Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 111 KR 207/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 9/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 64/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für einen Anspruch der Ehefrau gegen ihre gesetzliche Krankenkasse auf Erstattung von Kosten der künstlichen Befruchtung gibt es keine Grundlage, wenn die private Krankenkasse des Ehemannes bereits die Hälfte der Gesamtkosten erstattet hat und davon auch die Hälfte der Kosten für bei der Ehefrau durchgeführte Maßnahmen und die Hälfte der Kosten für extrakorporale Maßnahmen umfasst ist (Anschluss an BSG, B 1 KR 24/07 R).
Bemerkung
BSG: Beschwerde - unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. November 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 4.182,44 Euro.
Die 1970 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie ist seit dem 20. Mai 2005 verheiratet mit R, der als Beamter mit 50 Prozent der Krankheitskosten beihilfeberechtigt und mit weiteren 50 Prozent bei der Debeka privat krankenversichert ist.
Der Ehemann der Klägerin leidet unter Azoospermie (vollständiges Fehlen von Samenreifungszellen und Samenzellen im Ejakulat), was Fortpflanzung auf natürlichem Wege ausschließt.
Aufgrund eines gemeinsamen Kinderwunsches begab das Ehepaar sich im Februar 2008 in Behandlung des F Center B (Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Prof. Dr. K u.a.), wo die Durchführung einer künstlichen Befruchtung geplant wurde. Eine am 28. Mai 2008 vorgenommene Hodenbiopsie beim Ehemann der Klägerin ergab, dass dieser über für eine künstliche Befruchtung ausreichende Spermatozoen verfügte, worauf dem Ehepaar eine In-Vitro-Fertilisation (IVF)/Mikroinjektion (ICSI) empfohlen wurde. Die beim Ehemann entnommenen Spermien wurden kryokonserviert.
Unter Vorlage verschiedener Befundunterlagen und Kostenaufstellungen beantragte der Ehemann der Klägerin hierauf zunächst eine Übernahme der vollständigen Kosten der künstlichen Befruchtung bei der Debeka. Diese teilte ihm mit Schreiben vom 30. Juli 2008 mit, Versicherungsleistungen für die unmittelbar ihm zurechenbaren, nicht in den Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenkasse der Klägerin fallenden ärztlichen Maßnahmen übernehmen zu werden. Allerdings solle die Klägerin vor Behandlungsbeginn einen Leistungsantrag bei der Beklagten stellen.
Am 4. August 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Übernahme der für die künstliche Herbeiführung der Schwangerschaft entstehenden Kosten und reichte Behandlungspläne für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gemäß § 27a SGB V vom 26. August 2008 und 3. September 2008 ein. Auf diesen heißt es u.a.: "Erbitten Kostenübernahme analog GOÄ, 1,0fach, da (der Ehemann) privat versichert ist und PKV nach Verursacherprinzip 50 % der Gesamtkosten übernimmt, daher sind EBM-Ziffern nicht anwendbar."
Mit Bescheiden vom 16. September 2008 und 13. November 2008, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2009, lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die bei der Klägerin durchzuführenden privatärztlichen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bestehe nicht. Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V habe die Klägerin nicht gewählt, so dass eine Übernahme von Kosten für privatärztliche Leistungen schon aus diesem Grund ausscheide. Unrichtig sei der Hinweis im Behandlungsplan, die künstliche Befruchtung könne nicht als Sachleistung über die Versichertenkarte abgerechnet werden, denn im EBM seien Abrechnungsziffern enthalten. Ebenso könnten die zur Behandlung notwendigen Medikamente nach Maßgabe der gesetzlichen Bedingungen direkt über die Apotheke mit der Krankenkasse abgerechnet werden, so dass keine Notwendigkeit für eine privatärztliche Behandlung bestehe. Weil die Eheleute zuerst an die private Krankenkasse des Ehemannes herangetreten seien, müsse diese die Kosten einer künstlichen Befruchtung tragen (Hinweis auf Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. März 2004, IV ZR 25/03). Wenn, wie hier, bereits die Hälfte der Kosten von einem anderen Leistungsträger übernommen würden, bestehe kein Anspruch auf weitere Kostenübernahme durch die Beklagte, denn ansonsten stünde die Klägerin besser als andere gesetzlich Krankenversicherte, die stets eine Eigenbeteiligung von 50 Prozent trügen.
Die Eheleute unterzogen sich zwei Behandlungszyklen der IVF/ICSI (Beginn des ersten Behandlungszyklus am 22. September 2008). Am 15. Oktober 2008 und am 15. Januar 2009 wurden der Klägerin Eizellen entnommen und extrakorporal befruchtet. Am 9. Oktober 2009 brachte die Klägerin eine Tochter zur Welt.
