Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 27 AS 2484/12
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 1318/13 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wendet sich der Kläger mit einer isolierten Anfechtungsklage gegen einen Widerspruchsbescheid, mit dem sein Widerspruch gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid wegen späterer endgültiger Festsetzung als unzulässig verworfen wurde, so handelt es sich nicht um eine Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft. Die Berufung bedarf dann nicht der Zulassung iSv § 144 Abs. 1 SGG.
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des So-zialgerichts Nordhausen vom 15. Juli 2013 (Az.: S 27 AS 2484/12) wird als unzulässig verworfen. Der Beklagte trägt die Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Juli 2013. Der Beklagte bewilligte dem Kläger zunächst am 6. Dezember 2011 vorläufige Leistungen in Höhe von etwas mehr als 317 EUR (Bl. 922 der Verwaltungsakte), am 29. Dezember 2011 dann etwas mehr als 384 EUR (Bl. 965 VA). Gegen den Bescheid vom 6. Dezember 2011 erhob der Beklagte am 5. Januar 2012 Widerspruch (Bl. 978 VA). Im Rahmen der endgültigen Festsetzung vom 11. Januar 2012 wurden etwas mehr als 411 EUR für Januar und Februar 2012 und für März bis Juni 2012 mehr als 386 EUR bewilligt (Bl. 975 VA). Diese Leistungen wurden mit dem Änderungsbescheid vom 13. April 2012 erneut erhöht, diesmal für Februar 2012 auf etwas mehr als 416 EUR und für März sogar auf 678 EUR (Bl. 1038). Am 15. Mai 2012 erfolgte die letztmalige Erhöhung für Februar 2012 auf nunmehr 421,16 EUR (Bl. 1053 der Verwaltungsakte). Die endgültigen Festsetzungen enthalten eine Belehrung, wonach diese Bescheide Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werden. Der Kläger verzichtete daher darauf, einen eigenständigen Widerspruch gegen die endgültigen Festsetzungen zu erheben. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als "unzulässig" zurück. Der Beklagte begründete dies damit, dass wegen endgültiger Bewilligung eine Erledigung der vorläufigen Bescheide kraft Gesetzes eingetreten sei und sich eine Sachentscheidung erübrige. Daraufhin hat der Kläger eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2012 erhoben. Er vertritt die Auffassung, die endgültigen Bescheide seien wegen des zuvor gegen die vorläufigen Bescheide eingelegten Widerspruches zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, weshalb in der Sache zu entscheiden sei.
Das Sozialgericht Nordhausen hat dem Antrag des Klägers folgend nur den Widerspruchsbe-scheid vom 11. Juni 2012 isoliert aufgehoben. Es vertritt die Auffassung, dass eine Verwerfung eines Widerspruches als unzulässig rechtswidrig ist, wenn er sich wie vorliegend, gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid (hier vom 6. Dezember 2011, Leistungszeitraum 1. Januar 2012 bis 30. Juni 2012) richtet, welcher später durch einen die Leistungen endgültig festsetzenden Bescheid (hier vom 15. Mai 2012) ersetzt wird. Weil der endgültige Bescheid zum Gegenstand des gegen den vorläufigen Bescheid gerichteten Widerspruchsverfahrens werde, trete keine Erledigung ein. Der Beklagte habe daher noch eine Sachentscheidung zu treffen. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der am 19. August 2013 erhobenen Beschwerde. Er vertritt den Standpunkt, dass sich der vorläufige Bescheid erledigt habe. Es fehle an einem tauglichen Gegenstand für eine Entscheidung. Er beantragt die Zulassung der Berufung. Der Kläger meint, da die betroffenen Verwaltungsakte Geldleistungen beträfen, die seiner Auffassung nach einen Betrag von 750 EUR nicht überstiegen, sei die Nichtzulassungsbeschwer-de zwar zulässig, aber nicht begründet.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft. Dem steht § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG entgegen. Nach dieser Vorschrift bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Voraussetzung der Beschränkung der Berufung und damit der Zulassungsbedürftigkeit ist damit eine Klage auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. Diese Regelung gilt jedoch hier nicht. Die Klage betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
