Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 2490/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 124/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Sieht ein Vertrag nach § 132a Abs. 2 SGB V zwischen Pflegedienst und Krankenkasse keine Abrechnungsposition für die Leistung „Abnehmen von Kompressionsverbänden“ vor, kann in der Regel nicht auf die Abrechnungsposition für die Leistung „Anlegen von Kompressionsverbänden“ zurückgegriffen werden.
2. Regelungslücken in Verträgen nach § 132a Abs. 2 SGB V sind nicht durch die analoge Anwendung von Vorschriften des BGB (z.B. §§ 315, 316, 612, 812) zu schließen, sondern im Rahmen eines Schiedsverfahrens nach § 132a Abs. 2 Sätze 6 bis 8 SGB V.
2. Regelungslücken in Verträgen nach § 132a Abs. 2 SGB V sind nicht durch die analoge Anwendung von Vorschriften des BGB (z.B. §§ 315, 316, 612, 812) zu schließen, sondern im Rahmen eines Schiedsverfahrens nach § 132a Abs. 2 Sätze 6 bis 8 SGB V.
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. April 2013 wird zurückgewiesen. Die Klägerinnen tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerinnen, Betreiberinnen von häuslichen Pflegediensten, begehren von der beklagten Krankenkasse höhere Vergütungen für von ihr erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Im Streit steht im Kern die Auslegung der einschlägigen Vergütungsvereinbarung.
Die AOK Berlin, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, schloss unter dem 12. Dezember 2000 mit den Klägerinnen jeweils gleichlautende Verträge gemäß § 132a Absatz 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten dieser Krankenkasse u.a. mit häuslicher Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V. Hinsichtlich der Vergütung verwies § 15 dieser Verträge auf die "Regelungen der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarung". Jeweils mit Wirkung zum 01. Juli 2005 vereinbarten die Beteiligten in Anlage 4 zu diesem Vertrag, dass für die Zeit vom Ablauf des bestehenden Vertrages bis zur Entscheidung durch die Schiedsperson über den Beginn und Inhalt der neuen vertraglichen Festsetzungen die bisherigen vertraglichen Regelungen unverändert weiter gälten.
Die unter dem 05. März 2007 geschlossene Vergütungsvereinbarungen zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und den von den Klägerinnen betriebenen Pflegediensten sah für die Zeit vom 01. März 2007 bis 31. Dezember 2010 die nachfolgend aufgeführten Entgelte nach den Maßgaben des Vertrages vom 12. Dezember 2000 als berechnungsfähig an:
Leistungs-pauschale e Einsatz Grundpauschale
Je Einsatz In Wohn-gemein-schaften
I. Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V:
Leistungsgruppe 1
a) Medikamentengabe / Richten von ärztlich verordneten Medikamenten gemäß Nr. 26 der Verordnungsrichtlinien nach § 92 Abs. 7 SGB V b) Injektionen / Richten von Injektionen (einschließlich lnsulingaben) gemäß Nr. 18 und 19 der Verordnungsrichtlinien nach § 92 Abs. 7 SGB V
5,50 EUR
5,50 EUR
3,65 EUR
3,65EUR
2,65 EUR
2,65 EUR
Leistungsgruppe 2
[ ] Anlegen eines Kompressionsverbandes, auch An- und Ausziehen von Kompres- sionsstrümpfen und /-strumpfhosen (Verrichtungen aus Nr.31)
10,58 EUR
3,65 EUR
2,65 EUR
Leistungsgruppe 3
11,26 EUR
3,65 EUR
2,65 EUR
Ferner sah diese Vergütungsvereinbarung vor:
"(2) [ ]
Bei Einführung neuer Leistungen der Behandlungspflege in den Richtlinien gemäß § 92 Absatz I Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V ist zwischen den Verhandlungsparteien Einvernehmen über die Zuordnung zu den Leistungsgruppen herzustellen.
[ ]
(5) Mit den genannten Entgelten sind jeweils sämtliche im Zusammenhang mit den bewilligten und erbrachten Leistungen erforderlichen Aufwendungen abgegolten, einschließlich der pflegerischen Prophylaxen als Bestandteil der verordneten Leistungen, in dem Umfang, wie sie zur Wirksamkeit notwendig sind."
Zwischen den Klägerinnen und der Beklagten entstand Streit, ob letztere auch für das Abnehmen eines Kompressionsverbandes ein Entgelt nach der Leistungsgruppe 2 zu zahlen hat. Die Beklagte verneinte dies und kürzte daher die Rechnungen der Klägerinnen (sowie weiterer Pflegedienste, deren Rechtsstreite im Hinblick auf das hiesige Verfahren zum Ruhen gebracht wurden) i.H. des Differenzbetrages zwischen dem Entgelt für die Leistungsgruppen 1 und 2 wie folgt [Die Fälle 1 bis 4 betreffen die Klägerin zu 1), die Fälle 5 und 6 die Klägerin zu 2).]: Versicherte/r Leistungszeitraum Rechnung vom rechnungskürzendes Schreiben der Beklagten Kürzungs- betrag Rechtshängig seit A B 01.-18.07.2011 15.08.2011 30.08.2011 86,36 Euro 28.12.2011 R Z 01.-12.10.2011 21.11.2011 30.11.2011 40,64 Euro 31.01.2012 I G 01.-31.12.2011 02.02.2012 08.02.2012 142,24 Euro 19.03.2012 A N 04.-12.01.2012 21.02.2012 29.02.2012 46,40 Euro 25.06.2012 (geltend gemacht nur 31,49 Euro) J M 20.-24.04.2012 09.05.2012 21.05.2012 20,32 Euro 08.06.2012 E P 01.-31.08.2012 05.09.2012 20.09.2012 106,68 Euro 23.10.2012
Die strittigen Leistungen (Abnehmen von Kompressionsverbänden) wurden nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten ärztlich verordnet, waren medizinisch erforderlich und wurden von der Beklagten jeweils genehmigt.
