Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 737/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3902/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. August 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Betriebshilfe aufgehoben und gewährte Kostenerstattungen zurückgefordert hat.
Der am 15.05.1959 geborene Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Grünland von 34,29 Hektar, Wald von 4,41 Hektar sowie 65 Rindern und Schweinen. Er ist bei der Beklagten kranken- und unfallversichert. Wegen eines sich bei einem Arbeitsunfall zugezogenen Bruchs des Sesambeins war er ab 15.08.2008 arbeitsunfähig erkrankt. Er teilte der Beklagten am 15.08.2008 telefonisch mit, als Ersatzkraft für die Stallarbeit, das Herrichten des Futters und die Betreuung der Weiden solle K. montags bis sonntags an 42 Stunden pro Woche zum Einsatz kommen. Auf telefonische Anfrage vom 18.08.2008 teilte er mit, mit K. bestehe keine häusliche Gemeinschaft, K. helfe außer diesem Einsatz sonst nicht in seinem landwirtschaftlichen Betrieb oder Haushalt mit, voraussichtlich werde K. täglich 6 Arbeitsstunden zu einem Stundenlohn von 9,25 EUR leisten.
Mit Bescheid vom 19.08.2008 bewilligte ihm die Beklagte Betriebshilfe ab 15.08.2008 für längstens vier Wochen für die selbstbeschaffte Ersatzkraft K. bis zu einem Betrag von maximal 9,25 EUR pro Einsatzstunde. An den entstehenden Aufwendungen habe sich der Kläger mit 10,00 EUR je Einsatztag zu beteiligen. Von Montag bis Sonntag seien bis zu 42 Stunden abrechenbar. Vorgelegt wurde der von K. unter dem 14.09.2008 unterschriebene Arbeitsnachweis für die Zeit vom 15.08.2008 bis zum 12.09.2008 über täglich 8,4 Stunden montags bis freitags samt Bestätigung des Erhalts von 1.631,70 EUR. Auf seine Verlängerungsanträge bewilligte die Beklagte Verlängerungen der Kostenübernahme für die Betriebshilfe mit Bescheid vom 16.09.2008 bis zum 22.09.2008, mit Bescheid vom 23.09.2008 bis zum 02.10.2008, mit Abhilfebescheid vom 30.09.2008 bis zum 03.10.2008 und mit Bescheid vom 09.10.2008 bis zum 12.10.2008. Auf Anfrage der Beklagten teilte der Kläger am 21.10.2008 mit, an den Wochenenden werde die Arbeit von seinem Neffen erledigt. Auf seinen weiteren Verlängerungsantrag bewilligte die Beklagte eine Verlängerung der Kostenübernahme für die Betriebshilfe mit Bescheid vom 28.10.2008 bis zum 07.11.2008. Mit weiterem Bescheid vom 28.10.2008 gewährte die Beklagte eine um die Selbstbeteiligung reduzierte Kostenerstattung für die in dem Zeitraum vom 15.08.2008 bis zum 12.09.2008 bewilligte Betriebshilfe in Höhe von 955,50 EUR. Vorgelegt wurde der von K. unter dem 31.10.2008 unterschriebene Arbeitsnachweis für die Zeit vom 15.09.2008 bis zum 31.10.2008 über täglich 8,4 Stunden montags bis freitags samt Bestätigung des Erhalts von 2.719,50 EUR. Auf seinen weiteren Verlängerungsantrag bewilligte die Beklagte eine Verlängerung der Kostenübernahme für die Betriebshilfe mit Bescheid vom 07.11.2008 bis zum 14.11.2008. Mit Wirkung vom 31.10.2008 seien von Montag bis Freitag täglich bis zu 6 Stunden abrechenbar. Mit Bescheid vom 11.11.2008 gewährte die Beklagte eine um die Selbstbeteiligung reduzierte Kostenerstattung für die in dem Zeitraum vom 15.09.2008 bis zum 31.10.2008 bewilligte Betriebshilfe in Höhe von 2.280,70 EUR. Mit Abhilfebescheid vom 12.11.2008 erhöhte die Beklagte die Kostenerstattung für den Zeitraum vom 15.08.2008 bis zum 12.09.2008 um weitere 466,20 EUR. Den unter Hinweis, es würden 42 Wochenstunden geleistet, erneut gestellten Verlängerungsantrag des Klägers lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.11.2008 ab. Vorgelegt wurde der von K. unter dem 12.12.2008 unterschriebene Arbeitsnachweis für die Zeit vom 03.11.2008 bis zum 12.12.2008 über täglich 8,4 Stunden montags bis freitags samt Bestätigung des Erhalts von 2.331,00 EUR. Mit Bescheid vom 16.12.2008 gewährte die Beklagte eine um die Selbstbeteiligung reduzierte Kostenerstattung für die in dem Zeitraum vom 03.11.2008 bis zum 14.11.2008 bewilligte Betriebshilfe in Höhe von 455,00 EUR. Mit Abhilfebescheid vom 03.02.2009 erhöhte die Beklagte die Kostenerstattung für den Zeitraum vom 27.10.2008 bis zum 31.10.2008 um weitere 111,00 EUR. Vorgelegt wurde der von K. unter dem 26.01.2009 unterschriebene Arbeitsnachweis für die Zeit vom 15.12.2008 bis zum 06.02.2009 über täglich 8,4 Stunden montags bis freitags samt Bestätigung des Erhalts von 3.108,00 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2009 wies die Beklagte die gegen die Bescheide vom 19.08.2008, 07.11.2008, 24.11.2008 und 16.12.2008 erhobenen Widersprüche zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 09.03.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.
Am 30.06.2009 hat die Beklagte beim Kläger durch ihre Bedienstete (S.) und (L.) einen Betriebsbesuch durchführen lassen, um zu prüfen, ob K. tatsächlich betriebsfremd sei, in häuslicher Gemeinschaft mit dem Kläger lebe, tatsächlich täglich von ihrem 52,48 Kilometer entfernten Erstwohnsitz in A. zum Betrieb des Klägers in T. fahre und neben ihrer vollschichtigen Tätigkeit in einer Bäckerei als Ersatzkraft beim Kläger tätig sein könne. Aus dem hierüber gefertigten Bericht geht hervor, dass der Kläger diese mit "Wichser", "Faulenzer", "Schwuchtel" und "fette Sau" beleidigt und ihnen damit gedroht habe, ihnen "in die Fresse" zu hauen und eine Mistgabel in den "Arsch" zu rammen. Angaben zur Sache habe er nicht gemacht. Die ebenfalls angetroffene K. habe angegeben, sie könne den Kläger unterstützen, da sie derzeit Urlaub habe. Sonst helfe sie ihm entweder nach ihrer Früh- oder vor ihrer Spätschicht. Sie wohne nicht beim Kläger und fahre auch nicht jeden Tag von ihrem Erstwohnsitz zu ihm. Anschließend habe bei der zuständigen Ortsverwaltung in Erfahrung gebracht werden können, dass K. seit 01.06.2006 am Betrieb des Klägers einen Zweitwohnsitz gemeldet habe.
Daraufhin haben L. und S. am 14.07.2009 bei der Staatsanwaltschaft Rottweil Strafanzeige gegen den Kläger gestellt. Hierzu hat sich der Kläger in der Beschuldigtenvernehmung vom 14.08.2009 nicht geäußert. Die Beklagte hat am 31.08.2009 bei der Staatsanwaltschaft Rottweil Strafanzeige gegen den Kläger wegen Betruges, Beleidigung und Körperverletzung gestellt.
Unter dem 11.12.2009 hat die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung der die Betriebshilfe und Kostenerstattungen bewilligenden Bescheide und Rückforderung bereits gewährter Leistungen angehört. Hierzu hat der Kläger im Rahmen des Klageverfahrens vorgetragen, K. habe bis zur erstmaligen Bewilligung von Betriebshilfe nicht in wesentlichem Umfang auf seinem Hof mitgearbeitet und außerhalb ihrer Arbeitszeiten auf seinem Hof geholfen, da dieser ansonsten nicht hätte bewirtschaftet werden können.