Im Zuge der Kinderwunschbehandlung im F Center Berlin entstanden den Eheleuten Kosten in Höhe von 12.738,31 Euro; bis auf einen Betrag von zweimal 119,96 Euro (Rechnungen vom 22. Oktober 2008 und vom 19. Januar 2009) betreffen sämtliche Rechnungspositionen ausschließlich am Körper der Klägerin und extrakorporal durchgeführte Maßnahmen; die Kosten der beim Ehemann der Klägerin am 18. Mai 2008 durchgeführten Hodenbiopsie sind nicht streitgegenständlich. Im Einzelnen:
• Vier Arztrechnungen in Höhe von insgesamt 9.903,75 Euro:
o Rechnung des F Center Berlin an den Ehemann der Klägerin vom 22. Oktober 2008, Abrechnung nach GOÄ, 4.830,01 Euro, für den ersten Behandlungszyklus der IVF/ICSI; hiervon entfallen 119,96 Euro auf die GOÄ-Positionen 4003A, 3505, 3508, 3611, 4003 und 3668 und damit auf Maßnahmen am Körper des Ehemannes der Klägerin; o Rechnung des F Center Berlin an die Eheleute vom 19. Januar 2009, Abrechnung nach GOÄ, 4.278,99 Euro, für den zweiten Behandlungszyklus der IVF/ICSI; hiervon entfallen 119,96 Euro auf die GOÄ-Positionen 4003A, 3505, 3508, 3611, 4003 und 3668 und damit auf Maßnahmen am Körper des Ehemannes der Klägerin; o Rechnung der Anästhesistin Dr. D an den Ehemann der Klägerin vom 27. Oktober 2008 nach GOÄ, 409,97 Euro, für die am 15. Oktober 2008 bei der Klägerin vorgenommene ambulante Anästhesie; o Rechnung der Anästhesistin Dr. D an den Ehemann der Klägerin vom 4. Februar 2009 nach GOÄ, 384,78 Euro, für die am 15. Januar 2009 bei der Klägerin vorgenommene ambulante Anästhesie.
• Rechnungen für auf den Ehemann der Klägerin ausgestellte Rezepte über ausschließlich von der Klägerin einzunehmende Arzneimittel (überwiegend Hormonpräparate) in Höhe von insgesamt 2.834,56 Euro.
Von der Debeka erhielt der Ehemann der Klägerin eine Erstattung in Höhe von 50 Prozent dieser Arzt- und Arzneimittelrechnungen. Weiter führt die Klägerin an, ihr Ehemann habe für die Kinderwunschbehandlung von der Beihilfestelle 76,56 Euro sowie 83,27 Euro erstattet erhalten.
Gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten hat die Klägerin Klage erhoben. Mit ihr hat sie zuletzt Kostenerstattung in Höhe von 4.182,44 Euro begehrt. Nach der von der Klägerin insoweit angestellten Berechnung sind hierin 1.559,98 Euro für Arzneimittelkosten und 2.622,46 Euro für Arztkosten enthalten. Die Arztkosten von insgesamt 9.903,75 Euro hat die Klägerin rechnerisch auf den einfachen Abrechnungsfaktor reduziert; den sich ergebenden Betrag von 5.564,57 Euro hat sie halbiert (2.782,29 Euro) und hiervon noch die behaupteten Erstattungsbeträge der Beihilfe (insgesamt 159,83 Euro) abgezogen (Ergebnis: 2.622,46 Euro).
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 21. November 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Anspruchsgrundlage könne nur § 13 Abs. 3 SGB V sein. Ob die Beklagte die Leistung zu Unrecht abgelehnt habe, könne dahinstehen, weil ein etwaiger Erstattungsanspruch gegen die Beklagte durch die unstreitig von der Debeka geleisteten Zahlungen in Höhe von 50 Prozent der Gesamtkosten erloschen sei. Diese hälftigen Leistungen der Debeka entsprächen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Hinweis auf Urteil vom 3. März 2004, IV ZR 25/03). Habe in einem Fall wie dem vorliegenden eine der beiden beteiligten Krankenkassen den Erstattungsanspruch erfüllt, so sei insoweit auch die Schuld der anderen Krankenklasse erloschen. Bei den Ansprüchen der Klägerin gegen die Beklagte nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V und den hier gegebenen Leistungen der Debeka handele es sich um deckungsgleiche Ansprüche. Mehr als die von der Debeka geleistete Erstattung könne die Klägerin nicht verlangen.
Gegen das ihr am 11. Dezember 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Januar 2013 Berufung eingelegt. Die Leistungsvoraussetzungen nach § 27a SGB V seien für beide Behandlungszyklen erfüllt. Bei einem Mischversicherungsverhältnis wie hier sei es unmöglich, gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse die Leistungen gesondert nach EBM-Ziffern auszuweisen. Die Komplexziffern des EBM ließen sich auch nicht nach Behandlung von Mann oder Frau aufgliedern. Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts sei der Anspruch der Klägerin nicht durch die Erstattungsleistungen der Debeka erloschen. Sie habe einen 50prozentigen Leistungsanspruch gegen die Beklagte, ebenso wie ihr Ehemann einen 50prozentigen Leistungsanspruch gegen seine private Krankenkasse besitze. Dieser von der Debeka erfüllte hälftige Erstattungsanspruch des Ehemannes basiere auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die IVF/ICSI eine Gesamtbehandlung des erkrankten Mannes darstelle, die von dessen privater Krankenkasse im tariflichen Umfange insgesamt zu erstatten sei. Zu "Überschneidungen" der gegen die Beklagte einerseits und gegen die Debeka andererseits gerichteten Ansprüche komme es nicht.
Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin lässt sich der Antrag entnehmen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. November 2012 sowie die Bescheide der Beklagten vom 16. September 2008 und 13. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.182,44 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.
1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Abs. 3, zweite Alternative Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) in Betracht. Danach sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und der Versicherte sich deshalb die Leistung selbst beschafft. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. nur Urteil vom 18. Mai 2004, B 1 KR 21/02 R, zitiert nach juris).
2. Der für einen Anspruch auf Kostenerstattung erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ist gegeben. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3, zweite Alternative SGB V ist ausgeschlossen, wenn die Entscheidung der Krankenkasse das weitere Geschehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Leistung nicht mehr beeinflussen konnte, weil der Betroffene sich bereits unabhängig vom Verhalten seiner Krankenkasse endgültig auf eine bestimmte Leistungsform festgelegt hatte. Vor einer Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Sachleistungssystems ist der Versicherte grundsätzlich gehalten, sich an seine Krankenkasse zu wenden und die Leistungsgewährung zu beantragen und die Entscheidung der Krankenkasse darüber abzuwarten (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 3/04 R, zitiert nach juris). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Die Klägerin hat sich das erste Privatrezept erst nach Erlass des ersten ablehnenden Bescheides der Beklagten, welcher am 16. September 2008 erging, am 22. September 2008 ausstellen lassen (GA Bl. 62, 69). Dass die Beklagte auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. September 2008 hin am 13. November 2008 erneut einen ablehnenden Bescheid erließ, kann in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Ausreichend ist insoweit die ablehnende Entscheidung vom 16. September 2008.
3. Grundsätzlich gehören die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung, denen die Klägerin sich seit dem 22. September 2009 in zwei Zyklen unterzog, zu den Leistungen, welche die gesetzliche Krankenkasse als Sachleistung zu erbringen hat. Rechtsgrundlage ist insoweit § 27a SGB V in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190). Danach (Absatz 1) umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn
1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,
2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,
3. die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,
4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und
5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist.
Nach § 27a Abs. 3 SGB V besteht ein Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 ferner nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen.
Über das Vorliegen all dieser Voraussetzungen besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit.
4. Gleichwohl besteht der geltend gemachte Erstattungsanspruch auch zur Überzeugung des Senats nicht, denn für das gegen die Beklagte gerichtete Erstattungsbegehren gibt es keine rechtliche Grundlage, nachdem die private Krankenkasse des Ehemannes bereits die Hälfte der gesamten Behandlungskosten erstattet hat und im gesetzlichen Umfang erstattungsfähige Aufwendungen daher nicht mehr vorliegen.
a) Die (gesetzliche) Krankenkasse übernimmt nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V fünfzig vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Die Krankenkasse ist ihrem Versicherten gegenüber allerdings nur für Maßnahmen leistungspflichtig, die unmittelbar am und im Körper ihres Versicherten vorzunehmen sind, sowie für sonstige, so genannte extrakorporale Leistungen, soweit die Maßnahmen nicht unmittelbar am oder im Körper des Ehegatten ihres Versicherten vorzunehmen sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 11/03 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 10). Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung lassen sich danach im Wesentlichen in drei Behandlungsbereiche einteilen, nämlich (1.) in Maßnahmen unmittelbar am Körper der Ehefrau, (2.) Maßnahmen unmittelbar am Körper des Ehemannes und (3.) extrakorporale Maßnahmen. Zu den Maßnahmen unmittelbar am Körper der Ehefrau gehören die Hormonbehandlung der Frau mit dem Ziel der Heranreifung mehrerer Eizellen, die operative Eizellgewinnung mittels Follikelpunktion und der Embryotransfer nach Beendigung der Befruchtung. Die Behandlung der Frau beginnt dabei regelmäßig mit den konkret auf das Behandlungsziel gerichteten ärztlichen Maßnahmen, d.h. spätestens mit der ärztlichen Verordnung der für die Hormonbehandlung zur Eizellgewinnung erforderlichen Arzneimittel. Zu den Maßnahmen unmittelbar am Körper des Ehemannes gehört die operative Samengewinnung mittels Hodenbiopsie (TESE). Zu den Leistungen außerhalb des Körpers beider Ehegatten (extrakorporale Maßnahmen) gehören die Entfernung des Eizellkumulus von den gewonnenen Eizellen, die Aufbereitung des gewonnenen Spermas, die Injektion des Spermas in die Eizelle (ICSI) und die Kultur zur Aufbewahrung der befruchteten Eizelle bis zur Teilung in einen Mehrzeller (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 17; Brandts in Kasseler Kommentar, Rdnr. 54 zu § 27a).
b) Für die danach erstattungsfähigen Aufwendungen hat die Klägerin bereits Ersatz erhalten, so dass die Klage keinen Erfolg haben kann.
aa) Grundsätzlich schwierig und gesetzlich nicht eindeutig geregelt ist der Umfang der Leistungspflicht bei Beteiligung mehrerer gesetzlicher Krankenkassen oder – wie hier – einer privaten Krankenkasse (vgl. hierzu Brandts, a.a.O., Rdnr. 55 bis 65 sowie Hauck, Krankenversicherungsrechtliche Ansprüche bei Fortpflanzungsunfähigkeit, SGb 2006, S. 321 [329]).
