 2500 § 13 Nr 1 RdNr 11). Ein Abwarten des Ausgangs des Widerspruchsverfahrens ist allerdings nicht erforderlich.
Diese Voraussetzungen werden von der Klägerin sowohl formal als auch materiell, was noch auszuführen sein wird, erfüllt. Die Beklagte hat mithin die Sachleistung zu Unrecht abgelehnt, so dass die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von den ihr entstandenen Kosten geltend machen kann.
Der Anspruch eines Versicherten auf häusliche Krankenpflege als Behandlungspflege ergibt sich aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung -GKV-Wettbewerbs-Stärkungs-Gesetz – GKV-WSG- vom 26.03.2007, BGBl I S. 378). Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Diese Neuregelung bewirkt durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden (Begründung zum GKV-WSG). Nach den Merkmalen des zwischen dem Kläger und dem Träger der Einrichtung geschlossenen Vertrages geht die Kammer davon aus, dass es sich um eine Einrichtung des betreuten Wohnens handelt. In derartigen Einrichtungen bestand ein Anspruch auf Krankenpflege nach § 37 SGB V bisher und bis zum 31. März 2007 dann nicht, wenn ein Versicherter neben einem Mietvertrag auch einen Betreuungsvertrag mit dem Träger abgeschlossen hat, in dem Letzterer sich verpflichtete, die notwendigen Maßnahmen auch ohne zusätzliche Vergütung zu gewähren.
Mit Wirkung zum 01.04.2007 hat der Gesetzgeber weitere Tatbestandsmerkmale zugefügt. Die Unsicherheit darüber, wann beim betreuten Wohnen Krankenpflege durch die GKV zu gewähren ist, hat er im Sinne des betreuten Wohnens entschieden. Krankenpflege in betreuter Wohnform ist jetzt ausdrücklich in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen eingeschlossen worden (Pade in JURIS, Praxiskommentar zum SGB V, 1. Auflage 2007, § 37 Rn 25). Die frühere Rechtsprechung zur alten Formulierung, wo auch bei betreuter Wohnform der "eigene" Haushalt der Maßstab war, d. h. der Betreffende die Kosten der Lebens- und Wirtschaftsführung im Wesentlichen selbst tragen muss (BSG, Urteil v. 01.09.2005, Az.: B 3 KR 19/04 R) und der Leistungsanspruch nur dann besteht, wenn die Versorgung des Versicherten nicht (vertraglich) umfassend von der Einrichtung geschuldet wird, gilt ab 01.04.2007 nicht mehr, weil der weitere Ort der Leistungserbringung, die "betreute Wohnform", ausdrücklich genannt ist und eine weitere Anspruchsgrundlage neben dem "eigenen Haushalt" darstellt.
Das Abstellen auf den eigenen Haushalt ist also seitdem überholt, und es verwundert, dass die Beklagte nach wie vor mit dieser Begründung Leistungen der häuslichen Krankenpflege ablehnt. Die Gesetzesänderung bewirkte jedenfalls, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht mehr benachteiligt werden (GKV-WSG Begründung zu Artikel 1 Nr. 22 BT-Drs. 16/3100 Seite 104 = M 016 Seite 42). Der Heimbegriff ist ebenfalls nicht entscheidend. Auch stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII können geeignete Orte im Sinne des § 37 SGB V sein, in denen in die Krankenkassen deshalb für ambulante Leistungen der häuslichen Krankenpflege in ihnen als leistungspflichtig in Betracht kommen (Hauck, Noftz, juris Praxiskommentar, § 37 Rn 63).
Es ist deshalb nicht entscheidungserheblich, ob – wie die Beklagte zunächst behauptet hat – die Klägerin in einer betreuten Wohnform lebt oder es sich um einen sonstigen geeigneten Ort handelt.
Denn die nach der Gesetzesänderung angepassten Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Absatz 7 SGB V in der Fassung der Änderungen vom 17. Januar 2008 und 10. April 2008, veröffentlich im Bundesanzeiger 2008 Nr. 84 Seite 2028, 2029 und 2030 stellen ergänzend klar, dass es sich bei den sonstigen geeigneten Orten um Orte handelt, an denen sich die Versicherten regelmäßig wiederkehrend aufhalten und die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann sowie für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (I Buchstabe 2 Satz 2 der HKP-Richtlinien). Zu diesen sonstigen geeigneten Orte gehören auch Einrichtungen der Eingliederung von Behinderten, dies ergibt sich mangels Ausschluss indirekt aus I Buchstabe 6 Absatz 1 der HKP – Richtlinien (vgl. Urteil des SG Lübeck, vom 18. Februar 2014, S 1 KR 743/12; SG Lübeck, Urteil vom 29. Juni 2012, S 1 KR 1226/11).