Mit Bescheid vom 11.02.2010 hat die Beklagte den Bescheid vom 19.08.2008 über die Gewährung von Betriebshilfe "und die folgenden Bescheide über" die "Anträge auf Verlängerung der Anspruchsdauer und die Auszahlungsbescheide" gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben und zu Unrecht erbrachte Betriebshilfe in Höhe von 4.246,20 EUR gemäß § 50 SGB X zurückgefordert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Kläger habe vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtige und unvollständige Angaben gemacht. Denn er habe zu den Fragen, ob mit K. eine häusliche Gemeinschaft bestehe und ob die Ersatzkraft auch sonst im Betrieb/Haushalt tätig sei oder mithelfe, wahrheitswidrig geantwortet. Ein Anspruch auf Betriebshilfe in der Form der Erstattung von Kosten für den Einsatz einer selbst beschafften Ersatzkraft setze deren Betriebsfremdheit voraus. Betriebsfremd sei eine Ersatzkraft nur dann, wenn sie sonst nicht im Betrieb und/oder dem angegliederten landwirtschaftlichen Haushalt tätig sei oder aushelfe. Nur eine nicht wesentliche Aushilfe bleibe außer Betracht. Alle dem Betrieb und Haushalt der Landwirtschaft zugehörigen und dort aushelfenden Personen schieden, soweit sie dort bereits vor Eintritt des Leistungsfalls tätig gewesen seien, als betriebs- beziehungsweise haushaltsfremde Ersatzkräfte aus. Nach den Angaben der K. helfe diese neben ihrer Berufstätigkeit auch sonst im landwirtschaftlichen Betrieb regelmäßig sowie dauerhaft mit und tue dies nicht nur während Zeiten des unfall- oder krankheitsbedingten Ausfalls des Klägers. Sie habe bereits über mehrere Jahre mindestens seit 2006 vor und auch zwischen den Ausfallzeiten wegen Krankheit oder Unfallfolgen ausgeholfen. Die Mithilfe sei nicht nur unwesentlich, sondern durch Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit geprägt gewesen. Dafür spreche gerade die Begründung eines zweiten Wohnsitzes am Betrieb des Klägers und die Angaben von K., sie könne sich die Arbeitszeit selbst einteilen. Unterbrechungen von mehreren Tagen bei einem weiter entfernten Hauptwohnsitz - wie hier circa 50 Kilometer - seien nicht geeignet, die Mithilfe als unwesentlich zu klassifizieren. Die Mithilfe müsse nicht durchgängig an jedem Tag geleistet werden, sondern könne auch in Blöcken, zum Beispiel während Arbeitsspitzen, stattfinden. Eine ununterbrochene Mithilfe werde gerade nicht gefordert. Allein die Integration und Mithilfe im Haushalt des Klägers, der dem landwirtschaftlichen Betrieb diene, sei ausreichend. Es sei nicht überzeugend dargelegt worden, dass K. außerhalb der krankheitsbedingten Ausfallzeit nicht nur geringfügig, mithin unwesentlich, im Betrieb/Haushalt des Klägers aushelfe. Vielmehr sprächen die Feststellungen für das Gegenteil und belegten die seit längerer Zeit vorliegende Integration der K. in den Betrieb/Haushalt des Klägers. Ein Einsatz einer Ersatzkraft mit Kostenerstattungspflicht sei überdies nur bei Erforderlichkeit gegeben. Diese falle weg, wenn aufgrund des unfallbedingten Ausfalls zu den im Betrieb/Haushalt vorhandenen Personen keine zusätzliche Arbeitskraft - wie vorliegend - eingesetzt werden müsse. Das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen zu schützen. Bereits erhaltene Leistungen seien zurückzuzahlen.
Hiergegen hat der Kläger am 09.03.2010 Widerspruch eingelegt.
K. hat in der im Rahmen des Strafverfahrens erfolgten Zeugenvernehmung am 26.04.2010 angegeben, sie sei seit Frühjahr 2006 die Lebensgefährtin des Klägers. Allerdings führten sie in T. keinen gemeinsamen Haushalt. Sie wohnten in T. als Paar zusammen, wenn sie mal dort sei, was zwei- bis dreimal in der Woche der Fall sei. Sie habe ihren Erstwohnsitz mit ihrem Sohn in A ... Sie arbeite aber vollschichtig bei der B. GmbH & Co. (B.) in C ... Im Rahmen des Betriebsbesuchs von L. und S. habe sie weder körperliche Auseinandersetzungen noch beleidigende Äußerungen wahrgenommen. Auf dem Hof des Klägers habe sie nur mitgeholfen, wenn dieser krankheitsbedingt keine Arbeit habe verrichten können. Ansonsten habe sie genug Arbeit. Sie habe es sich halt eingeteilt, sei früh in den Stall zum Füttern und zum Beispiel nach Arbeitsende gegen 12:00 Uhr wieder in den Stall gegangen. Ihre Arbeitszeiten bei B. wechselten zwischen Schichten von 06:00 bis 12:00 Uhr und von 12:00 bis 18:00 Uhr.
Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 zurückgewiesen. Darin hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel, ob die Angaben zur täglichen Arbeitsleistung von 8,4 Stunden im Betrieb des Klägers und außerlandwirtschaftlichen vollschichtigen Tätigkeit von K. bei ihren täglichen Fahrten von ihrem Erstwohnsitz in A. zum Betrieb des Klägers in T. und weiter zur Arbeitsstelle in C. sowie nach Arbeitsende in C. erneut nach T. und zurück nach A. überhaupt stimmen könnten. Es verblieben daher keine Zweifel an der fehlenden Betriebsfremdheit. Der Kläger habe daher zu Unrecht Betriebshilfe erhalten. Die Angaben, die zur Leistungsgewährung geführt hätten, seien vorsätzlich, zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und/oder unvollständig gemacht worden. Von einer Aufhebung der begünstigenden Verwaltungsakte und Rückforderung der Leistung in Geld werde nicht abgesehen. Ferner ist erneut ausgeführt worden, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand der den Kläger begünstigenden Bescheide. Die Solidargemeinschaft der Versicherten sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen zu schützen.
Sodann hat das SG den Bescheid vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 in das bereits anhängige Gerichtsverfahren miteinbezogen und im Hinblick auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren im Einverständnis mit den Beteiligten mit Beschluss vom 31.08.2010 das Ruhen des Gerichtsverfahrens angeordnet.
Im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (Aktenzeichen 26 Js 11036/09) sind die bei B. für den Zeitraum von Mai 2007 bis August 2009 angefallenen Stundenzettel der K. beigezogen worden. In dem Zwischenbericht vom 24.06.2010 wird dargelegt, dass sich nach Abgleich mit den Arbeitsnachweisen über die Tätigkeit der K. beim Kläger eindeutige Überschneidungen ihrer Arbeitszeiten bei B. für den Zeitraum vom 18.07.2007 bis zum 20.10.2007 ergeben hätten, während die übrigen Arbeitsnachweise über die Tätigkeit der K. beim Kläger nicht mit Uhrzeiten versehen gewesen seien. Sodann hat die Staatsanwaltschaft Rottweil beim Amtsgericht Oberndorf den Erlass eines Strafbefehls wegen Betruges und Beleidigung beantragt. Den hiergegen erhobenen Einspruch hat der Kläger unter anderem damit begründet, er habe sich zunächst nach Kräften, aber erfolglos bemüht, eine andere Ersatzkraft zu erhalten. Ferner habe K. in den Arbeitsnachweisen lediglich die Anfangszeiten falsch angegeben. Sie habe immer dieselben Arbeitszeiten angegeben, da sie sich nicht lange mit Büroarbeit habe beschäftigen wollen. Ulrike Waldvogel (W.), eine Freundin der K. könne bezeugen, dass K. während seiner Erkrankung praktisch ihre gesamte Freizeit für die Mithilfe im Betrieb geopfert habe. Wenn K. die Tätigkeit in seinem Betrieb nicht durchgeführt haben solle, stelle sich die Frage, wer dann die notwendigen Arbeiten erledigt habe. Im Übrigen sei es so, dass sich zwischen den Arbeitsnachweisen über die Tätigkeit der K. bei ihm und den Stundenzetteln der B. nur hinsichtlich der morgendlichen Arbeiten Überschneidungen ergäben. K. hat im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Oberndorf am 15.11.2010 haben sich der Kläger und - unter Versicherung an Eides Statt, dass sie seit 13.11.2010 mit dem Kläger verlobt sei - auch K. nicht aussagebereit erklärt. Alexandra Storz (St.), Sachbearbeiterin bei B., hat in ihrer Zeugenaussage angegeben, die Frühschicht der in der Filiale in D. tätigen K. beginne zwischen 05:45 und 06:00 Uhr und dauere bis 12:00 Uhr, teilweise auch nur bis 10:30 Uhr, während die Spätschicht bis 18:15 oder 18:30 Uhr dauere. L. und S. haben in ihren Zeugenaussagen Angaben zu dem beim Kläger durchgeführten Betriebsbesuch gemacht. Sodann hat das Amtsgericht Oberndorf nach vorheriger Einholung der Einverständnisse der Staatsanwaltschaft Rottweil und des Klägers mit Beschluss vom 25.11.2010 das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) vorläufig eingestellt und dem Kläger zur Auflage gemacht, an eine soziale Einrichtung 600,00 EUR zu zahlen. Mit Beschluss vom 05.01.2011 ist, nachdem der Kläger die ihm erteilte Auflage erfüllt hatte, das Verfahren endgültig eingestellt worden.
Ferner hat die Staatsanwaltschaft Rottweil mit Beschluss vom 02.02.2011 das gegen K. wegen Betruges im Zusammenhang mit ihrer Betriebshilfetätigkeit im Jahr 2007 eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren (Aktenzeichen 26 Js 8376/10) gemäß § 153 Abs. 1 StPO mit der Begründung eingestellt, ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sei nicht gegeben, die Schuld wäre als gering anzusehen.
Daraufhin ist das beim SG anhängige Gerichtsverfahren wieder aufgenommen worden. Der Kläger hat nun vorgetragen, K. habe ihm vor seiner Erkrankung lediglich an Wochenenden gelegentlich in seinem Haushalt geholfen, so dass von einer wesentlichen Mithilfe oder Eingliederung in seinen Betrieb keine Rede sein könne. Lediglich ausnahmsweise, als es ihm gesundheitlich schlechter gegangen sei, habe K. die Notbewirtschaftung seines Hofes übernommen. Zu dem Erörterungstermin vor dem SG am 29.08.2010 sind der Kläger und K. erkrankungsbedingt nicht erschienen. S. hat in seiner Zeugenvernehmung Angaben zu dem beim Kläger durchgeführten Betriebsbesuch gemacht. Sodann hat das SG den für den 22.11.2012 anberaumten Erörterungstermin, nachdem sich K. auf ihr Aussagverweigerungsrecht berufen und der Kläger erkrankungsbedingt abgesagt hatten, aufgehoben.