Nach dem das Sozialgericht die am 28. Dezember 2011 erhobene Klage der Klägerin zu 1) und die am 08. Juni 2012 erhobene Klage der Klägerin zu 2) – die übrigen der o.g. Beträge wurden jeweils im Rahmen von Klageerweiterungen geltend gemacht – verbunden hatte, hat es mit Urteil vom 05. April 2013 die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Ansprüche der Klägerinnen folgten weder aus vertraglichen Vereinbarungen, noch aus einer schuldrechtlichen Verpflichtung bei Erteilung der Einzelgenehmigungen noch aus dem Gesetz. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerinnen die strittigen Leistungen vollständig erbracht und ordnungsgemäß abgerechnet hätten und ihnen hierfür eine Vergütung zustehe, streitig sei allein deren Höhe. Die o.g. Vergütungsvereinbarung sei wegen Anlage 4 zum Vertrag vom 12. Dezember 2000 auch auf die o.g. Fälle anwendbar. Ein weitergehender Vergütungsanspruch zugunsten der Klägerinnen ergebe sich jedoch weder aus dem Wortlaut der Vergütungsvereinbarung noch im Wege deren Auslegung. Hierfür spreche zwar der Sachzusammenhang zwischen Anlegen und Abnehmen eines Kompressionsverbandes sowie die Aufnahme der strittigen Leistungen in Nr. 31 der Anlage zur Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (häusliche Krankenpflege-Richtlinie – HKP-RL) durch dessen am 15. Januar 2011 in Kraft getretenen Beschluss vom 21. Oktober 2010. Die dagegen sprechenden Argumente überwögen jedoch: Zum einen sei das Abnehmen eines Kompressionsverbandes weniger aufwändig als dessen Anlegen, aber auch als das Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen. Ob die Neuaufnahme der Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" in die HKP-RL lediglich eine Klarstellung des bisherigen Leistungsumfanges darstelle, sei unklar, könne jedoch dahinstehen. Allein die Änderung des HKP-Leistungsverzeichnisses bewirke keine Rechts¬¬änderung des Vertrages, weil dieser keine dynamische Verweisung auf die HKP-RL enthalte. Schließlich habe sich die Kammer auch nicht davon überzeugen können, dass es vor Änderung des Leistungsverzeichnisses der HKP-RL eine ständige Übung zwischen den Beteiligten gegeben habe, das Abnehmen von Kompressionsverbänden nach Maßgabe der Leistungsgruppe 2 zu vergüten. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei den Gerichten untersagt, da es nach der gesetzlichen Konzeption Aufgabe der Vertragsparteien sei, eine angemessene Vergütung zu finden. In den Einzelgenehmigungen für die Erbringung der ärztlich verordneten Leistungen häuslicher Krankenpflege liege keine Erklärung der Beklagten über die Höhe einer bestimmten Vergütung. Etwas anderes gelte auch nicht für die Genehmigung vom 17. Januar 2012 im Falle der Versicherten G. Diese Genehmigung enthalte keine Erklärung zum Abnehmen eines Kompressionsverbandes, stattdessen jedoch eine Genehmigung des Anlegens zweimal täglich. Dies sei dahin auszulegen, dass je einmal täglich das Anlegen und Abnehmen des Kompressionsverbandes genehmigt werde. Weil die umstrittene Leistung jedoch vergütet werden müsse, sei es angebracht und in entsprechender Anwendung von § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) billig, dass die Beklagte diese Leistung vorläufig mit 9,15 Euro je Einsatz (5,50 Euro Leistungspauschale zzgl. Einsatzpauschale von 3,65 Euro vergütet habe. Da die Klägerinnen mit der Höhe der gezahlten Vergütung nicht einverstanden gewesen seien, hätten sie, statt Klage zu erheben, die Beklagte zu Verhandlungen auffordern müssen, wenngleich die Klageerhebung von ihrem Rechtsstandpunkt aus, wonach eine Vergütungshöhe vereinbart sei, folgerichtig gewesen sei. Wegen dieser vorläufigen billigen Vergütungshöhe bestehe derzeit kein Anspruch der Klägerinnen auf eine höhere Vergütung. Ob nach Abschluss der Vertragsverhandlungen ein höherer endgültiger Anspruch bestehe, sei für den vorliegenden Rechtsstreit nicht maßgeblich. Sofern die Klägerinnen des Weiteren die Feststellung begehrten, dass die Beklagte verpflichtet sei, für das Abnehmen eines Kompressionsverbandes eine Leistungspauschale je Einsatz i.H.v. 10,05 Euro zu zahlen, solange die geltenden Vergütungsvereinbarungen nicht durch eine neue ersetzt worden sei, sei die Klage zwar zulässig, aber aus den o.g. Gründen unbegründet. Dem darüber hinausgehenden hilfsweise gestellten Feststellungsantrag, dass die Beklagte verpflichtet sei, mit den Klägerinnen Verhandlungen über die Zuordnung der Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" aufzunehmen, fehle es an einem Feststellungsinteresse, weil sich die Verhandlungspflicht bereits aus § 25 Satz 2 des Vertrages vom 12. Dezember 2000 und aus Ziffer 2 Absatz 5 der o.g. Vergütungsvereinbarung ergebe. An einem Feststellungsinteresse fehle es auch, weil die Klägerinnen die Beklagte bislang nicht zu Verhandlungen über das Vertragswerk aufgefordert hätten.
Gegen dieses ihnen am 15. April 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerinnen vom 25. April 2013, zu deren Begründung sie vorbringen: Aus Sinn und Zweck und dem Regelungszusammenhang der zwischen den Parteien nach wie vor anzuwendenden Vergütungsvereinbarung ergebe sich, dass für das Abnehmen der Kompressionsverbände eine gleichhohe Vergütung wie für das Anlegen vereinbart sei. Die Vergütungsvereinbarung sei so aufgebaut, dass in die Leistungsgruppe 1 besonders wenig zeitaufwändige Verrichtungen (Medikamentengabe, Injektionen) und in die Leistungsgruppe 3 die besonders zeitaufwändigen Verrichtungen eingruppiert seien, während die Leistungsgruppe 2 Verrichtungen ohne weitere Besonderheiten enthalte. Der GBA habe die Aufnahme der strittigen Leistungen u.a. damit begründet, dass die vorherige Formulierung "Anlegen eines Kompressionsverbandes" zu Rechtsstreitigkeiten wegen der Abnahme derselben geführt habe. Die Änderung diene daher dem Zweck, Rechtsstreitigkeiten unnötig werden zu lassen, indem die Formulierung dessen, was Inhalt der HKP-RL sei, klar gefasst werde. Eine Änderung der Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien habe es nicht bedurft, da keine neue Leistung in das HKP-Verzeichnis aufgenommen worden sei. Lägen sie – die Klägerinnen – mit ihrer Rechtsauffassung falsch, hätte die Beklagte bereits ihrer Verpflichtung, Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege in Berlin aufzunehmen und ggf. das Schiedsverfahren einzuleiten, nachkommen müssen. Stattdessen maße sich die Beklagte ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht an. Entgegen der sozialgerichtlichen Auffassungen sei die Beklagte auch nicht vorläufig berechtigt, die Vergütungshöhe in entsprechender Anwendung von § 315 BGB festzusetzen. Vielmehr stehe nach § 316 BGB die Bestimmung der Leistung im Zweifel den Klägerinnen zu. Im Übrigen ergebe sich aus § 612 Abs. 2 BGB und aus § 818 Abs. 2 BGB, dass die ortsübliche Vergütung zu bezahlen sei. Ortsüblich sei nicht, was die Beklagte gerne bezahlen möge oder was sie nach eigenem Vorbringen angeblich mit 10 Prozent der Leistungserbringer vereinbart hat, sondern aus dem, was andere Krankenkassen bezahlten. Sämtliche andere Krankenkassen in Berlin zahlten für das Anlegen und das Abnehmen von Kompressionsverbänden jeweils denselben Betrag. Eine Verpflichtung, Verhandlungen in diesem Sinne aufzunehmen, habe die Beklagte keineswegs anerkannt, sondern auf ihrem bisherigen Standpunkt beharrt. Aufgrund dessen könne der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag auch nicht mangels Feststellungsinteresse unzulässig sein.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
a) an die Klägerin zu 1) 300,73 Euro nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 86,36 Euro seit dem 30. August 2011, aus 40,64 Euro seit dem 30. November 2011, aus 142,24 Euro seit dem 08. Februar 2012 sowie aus 31,49 Euro seit dem 29. Februar 2012 zu zahlen,
b) an die Klägerin zu 2) 127,00 Euro nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 20,32 Euro seit dem 21. Mai 2012 sowie aus 106,68 Euro seit dem 20. September 2009 zu zahlen,
sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen für die Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" in Berlin je Einsatz eine Leistungspauschale nach der Leistungsgruppe 2 der Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien in der Fassung des Schiedsspruchs vom 25. April 2014 zu zahlen, solange die geltende Vergütungsvereinbarung zum Vertrag gemäß § 132a Abs. 2 SGB V in Berlin nicht durch eine neue Vergütungsvereinbarung ersetzt worden ist,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, mit den Klägerinnen Verhandlungen über die Zuordnung der Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" zu den Leistungsgruppen der geltenden Vergütungsvereinbarungen zwischen den Parteien aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Mit Schiedsspruch vom 25. April 2014 hat die Schiedsperson J M in einem Schiedsverfahren, an dem auf Antragstellerseite auch der die Klägerinnen vertretende Verband sowie auf Antragsgegnerseite u.a. die Beklagte beteiligt waren, folgendes festgesetzt:
1. Für den Zeitraum vom 01. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 werden die Leistungsentgelte der bisher gültigen Vergütungsvereinbarung der den Antragstellern angehörenden Pflegedienste um 2,6 v.H., für den Zeitraum vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 um weitere 3,5 v.H., für den Zeitraum vom 01. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013 um weitere 2,9 v.H. sowie für den Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 um weitere 2,8 v.H. angehoben. 2. Die Beteiligten werden in Verhandlungen über eine neue Struktur der Vergütungsvereinbarung zum Vertrag nach § 132 Abs. 2 SGB V mit Wirkung ab 01. Januar 2015 eintreten. 3. Im Übrigen werden die Schiedsanträge zurückgewiesen.
In diesem Zusammenhang hat die Schiedsperson ausgeführt, dass es, wenn es zu Verhandlungen über die Struktur der Vergütung käme, wozu auch zähle, welche Leistungen in welcher Leistungsgruppe vergütet würden, es unbillig wäre, das Abwickeln der Kompressionsverbände, wie von den Antragsgegnern gewünscht, für diese Verhandlungen sozusagen vor die Klammer zu ziehen und bereits jetzt festzusetzen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Den Klägerinnen stehen keine weitergehenden Ansprüche für die von ihnen erbrachte Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" in den streitig gemachten Fällen zu.
Der Senat kann offen lassen, ob die Voraussetzungen von § 37 Abs. 2 SGB V in jedem geltend gemachten Abrechnungsfall vorlagen. Selbst wenn sie gegeben wäre, könnten die Klägerinnen keine höhere Vergütung beanspruchen. Zur Begründung verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz auf die weitgehend zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsvorbringen der Klägerinnen wiederholt im Wesentlichen den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und rechtfertigt daher keine abweichende Beurteilung. Insbesondere ändert das Berufungsvorbringen nichts daran, dass
- das Abnehmen eines Kompressionsverbandes vom Wortlaut der Vergütungsvereinbarung nicht umfasst war, - vertragliche Vergütungsabreden im Leistungserbringerrecht des SGB V grundsätzlich eng am Wortlaut auszulegen sind und für eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich kein Raum ist, - die Vergütungsvereinbarung hinsichtlich der von ihr erfassten Leistungen gerade keine dynamische Verweisung auf die Anlage zur HKP-RL enthält.
Der Vorwurf der Klägerseite, die Beklagte maße sich einseitig ein Leistungsbestimmungsrecht an, ist unberechtigt. Angesichts dessen, dass die Vergütungsvereinbarung die streitige Leistung nicht vorsah, nach ihrer Ziffer 5 indes mit den genannten Entgelten sämtliche Leistungen abgegolten sein sollten, wäre ggf. auch der Standpunkt vertretbar gewesen, das Abnehmen eines Kompressionsverbandes sei überhaupt nicht gesondert vergütungsfähig, sondern von der Leistung "Anlegen eines Kompressionsverbandes" mitumfasst und -abgegolten. Hieran gemessen ist die Vergütung der streitigen Leistung auf der Grundlage des geringsten vereinbarten Entgelts (hier: der Leistungsgruppe 1) nicht zu beanstanden.
Es besteht auch für keinen der Vertragspartner ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315, § 316 BGB zu; soweit dem angefochtenen Urteil Gegenteiliges entnommen werden könnte, folgt der Senat dem nicht. Mit der Regelung in § 132a Abs. 2 SGB V ist der Gesetzgeber – der allgemeinen Intention des SGB V zur Kostenreduzierung im Gesundheitswesen entsprechend – davon ausgegangen, dass derartige vertragliche (Verbands- oder Einzel-)Abmachungen im freien Spiel der Kräfte geschlossen werden und durch die Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung der Versicherten einerseits und die Konkurrenz der Leistungserbringer andererseits im Ergebnis marktgerechte und möglichst günstige Bedingungen, insbesondere Preise, für die Versicherten erreicht werden. Fehlt es – warum auch immer – an einer solchen Vereinbarung, ist weder der Krankenkasse noch den Leistungserbringern ersatzweise ein Preisbestimmungsrecht, z.B. nach den ggf. über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechend anzuwendenden Regelungen in § 315, § 316 BGB, eingeräumt; dies würde jedes Interesse am Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung unterlaufen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R –, juris). Soweit vertragliche Vereinbarungen nicht zu Stande kommen, ist ab Jahresbeginn 2004 nunmehr auch für den Bereich der häuslichen Krankenpflege ein Schiedsverfahren für den Fall der Nichteinigung über die Vertragsinhalte vorgesehen, das allerdings zunächst vertraglich vereinbart werden muss. Dem haben die Vertragsparteien mit der Ergänzung des Vertrags vom 12. Dezember 2000 um die o.g. Anlage 4 Rechnung getragen.
Auch auf § 612 Abs. 2 bzw. § 818 Abs. 2 BGB lässt sich der geltend gemachte Vergütungsanspruch der Klägerinnen nicht stützen. Diese Vorschriften sind bereits deshalb nicht anwendbar, weil andernfalls die vertraglich vereinbarten Konfliktlösungsmechanismen umgangen würden. So sah schon § 25 ("Salvatorische Klausel") des Vertrags vom 12. Dezember 2000 vor, dass im Falle einer Regelungslücke "sich die Vertragspartner unverzüglich über eine notwendige vertragliche Neuregelung" verständigen. Führen entsprechende Verständigungsversuche zwischen den Vertragsparteien nicht zu einer Einigung, ist nach § 132a Abs. 2 Sätze 6 bis 8 (in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung) i.V.m. der o.g. Anlage 4 ein Schiedsverfahren einzuleiten. Wegen dieses vertraglichen Konfliktlösungsmechanismus fehlt den Klägerinnen auch das für den ersten Hilfsantrag erforderliche Feststellungsinteresse. Denn ihrem Ziel, mit der Beklagten auch eine Vergütung für das Abnehmen eines Kompressionsverbandes zu vereinbaren, kommen sie mit der Einleitung des Schiedsverfahrens nicht nur erheblich näher als mit der gerichtlichen Feststellung, die Beklagte sei zu Vertragsverhandlungen verpflichtet. Das Schiedsverfahren ¬– einschließlich dessen eventueller anschließender Überprüfung durch die Sozialgerichte – bietet überhaupt die einzige Möglichkeit für die Klägerinnen, die Aufnahme der Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" zu erzwingen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Tatbestand:
Die Klägerinnen, Betreiberinnen von häuslichen Pflegediensten, begehren von der beklagten Krankenkasse höhere Vergütungen für von ihr erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Im Streit steht im Kern die Auslegung der einschlägigen Vergütungsvereinbarung.
Die AOK Berlin, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, schloss unter dem 12. Dezember 2000 mit den Klägerinnen jeweils gleichlautende Verträge gemäß § 132a Absatz 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten dieser Krankenkasse u.a. mit häuslicher Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V. Hinsichtlich der Vergütung verwies § 15 dieser Verträge auf die "Regelungen der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarung". Jeweils mit Wirkung zum 01. Juli 2005 vereinbarten die Beteiligten in Anlage 4 zu diesem Vertrag, dass für die Zeit vom Ablauf des bestehenden Vertrages bis zur Entscheidung durch die Schiedsperson über den Beginn und Inhalt der neuen vertraglichen Festsetzungen die bisherigen vertraglichen Regelungen unverändert weiter gälten.
Die unter dem 05. März 2007 geschlossene Vergütungsvereinbarungen zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und den von den Klägerinnen betriebenen Pflegediensten sah für die Zeit vom 01. März 2007 bis 31. Dezember 2010 die nachfolgend aufgeführten Entgelte nach den Maßgaben des Vertrages vom 12. Dezember 2000 als berechnungsfähig an:
Leistungs-pauschale e Einsatz Grundpauschale
Je Einsatz In Wohn-gemein-schaften
I. Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V:
Leistungsgruppe 1
a) Medikamentengabe / Richten von ärztlich verordneten Medikamenten gemäß Nr. 26 der Verordnungsrichtlinien nach § 92 Abs. 7 SGB V b) Injektionen / Richten von Injektionen (einschließlich lnsulingaben) gemäß Nr. 18 und 19 der Verordnungsrichtlinien nach § 92 Abs. 7 SGB V
5,50 EUR
5,50 EUR
3,65 EUR
3,65EUR
2,65 EUR
2,65 EUR
Leistungsgruppe 2
[ ] Anlegen eines Kompressionsverbandes, auch An- und Ausziehen von Kompres- sionsstrümpfen und /-strumpfhosen (Verrichtungen aus Nr.31)
10,58 EUR
3,65 EUR
2,65 EUR
Leistungsgruppe 3
11,26 EUR
3,65 EUR
2,65 EUR
Ferner sah diese Vergütungsvereinbarung vor:
"(2) [ ]
Bei Einführung neuer Leistungen der Behandlungspflege in den Richtlinien gemäß § 92 Absatz I Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V ist zwischen den Verhandlungsparteien Einvernehmen über die Zuordnung zu den Leistungsgruppen herzustellen.
[ ]
(5) Mit den genannten Entgelten sind jeweils sämtliche im Zusammenhang mit den bewilligten und erbrachten Leistungen erforderlichen Aufwendungen abgegolten, einschließlich der pflegerischen Prophylaxen als Bestandteil der verordneten Leistungen, in dem Umfang, wie sie zur Wirksamkeit notwendig sind."
Zwischen den Klägerinnen und der Beklagten entstand Streit, ob letztere auch für das Abnehmen eines Kompressionsverbandes ein Entgelt nach der Leistungsgruppe 2 zu zahlen hat. Die Beklagte verneinte dies und kürzte daher die Rechnungen der Klägerinnen (sowie weiterer Pflegedienste, deren Rechtsstreite im Hinblick auf das hiesige Verfahren zum Ruhen gebracht wurden) i.H. des Differenzbetrages zwischen dem Entgelt für die Leistungsgruppen 1 und 2 wie folgt [Die Fälle 1 bis 4 betreffen die Klägerin zu 1), die Fälle 5 und 6 die Klägerin zu 2).]: Versicherte/r Leistungszeitraum Rechnung vom rechnungskürzendes Schreiben der Beklagten Kürzungs- betrag Rechtshängig seit A B 01.-18.07.2011 15.08.2011 30.08.2011 86,36 Euro 28.12.2011 R Z 01.-12.10.2011 21.11.2011 30.11.2011 40,64 Euro 31.01.2012 I G 01.-31.12.2011 02.02.2012 08.02.2012 142,24 Euro 19.03.2012 A N 04.-12.01.2012 21.02.2012 29.02.2012 46,40 Euro 25.06.2012 (geltend gemacht nur 31,49 Euro) J M 20.-24.04.2012 09.05.2012 21.05.2012 20,32 Euro 08.06.2012 E P 01.-31.08.2012 05.09.2012 20.09.2012 106,68 Euro 23.10.2012
Die strittigen Leistungen (Abnehmen von Kompressionsverbänden) wurden nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten ärztlich verordnet, waren medizinisch erforderlich und wurden von der Beklagten jeweils genehmigt.
Nach dem das Sozialgericht die am 28. Dezember 2011 erhobene Klage der Klägerin zu 1) und die am 08. Juni 2012 erhobene Klage der Klägerin zu 2) – die übrigen der o.g. Beträge wurden jeweils im Rahmen von Klageerweiterungen geltend gemacht – verbunden hatte, hat es mit Urteil vom 05. April 2013 die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Ansprüche der Klägerinnen folgten weder aus vertraglichen Vereinbarungen, noch aus einer schuldrechtlichen Verpflichtung bei Erteilung der Einzelgenehmigungen noch aus dem Gesetz. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerinnen die strittigen Leistungen vollständig erbracht und ordnungsgemäß abgerechnet hätten und ihnen hierfür eine Vergütung zustehe, streitig sei allein deren Höhe. Die o.g. Vergütungsvereinbarung sei wegen Anlage 4 zum Vertrag vom 12. Dezember 2000 auch auf die o.g. Fälle anwendbar. Ein weitergehender Vergütungsanspruch zugunsten der Klägerinnen ergebe sich jedoch weder aus dem Wortlaut der Vergütungsvereinbarung noch im Wege deren Auslegung. Hierfür spreche zwar der Sachzusammenhang zwischen Anlegen und Abnehmen eines Kompressionsverbandes sowie die Aufnahme der strittigen Leistungen in Nr. 31 der Anlage zur Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (häusliche Krankenpflege-Richtlinie – HKP-RL) durch dessen am 15. Januar 2011 in Kraft getretenen Beschluss vom 21. Oktober 2010. Die dagegen sprechenden Argumente überwögen jedoch: Zum einen sei das Abnehmen eines Kompressionsverbandes weniger aufwändig als dessen Anlegen, aber auch als das Ausziehen von Kompressionsstrümpfen/-strumpfhosen. Ob die Neuaufnahme der Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" in die HKP-RL lediglich eine Klarstellung des bisherigen Leistungsumfanges darstelle, sei unklar, könne jedoch dahinstehen. Allein die Änderung des HKP-Leistungsverzeichnisses bewirke keine Rechts¬¬änderung des Vertrages, weil dieser keine dynamische Verweisung auf die HKP-RL enthalte. Schließlich habe sich die Kammer auch nicht davon überzeugen können, dass es vor Änderung des Leistungsverzeichnisses der HKP-RL eine ständige Übung zwischen den Beteiligten gegeben habe, das Abnehmen von Kompressionsverbänden nach Maßgabe der Leistungsgruppe 2 zu vergüten. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei den Gerichten untersagt, da es nach der gesetzlichen Konzeption Aufgabe der Vertragsparteien sei, eine angemessene Vergütung zu finden. In den Einzelgenehmigungen für die Erbringung der ärztlich verordneten Leistungen häuslicher Krankenpflege liege keine Erklärung der Beklagten über die Höhe einer bestimmten Vergütung. Etwas anderes gelte auch nicht für die Genehmigung vom 17. Januar 2012 im Falle der Versicherten G. Diese Genehmigung enthalte keine Erklärung zum Abnehmen eines Kompressionsverbandes, stattdessen jedoch eine Genehmigung des Anlegens zweimal täglich. Dies sei dahin auszulegen, dass je einmal täglich das Anlegen und Abnehmen des Kompressionsverbandes genehmigt werde. Weil die umstrittene Leistung jedoch vergütet werden müsse, sei es angebracht und in entsprechender Anwendung von § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) billig, dass die Beklagte diese Leistung vorläufig mit 9,15 Euro je Einsatz (5,50 Euro Leistungspauschale zzgl. Einsatzpauschale von 3,65 Euro vergütet habe. Da die Klägerinnen mit der Höhe der gezahlten Vergütung nicht einverstanden gewesen seien, hätten sie, statt Klage zu erheben, die Beklagte zu Verhandlungen auffordern müssen, wenngleich die Klageerhebung von ihrem Rechtsstandpunkt aus, wonach eine Vergütungshöhe vereinbart sei, folgerichtig gewesen sei. Wegen dieser vorläufigen billigen Vergütungshöhe bestehe derzeit kein Anspruch der Klägerinnen auf eine höhere Vergütung. Ob nach Abschluss der Vertragsverhandlungen ein höherer endgültiger Anspruch bestehe, sei für den vorliegenden Rechtsstreit nicht maßgeblich. Sofern die Klägerinnen des Weiteren die Feststellung begehrten, dass die Beklagte verpflichtet sei, für das Abnehmen eines Kompressionsverbandes eine Leistungspauschale je Einsatz i.H.v. 10,05 Euro zu zahlen, solange die geltenden Vergütungsvereinbarungen nicht durch eine neue ersetzt worden sei, sei die Klage zwar zulässig, aber aus den o.g. Gründen unbegründet. Dem darüber hinausgehenden hilfsweise gestellten Feststellungsantrag, dass die Beklagte verpflichtet sei, mit den Klägerinnen Verhandlungen über die Zuordnung der Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" aufzunehmen, fehle es an einem Feststellungsinteresse, weil sich die Verhandlungspflicht bereits aus § 25 Satz 2 des Vertrages vom 12. Dezember 2000 und aus Ziffer 2 Absatz 5 der o.g. Vergütungsvereinbarung ergebe. An einem Feststellungsinteresse fehle es auch, weil die Klägerinnen die Beklagte bislang nicht zu Verhandlungen über das Vertragswerk aufgefordert hätten.
Gegen dieses ihnen am 15. April 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerinnen vom 25. April 2013, zu deren Begründung sie vorbringen: Aus Sinn und Zweck und dem Regelungszusammenhang der zwischen den Parteien nach wie vor anzuwendenden Vergütungsvereinbarung ergebe sich, dass für das Abnehmen der Kompressionsverbände eine gleichhohe Vergütung wie für das Anlegen vereinbart sei. Die Vergütungsvereinbarung sei so aufgebaut, dass in die Leistungsgruppe 1 besonders wenig zeitaufwändige Verrichtungen (Medikamentengabe, Injektionen) und in die Leistungsgruppe 3 die besonders zeitaufwändigen Verrichtungen eingruppiert seien, während die Leistungsgruppe 2 Verrichtungen ohne weitere Besonderheiten enthalte. Der GBA habe die Aufnahme der strittigen Leistungen u.a. damit begründet, dass die vorherige Formulierung "Anlegen eines Kompressionsverbandes" zu Rechtsstreitigkeiten wegen der Abnahme derselben geführt habe. Die Änderung diene daher dem Zweck, Rechtsstreitigkeiten unnötig werden zu lassen, indem die Formulierung dessen, was Inhalt der HKP-RL sei, klar gefasst werde. Eine Änderung der Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien habe es nicht bedurft, da keine neue Leistung in das HKP-Verzeichnis aufgenommen worden sei. Lägen sie – die Klägerinnen – mit ihrer Rechtsauffassung falsch, hätte die Beklagte bereits ihrer Verpflichtung, Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege in Berlin aufzunehmen und ggf. das Schiedsverfahren einzuleiten, nachkommen müssen. Stattdessen maße sich die Beklagte ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht an. Entgegen der sozialgerichtlichen Auffassungen sei die Beklagte auch nicht vorläufig berechtigt, die Vergütungshöhe in entsprechender Anwendung von § 315 BGB festzusetzen. Vielmehr stehe nach § 316 BGB die Bestimmung der Leistung im Zweifel den Klägerinnen zu. Im Übrigen ergebe sich aus § 612 Abs. 2 BGB und aus § 818 Abs. 2 BGB, dass die ortsübliche Vergütung zu bezahlen sei. Ortsüblich sei nicht, was die Beklagte gerne bezahlen möge oder was sie nach eigenem Vorbringen angeblich mit 10 Prozent der Leistungserbringer vereinbart hat, sondern aus dem, was andere Krankenkassen bezahlten. Sämtliche andere Krankenkassen in Berlin zahlten für das Anlegen und das Abnehmen von Kompressionsverbänden jeweils denselben Betrag. Eine Verpflichtung, Verhandlungen in diesem Sinne aufzunehmen, habe die Beklagte keineswegs anerkannt, sondern auf ihrem bisherigen Standpunkt beharrt. Aufgrund dessen könne der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag auch nicht mangels Feststellungsinteresse unzulässig sein.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
a) an die Klägerin zu 1) 300,73 Euro nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 86,36 Euro seit dem 30. August 2011, aus 40,64 Euro seit dem 30. November 2011, aus 142,24 Euro seit dem 08. Februar 2012 sowie aus 31,49 Euro seit dem 29. Februar 2012 zu zahlen,
b) an die Klägerin zu 2) 127,00 Euro nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 20,32 Euro seit dem 21. Mai 2012 sowie aus 106,68 Euro seit dem 20. September 2009 zu zahlen,
sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen für die Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" in Berlin je Einsatz eine Leistungspauschale nach der Leistungsgruppe 2 der Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien in der Fassung des Schiedsspruchs vom 25. April 2014 zu zahlen, solange die geltende Vergütungsvereinbarung zum Vertrag gemäß § 132a Abs. 2 SGB V in Berlin nicht durch eine neue Vergütungsvereinbarung ersetzt worden ist,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, mit den Klägerinnen Verhandlungen über die Zuordnung der Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" zu den Leistungsgruppen der geltenden Vergütungsvereinbarungen zwischen den Parteien aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Mit Schiedsspruch vom 25. April 2014 hat die Schiedsperson J M in einem Schiedsverfahren, an dem auf Antragstellerseite auch der die Klägerinnen vertretende Verband sowie auf Antragsgegnerseite u.a. die Beklagte beteiligt waren, folgendes festgesetzt:
1. Für den Zeitraum vom 01. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 werden die Leistungsentgelte der bisher gültigen Vergütungsvereinbarung der den Antragstellern angehörenden Pflegedienste um 2,6 v.H., für den Zeitraum vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 um weitere 3,5 v.H., für den Zeitraum vom 01. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013 um weitere 2,9 v.H. sowie für den Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 um weitere 2,8 v.H. angehoben. 2. Die Beteiligten werden in Verhandlungen über eine neue Struktur der Vergütungsvereinbarung zum Vertrag nach § 132 Abs. 2 SGB V mit Wirkung ab 01. Januar 2015 eintreten. 3. Im Übrigen werden die Schiedsanträge zurückgewiesen.
In diesem Zusammenhang hat die Schiedsperson ausgeführt, dass es, wenn es zu Verhandlungen über die Struktur der Vergütung käme, wozu auch zähle, welche Leistungen in welcher Leistungsgruppe vergütet würden, es unbillig wäre, das Abwickeln der Kompressionsverbände, wie von den Antragsgegnern gewünscht, für diese Verhandlungen sozusagen vor die Klammer zu ziehen und bereits jetzt festzusetzen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Den Klägerinnen stehen keine weitergehenden Ansprüche für die von ihnen erbrachte Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" in den streitig gemachten Fällen zu.