Für den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist es unerheblich, dass nicht nur sie als gesetzlich Krankenversicherte einen Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V hatte, sondern zusätzlich ihr Ehegatte von seiner privaten Krankenkasse tarifgemäß eine Erstattung der Gesamtheit der ärztlichen Maßnahmen verlangen konnte (vgl. hierzu und zum Folgenden Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008, B 1 KR 24/07 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24); nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören zu den erstattungsfähigen Aufwendungen in der privaten Krankenversicherung auch die Kosten einer – wie hier – wegen der Unfruchtbarkeit des versicherten Mannes vorgenommenen homologen In-vitro-Fertilisation (extrakorporale Befruchtung). Insoweit dient die Gesamtheit der ärztlichen Maßnahmen der Linderung der Krankheit des Versicherten und stellt daher eine Heilbehandlung des Mannes dar (vgl.Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. März 2004, IV ZR 25/03, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13 ff.).
Das SGB V sieht es insoweit nicht als Ausschlussgrund an, dass Versicherte oder ihre Ehegatten zusätzlich zum Anspruch nach dem SGB V einen entsprechenden weiteren Anspruch gegen einen privaten Krankenversicherer auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft haben. Deshalb ist auch das Bundessozialgericht in der zitierten Entscheidung davon ausgegangen, dass eine Krankenkasse den bei ihr Versicherten nicht entgegenhalten kann, die Leistung könne von der privaten Versicherung des Ehegatten beschafft werden (a.a.O., Rdnr. 25 m.w.N.). Entsprechend hat der Bundesgerichtshof entschieden, der Privatversicherer könne dem Anspruch seines Versicherungsnehmers nicht entgegenhalten, dass seine Ehefrau einen entsprechenden Anspruch gegen ihre Krankenkasse aus § 27a SGB V habe (vgl. Bundesgerichtshof, a.a.O., Rdnr. 23).
Haben in einer solchen Situation die gesetzlich krankenversicherte Ehefrau und der privat versicherte Ehemann sich überschneidende Leistungsansprüche gegen ihre Krankenkasse einerseits und ihren privaten Krankenversicherer andererseits, so steht den Eheleuten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O., Rdnr. 26; s.a. Brandts, a.a.O., Rdnr. 65) die Wahl offen, auf welchem Wege sie die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft in Anspruch nehmen wollen. Hat dabei einer der Schuldner den Leistungsanspruch erfüllt, so ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - soweit sich die Ansprüche gegen beide Schuldner in der Sache überschnitten haben - insoweit auch die Schuld des anderen Schuldners erloschen.
bb) Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Ergebnis an, lässt aber offen, ob rechtlich von einem "Erlöschen" der Leistungspflicht auszugehen ist; Zweifel bestehen insoweit an einer dogmatisch tauglichen Herleitung eines Erlöschenstatbestandes. Denn jedenfalls kann Aufwendungsersatz nicht beansprucht werden, wenn und soweit keine Aufwendungen mehr gegeben sind, weil ein Dritter – hier: die private Krankenkasse des Ehemannes – Aufwendungsersatz in gesetzlicher Höhe geleistet hat.
Hier hatten die Klägerin und ihr Ehemann insoweit deckungsgleiche Ansprüche gegen die beklagte gesetzliche Krankenkasse und die private Krankenkasse des Ehemannes, als die Klägerin eine Erstattung der Hälfte der Kosten für die bei ihr (sowie extrakorporal) durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung beanspruchen konnte und zugleich dem Ehemann ein Anspruch auf Erstattung der Hälfte der entstandenen Gesamtkosten gegen seine private Krankenkasse zustand. Zu den Gesamtkosten der künstlichen Befruchtung gehören – wie der Fall zeigt – weit überwiegend die Kosten für die Behandlung der Ehefrau und die extrakorporalen Maßnahmen (insgesamt 12.498,39 Euro), während die Kosten für beim Ehemann durchgeführte Maßnahmen überaus gering sind (zweimal 119,96 Euro). Indem die Debeka die Hälfte der Gesamtkosten erstattet hat, hat sie auch Kosten in der Höhe übernommen, in der die Klägerin einen Freistellungsanspruch gegenüber der Beklagten gehabt hätte. Dadurch ist (in der Diktion des Bundessozialgerichts) die Schuld der beklagten gesetzlichen Krankenkasse erloschen; mit anderen Worten: Erstattungsfähige Aufwendungen liegen nicht mehr vor.