Mit Bescheid vom 20.02.2013 hat die Beklagte ausgeführt, bisher sei der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 11.02.2012 im Wesentlichen mit unrichtigen und unvollständigen Angaben des Klägers begründet worden. Die Gründe für die Rückforderung würden um arglistige Täuschung und vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemachte Angaben erweitert. Der Kläger habe ungerechtfertigt die Leistungen erhalten, da es der Ersatzkraft nicht möglich gewesen sei, 8,4 Stunden täglich von Montag bis Freitag im landwirtschaftlichen Betrieb neben ihrer Berufstätigkeit in einer Bäckerei zu arbeiten. Hierfür sprächen auch die für den Leistungsfall 2007 vorgenommenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Rottweil. Sie hat ferner ausgeführt, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Solidargemeinschaft sei vor unberechtigter Leistungsinanspruchnahme schützen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 20.02.2013 hat der Kläger angegeben, über die Begründung ihres Zweitwohnsitzes habe K. nicht mit ihm gesprochen. K. sei zweimal wöchentlich bei ihm gewesen, ohne zu arbeiten. Auf die Frage, wie K. neben ihrer Tätigkeit bei B. 8,4 Stunden täglich habe Betriebshilfe leisten können, hat er angegeben, es habe geheißen, es bleibe einem überlassen, wie man die Stunden aufteile, die Woche habe ja 7 Tage und das Vieh wolle auch am Wochenende versorgt werden. Die Fahrzeit zu ihm betrage von D. 10 Minuten und von A. 40 bis 50 Minuten. K. habe im Rahmen der Betriebshilfe im Stall gearbeitet, das Vieh gefüttert, gemistet, Stroh eingestreut, Wasser auf die Weide gebracht und nach dem außen stehenden Vieh geschaut. K. habe vor und nach ihren jeweiligen Schichten bei ihm gearbeitet. Der Kläger hat beantragt, die Bescheide vom 07.11.2008 und 16.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2009 abzuändern und ihm weitere 203,50 EUR zu zahlen sowie den Bescheid vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 aufzuheben. Im weiteren Verlauf hat der Kläger die Ansicht vertreten, der Bescheid vom 20.02.2013 sei nicht innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgt. Ferner seien die Bescheide zu unbestimmt. Außerdem vollziehe die Beklagte 180-Grad-Wendungen, wenn sie einerseits behaupte, K. würde aufgrund der Tatsache ihres bei ihm angemeldeten Zweitwohnsitzes dort ständig wohnen und in seinem Betrieb mitarbeiten, und andererseits behaupte, K. könne wegen des eigenen Haushalts und der eigenen Arbeitsstelle gar nicht in wesentlichem Maße bei ihm mitgearbeitet haben.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2013 hat das SG den Bescheid vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 und des Bescheides vom 20.02.2013 aufgehoben und die auf Abänderung der Bescheide vom 07.11.2008 und 16.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2009 gerichtete Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 19.08.2008 und der Folgebescheide lägen nicht vor, da eine Rechtswidrigkeit der Erstentscheidung nicht festzustellen sei. Zwar sei K. die Lebensgefährtin des Klägers und mit ihm verlobt. Auch sei sie bereits seit 2006 mit Zweitwohnsitz unter der Anschrift des Klägers gemeldet. Auch spreche die nahe persönliche Beziehung zwischen K. und dem Kläger ebenso für eine regelmäßige Hilfe, wie der Umstand, dass K. beim Betriebsbesuch am 30.06.2009 auf dem Hof des Klägers angetroffen worden sei. Ferner habe der Kläger regelmäßige durchschnittlich zweimal wöchentliche Besuche der K. eingeräumt. Auch spreche ihr Agieren im Rahmen des Betriebsbesuchs dafür, dass sie Fragen der Beklagten nicht hätten beantworten wollen. Eine abschließende Klärung des Sachverhalts sei in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger nicht erfolgt. Gegen eine regelmäßige Mithilfe von K. spreche jedoch ihre Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin seit Juni 2006 sowie die Führung eines eigenen Haushaltes zusammen mit ihrem Sohn in A ... Ausweislich der Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren und der Stundenzettel der B. habe K. im streitigen Zeitraum eine Vollzeitbeschäftigung bei B. ausgeübt. Auch habe K. im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eine regelmäßige Mitarbeit beim Kläger in Abrede gestellt. Sie habe nur mitgeholfen, wenn der Kläger krankheitsbedingt keine Arbeit habe selbst verrichten können. Zwar erscheine die Glaubwürdigkeit dieser Angaben im Hinblick auf die Vorfälle während des Betriebsbesuchs fraglich. Eine regelmäßige Mithilfe sei jedoch nicht festzustellen. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass K. aufgrund ihrer Tätigkeit bei B. zeitlich gar nicht in der Lage gewesen sei, die Betriebshilfe durchzuführen. Zwar ergebe sich hierdurch zeitlich eine sehr hohe Belastung und ergäben sich aus den strafrechtlichen Ermittlungsakten unzutreffende Angaben der K. hinsichtlich der geleisteten Arbeitszeiten, indem zum Beispiel für das Jahr 2007 angegeben worden sei, sie habe gleichzeitig bei B. und auf dem Hof gearbeitet. Auch aus diesen Umständen sei jedoch nicht zu folgern, dass K. die Betriebshilfe faktisch nicht habe ausführen können. Die fehlende Beweisbarkeit wirke sich zu Lasten der Beklagten aus. Ein Fall der Beweislastumkehr werde nicht angenommen. Hinsichtlich der Klageabweisung im Übrigen hat das SG zur Begründung ausgeführt, die Gewährung der Betriebshilfe sei hinsichtlich der Höhe der erbrachten Leistung nicht zu beanstanden.
Gegen den ihr am 19.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Beklagte am 05.09.2013 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie ist der Ansicht, K. habe aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit bei B. in C. die Betriebshilfeleistungen in dem angegebenen Umfang nicht erbringen können. Sie habe in verschiedenen Schichten von 06:00 bis 12:00 Uhr sowie von 12:00 bis 18:00 Uhr gearbeitet. Geltend gemacht seien täglich 8,4 Stunden Hilfeleistungen im Betrieb des Klägers. Ihr Einsatz hierbei sei entweder vor oder nach ihrer Tätigkeit bei B. erfolgt. Sie habe zudem noch ihren Sohn im eigenen Haushalt in A. versorgen müssen. Die Fahrzeit betrage von B. in C. nach T. zum Betriebssitz des Klägers 35 Minuten und von A., dem Hauptwohnsitz der K., nach T. 57 Minuten. Zu diesen Fahrzeiten komme noch die Zeit für die Versorgung des Sohnes hinzu. Werde jeweils eine direkte Fahrt zwischen B. und dem Kläger unterstellt sowie täglich 1,5 Stunden Pause für Mittag- und Abendessen sowie Umkleiden angenommen, ergäbe sich eine Arbeitszeit der K. von 06:00 bis 22:30 beziehungsweise 23:00 Uhr je nach Schicht. Eine Verlängerung um eine weitere Stunde ergäbe sich, wenn zusätzliche Fahrten zum eigenen Haushalt zur Versorgung des Sohnes der K. erfolgt wären. Ein solches 13wöchiges Arbeitspensum - der Kläger habe sogar eine über den streitgegenständlichen Zeitraum hinausgehende Betriebshilfe der K. von insgesamt 25 Wochen angegeben - sei nicht realistisch. Da die Abläufe in der Verantwortungssphäre des Klägers lägen, trete eine Umkehr der Beweislast ein. Zudem handele es sich bei K. nicht um eine betriebsfremde Ersatzkraft. Da Betriebshilfe nur dann in Anspruch zu nehmen sei, wenn die Bewirtschaftung ohne fremde Hilfe nicht möglich sei, wäre hier zunächst die K. als Lebensgefährtin in Notsituationen zur Mithilfe heranzuziehen gewesen. Ferner sei davon auszugehen, dass eine regelmäßige Mitarbeit auf dem Hof des Klägers erfolgt sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. August 2013 insoweit aufzuheben, als ihr Bescheid vom 11. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 und des Bescheides vom 20. Februar 2013 aufgehoben worden ist sowie ihr die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt worden sind, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus, die Beklagte bleibe jede nachvollziehbare Tatsachenbehauptung, wann und wo K. vor der Betriebshilfe mitgearbeitet haben solle, schuldig. K. sei im streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht seine Lebensgefährtin gewesen. Selbst wenn man für die Zeit der Betriebshilfe die Rechenbeispiele der Beklagten als richtig unterstelle, komme man zu einer Wochenarbeitszeit von 80 bis 85 Stunden. Insbesondere in Notzeiten könne die durchschnittliche Arbeitszeit in vielen Branchen diese Werte erreichen. In Bezug auf ihren Verdacht, K. habe nicht wie angegeben gearbeitet, bleibe die Beklagte jegliche Behauptung schuldig, wer dann die notwendigen Arbeiten auf seinem Hof ausgeführt haben solle.