Der Senat kann offen lassen, ob die Voraussetzungen von § 37 Abs. 2 SGB V in jedem geltend gemachten Abrechnungsfall vorlagen. Selbst wenn sie gegeben wäre, könnten die Klägerinnen keine höhere Vergütung beanspruchen. Zur Begründung verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz auf die weitgehend zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsvorbringen der Klägerinnen wiederholt im Wesentlichen den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und rechtfertigt daher keine abweichende Beurteilung. Insbesondere ändert das Berufungsvorbringen nichts daran, dass
- das Abnehmen eines Kompressionsverbandes vom Wortlaut der Vergütungsvereinbarung nicht umfasst war, - vertragliche Vergütungsabreden im Leistungserbringerrecht des SGB V grundsätzlich eng am Wortlaut auszulegen sind und für eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich kein Raum ist, - die Vergütungsvereinbarung hinsichtlich der von ihr erfassten Leistungen gerade keine dynamische Verweisung auf die Anlage zur HKP-RL enthält.
Der Vorwurf der Klägerseite, die Beklagte maße sich einseitig ein Leistungsbestimmungsrecht an, ist unberechtigt. Angesichts dessen, dass die Vergütungsvereinbarung die streitige Leistung nicht vorsah, nach ihrer Ziffer 5 indes mit den genannten Entgelten sämtliche Leistungen abgegolten sein sollten, wäre ggf. auch der Standpunkt vertretbar gewesen, das Abnehmen eines Kompressionsverbandes sei überhaupt nicht gesondert vergütungsfähig, sondern von der Leistung "Anlegen eines Kompressionsverbandes" mitumfasst und -abgegolten. Hieran gemessen ist die Vergütung der streitigen Leistung auf der Grundlage des geringsten vereinbarten Entgelts (hier: der Leistungsgruppe 1) nicht zu beanstanden.
Es besteht auch für keinen der Vertragspartner ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315, § 316 BGB zu; soweit dem angefochtenen Urteil Gegenteiliges entnommen werden könnte, folgt der Senat dem nicht. Mit der Regelung in § 132a Abs. 2 SGB V ist der Gesetzgeber – der allgemeinen Intention des SGB V zur Kostenreduzierung im Gesundheitswesen entsprechend – davon ausgegangen, dass derartige vertragliche (Verbands- oder Einzel-)Abmachungen im freien Spiel der Kräfte geschlossen werden und durch die Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung der Versicherten einerseits und die Konkurrenz der Leistungserbringer andererseits im Ergebnis marktgerechte und möglichst günstige Bedingungen, insbesondere Preise, für die Versicherten erreicht werden. Fehlt es – warum auch immer – an einer solchen Vereinbarung, ist weder der Krankenkasse noch den Leistungserbringern ersatzweise ein Preisbestimmungsrecht, z.B. nach den ggf. über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechend anzuwendenden Regelungen in § 315, § 316 BGB, eingeräumt; dies würde jedes Interesse am Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung unterlaufen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R –, juris). Soweit vertragliche Vereinbarungen nicht zu Stande kommen, ist ab Jahresbeginn 2004 nunmehr auch für den Bereich der häuslichen Krankenpflege ein Schiedsverfahren für den Fall der Nichteinigung über die Vertragsinhalte vorgesehen, das allerdings zunächst vertraglich vereinbart werden muss. Dem haben die Vertragsparteien mit der Ergänzung des Vertrags vom 12. Dezember 2000 um die o.g. Anlage 4 Rechnung getragen.
Auch auf § 612 Abs. 2 bzw. § 818 Abs. 2 BGB lässt sich der geltend gemachte Vergütungsanspruch der Klägerinnen nicht stützen. Diese Vorschriften sind bereits deshalb nicht anwendbar, weil andernfalls die vertraglich vereinbarten Konfliktlösungsmechanismen umgangen würden. So sah schon § 25 ("Salvatorische Klausel") des Vertrags vom 12. Dezember 2000 vor, dass im Falle einer Regelungslücke "sich die Vertragspartner unverzüglich über eine notwendige vertragliche Neuregelung" verständigen. Führen entsprechende Verständigungsversuche zwischen den Vertragsparteien nicht zu einer Einigung, ist nach § 132a Abs. 2 Sätze 6 bis 8 (in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung) i.V.m. der o.g. Anlage 4 ein Schiedsverfahren einzuleiten. Wegen dieses vertraglichen Konfliktlösungsmechanismus fehlt den Klägerinnen auch das für den ersten Hilfsantrag erforderliche Feststellungsinteresse. Denn ihrem Ziel, mit der Beklagten auch eine Vergütung für das Abnehmen eines Kompressionsverbandes zu vereinbaren, kommen sie mit der Einleitung des Schiedsverfahrens nicht nur erheblich näher als mit der gerichtlichen Feststellung, die Beklagte sei zu Vertragsverhandlungen verpflichtet. Das Schiedsverfahren ¬– einschließlich dessen eventueller anschließender Überprüfung durch die Sozialgerichte – bietet überhaupt die einzige Möglichkeit für die Klägerinnen, die Aufnahme der Leistung "Abnehmen eines Kompressionsverbandes" zu erzwingen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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