Eine Klage wird durch ihren Streitgegenstand gekennzeichnet, so wie er in den erstinstanzlichen Klageanträgen festgelegt ist. Gegenstand der Klage ist somit hier die isolierte Anfechtung eines Widerspruchsbescheides. Dem Kläger ging es mit seiner bei dem Sozialgericht erhobenen Klage - anders als er im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde vorträgt - nicht um höhere Leistungen, weil er ausweislich des Klageantrags die die Leistung festsetzenden Verwaltungsakte nicht angefochten hat. Der Kläger wollte die Einbeziehung von endgültigen Bescheiden in ein Widerspruchsverfahren erreichen. Zu diesem Zweck hatte er den Widerspruchsbescheid isoliert angefochten und die Aufhebung des Widerspruchsbescheides beantragt. Das ergibt sich aus dem gesamten Sachvortrag der Klägerseite in dem Gerichtsverfahren bei dem Sozialgericht Nordhausen, der auf die Klärung einer prozessualen Streitfrage ausgerichtet ist. Dass das Verwaltungsverfahren ursprünglich auf Gewährung von Leistungen gerichtet war, ist für die Bestimmung des Streitgegenstands im Klageverfahren ohne Auswirkung. Die Berufung ist in Fällen einer eigenständigen Bedeutung des streitigen Verwaltungsaktes ohne Beschränkung auf den Berufungsstreitwert zulässig (Leitherer in SGG, 11.A., § 144 Rn. 10b m.w.N. aus der Rechtsprechung). In der hier vorliegenden Fallgestaltung sieht der Senat die Geltendmachung einer eigenständigen Bedeutung des streitigen Widerspruchsbescheides, mit dem der Widerspruch als unzulässig verworfen wurde. Die isolierte Anfechtung eines Widerspruchsbescheides ist entgegen der Grundregel des § 95 SGG auch nur dann zulässig, wenn der Widerspruchsbescheid eine gegenüber den Ausgangsverwaltungsakten zusätzliche selbstständige Beschwer enthält. Das ist hier der Fall. Damit bedarf die Berufung keiner Zulassung. Die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Eine Umdeutung kommt nicht in Betracht. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Ansicht ergibt sich keine Abweichung zur bisherigen Senatsrechtsprechung zu § 144 SGG. Denn um eine Untätigkeitsklage betreffend den Erlass eines Widerspruchsbescheids auf einen Verpflichtungswiderspruch geht es hier erkennbar nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Juli 2013. Der Beklagte bewilligte dem Kläger zunächst am 6. Dezember 2011 vorläufige Leistungen in Höhe von etwas mehr als 317 EUR (Bl. 922 der Verwaltungsakte), am 29. Dezember 2011 dann etwas mehr als 384 EUR (Bl. 965 VA). Gegen den Bescheid vom 6. Dezember 2011 erhob der Beklagte am 5. Januar 2012 Widerspruch (Bl. 978 VA). Im Rahmen der endgültigen Festsetzung vom 11. Januar 2012 wurden etwas mehr als 411 EUR für Januar und Februar 2012 und für März bis Juni 2012 mehr als 386 EUR bewilligt (Bl. 975 VA). Diese Leistungen wurden mit dem Änderungsbescheid vom 13. April 2012 erneut erhöht, diesmal für Februar 2012 auf etwas mehr als 416 EUR und für März sogar auf 678 EUR (Bl. 1038). Am 15. Mai 2012 erfolgte die letztmalige Erhöhung für Februar 2012 auf nunmehr 421,16 EUR (Bl. 1053 der Verwaltungsakte). Die endgültigen Festsetzungen enthalten eine Belehrung, wonach diese Bescheide Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werden. Der Kläger verzichtete daher darauf, einen eigenständigen Widerspruch gegen die endgültigen Festsetzungen zu erheben. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als "unzulässig" zurück. Der Beklagte begründete dies damit, dass wegen endgültiger Bewilligung eine Erledigung der vorläufigen Bescheide kraft Gesetzes eingetreten sei und sich eine Sachentscheidung erübrige. Daraufhin hat der Kläger eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2012 erhoben. Er vertritt die Auffassung, die endgültigen Bescheide seien wegen des zuvor gegen die vorläufigen Bescheide eingelegten Widerspruches zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, weshalb in der Sache zu entscheiden sei.