Auf Anfrage des Senats hat B. unter dem 18.02.2015 ausgeführt, K. habe in der Zeit vom 27.06.2007 bis zum 14.11.2008 ausschließlich in ihrer Filiale in D. gearbeitet.
Beim LSG ist ein unter dem Aktenzeichen L 11 KR 3927/13 geführtes weiteres Berufungsverfahren anhängig. Die dortige Berufung der Landwirtschaftlichen Krankenkasse der Beklagten richtet sich gegen die mit dem unter dem Aktenzeichen S 11 KR 2365/12 ergangenen Gerichtsbescheid des SG vom 13.08.2013 erfolgte Aufhebung ihres Bescheides vom 12.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 und des Bescheides vom 13.02.2013, mit dem sie ihre Bescheide vom 28.06.2007, 25.07.2007 und 10.12.2007 über die für die Zeit vom 27.06.2007 bis zum 11.01.2008 gewährte Betriebshilfe gemäß § 45 SGB X aufgehoben und zu Unrecht erbrachte Betriebshilfe in Höhe von 6.318,00 EUR gemäß § 50 SGB X zurückgefordert hatte. In dem dortigen Berufungsverfahren hat am 29.07.2014 ein Erörterungstermin stattgefunden, in dessen Rahmen das Gericht unter Hinweis darauf, dass sich der konkrete Umfang der Betriebshilfe nicht ohne Weiteres ermitteln lasse und sich die Frage stelle, ob das Ermessen richtig ausgeübt worden sei, vorgeschlagen hat, den dortigen Rechtsstreit vergleichsweise dahingehend zu erledigen, dass die Beklagte nur noch eine Rückforderung in Höhe von 1.620,00 EUR geltend mache und der Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt würde. Diesen Vergleichsvorschlag hat zwar die dortige Beklagte, nicht aber der Kläger angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Abänderung des Gerichtsbescheides des SG vom 08.08.2013 insoweit, als durch ihn der nach § 96 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Bescheid der Beklagten vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 und des Bescheides vom 20.02.2013 aufgehoben worden ist. An die Beurteilung des SG, dass insoweit eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 99 SGG erfolgt ist, ist der Senat gebunden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 99 Rz. 15).
Mit diesem Bescheid hat die Beklagte ihren Bescheid vom 19.08.2008 über die Gewährung von Betriebshilfe "und die folgenden Bescheide über" die "Anträge auf Verlängerung der Anspruchsdauer und die Auszahlungsbescheide" gemäß § 45 SGB X aufgehoben und zu Unrecht erbrachte Betriebshilfe in Höhe von 4.246,20 EUR gemäß § 50 SGB X zurückgefordert.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs. 1 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
Ungeachtet des Vorliegens der Rechtsvoraussetzungen für die streitige Rücknahme nach § 45 SGB X ist der Rücknahmebescheid rechtswidrig, weil die Beklagte dabei von ihrer Pflicht zur Ausübung sachgerechten Ermessens keinen Gebrauch gemacht hat. Dass die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X eine Ermessensentscheidung ist, folgt aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach ein solcher Verwaltungsakt bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zurückgenommen werden "darf" (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf: BSG, Urteil vom 25.10.1984 - 11 RA 24/84 - juris; BSG, Urteil vom 18.08.1983 - 11 RZLw 1/82 - juris; BSG, Urteil vom 13.12.1984 - 9a RV 40/83 - juris). Infolgedessen hat der Sozialleistungsträger bei Rücknahmeentscheidungen nach § 45 SGB X sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und dabei die Grenzen des Ermessens einzuhalten; der Betroffene hat hierauf gemäß § 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) einen Rechtsanspruch. Die Behörde muss bei der Ermessensentscheidung von einer richtigen Beurteilung der Voraussetzungen für das Ermessen und bei dessen Ausübung vom richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen; sie darf nur eine Rechtsfolge aussprechen und muss überhaupt eine Ermessensentscheidung treffen, wo das Gesetz eine solche vorsieht (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris).
Daran fehlt es hier. Für die Frage, ob die Beklagte überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen hat und - falls ja - ob diese rechtmäßig war, kommt es auf den Inhalt des Rücknahmebescheides, insbesondere seine Begründung an. Diese muss nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X nicht nur erkennen lassen, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern auch diejenigen Gesichtspunkte, von denen sie bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.06.1967 - 1 RA 381/65 - juris). Insoweit ist nach § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X auch der Inhalt des Widerspruchsbescheides maßgebend.
Den Rücknahmebescheid vom 11.02.2010 hat die Beklagte im Wesentlichen damit begründet, die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes sei beim Wegfall des Vertrauensschutzes auch für die Vergangenheit "zulässig", soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die der begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemachte habe. Der Kläger habe vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtige und unvollständige Angaben gemacht. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist ausgeführt worden, das Tatbestandsmerkmal der Betriebsfremdheit sei in der Person von K. nicht erfüllt. Die Erforderlichkeit des Einsatzes einer Ersatzkraft mit Kostenerstattungsanspruch falle weg, wenn - wie im Fall des Klägers - zu den im Haushalt und/oder Betrieb vorhandenen Personen keine zusätzliche Arbeitskraft habe eingesetzt werden müssen. Ferner ist ausgeführt worden, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen zu schützen. Bereits erhaltene Leistungen seien zurückzuzahlen. Im Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 hat sich die Beklagte mit den Einwänden des Klägers auseinandergesetzt und ausgeführt, es verblieben keine Zweifel an der fehlenden Betriebsfremdheit. Der Kläger habe daher zu Unrecht Betriebshilfe erhalten. Die Angaben, die zur Leistungsgewährung geführt hätten, seien vorsätzlich, zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und/oder unvollständig gemacht worden. Von einer Aufhebung der begünstigenden Verwaltungsakte und Rückforderung der Leistung in Geld werde nicht abgesehen. Ferner ist erneut ausgeführt worden, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand der den Kläger begünstigenden Bescheide. Die Solidargemeinschaft der Versicherten sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen zu schützen. Im Bescheid vom 20.02.2013 hat die Beklagte die Gründe für die Rückforderung um arglistige Täuschung und vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemachte Angaben erweitert. Sie hat ein weiteres Mal ausgeführt, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Solidargemeinschaft sei vor unberechtigter Leistungsinanspruchnahme schützen.
Diese Begründung erhellt, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung nicht getroffen hat. Die Fragen der Rechtswidrigkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes und eines nicht bestehenden Schutzes des Vertrauens in dessen Bestand gehören zu den Voraussetzungen, die zunächst vorliegen müssen, um zu einer Ermessensentscheidung zu gelangen, nämlich zu der Prüfung, ob von einem daraus folgenden Rücknahmerecht Gebrauch gemacht werden soll oder - ganz oder teilweise - nicht. Hat jedoch die Behörde lediglich die Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens geprüft und bejaht und bereits aufgrund dessen eine Rücknahmeentscheidung getroffen, ist die Entscheidung rechtswidrig, weil es an der durch den Zweck der Ermächtigung vorgeschriebenen Abwägung und angemessenen Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles fehlt (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 26.05.1983 - 10 RKg 13/82 - juris).
Hinzukommt, dass die Beklagte in ihrem Bescheid an keiner Stelle dargelegt hat, überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen zu haben. Sie hat lediglich dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Aufhebung nach § 45 SGB X "zulässig" sei und sodann diese Voraussetzungen bejaht. Dass hierdurch aber lediglich eine Ermessensentscheidung eröffnet wird, etwa indem sie dargelegt hätte, sie "dürfe" oder "könne" nun die Bewilligung zurücknehmen, ist an keiner Stelle des Bescheides dargelegt. Der Senat sieht auch in den am Ende der Bescheide jeweils gemachten Ausführungen (von einer Aufhebung der begünstigenden Verwaltungsakte und Rückforderung der Leistung in Geld werde nicht abgesehen; das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des/der den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes/Bescheide; die Solidargemeinschaft der Beitragszahler/Versicherten sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen beziehungsweise unberechtigter Leistungsinanspruchnahme zu schützen, bereits erhaltene Leistungen seien zurückzuzahlen) keine ausreichende Ermessensentscheidung.
Diese Ausführungen erschöpfen sich in der Wiedergabe allgemeiner Grundsätze und erübrigen deshalb keineswegs Ausführungen dazu, aus welchen Gründen auch nach Abwägung der individuellen Verhältnisse des Einzelfalles die Rücknahme für gerechtfertigt gehalten wird. Formelhafte Wendungen reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen nicht aus, weil bei derartigen Leerformeln nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und gegebenenfalls in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Erforderlich ist vielmehr eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist, damit dem Betroffenen beziehungsweise dem Gericht die Prüfung ermöglicht wird, ob die Ermessensausübung den gesetzlichen Vorgaben entspricht (BSG, Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 19/99 R - juris). Daran mangelt es hier. Ferner mag es sich zwar bei den oben zitierten Ausführungen der Beklagten teilweise um Gesichtspunkte handeln, die bereits bei der Frage zu prüfen sind, ob der Kläger Vertrauensschutz genießt. Während sie dort jedoch bei entsprechender Wertung für die gesetzliche Voraussetzung des Rücknahmerechts nur eine richtige Antwort zulassen, besitzt die Beklagte bei ihrer Wertung im Rahmen der Ermessensausübung das Recht, zwischen mehreren je für sich ebenfalls richtigen Lösungen zu wählen, nämlich die zu Unrecht bewilligte Leistung gleichwohl ganz oder zur Anpassung übergangsweise, gegebenenfalls auch teilweise zu belassen, oder sie ganz zu entziehen (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 26.05.1983 - 10 RKg 13/82 - juris). Es ist unumgänglich, dass die Beklagte ihre Erwägungen hierzu deutlich macht, was vorliegend aber nicht geschehen ist.
Zudem können bei der Ermessensprüfung auch weitere Umstände zu beachten sein, die bei der Interessenabwägung im Rahmen des Vertrauensschutzes keine Rolle spielten. So können beispielsweise die im Einzelfall durch die Rücknahme einer Bewilligung eintretenden wirtschaftlichen Folgen für den Betroffenen derart sein, dass sie bei sachgerechter Ermessensausübung gleichwohl zu keiner oder einer differenzierten Rücknahmeentscheidung führen. Pflicht der Beklagten ist es deshalb, in jedem Falle auf die für die Ermessensentscheidung relevanten Verhältnisse des Einzelfalles einzugehen. Sie wäre hierzu selbst dann angehalten, wenn sie sich für eine Ermessensentscheidung auf allgemeine Grundsätze berufen wollte (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.06.1967 - 1 RA 381/65 - juris; BSG, Urteil vom 31.01.1979 - 11 RA 30/78 - juris). Den für ihre Entscheidung benötigten Sachverhalt hat die Beklagte gegebenenfalls von Amts wegen zu ermitteln. Ferner hätte es sich empfohlen, bei der Anhörung danach zu fragen, was aus Sicht des Versicherten gegen die geplante Rücknahme und Rückforderung spricht. Nur dann könnte man der Behörde nicht vorwerfen, die Ermessensentscheidung mangelhaft begründet zu haben, wenn sie in Abwesenheit naheliegender Gesichtspunkte nicht krampfhaft nach weiteren anzuführenden Umständen sucht (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X, Rz. 57). Doch auch dies ist im Anhörungsschreiben der Beklagten vom 11.12.2009 unterblieben.
Eine Ermessensentscheidung war vorliegend auch nicht entbehrlich, weil der Kläger sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen kann. Es ist nämlich nicht so, dass der Sozialleistungsträger das zu Unrecht Erlangte vom bösgläubigen Versicherten ohne Ermessensausübung zurückfordern "müsse". Zwar mag in besonders groben Fällen von Bösgläubigkeit im Sinne von betrügerischem Verhalten das Ermessen eingeschränkt oder auf Null reduziert sein. Eine verallgemeinernde Aussage dahingehend, dass in allen Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eine Ermessensausübung nicht geboten sei, ist jedoch nicht möglich. Dies wäre bereits mit dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 SGB X nicht zu vereinbaren. Die für das Recht der Arbeitsförderung und der Grundsicherung für Arbeitsuchende geltenden Sonderregelungen § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 40 Abs. 2 Nr. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wären überflüssig. Die unterschiedliche Intensität des Verschuldens der verschiedenen Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X bliebe unberücksichtigt (so LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.04.2012 - L 1 KR 63/12 B - juris; allerdings dafür, dass vor allem bei Bösgläubigkeit des Begünstigten im Sinne betrügerischen Verhaltens eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen werden könne: BSG, Urteil vom 11.04.2002 - B 3 P 8/01 R - juris Rz. 26; für die grundsätzliche Erforderlichkeit einer Ermessensbetätigung auch bei Bösgläubigkeit: BSG, Urteil vom 09.09.1998 - B 13 RJ 41/97 R - juris; für eine mögliche Einschränkung des Ermessens in besonders groben Fällen von Bösgläubigkeit, aber diese Frage letztlich offen lassend: BSG, Urteil vom 24.01.1995 - 8 RKn 11/93 - juris Rz. 21-23; ebenso: BSG, Urteil vom 25.01.1995 - 8 RKn 11/93 - juris Rz. 22; für eine Reduzierung des Ermessensspielraums auf Null bei Bösgläubigkeit: BSG, Urteil vom 25.01.1994 - 4 RA 16/92 - juris Rz. 18-20; siehe dazu auch: BSG, Urteil vom 26.09.1990 - 9b/7 RAr 30/89 - juris). Abgesehen davon hätte auch bei einer sogenannten "Ermessensreduzierung auf Null" in der Begründung einer solchen Entscheidung deutlich gemacht werden müssen, dass überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen worden ist, da Ermessensentscheidungen wie bei einer gebundenen Entscheidung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe und darüber hinaus (auch) die Gründe für die darauf beruhende und somit erst daran anschließende Ausübung des Ermessens erkennen lassen müssen (BSG, Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 19/99 R - juris), was vorliegend nicht der Fall ist.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch eine Heilung des Ermessensausfalls nicht möglich wäre. Zwar darf nach § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X die Begründung einer Entscheidung mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Würden aber im Gerichtsverfahren Ermessenserwägungen mitgeteilt, die bei Erlass des Bescheides oder Widerspruchsbescheides nicht angestellt worden sind, dürften sie nicht mehr berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 19/99 R - juris).
Mithin ist die im Bescheid der Beklagten vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 und des Bescheides vom 20.02.2013 nach § 45 SGB X verfügte Rücknahme und damit auch die sich hierauf stützende nach § 50 SGB X erfolgte Rückforderung rechtswidrig. Das SG hat diesen Bescheid daher zu Recht aufgehoben.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlie-gen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Betriebshilfe aufgehoben und gewährte Kostenerstattungen zurückgefordert hat.
Der am 15.05.1959 geborene Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Grünland von 34,29 Hektar, Wald von 4,41 Hektar sowie 65 Rindern und Schweinen. Er ist bei der Beklagten kranken- und unfallversichert. Wegen eines sich bei einem Arbeitsunfall zugezogenen Bruchs des Sesambeins war er ab 15.08.2008 arbeitsunfähig erkrankt. Er teilte der Beklagten am 15.08.2008 telefonisch mit, als Ersatzkraft für die Stallarbeit, das Herrichten des Futters und die Betreuung der Weiden solle K. montags bis sonntags an 42 Stunden pro Woche zum Einsatz kommen. Auf telefonische Anfrage vom 18.08.2008 teilte er mit, mit K. bestehe keine häusliche Gemeinschaft, K. helfe außer diesem Einsatz sonst nicht in seinem landwirtschaftlichen Betrieb oder Haushalt mit, voraussichtlich werde K. täglich 6 Arbeitsstunden zu einem Stundenlohn von 9,25 EUR leisten.
Mit Bescheid vom 19.08.2008 bewilligte ihm die Beklagte Betriebshilfe ab 15.08.2008 für längstens vier Wochen für die selbstbeschaffte Ersatzkraft K. bis zu einem Betrag von maximal 9,25 EUR pro Einsatzstunde. An den entstehenden Aufwendungen habe sich der Kläger mit 10,00 EUR je Einsatztag zu beteiligen. Von Montag bis Sonntag seien bis zu 42 Stunden abrechenbar. Vorgelegt wurde der von K. unter dem 14.09.2008 unterschriebene Arbeitsnachweis für die Zeit vom 15.08.2008 bis zum 12.09.2008 über täglich 8,4 Stunden montags bis freitags samt Bestätigung des Erhalts von 1.631,70 EUR. Auf seine Verlängerungsanträge bewilligte die Beklagte Verlängerungen der Kostenübernahme für die Betriebshilfe mit Bescheid vom 16.09.2008 bis zum 22.09.2008, mit Bescheid vom 23.09.2008 bis zum 02.10.2008, mit Abhilfebescheid vom 30.09.2008 bis zum 03.10.2008 und mit Bescheid vom 09.10.2008 bis zum 12.10.2008. Auf Anfrage der Beklagten teilte der Kläger am 21.10.2008 mit, an den Wochenenden werde die Arbeit von seinem Neffen erledigt. Auf seinen weiteren Verlängerungsantrag bewilligte die Beklagte eine Verlängerung der Kostenübernahme für die Betriebshilfe mit Bescheid vom 28.10.2008 bis zum 07.11.2008. Mit weiterem Bescheid vom 28.10.2008 gewährte die Beklagte eine um die Selbstbeteiligung reduzierte Kostenerstattung für die in dem Zeitraum vom 15.08.2008 bis zum 12.09.2008 bewilligte Betriebshilfe in Höhe von 955,50 EUR. Vorgelegt wurde der von K. unter dem 31.10.2008 unterschriebene Arbeitsnachweis für die Zeit vom 15.09.2008 bis zum 31.10.2008 über täglich 8,4 Stunden montags bis freitags samt Bestätigung des Erhalts von 2.719,50 EUR. Auf seinen weiteren Verlängerungsantrag bewilligte die Beklagte eine Verlängerung der Kostenübernahme für die Betriebshilfe mit Bescheid vom 07.11.2008 bis zum 14.11.2008. Mit Wirkung vom 31.10.2008 seien von Montag bis Freitag täglich bis zu 6 Stunden abrechenbar. Mit Bescheid vom 11.11.2008 gewährte die Beklagte eine um die Selbstbeteiligung reduzierte Kostenerstattung für die in dem Zeitraum vom 15.09.2008 bis zum 31.10.2008 bewilligte Betriebshilfe in Höhe von 2.280,70 EUR. Mit Abhilfebescheid vom 12.11.2008 erhöhte die Beklagte die Kostenerstattung für den Zeitraum vom 15.08.2008 bis zum 12.09.2008 um weitere 466,20 EUR. Den unter Hinweis, es würden 42 Wochenstunden geleistet, erneut gestellten Verlängerungsantrag des Klägers lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.11.2008 ab. Vorgelegt wurde der von K. unter dem 12.12.2008 unterschriebene Arbeitsnachweis für die Zeit vom 03.11.2008 bis zum 12.12.2008 über täglich 8,4 Stunden montags bis freitags samt Bestätigung des Erhalts von 2.331,00 EUR. Mit Bescheid vom 16.12.2008 gewährte die Beklagte eine um die Selbstbeteiligung reduzierte Kostenerstattung für die in dem Zeitraum vom 03.11.2008 bis zum 14.11.2008 bewilligte Betriebshilfe in Höhe von 455,00 EUR. Mit Abhilfebescheid vom 03.02.2009 erhöhte die Beklagte die Kostenerstattung für den Zeitraum vom 27.10.2008 bis zum 31.10.2008 um weitere 111,00 EUR. Vorgelegt wurde der von K. unter dem 26.01.2009 unterschriebene Arbeitsnachweis für die Zeit vom 15.12.2008 bis zum 06.02.2009 über täglich 8,4 Stunden montags bis freitags samt Bestätigung des Erhalts von 3.108,00 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2009 wies die Beklagte die gegen die Bescheide vom 19.08.2008, 07.11.2008, 24.11.2008 und 16.12.2008 erhobenen Widersprüche zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 09.03.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.
Am 30.06.2009 hat die Beklagte beim Kläger durch ihre Bedienstete (S.) und (L.) einen Betriebsbesuch durchführen lassen, um zu prüfen, ob K. tatsächlich betriebsfremd sei, in häuslicher Gemeinschaft mit dem Kläger lebe, tatsächlich täglich von ihrem 52,48 Kilometer entfernten Erstwohnsitz in A. zum Betrieb des Klägers in T. fahre und neben ihrer vollschichtigen Tätigkeit in einer Bäckerei als Ersatzkraft beim Kläger tätig sein könne. Aus dem hierüber gefertigten Bericht geht hervor, dass der Kläger diese mit "Wichser", "Faulenzer", "Schwuchtel" und "fette Sau" beleidigt und ihnen damit gedroht habe, ihnen "in die Fresse" zu hauen und eine Mistgabel in den "Arsch" zu rammen. Angaben zur Sache habe er nicht gemacht. Die ebenfalls angetroffene K. habe angegeben, sie könne den Kläger unterstützen, da sie derzeit Urlaub habe. Sonst helfe sie ihm entweder nach ihrer Früh- oder vor ihrer Spätschicht. Sie wohne nicht beim Kläger und fahre auch nicht jeden Tag von ihrem Erstwohnsitz zu ihm. Anschließend habe bei der zuständigen Ortsverwaltung in Erfahrung gebracht werden können, dass K. seit 01.06.2006 am Betrieb des Klägers einen Zweitwohnsitz gemeldet habe.
Daraufhin haben L. und S. am 14.07.2009 bei der Staatsanwaltschaft Rottweil Strafanzeige gegen den Kläger gestellt. Hierzu hat sich der Kläger in der Beschuldigtenvernehmung vom 14.08.2009 nicht geäußert. Die Beklagte hat am 31.08.2009 bei der Staatsanwaltschaft Rottweil Strafanzeige gegen den Kläger wegen Betruges, Beleidigung und Körperverletzung gestellt.
Unter dem 11.12.2009 hat die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung der die Betriebshilfe und Kostenerstattungen bewilligenden Bescheide und Rückforderung bereits gewährter Leistungen angehört. Hierzu hat der Kläger im Rahmen des Klageverfahrens vorgetragen, K. habe bis zur erstmaligen Bewilligung von Betriebshilfe nicht in wesentlichem Umfang auf seinem Hof mitgearbeitet und außerhalb ihrer Arbeitszeiten auf seinem Hof geholfen, da dieser ansonsten nicht hätte bewirtschaftet werden können.
Mit Bescheid vom 11.02.2010 hat die Beklagte den Bescheid vom 19.08.2008 über die Gewährung von Betriebshilfe "und die folgenden Bescheide über" die "Anträge auf Verlängerung der Anspruchsdauer und die Auszahlungsbescheide" gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben und zu Unrecht erbrachte Betriebshilfe in Höhe von 4.246,20 EUR gemäß § 50 SGB X zurückgefordert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Kläger habe vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtige und unvollständige Angaben gemacht. Denn er habe zu den Fragen, ob mit K. eine häusliche Gemeinschaft bestehe und ob die Ersatzkraft auch sonst im Betrieb/Haushalt tätig sei oder mithelfe, wahrheitswidrig geantwortet. Ein Anspruch auf Betriebshilfe in der Form der Erstattung von Kosten für den Einsatz einer selbst beschafften Ersatzkraft setze deren Betriebsfremdheit voraus. Betriebsfremd sei eine Ersatzkraft nur dann, wenn sie sonst nicht im Betrieb und/oder dem angegliederten landwirtschaftlichen Haushalt tätig sei oder aushelfe. Nur eine nicht wesentliche Aushilfe bleibe außer Betracht. Alle dem Betrieb und Haushalt der Landwirtschaft zugehörigen und dort aushelfenden Personen schieden, soweit sie dort bereits vor Eintritt des Leistungsfalls tätig gewesen seien, als betriebs- beziehungsweise haushaltsfremde Ersatzkräfte aus. Nach den Angaben der K. helfe diese neben ihrer Berufstätigkeit auch sonst im landwirtschaftlichen Betrieb regelmäßig sowie dauerhaft mit und tue dies nicht nur während Zeiten des unfall- oder krankheitsbedingten Ausfalls des Klägers. Sie habe bereits über mehrere Jahre mindestens seit 2006 vor und auch zwischen den Ausfallzeiten wegen Krankheit oder Unfallfolgen ausgeholfen. Die Mithilfe sei nicht nur unwesentlich, sondern durch Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit geprägt gewesen. Dafür spreche gerade die Begründung eines zweiten Wohnsitzes am Betrieb des Klägers und die Angaben von K., sie könne sich die Arbeitszeit selbst einteilen. Unterbrechungen von mehreren Tagen bei einem weiter entfernten Hauptwohnsitz - wie hier circa 50 Kilometer - seien nicht geeignet, die Mithilfe als unwesentlich zu klassifizieren. Die Mithilfe müsse nicht durchgängig an jedem Tag geleistet werden, sondern könne auch in Blöcken, zum Beispiel während Arbeitsspitzen, stattfinden. Eine ununterbrochene Mithilfe werde gerade nicht gefordert. Allein die Integration und Mithilfe im Haushalt des Klägers, der dem landwirtschaftlichen Betrieb diene, sei ausreichend. Es sei nicht überzeugend dargelegt worden, dass K. außerhalb der krankheitsbedingten Ausfallzeit nicht nur geringfügig, mithin unwesentlich, im Betrieb/Haushalt des Klägers aushelfe. Vielmehr sprächen die Feststellungen für das Gegenteil und belegten die seit längerer Zeit vorliegende Integration der K. in den Betrieb/Haushalt des Klägers. Ein Einsatz einer Ersatzkraft mit Kostenerstattungspflicht sei überdies nur bei Erforderlichkeit gegeben. Diese falle weg, wenn aufgrund des unfallbedingten Ausfalls zu den im Betrieb/Haushalt vorhandenen Personen keine zusätzliche Arbeitskraft - wie vorliegend - eingesetzt werden müsse. Das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen zu schützen. Bereits erhaltene Leistungen seien zurückzuzahlen.
Hiergegen hat der Kläger am 09.03.2010 Widerspruch eingelegt.
K. hat in der im Rahmen des Strafverfahrens erfolgten Zeugenvernehmung am 26.04.2010 angegeben, sie sei seit Frühjahr 2006 die Lebensgefährtin des Klägers. Allerdings führten sie in T. keinen gemeinsamen Haushalt. Sie wohnten in T. als Paar zusammen, wenn sie mal dort sei, was zwei- bis dreimal in der Woche der Fall sei. Sie habe ihren Erstwohnsitz mit ihrem Sohn in A ... Sie arbeite aber vollschichtig bei der B. GmbH & Co. (B.) in C ... Im Rahmen des Betriebsbesuchs von L. und S. habe sie weder körperliche Auseinandersetzungen noch beleidigende Äußerungen wahrgenommen. Auf dem Hof des Klägers habe sie nur mitgeholfen, wenn dieser krankheitsbedingt keine Arbeit habe verrichten können. Ansonsten habe sie genug Arbeit. Sie habe es sich halt eingeteilt, sei früh in den Stall zum Füttern und zum Beispiel nach Arbeitsende gegen 12:00 Uhr wieder in den Stall gegangen. Ihre Arbeitszeiten bei B. wechselten zwischen Schichten von 06:00 bis 12:00 Uhr und von 12:00 bis 18:00 Uhr.
Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 zurückgewiesen. Darin hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel, ob die Angaben zur täglichen Arbeitsleistung von 8,4 Stunden im Betrieb des Klägers und außerlandwirtschaftlichen vollschichtigen Tätigkeit von K. bei ihren täglichen Fahrten von ihrem Erstwohnsitz in A. zum Betrieb des Klägers in T. und weiter zur Arbeitsstelle in C. sowie nach Arbeitsende in C. erneut nach T. und zurück nach A. überhaupt stimmen könnten. Es verblieben daher keine Zweifel an der fehlenden Betriebsfremdheit. Der Kläger habe daher zu Unrecht Betriebshilfe erhalten. Die Angaben, die zur Leistungsgewährung geführt hätten, seien vorsätzlich, zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und/oder unvollständig gemacht worden. Von einer Aufhebung der begünstigenden Verwaltungsakte und Rückforderung der Leistung in Geld werde nicht abgesehen. Ferner ist erneut ausgeführt worden, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand der den Kläger begünstigenden Bescheide. Die Solidargemeinschaft der Versicherten sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen zu schützen.
Sodann hat das SG den Bescheid vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 in das bereits anhängige Gerichtsverfahren miteinbezogen und im Hinblick auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren im Einverständnis mit den Beteiligten mit Beschluss vom 31.08.2010 das Ruhen des Gerichtsverfahrens angeordnet.
Im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (Aktenzeichen 26 Js 11036/09) sind die bei B. für den Zeitraum von Mai 2007 bis August 2009 angefallenen Stundenzettel der K. beigezogen worden. In dem Zwischenbericht vom 24.06.2010 wird dargelegt, dass sich nach Abgleich mit den Arbeitsnachweisen über die Tätigkeit der K. beim Kläger eindeutige Überschneidungen ihrer Arbeitszeiten bei B. für den Zeitraum vom 18.07.2007 bis zum 20.10.2007 ergeben hätten, während die übrigen Arbeitsnachweise über die Tätigkeit der K. beim Kläger nicht mit Uhrzeiten versehen gewesen seien. Sodann hat die Staatsanwaltschaft Rottweil beim Amtsgericht Oberndorf den Erlass eines Strafbefehls wegen Betruges und Beleidigung beantragt. Den hiergegen erhobenen Einspruch hat der Kläger unter anderem damit begründet, er habe sich zunächst nach Kräften, aber erfolglos bemüht, eine andere Ersatzkraft zu erhalten. Ferner habe K. in den Arbeitsnachweisen lediglich die Anfangszeiten falsch angegeben. Sie habe immer dieselben Arbeitszeiten angegeben, da sie sich nicht lange mit Büroarbeit habe beschäftigen wollen. Ulrike Waldvogel (W.), eine Freundin der K. könne bezeugen, dass K. während seiner Erkrankung praktisch ihre gesamte Freizeit für die Mithilfe im Betrieb geopfert habe. Wenn K. die Tätigkeit in seinem Betrieb nicht durchgeführt haben solle, stelle sich die Frage, wer dann die notwendigen Arbeiten erledigt habe. Im Übrigen sei es so, dass sich zwischen den Arbeitsnachweisen über die Tätigkeit der K. bei ihm und den Stundenzetteln der B. nur hinsichtlich der morgendlichen Arbeiten Überschneidungen ergäben. K. hat im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Oberndorf am 15.11.2010 haben sich der Kläger und - unter Versicherung an Eides Statt, dass sie seit 13.11.2010 mit dem Kläger verlobt sei - auch K. nicht aussagebereit erklärt. Alexandra Storz (St.), Sachbearbeiterin bei B., hat in ihrer Zeugenaussage angegeben, die Frühschicht der in der Filiale in D. tätigen K. beginne zwischen 05:45 und 06:00 Uhr und dauere bis 12:00 Uhr, teilweise auch nur bis 10:30 Uhr, während die Spätschicht bis 18:15 oder 18:30 Uhr dauere. L. und S. haben in ihren Zeugenaussagen Angaben zu dem beim Kläger durchgeführten Betriebsbesuch gemacht. Sodann hat das Amtsgericht Oberndorf nach vorheriger Einholung der Einverständnisse der Staatsanwaltschaft Rottweil und des Klägers mit Beschluss vom 25.11.2010 das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) vorläufig eingestellt und dem Kläger zur Auflage gemacht, an eine soziale Einrichtung 600,00 EUR zu zahlen. Mit Beschluss vom 05.01.2011 ist, nachdem der Kläger die ihm erteilte Auflage erfüllt hatte, das Verfahren endgültig eingestellt worden.
Ferner hat die Staatsanwaltschaft Rottweil mit Beschluss vom 02.02.2011 das gegen K. wegen Betruges im Zusammenhang mit ihrer Betriebshilfetätigkeit im Jahr 2007 eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren (Aktenzeichen 26 Js 8376/10) gemäß § 153 Abs. 1 StPO mit der Begründung eingestellt, ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sei nicht gegeben, die Schuld wäre als gering anzusehen.
Daraufhin ist das beim SG anhängige Gerichtsverfahren wieder aufgenommen worden. Der Kläger hat nun vorgetragen, K. habe ihm vor seiner Erkrankung lediglich an Wochenenden gelegentlich in seinem Haushalt geholfen, so dass von einer wesentlichen Mithilfe oder Eingliederung in seinen Betrieb keine Rede sein könne. Lediglich ausnahmsweise, als es ihm gesundheitlich schlechter gegangen sei, habe K. die Notbewirtschaftung seines Hofes übernommen. Zu dem Erörterungstermin vor dem SG am 29.08.2010 sind der Kläger und K. erkrankungsbedingt nicht erschienen. S. hat in seiner Zeugenvernehmung Angaben zu dem beim Kläger durchgeführten Betriebsbesuch gemacht. Sodann hat das SG den für den 22.11.2012 anberaumten Erörterungstermin, nachdem sich K. auf ihr Aussagverweigerungsrecht berufen und der Kläger erkrankungsbedingt abgesagt hatten, aufgehoben.
Mit Bescheid vom 20.02.2013 hat die Beklagte ausgeführt, bisher sei der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 11.02.2012 im Wesentlichen mit unrichtigen und unvollständigen Angaben des Klägers begründet worden. Die Gründe für die Rückforderung würden um arglistige Täuschung und vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemachte Angaben erweitert. Der Kläger habe ungerechtfertigt die Leistungen erhalten, da es der Ersatzkraft nicht möglich gewesen sei, 8,4 Stunden täglich von Montag bis Freitag im landwirtschaftlichen Betrieb neben ihrer Berufstätigkeit in einer Bäckerei zu arbeiten. Hierfür sprächen auch die für den Leistungsfall 2007 vorgenommenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Rottweil. Sie hat ferner ausgeführt, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Solidargemeinschaft sei vor unberechtigter Leistungsinanspruchnahme schützen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 20.02.2013 hat der Kläger angegeben, über die Begründung ihres Zweitwohnsitzes habe K. nicht mit ihm gesprochen. K. sei zweimal wöchentlich bei ihm gewesen, ohne zu arbeiten. Auf die Frage, wie K. neben ihrer Tätigkeit bei B. 8,4 Stunden täglich habe Betriebshilfe leisten können, hat er angegeben, es habe geheißen, es bleibe einem überlassen, wie man die Stunden aufteile, die Woche habe ja 7 Tage und das Vieh wolle auch am Wochenende versorgt werden. Die Fahrzeit zu ihm betrage von D. 10 Minuten und von A. 40 bis 50 Minuten. K. habe im Rahmen der Betriebshilfe im Stall gearbeitet, das Vieh gefüttert, gemistet, Stroh eingestreut, Wasser auf die Weide gebracht und nach dem außen stehenden Vieh geschaut. K. habe vor und nach ihren jeweiligen Schichten bei ihm gearbeitet. Der Kläger hat beantragt, die Bescheide vom 07.11.2008 und 16.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2009 abzuändern und ihm weitere 203,50 EUR zu zahlen sowie den Bescheid vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 aufzuheben. Im weiteren Verlauf hat der Kläger die Ansicht vertreten, der Bescheid vom 20.02.2013 sei nicht innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgt. Ferner seien die Bescheide zu unbestimmt. Außerdem vollziehe die Beklagte 180-Grad-Wendungen, wenn sie einerseits behaupte, K. würde aufgrund der Tatsache ihres bei ihm angemeldeten Zweitwohnsitzes dort ständig wohnen und in seinem Betrieb mitarbeiten, und andererseits behaupte, K. könne wegen des eigenen Haushalts und der eigenen Arbeitsstelle gar nicht in wesentlichem Maße bei ihm mitgearbeitet haben.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2013 hat das SG den Bescheid vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 und des Bescheides vom 20.02.2013 aufgehoben und die auf Abänderung der Bescheide vom 07.11.2008 und 16.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2009 gerichtete Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 19.08.2008 und der Folgebescheide lägen nicht vor, da eine Rechtswidrigkeit der Erstentscheidung nicht festzustellen sei. Zwar sei K. die Lebensgefährtin des Klägers und mit ihm verlobt. Auch sei sie bereits seit 2006 mit Zweitwohnsitz unter der Anschrift des Klägers gemeldet. Auch spreche die nahe persönliche Beziehung zwischen K. und dem Kläger ebenso für eine regelmäßige Hilfe, wie der Umstand, dass K. beim Betriebsbesuch am 30.06.2009 auf dem Hof des Klägers angetroffen worden sei. Ferner habe der Kläger regelmäßige durchschnittlich zweimal wöchentliche Besuche der K. eingeräumt. Auch spreche ihr Agieren im Rahmen des Betriebsbesuchs dafür, dass sie Fragen der Beklagten nicht hätten beantworten wollen. Eine abschließende Klärung des Sachverhalts sei in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger nicht erfolgt. Gegen eine regelmäßige Mithilfe von K. spreche jedoch ihre Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin seit Juni 2006 sowie die Führung eines eigenen Haushaltes zusammen mit ihrem Sohn in A ... Ausweislich der Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren und der Stundenzettel der B. habe K. im streitigen Zeitraum eine Vollzeitbeschäftigung bei B. ausgeübt. Auch habe K. im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eine regelmäßige Mitarbeit beim Kläger in Abrede gestellt. Sie habe nur mitgeholfen, wenn der Kläger krankheitsbedingt keine Arbeit habe selbst verrichten können. Zwar erscheine die Glaubwürdigkeit dieser Angaben im Hinblick auf die Vorfälle während des Betriebsbesuchs fraglich. Eine regelmäßige Mithilfe sei jedoch nicht festzustellen. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass K. aufgrund ihrer Tätigkeit bei B. zeitlich gar nicht in der Lage gewesen sei, die Betriebshilfe durchzuführen. Zwar ergebe sich hierdurch zeitlich eine sehr hohe Belastung und ergäben sich aus den strafrechtlichen Ermittlungsakten unzutreffende Angaben der K. hinsichtlich der geleisteten Arbeitszeiten, indem zum Beispiel für das Jahr 2007 angegeben worden sei, sie habe gleichzeitig bei B. und auf dem Hof gearbeitet. Auch aus diesen Umständen sei jedoch nicht zu folgern, dass K. die Betriebshilfe faktisch nicht habe ausführen können. Die fehlende Beweisbarkeit wirke sich zu Lasten der Beklagten aus. Ein Fall der Beweislastumkehr werde nicht angenommen. Hinsichtlich der Klageabweisung im Übrigen hat das SG zur Begründung ausgeführt, die Gewährung der Betriebshilfe sei hinsichtlich der Höhe der erbrachten Leistung nicht zu beanstanden.