Die sich nach alledem ergebende Verweigerung der kompletten Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten (vgl. Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 27. Februar 2009, 1 BvR 2982/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12 bis 14). Die Ehegatten stehen im Ergebnis nicht anders, als wären sie beide gesetzlich krankenversichert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil hierfür kein Grund nach § 160 Abs. 2 SGG vorlag.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 4.182,44 Euro.
Die 1970 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie ist seit dem 20. Mai 2005 verheiratet mit R, der als Beamter mit 50 Prozent der Krankheitskosten beihilfeberechtigt und mit weiteren 50 Prozent bei der Debeka privat krankenversichert ist.
Der Ehemann der Klägerin leidet unter Azoospermie (vollständiges Fehlen von Samenreifungszellen und Samenzellen im Ejakulat), was Fortpflanzung auf natürlichem Wege ausschließt.
Aufgrund eines gemeinsamen Kinderwunsches begab das Ehepaar sich im Februar 2008 in Behandlung des F Center B (Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Prof. Dr. K u.a.), wo die Durchführung einer künstlichen Befruchtung geplant wurde. Eine am 28. Mai 2008 vorgenommene Hodenbiopsie beim Ehemann der Klägerin ergab, dass dieser über für eine künstliche Befruchtung ausreichende Spermatozoen verfügte, worauf dem Ehepaar eine In-Vitro-Fertilisation (IVF)/Mikroinjektion (ICSI) empfohlen wurde. Die beim Ehemann entnommenen Spermien wurden kryokonserviert.
Unter Vorlage verschiedener Befundunterlagen und Kostenaufstellungen beantragte der Ehemann der Klägerin hierauf zunächst eine Übernahme der vollständigen Kosten der künstlichen Befruchtung bei der Debeka. Diese teilte ihm mit Schreiben vom 30. Juli 2008 mit, Versicherungsleistungen für die unmittelbar ihm zurechenbaren, nicht in den Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenkasse der Klägerin fallenden ärztlichen Maßnahmen übernehmen zu werden. Allerdings solle die Klägerin vor Behandlungsbeginn einen Leistungsantrag bei der Beklagten stellen.
Am 4. August 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Übernahme der für die künstliche Herbeiführung der Schwangerschaft entstehenden Kosten und reichte Behandlungspläne für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gemäß § 27a SGB V vom 26. August 2008 und 3. September 2008 ein. Auf diesen heißt es u.a.: "Erbitten Kostenübernahme analog GOÄ, 1,0fach, da (der Ehemann) privat versichert ist und PKV nach Verursacherprinzip 50 % der Gesamtkosten übernimmt, daher sind EBM-Ziffern nicht anwendbar."
Mit Bescheiden vom 16. September 2008 und 13. November 2008, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2009, lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die bei der Klägerin durchzuführenden privatärztlichen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bestehe nicht. Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V habe die Klägerin nicht gewählt, so dass eine Übernahme von Kosten für privatärztliche Leistungen schon aus diesem Grund ausscheide. Unrichtig sei der Hinweis im Behandlungsplan, die künstliche Befruchtung könne nicht als Sachleistung über die Versichertenkarte abgerechnet werden, denn im EBM seien Abrechnungsziffern enthalten. Ebenso könnten die zur Behandlung notwendigen Medikamente nach Maßgabe der gesetzlichen Bedingungen direkt über die Apotheke mit der Krankenkasse abgerechnet werden, so dass keine Notwendigkeit für eine privatärztliche Behandlung bestehe. Weil die Eheleute zuerst an die private Krankenkasse des Ehemannes herangetreten seien, müsse diese die Kosten einer künstlichen Befruchtung tragen (Hinweis auf Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. März 2004, IV ZR 25/03). Wenn, wie hier, bereits die Hälfte der Kosten von einem anderen Leistungsträger übernommen würden, bestehe kein Anspruch auf weitere Kostenübernahme durch die Beklagte, denn ansonsten stünde die Klägerin besser als andere gesetzlich Krankenversicherte, die stets eine Eigenbeteiligung von 50 Prozent trügen.
Die Eheleute unterzogen sich zwei Behandlungszyklen der IVF/ICSI (Beginn des ersten Behandlungszyklus am 22. September 2008). Am 15. Oktober 2008 und am 15. Januar 2009 wurden der Klägerin Eizellen entnommen und extrakorporal befruchtet. Am 9. Oktober 2009 brachte die Klägerin eine Tochter zur Welt.