Das Sozialgericht Nordhausen hat dem Antrag des Klägers folgend nur den Widerspruchsbe-scheid vom 11. Juni 2012 isoliert aufgehoben. Es vertritt die Auffassung, dass eine Verwerfung eines Widerspruches als unzulässig rechtswidrig ist, wenn er sich wie vorliegend, gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid (hier vom 6. Dezember 2011, Leistungszeitraum 1. Januar 2012 bis 30. Juni 2012) richtet, welcher später durch einen die Leistungen endgültig festsetzenden Bescheid (hier vom 15. Mai 2012) ersetzt wird. Weil der endgültige Bescheid zum Gegenstand des gegen den vorläufigen Bescheid gerichteten Widerspruchsverfahrens werde, trete keine Erledigung ein. Der Beklagte habe daher noch eine Sachentscheidung zu treffen. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der am 19. August 2013 erhobenen Beschwerde. Er vertritt den Standpunkt, dass sich der vorläufige Bescheid erledigt habe. Es fehle an einem tauglichen Gegenstand für eine Entscheidung. Er beantragt die Zulassung der Berufung. Der Kläger meint, da die betroffenen Verwaltungsakte Geldleistungen beträfen, die seiner Auffassung nach einen Betrag von 750 EUR nicht überstiegen, sei die Nichtzulassungsbeschwer-de zwar zulässig, aber nicht begründet.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft. Dem steht § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG entgegen. Nach dieser Vorschrift bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Voraussetzung der Beschränkung der Berufung und damit der Zulassungsbedürftigkeit ist damit eine Klage auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. Diese Regelung gilt jedoch hier nicht. Die Klage betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.
Eine Klage wird durch ihren Streitgegenstand gekennzeichnet, so wie er in den erstinstanzlichen Klageanträgen festgelegt ist. Gegenstand der Klage ist somit hier die isolierte Anfechtung eines Widerspruchsbescheides. Dem Kläger ging es mit seiner bei dem Sozialgericht erhobenen Klage - anders als er im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde vorträgt - nicht um höhere Leistungen, weil er ausweislich des Klageantrags die die Leistung festsetzenden Verwaltungsakte nicht angefochten hat. Der Kläger wollte die Einbeziehung von endgültigen Bescheiden in ein Widerspruchsverfahren erreichen. Zu diesem Zweck hatte er den Widerspruchsbescheid isoliert angefochten und die Aufhebung des Widerspruchsbescheides beantragt. Das ergibt sich aus dem gesamten Sachvortrag der Klägerseite in dem Gerichtsverfahren bei dem Sozialgericht Nordhausen, der auf die Klärung einer prozessualen Streitfrage ausgerichtet ist. Dass das Verwaltungsverfahren ursprünglich auf Gewährung von Leistungen gerichtet war, ist für die Bestimmung des Streitgegenstands im Klageverfahren ohne Auswirkung. Die Berufung ist in Fällen einer eigenständigen Bedeutung des streitigen Verwaltungsaktes ohne Beschränkung auf den Berufungsstreitwert zulässig (Leitherer in SGG, 11.A., § 144 Rn. 10b m.w.N. aus der Rechtsprechung). In der hier vorliegenden Fallgestaltung sieht der Senat die Geltendmachung einer eigenständigen Bedeutung des streitigen Widerspruchsbescheides, mit dem der Widerspruch als unzulässig verworfen wurde. Die isolierte Anfechtung eines Widerspruchsbescheides ist entgegen der Grundregel des § 95 SGG auch nur dann zulässig, wenn der Widerspruchsbescheid eine gegenüber den Ausgangsverwaltungsakten zusätzliche selbstständige Beschwer enthält. Das ist hier der Fall. Damit bedarf die Berufung keiner Zulassung. Die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Eine Umdeutung kommt nicht in Betracht. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Ansicht ergibt sich keine Abweichung zur bisherigen Senatsrechtsprechung zu § 144 SGG. Denn um eine Untätigkeitsklage betreffend den Erlass eines Widerspruchsbescheids auf einen Verpflichtungswiderspruch geht es hier erkennbar nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved