L 11 SB 244/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 40 SB 2932/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 244/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2014 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).

Zugunsten des 1946 geborenen Klägers hatte der Beklagte von Amts wegen mit Bescheid vom 25. März 2011 einen GdB von 90 festgestellt unter Zugrundelegung folgender Funktionsbeeinträchtigungen:

a) Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannte Schädigungsfolgen (Einzel-GdB: 10), b) Diabetes mellitus (Einzel-GdB: 50), c) seelische Störung (darin enthalten a) (Einzel-GdB: 40), d) Sehminderung; eingepflanzte Kunstlinse; grüner Star (Glaukom) (Einzel-GdB: 40), e) Hirnschädigung mit Gangstörung (Einzel-GdB: 30).

Gesundheitliche Merkmale hatte der Beklagte in dem Bescheid ausdrücklich nicht festgestellt.

Einen Neufeststellungsantrag des Klägers vom 24. Mai 2011 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2011 ab und stellte fest, dass bei dem Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung) und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) nicht vorliegen.

Am 11. September 2012 stellte der Kläger formlos einen "Antrag auf Feststellung gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB". Am 16. Oktober 2012 stellte er auf dem dafür vorgesehenen Vordruck des Beklagten einen Antrag auf Feststellung des GdB sowie auf Neufeststellung wegen Verschlimmerung bestehender Behinderungen und Hinzutreten neuer Behinderungen. Er kreuzte hierbei an, dass seiner Meinung nach die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G", "aG" und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) vorlägen.

Der Beklagte holte Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte ein und zog weitere medizinische Unterlagen bei. Auf der Grundlage versorgungsärztlicher Stellungnahmen der Fachärztin für Innere Medizin Rund des Facharztes für Augenheilkunde B vom 26. Juli 2013 teilte er dem Kläger mit Bescheid vom 31. Juli 2013 mit, dass eine Neufeststellung nach dem Schwerbehindertenrecht nicht getroffen werden könne, weil eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht eingetreten sei. Die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G", "aG" und "RF" lägen bei dem Kläger nicht vor.

Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin am 29. Dezember 2013 Klage erhoben und den Bescheid dem nachgereichten Original der Klageschrift beigefügt. Er hat die Verletzung seiner Menschenwürde, seines Persönlichkeitsrechts, des Gleichheitsgrundsatzes und von Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) gerügt und unter anderem ausgeführt, der Beklagte verkenne den Charakter der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsstaat. Der Bescheid sei mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlich rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar. Er sei unter den genannten Gesichtspunkten abzuändern. Die Klageschrift enthielt darüber hinaus umfangreiche allgemein gehaltene verfassungsrechtliche Ausführungen.

Den vor Klageerhebung eingelegten Widerspruch des Klägers, mit dem er ebenfalls Verfassungsverstöße und Menschenrechtsverletzungen geltend machte, und der darüber hinaus allgemein gehaltene Ausführungen zur Möglichkeit der unentgeltlichen oder ermäßigten Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, zum "Merkzeichen 1. Kl" sowie zur Mitnahme einer Begleitperson enthielt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2014 zurück. Er ging hierbei davon aus, dass der Kläger die Feststellung eines höheren GdB sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "B", "G" und "1. Klasse" begehrt. Insbesondere lägen die Voraussetzungen dieser Merkzeichen nicht vor.

Hiergegen erhob der Kläger eine weitere Klage, die beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 139 SB 157/14 registriert wurde.

Mit an den Kläger gerichtetem Schreiben des im hiesigen Klageverfahren zuständigen Kammervorsitzenden vom 20. März 2014 hat das Sozialgericht festgestellt, dass die Klage nicht den Voraussetzungen gemäß § 92 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entspreche, weil nicht hinreichend klar sei, was Klagegegenstand sein solle. Dies könne auch nicht durch Auslegung der Klagebegründung geklärt werden, weil auch aus dieser nicht hinreichend klar hervorgehe, welcher konkrete Anspruch oder welche konkreten Ansprüche geltend gemacht würden. Zudem fehle es an einem bestimmten Klageantrag. Das Sozialgericht hat dem Kläger eine Frist von zwei Wochen gesetzt, die formalen Voraussetzungen für die Klage nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG zu erfüllen. Die gesetzte Frist habe nach § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG ausschließende Wirkung, so dass eine spätere Nachholung des Vorbringens ohne Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht zu berücksichtigen wäre. Ab wann die Frist beginnt, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen.

Zu diesem ihm am 29. März 2014 zugestellten Schreiben hat der Kläger mit beim Sozialgericht am 1. April 2014 eingegangenem Schriftsatz Stellung genommen. Dieser enthält allgemein gehaltene verfassungsrechtliche Ausführungen, unter anderem zu Art. 1, 3, 20, 79 Abs. 3 und 97 Abs. 1 GG. Er schließt mit der Feststellung, dass die Klage somit begründet sei. Der Kläger beantragte überdies Einsicht in die Gerichtsakten. Das Sozialgericht hat dem Kläger Akteneinsicht gewährt, die dieser jedoch nicht genommen hat.

Auf die Anfrage des Sozialgerichts, ob gegen den Bescheid vom 31. Juli 2013 Widerspruch eingelegt und ob hierüber gegebenenfalls bereits entschieden worden sei, hat der Beklagte mit Schreiben vom 14. August 2014 mitgeteilt, dass über den Widerspruch des Klägers vom 8. August 2013 mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2014 entschieden worden sei. Der Verbleib der Schwerbehindertenakten des Klägers sei leider nicht mehr nachvollziehbar. Sie befänden sich wahrscheinlich beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. Das Original sei zuletzt zu dem Verfahren L 11 SB 14/12 übersandt worden. Ohne Vorliegen der Schwerbehindertenakten seien weitere inhaltliche Angaben zum Verwaltungsvorgang nicht möglich. Dem Schreiben war ein Abdruck des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2014 beigefügt.

Mit Schreiben vom 20. August 2014 hat das Sozialgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass die Klage unzulässig sei, weil auch nach Ablauf der dem Kläger gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG gesetzten Ausschlussfrist der Gegenstand des Klagebegehrens weiterhin unklar sei. Es sei beabsichtigt, über die Klage gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Der Kläger hat hierzu mit Schreiben vom 26. August 2014 Stellung genommen. Auch dieses Schreiben enthielt lediglich allgemein gehaltene verfassungsrechtliche Ausführungen und zudem ein Ablehnungsgesuch, das die hierfür zuständige Kammer des Sozialgerichts Berlin mit Beschluss vom 8. September 2014 als unzulässig zurückgewiesen hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. September 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei mangels Bezeichnung des Klagegenstandes innerhalb der nach § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG gesetzten Ausschlussfrist unzulässig. Es sei nicht erkennbar, was der Kläger von dem Beklagten begehre.

Gegen den ihm am 23. September 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. September 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er – nunmehr anwaltlich vertreten – aus, sein Klagebegehren sei aus seinem Antrag vom 11. September 2012 und seinem Schreiben vom 29. November 2013 an den Beklagten unschwer zu erkennen gewesen. Das Sozialgericht habe die Ausschlussfrist zu kurz bemessen und mangels Konkretisierung sei auch unklar geblieben, wann genau die Frist begonnen habe.

Nachdem er zunächst die Feststellung eines GdB von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G", "aG", "B", "RF" und "H" (Hilflosigkeit) begehrt hat, hat der Kläger die Klage und die Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16. April 2015 hinsichtlich der Merkzeichen teilweise zurückgenommen und beantragt nunmehr,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen,

hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 31. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2014 zu verurteilen, bei dem Kläger ab dem 11. September 2012 einen Grad der Behinderung von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen, der von den Verfahren L 11 SB 14/12 sowie S 139 SB 157/14 beigezogen und als Kopie zu den Akten genommen wurde.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung des angegriffenen Gerichtsbescheides und einer Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht begründet.

Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage (zu Unrecht) abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung sind hier erfüllt. Das Sozialgericht hat – gestützt auf § 92 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 SGG – die Klage zu Unrecht mangels Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens als unzulässig abgewiesen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.

a) Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Nach § 92 Abs. 2 Satz 1 SGG hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern, wenn die Klage den Anforderungen des Abs. 1 nicht entspricht. Er kann dem Kläger gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Abs. 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt.

aa) Ob und in welchem Umfang eine Klage erhoben ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, für die nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Auslegungsregel des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt. Danach ist nicht an dem Wortlaut der Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, der sich nicht nur aus dem Wortlaut der Erklärung, sondern auch aus den sonstigen Umständen ergeben kann. Deshalb sind neben dem Wortlaut des Antrags auch sämtliche Schriftsätze des Prozessbeteiligten, seine vorher zu Protokoll des Gerichts gegebenen Erklärungen sowie der Inhalt der Verwaltungsakten heranzuziehen (BSG, Urteil vom 22. März 1988 – 8/5a RKn 11/87 –, juris Rn. 11; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 92 Rn. 12 m.w.N.). Die Auslegung richtet sich hierbei unter Berücksichtigung des sogenannten Meistbegünstigungsprinzips danach, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht (st. Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteile vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R –, juris Rn. 11; und vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 49/10 R –, juris Rn. 12, jeweils m.w.N.).

Bei der Auslegung des § 92 SGG ist auch das sich aus Art. 19 Abs. 4 GG bzw. Art. 15 Abs. 4 der Verfassung von Berlin ergebende Gebot effektiven Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Die Anforderungen an die hinreichende Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens dürfen nicht überspannt werden (Hauck, jurisPR-SozR 17/2008 Anm. 4). Erforderlich, aber auch ausreichend, ist es insoweit, dass der Kläger sein Begehren angibt, also zum Beispiel den Verwaltungsakt bezeichnet, den das Gericht aufheben oder zu dem das Gericht verurteilen soll, die Feststellung, die das Gericht treffen soll, oder die Leistung, die begehrt wird (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 92 Rn. 8 m.w.N.). Die zwingenden Anforderungen des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG zum Klagebegehren können schon dann erfüllt sein, wenn der Sachverhalt, über den das Gericht entscheiden soll, angegeben oder wenigstens umrissen ist, da die Regelung zum "bestimmten Antrag" nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist (Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 19. Juli 2011 – L 8 SO 75/11 –, juris Rn. 26; Kühl, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 92 Rn. 3). Im Regelfall, der Klage gegen eine Verwaltungsentscheidung, reicht es hierbei aus, dass der Kläger die angegriffene Entscheidung so bezeichnet, dass das Gericht sie und damit auch den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens ermitteln kann (Hauck, a.a.O.; vgl. auch Berchtold, NZS 2011, 401, 408; Wenner, SozSich 2007, 431).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben hat der Kläger den Gegenstand seines Klagebegehrens mit der Klageschrift hinreichend konkretisiert, weshalb auch kein Raum für das Setzen einer Ausschlussfrist nach § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG war.

Zwar hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt Ausführungen dazu gemacht, worum es ihm mit der Klage geht und was er tatsächlich begehrt. Der Klageschrift lässt sich jedoch hinreichend deutlich entnehmen, dass sich die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2013 richtet, der dem Original der Klageschrift auch beigefügt war. In diesem Bescheid hat der Beklagte den Antrag des Klägers vom 11. September 2012 auf Neufeststellung des GdB und auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G", "aG" und "RF" abgelehnt. Allein hiermit war der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt hinreichend umrissen. In Ergänzung zu dem sich aus dem Bescheid selbst ergebenden Sachverhalt lässt sich den – vom Sozialgericht nicht beigezogenen – Verwaltungsakten des Beklagten, insbesondere dem dort befindlichen Antragsformular vom 16. Oktober 2012, ebenfalls hinreichend eindeutig entnehmen, dass es dem Kläger um die Feststellung eines höheren als des bislang anerkannten GdB von 90 sowie der genannten Merkzeichen geht.

Nachdem der Kläger in seinem gegen den Bescheid vom 31. Juli 2013 parallel zur Klage eingereichten Widerspruch auch Ausführungen zu den Merkzeichen "B" und "1. Klasse" gemacht hat, war das Begehren des Klägers mangels Anhaltspunkten für eine inhaltliche Beschränkung unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes dahingehend auszulegen, dass er unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2014 die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 100 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G", "aG", "B", "RF" und "1. Klasse" begehrt. Ob der Beklagte in dem Widerspruchsbescheid auch hinsichtlich sämtlicher vorgenannter Merkzeichen eine Entscheidung getroffen hat, kann insoweit dahingestellt bleiben, weil der Kläger im Berufungsverfahren sein Begehren auf die Feststellung eines GdB von 100 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" beschränkt hat.

b) Da das Klagebegehren hiernach bereits mit der Klageschrift, jedenfalls aber nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens unter Berücksichtigung des Inhalts der Verwaltungsvorgänge des Beklagten hinreichend konkretisiert war, ging die Fristsetzung gemäß § 92 Abs. 2 SGG von vornherein ins Leere. Auf die Frage, ob die Fristsetzung in Anbetracht der noch zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Erforschung des Klagebegehrens (insbesondere Beiziehung der Verwaltungsvorgänge und/oder persönliche Anhörung des Klägers im Rahmen eines Erörterungstermins) unter Berücksichtigung der gerichtlichen Fürsorgepflicht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2004 – 1 BvR 894/04 –, juris Rn. 11; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 60 Rn. 1b m.w.N.) möglicherweise ermessensfehlerhaft war (vgl. hierzu auch BR-Drs. 820/07, S. 22; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Januar 2010 – L 10 U 4843/09 –, juris Rn. 14; Berchtold, a.a.O.; Leitherer, a.a.O.), kommt es danach ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die gesetzte Frist von zwei Wochen, die gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 221 der Zivilprozessordnung mit Zustellung des gerichtlichen Schreibens vom 20. März 2014 begonnen hat, ausreichend lang bemessen war.

c) Die Klage erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als unzulässig.

Das gemäß § 78 SGG erforderliche Vorverfahren ist zwischenzeitlich abgeschlossen. Da dies im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht der Fall war, steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht die Versäumung der Klagefrist entgegen.

Die Klage ist auch nicht im Hinblick auf das denselben Streitgegenstand betreffende Verfahren L 11 SB 94/15 (vormals S 139 SB 157/14) wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig, da dieses Verfahren in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der hiesigen Klageerhebung noch nicht anhängig war (vgl. zu dem insoweit geltenden Grundsatz der Priorität Leitherer, a.a.O., § 94 Rn. 8 m.w.N.).

2. Im Rahmen des ihm gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG eingeräumten Ermessens hält der Senat eine Zurückverweisung an das Sozialgericht zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen und Entscheidung in der Sache für sachgerecht und hat insofern dem Erhalt des Instanzenzuges den Vorrang gegenüber dem Interesse der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung gegeben. Dafür spricht neben dem Umstand, dass der Kläger im Hauptantrag ausdrücklich die Zurückverweisung der Sache beantragt und der Beklagte gegen eine Zurückverweisung auch keine Einwände erhoben hat, dass bislang im gerichtlichen Verfahren noch keine medizinischen Ermittlungen angestellt wurden und dass die noch anzustellenden medizinischen Ermittlungen insbesondere im Hinblick auf die allein noch begehrten Feststellungen eines GdB von 100 sowie des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" einen gewissen Umfang haben. Es sind Befundberichte einzuholen und im Anschluss daran dürfte zumindest ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen sein. Zudem ist der Rechtsstreit insgesamt erst seit dem 29. Dezember 2013 bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängig, was im Verhältnis zu anderen Rechtsstreiten, in denen ebenfalls medizinische Ermittlungen anzustellen sind, noch nicht als übermäßig langer Zeitraum anzusehen ist, der im Interesse der Verwirklichung der Rechtsschutzgarantie einer baldigen Entscheidung zugeführt werden müsste.

Eine Kostenentscheidung war durch den Senat nicht zu treffen. Sie muss der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten bleiben (vgl. Keller, a. a. O., § 159 Rn. 5 f).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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