Im Zuge der Kinderwunschbehandlung im F Center Berlin entstanden den Eheleuten Kosten in Höhe von 12.738,31 Euro; bis auf einen Betrag von zweimal 119,96 Euro (Rechnungen vom 22. Oktober 2008 und vom 19. Januar 2009) betreffen sämtliche Rechnungspositionen ausschließlich am Körper der Klägerin und extrakorporal durchgeführte Maßnahmen; die Kosten der beim Ehemann der Klägerin am 18. Mai 2008 durchgeführten Hodenbiopsie sind nicht streitgegenständlich. Im Einzelnen:
• Vier Arztrechnungen in Höhe von insgesamt 9.903,75 Euro:
o Rechnung des F Center Berlin an den Ehemann der Klägerin vom 22. Oktober 2008, Abrechnung nach GOÄ, 4.830,01 Euro, für den ersten Behandlungszyklus der IVF/ICSI; hiervon entfallen 119,96 Euro auf die GOÄ-Positionen 4003A, 3505, 3508, 3611, 4003 und 3668 und damit auf Maßnahmen am Körper des Ehemannes der Klägerin; o Rechnung des F Center Berlin an die Eheleute vom 19. Januar 2009, Abrechnung nach GOÄ, 4.278,99 Euro, für den zweiten Behandlungszyklus der IVF/ICSI; hiervon entfallen 119,96 Euro auf die GOÄ-Positionen 4003A, 3505, 3508, 3611, 4003 und 3668 und damit auf Maßnahmen am Körper des Ehemannes der Klägerin; o Rechnung der Anästhesistin Dr. D an den Ehemann der Klägerin vom 27. Oktober 2008 nach GOÄ, 409,97 Euro, für die am 15. Oktober 2008 bei der Klägerin vorgenommene ambulante Anästhesie; o Rechnung der Anästhesistin Dr. D an den Ehemann der Klägerin vom 4. Februar 2009 nach GOÄ, 384,78 Euro, für die am 15. Januar 2009 bei der Klägerin vorgenommene ambulante Anästhesie.
• Rechnungen für auf den Ehemann der Klägerin ausgestellte Rezepte über ausschließlich von der Klägerin einzunehmende Arzneimittel (überwiegend Hormonpräparate) in Höhe von insgesamt 2.834,56 Euro.
Von der Debeka erhielt der Ehemann der Klägerin eine Erstattung in Höhe von 50 Prozent dieser Arzt- und Arzneimittelrechnungen. Weiter führt die Klägerin an, ihr Ehemann habe für die Kinderwunschbehandlung von der Beihilfestelle 76,56 Euro sowie 83,27 Euro erstattet erhalten.
Gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten hat die Klägerin Klage erhoben. Mit ihr hat sie zuletzt Kostenerstattung in Höhe von 4.182,44 Euro begehrt. Nach der von der Klägerin insoweit angestellten Berechnung sind hierin 1.559,98 Euro für Arzneimittelkosten und 2.622,46 Euro für Arztkosten enthalten. Die Arztkosten von insgesamt 9.903,75 Euro hat die Klägerin rechnerisch auf den einfachen Abrechnungsfaktor reduziert; den sich ergebenden Betrag von 5.564,57 Euro hat sie halbiert (2.782,29 Euro) und hiervon noch die behaupteten Erstattungsbeträge der Beihilfe (insgesamt 159,83 Euro) abgezogen (Ergebnis: 2.622,46 Euro).
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 21. November 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Anspruchsgrundlage könne nur § 13 Abs. 3 SGB V sein. Ob die Beklagte die Leistung zu Unrecht abgelehnt habe, könne dahinstehen, weil ein etwaiger Erstattungsanspruch gegen die Beklagte durch die unstreitig von der Debeka geleisteten Zahlungen in Höhe von 50 Prozent der Gesamtkosten erloschen sei. Diese hälftigen Leistungen der Debeka entsprächen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Hinweis auf Urteil vom 3. März 2004, IV ZR 25/03). Habe in einem Fall wie dem vorliegenden eine der beiden beteiligten Krankenkassen den Erstattungsanspruch erfüllt, so sei insoweit auch die Schuld der anderen Krankenklasse erloschen. Bei den Ansprüchen der Klägerin gegen die Beklagte nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V und den hier gegebenen Leistungen der Debeka handele es sich um deckungsgleiche Ansprüche. Mehr als die von der Debeka geleistete Erstattung könne die Klägerin nicht verlangen.
Gegen das ihr am 11. Dezember 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Januar 2013 Berufung eingelegt. Die Leistungsvoraussetzungen nach § 27a SGB V seien für beide Behandlungszyklen erfüllt. Bei einem Mischversicherungsverhältnis wie hier sei es unmöglich, gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse die Leistungen gesondert nach EBM-Ziffern auszuweisen. Die Komplexziffern des EBM ließen sich auch nicht nach Behandlung von Mann oder Frau aufgliedern. Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts sei der Anspruch der Klägerin nicht durch die Erstattungsleistungen der Debeka erloschen. Sie habe einen 50prozentigen Leistungsanspruch gegen die Beklagte, ebenso wie ihr Ehemann einen 50prozentigen Leistungsanspruch gegen seine private Krankenkasse besitze. Dieser von der Debeka erfüllte hälftige Erstattungsanspruch des Ehemannes basiere auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die IVF/ICSI eine Gesamtbehandlung des erkrankten Mannes darstelle, die von dessen privater Krankenkasse im tariflichen Umfange insgesamt zu erstatten sei. Zu "Überschneidungen" der gegen die Beklagte einerseits und gegen die Debeka andererseits gerichteten Ansprüche komme es nicht.
Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin lässt sich der Antrag entnehmen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. November 2012 sowie die Bescheide der Beklagten vom 16. September 2008 und 13. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.182,44 Euro nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.
1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Abs. 3, zweite Alternative Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) in Betracht. Danach sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und der Versicherte sich deshalb die Leistung selbst beschafft. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. nur Urteil vom 18. Mai 2004, B 1 KR 21/02 R, zitiert nach juris).
2. Der für einen Anspruch auf Kostenerstattung erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ist gegeben. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3, zweite Alternative SGB V ist ausgeschlossen, wenn die Entscheidung der Krankenkasse das weitere Geschehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Leistung nicht mehr beeinflussen konnte, weil der Betroffene sich bereits unabhängig vom Verhalten seiner Krankenkasse endgültig auf eine bestimmte Leistungsform festgelegt hatte. Vor einer Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Sachleistungssystems ist der Versicherte grundsätzlich gehalten, sich an seine Krankenkasse zu wenden und die Leistungsgewährung zu beantragen und die Entscheidung der Krankenkasse darüber abzuwarten (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 3/04 R, zitiert nach juris). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Die Klägerin hat sich das erste Privatrezept erst nach Erlass des ersten ablehnenden Bescheides der Beklagten, welcher am 16. September 2008 erging, am 22. September 2008 ausstellen lassen (GA Bl. 62, 69). Dass die Beklagte auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. September 2008 hin am 13. November 2008 erneut einen ablehnenden Bescheid erließ, kann in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Ausreichend ist insoweit die ablehnende Entscheidung vom 16. September 2008.
3. Grundsätzlich gehören die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung, denen die Klägerin sich seit dem 22. September 2009 in zwei Zyklen unterzog, zu den Leistungen, welche die gesetzliche Krankenkasse als Sachleistung zu erbringen hat. Rechtsgrundlage ist insoweit § 27a SGB V in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190). Danach (Absatz 1) umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn
1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,
2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,
3. die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,
4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und
5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist.
Nach § 27a Abs. 3 SGB V besteht ein Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 ferner nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen.
Über das Vorliegen all dieser Voraussetzungen besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit.
4. Gleichwohl besteht der geltend gemachte Erstattungsanspruch auch zur Überzeugung des Senats nicht, denn für das gegen die Beklagte gerichtete Erstattungsbegehren gibt es keine rechtliche Grundlage, nachdem die private Krankenkasse des Ehemannes bereits die Hälfte der gesamten Behandlungskosten erstattet hat und im gesetzlichen Umfang erstattungsfähige Aufwendungen daher nicht mehr vorliegen.
a) Die (gesetzliche) Krankenkasse übernimmt nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V fünfzig vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Die Krankenkasse ist ihrem Versicherten gegenüber allerdings nur für Maßnahmen leistungspflichtig, die unmittelbar am und im Körper ihres Versicherten vorzunehmen sind, sowie für sonstige, so genannte extrakorporale Leistungen, soweit die Maßnahmen nicht unmittelbar am oder im Körper des Ehegatten ihres Versicherten vorzunehmen sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 11/03 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 10). Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung lassen sich danach im Wesentlichen in drei Behandlungsbereiche einteilen, nämlich (1.) in Maßnahmen unmittelbar am Körper der Ehefrau, (2.) Maßnahmen unmittelbar am Körper des Ehemannes und (3.) extrakorporale Maßnahmen. Zu den Maßnahmen unmittelbar am Körper der Ehefrau gehören die Hormonbehandlung der Frau mit dem Ziel der Heranreifung mehrerer Eizellen, die operative Eizellgewinnung mittels Follikelpunktion und der Embryotransfer nach Beendigung der Befruchtung. Die Behandlung der Frau beginnt dabei regelmäßig mit den konkret auf das Behandlungsziel gerichteten ärztlichen Maßnahmen, d.h. spätestens mit der ärztlichen Verordnung der für die Hormonbehandlung zur Eizellgewinnung erforderlichen Arzneimittel. Zu den Maßnahmen unmittelbar am Körper des Ehemannes gehört die operative Samengewinnung mittels Hodenbiopsie (TESE). Zu den Leistungen außerhalb des Körpers beider Ehegatten (extrakorporale Maßnahmen) gehören die Entfernung des Eizellkumulus von den gewonnenen Eizellen, die Aufbereitung des gewonnenen Spermas, die Injektion des Spermas in die Eizelle (ICSI) und die Kultur zur Aufbewahrung der befruchteten Eizelle bis zur Teilung in einen Mehrzeller (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 17; Brandts in Kasseler Kommentar, Rdnr. 54 zu § 27a).
b) Für die danach erstattungsfähigen Aufwendungen hat die Klägerin bereits Ersatz erhalten, so dass die Klage keinen Erfolg haben kann.
aa) Grundsätzlich schwierig und gesetzlich nicht eindeutig geregelt ist der Umfang der Leistungspflicht bei Beteiligung mehrerer gesetzlicher Krankenkassen oder – wie hier – einer privaten Krankenkasse (vgl. hierzu Brandts, a.a.O., Rdnr. 55 bis 65 sowie Hauck, Krankenversicherungsrechtliche Ansprüche bei Fortpflanzungsunfähigkeit, SGb 2006, S. 321 [329]).