Danach sind nicht als sonst geeigneter Ort lediglich Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Hospize und Pflegeheime bezeichnet. Die ursprünglich geplante Erwähnung von Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Behinderte in diesem Absatz wurde im Laufe des Verfahrens zum Erlass der HKP-Richtlinie zum Teil stark kritisiert und ist nun nicht (mehr) in den Richtlinien enthalten, so dass diese Einrichtungen nicht von vorneherein als sonst geeignete Orte aus der Leistungspflicht der Krankenkassen ausscheiden. Hier ist – in Anlehnung an die Rechtsprechung zum betreuten Wohnen – anhand des zwischen Versichertem und Einrichtung auf der Grundlage von Landesrahmenverträgen nach § 79 SGB XII und Verträgen zwischen Sozialhilfeträgern und Einrichtungsträgern nach § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII geschlossenen Vertrags im Einzelfall danach abzugrenzen, ob die konkret begehrte Pflege von der Einrichtung erbracht werden muss oder zusätzlich als Leistung der Krankenversicherung begehrt werden kann (Pade, juris-Praxiskommentar, § 37 SGB 5, RdNr 30 m.w.N.)
Der "sonst geeignete Ort" nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB 5 ist inhaltsgleich mit den "sonstigen geeigneten Orten" nach I Buchstabe 2 der HKP – Richtlinien. Beide stellen den Oberbegriff dar, an dem neben dem eigenen Haushalt ebenfalls häusliche Krankenpflege von den Krankenkassen zu leisten ist, sodass weitere Abgrenzungen, ob es sich um betreutes Wohnen oder bei der Einrichtung um ein Heim handelt, entbehrlich sind und dahinstehen können.
Leistungen der häuslichen Krankenpflege scheitern mithin nur noch dann, wenn der Versicherte durch den Aufenthalt in der Einrichtung einen Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger hat (vergleiche LSG Hamburg, Beschluss vom 12. November 2009, L 1 B 202/09 ER KR in NDV-RD 2010, 12 bis 15).
Ein derartiger Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Leistungsvereinbarung zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein für Einrichtung, in der sich die Klägerin aufhält. Zwar heißt es dort unter § 5 (Inhalt der Leistungen) Buchstabe D, die regelmäßige pädagogische Förder- und Betreuungsangebote, sowie die Pflegeleistungen, umfassen folgende Bereiche: Ausführung, Training und Förderung durch Mitarbeiter bei der medizinischen Versorgung (letzes Fallbeispiel) und Ausführung, Training und Förderung durch Mitarbeiter zum Erhalt für die Gesundheit; Sicherstellung regelmäßig ärztlicher Versorgung (letztes Beispiel), denn daraus ergibt sich kein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung. Vielmehr wird lediglich Unterstützung gewährt in der Ausführung, Training und Förderung.
Handelt es sich aber bei der Wohnstätte für Menschen mit besonderem Hilfebedarf in Kaltenkirchen um einen geeigneten Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V und liegt ein Leistungsausschluss nach der Regelung § 1 Nr. 6 Abs. 1 der HKP-Richtlinien nicht vor, so hat die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die von ihr in Anspruch genommene häusliche Krankenpflege. Da zum Entscheidungszeitpunkt weder Rechnungen noch Leistungsnachweise über die geleistete häusliche Krankenpflege vorlagen, diese Unterlagen jedoch für die Freistellung der entstandenen Kosten zwingend notwendig sind, konnte die Verurteilung der Beklagten lediglich unter der Bedingung der Vorlage aller Rechnungen und Leistungsnachweise aus dem streitgegenständlichen Zeitraum erfolgen.
Soweit einzelne Leistungszeiträume nicht belegt werden können, besteht kein Anspruch auf Freistellung.
Die Kostenfolge folgt aus § 193 SGG, wobei die Kammer zugrundegelegt hat, dass es der Klägerin gelingt, alle Zeiträume durch Nachweise zu belegen.
Der Vorsitzende der 1. Kammer gez. Direktor des Sozialgerichts
Rechtskraft
Aus
Login
SHS
Saved