Für den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist es unerheblich, dass nicht nur sie als gesetzlich Krankenversicherte einen Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V hatte, sondern zusätzlich ihr Ehegatte von seiner privaten Krankenkasse tarifgemäß eine Erstattung der Gesamtheit der ärztlichen Maßnahmen verlangen konnte (vgl. hierzu und zum Folgenden Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2008, B 1 KR 24/07 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24); nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören zu den erstattungsfähigen Aufwendungen in der privaten Krankenversicherung auch die Kosten einer – wie hier – wegen der Unfruchtbarkeit des versicherten Mannes vorgenommenen homologen In-vitro-Fertilisation (extrakorporale Befruchtung). Insoweit dient die Gesamtheit der ärztlichen Maßnahmen der Linderung der Krankheit des Versicherten und stellt daher eine Heilbehandlung des Mannes dar (vgl.Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. März 2004, IV ZR 25/03, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13 ff.).
Das SGB V sieht es insoweit nicht als Ausschlussgrund an, dass Versicherte oder ihre Ehegatten zusätzlich zum Anspruch nach dem SGB V einen entsprechenden weiteren Anspruch gegen einen privaten Krankenversicherer auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft haben. Deshalb ist auch das Bundessozialgericht in der zitierten Entscheidung davon ausgegangen, dass eine Krankenkasse den bei ihr Versicherten nicht entgegenhalten kann, die Leistung könne von der privaten Versicherung des Ehegatten beschafft werden (a.a.O., Rdnr. 25 m.w.N.). Entsprechend hat der Bundesgerichtshof entschieden, der Privatversicherer könne dem Anspruch seines Versicherungsnehmers nicht entgegenhalten, dass seine Ehefrau einen entsprechenden Anspruch gegen ihre Krankenkasse aus § 27a SGB V habe (vgl. Bundesgerichtshof, a.a.O., Rdnr. 23).
Haben in einer solchen Situation die gesetzlich krankenversicherte Ehefrau und der privat versicherte Ehemann sich überschneidende Leistungsansprüche gegen ihre Krankenkasse einerseits und ihren privaten Krankenversicherer andererseits, so steht den Eheleuten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O., Rdnr. 26; s.a. Brandts, a.a.O., Rdnr. 65) die Wahl offen, auf welchem Wege sie die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft in Anspruch nehmen wollen. Hat dabei einer der Schuldner den Leistungsanspruch erfüllt, so ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - soweit sich die Ansprüche gegen beide Schuldner in der Sache überschnitten haben - insoweit auch die Schuld des anderen Schuldners erloschen.
bb) Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Ergebnis an, lässt aber offen, ob rechtlich von einem "Erlöschen" der Leistungspflicht auszugehen ist; Zweifel bestehen insoweit an einer dogmatisch tauglichen Herleitung eines Erlöschenstatbestandes. Denn jedenfalls kann Aufwendungsersatz nicht beansprucht werden, wenn und soweit keine Aufwendungen mehr gegeben sind, weil ein Dritter – hier: die private Krankenkasse des Ehemannes – Aufwendungsersatz in gesetzlicher Höhe geleistet hat.
Hier hatten die Klägerin und ihr Ehemann insoweit deckungsgleiche Ansprüche gegen die beklagte gesetzliche Krankenkasse und die private Krankenkasse des Ehemannes, als die Klägerin eine Erstattung der Hälfte der Kosten für die bei ihr (sowie extrakorporal) durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung beanspruchen konnte und zugleich dem Ehemann ein Anspruch auf Erstattung der Hälfte der entstandenen Gesamtkosten gegen seine private Krankenkasse zustand. Zu den Gesamtkosten der künstlichen Befruchtung gehören – wie der Fall zeigt – weit überwiegend die Kosten für die Behandlung der Ehefrau und die extrakorporalen Maßnahmen (insgesamt 12.498,39 Euro), während die Kosten für beim Ehemann durchgeführte Maßnahmen überaus gering sind (zweimal 119,96 Euro). Indem die Debeka die Hälfte der Gesamtkosten erstattet hat, hat sie auch Kosten in der Höhe übernommen, in der die Klägerin einen Freistellungsanspruch gegenüber der Beklagten gehabt hätte. Dadurch ist (in der Diktion des Bundessozialgerichts) die Schuld der beklagten gesetzlichen Krankenkasse erloschen; mit anderen Worten: Erstattungsfähige Aufwendungen liegen nicht mehr vor.
Die sich nach alledem ergebende Verweigerung der kompletten Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten (vgl. Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 27. Februar 2009, 1 BvR 2982/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12 bis 14). Die Ehegatten stehen im Ergebnis nicht anders, als wären sie beide gesetzlich krankenversichert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil hierfür kein Grund nach § 160 Abs. 2 SGG vorlag.
Rechtskraft
Aus
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