Gegen den ihr am 19.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Beklagte am 05.09.2013 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie ist der Ansicht, K. habe aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit bei B. in C. die Betriebshilfeleistungen in dem angegebenen Umfang nicht erbringen können. Sie habe in verschiedenen Schichten von 06:00 bis 12:00 Uhr sowie von 12:00 bis 18:00 Uhr gearbeitet. Geltend gemacht seien täglich 8,4 Stunden Hilfeleistungen im Betrieb des Klägers. Ihr Einsatz hierbei sei entweder vor oder nach ihrer Tätigkeit bei B. erfolgt. Sie habe zudem noch ihren Sohn im eigenen Haushalt in A. versorgen müssen. Die Fahrzeit betrage von B. in C. nach T. zum Betriebssitz des Klägers 35 Minuten und von A., dem Hauptwohnsitz der K., nach T. 57 Minuten. Zu diesen Fahrzeiten komme noch die Zeit für die Versorgung des Sohnes hinzu. Werde jeweils eine direkte Fahrt zwischen B. und dem Kläger unterstellt sowie täglich 1,5 Stunden Pause für Mittag- und Abendessen sowie Umkleiden angenommen, ergäbe sich eine Arbeitszeit der K. von 06:00 bis 22:30 beziehungsweise 23:00 Uhr je nach Schicht. Eine Verlängerung um eine weitere Stunde ergäbe sich, wenn zusätzliche Fahrten zum eigenen Haushalt zur Versorgung des Sohnes der K. erfolgt wären. Ein solches 13wöchiges Arbeitspensum - der Kläger habe sogar eine über den streitgegenständlichen Zeitraum hinausgehende Betriebshilfe der K. von insgesamt 25 Wochen angegeben - sei nicht realistisch. Da die Abläufe in der Verantwortungssphäre des Klägers lägen, trete eine Umkehr der Beweislast ein. Zudem handele es sich bei K. nicht um eine betriebsfremde Ersatzkraft. Da Betriebshilfe nur dann in Anspruch zu nehmen sei, wenn die Bewirtschaftung ohne fremde Hilfe nicht möglich sei, wäre hier zunächst die K. als Lebensgefährtin in Notsituationen zur Mithilfe heranzuziehen gewesen. Ferner sei davon auszugehen, dass eine regelmäßige Mitarbeit auf dem Hof des Klägers erfolgt sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. August 2013 insoweit aufzuheben, als ihr Bescheid vom 11. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 und des Bescheides vom 20. Februar 2013 aufgehoben worden ist sowie ihr die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt worden sind, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus, die Beklagte bleibe jede nachvollziehbare Tatsachenbehauptung, wann und wo K. vor der Betriebshilfe mitgearbeitet haben solle, schuldig. K. sei im streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht seine Lebensgefährtin gewesen. Selbst wenn man für die Zeit der Betriebshilfe die Rechenbeispiele der Beklagten als richtig unterstelle, komme man zu einer Wochenarbeitszeit von 80 bis 85 Stunden. Insbesondere in Notzeiten könne die durchschnittliche Arbeitszeit in vielen Branchen diese Werte erreichen. In Bezug auf ihren Verdacht, K. habe nicht wie angegeben gearbeitet, bleibe die Beklagte jegliche Behauptung schuldig, wer dann die notwendigen Arbeiten auf seinem Hof ausgeführt haben solle.
Auf Anfrage des Senats hat B. unter dem 18.02.2015 ausgeführt, K. habe in der Zeit vom 27.06.2007 bis zum 14.11.2008 ausschließlich in ihrer Filiale in D. gearbeitet.
Beim LSG ist ein unter dem Aktenzeichen L 11 KR 3927/13 geführtes weiteres Berufungsverfahren anhängig. Die dortige Berufung der Landwirtschaftlichen Krankenkasse der Beklagten richtet sich gegen die mit dem unter dem Aktenzeichen S 11 KR 2365/12 ergangenen Gerichtsbescheid des SG vom 13.08.2013 erfolgte Aufhebung ihres Bescheides vom 12.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 und des Bescheides vom 13.02.2013, mit dem sie ihre Bescheide vom 28.06.2007, 25.07.2007 und 10.12.2007 über die für die Zeit vom 27.06.2007 bis zum 11.01.2008 gewährte Betriebshilfe gemäß § 45 SGB X aufgehoben und zu Unrecht erbrachte Betriebshilfe in Höhe von 6.318,00 EUR gemäß § 50 SGB X zurückgefordert hatte. In dem dortigen Berufungsverfahren hat am 29.07.2014 ein Erörterungstermin stattgefunden, in dessen Rahmen das Gericht unter Hinweis darauf, dass sich der konkrete Umfang der Betriebshilfe nicht ohne Weiteres ermitteln lasse und sich die Frage stelle, ob das Ermessen richtig ausgeübt worden sei, vorgeschlagen hat, den dortigen Rechtsstreit vergleichsweise dahingehend zu erledigen, dass die Beklagte nur noch eine Rückforderung in Höhe von 1.620,00 EUR geltend mache und der Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt würde. Diesen Vergleichsvorschlag hat zwar die dortige Beklagte, nicht aber der Kläger angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Abänderung des Gerichtsbescheides des SG vom 08.08.2013 insoweit, als durch ihn der nach § 96 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Bescheid der Beklagten vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 und des Bescheides vom 20.02.2013 aufgehoben worden ist. An die Beurteilung des SG, dass insoweit eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 99 SGG erfolgt ist, ist der Senat gebunden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 99 Rz. 15).
Mit diesem Bescheid hat die Beklagte ihren Bescheid vom 19.08.2008 über die Gewährung von Betriebshilfe "und die folgenden Bescheide über" die "Anträge auf Verlängerung der Anspruchsdauer und die Auszahlungsbescheide" gemäß § 45 SGB X aufgehoben und zu Unrecht erbrachte Betriebshilfe in Höhe von 4.246,20 EUR gemäß § 50 SGB X zurückgefordert.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs. 1 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
Ungeachtet des Vorliegens der Rechtsvoraussetzungen für die streitige Rücknahme nach § 45 SGB X ist der Rücknahmebescheid rechtswidrig, weil die Beklagte dabei von ihrer Pflicht zur Ausübung sachgerechten Ermessens keinen Gebrauch gemacht hat. Dass die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X eine Ermessensentscheidung ist, folgt aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach ein solcher Verwaltungsakt bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zurückgenommen werden "darf" (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf: BSG, Urteil vom 25.10.1984 - 11 RA 24/84 - juris; BSG, Urteil vom 18.08.1983 - 11 RZLw 1/82 - juris; BSG, Urteil vom 13.12.1984 - 9a RV 40/83 - juris). Infolgedessen hat der Sozialleistungsträger bei Rücknahmeentscheidungen nach § 45 SGB X sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und dabei die Grenzen des Ermessens einzuhalten; der Betroffene hat hierauf gemäß § 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) einen Rechtsanspruch. Die Behörde muss bei der Ermessensentscheidung von einer richtigen Beurteilung der Voraussetzungen für das Ermessen und bei dessen Ausübung vom richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen; sie darf nur eine Rechtsfolge aussprechen und muss überhaupt eine Ermessensentscheidung treffen, wo das Gesetz eine solche vorsieht (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris).
Daran fehlt es hier. Für die Frage, ob die Beklagte überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen hat und - falls ja - ob diese rechtmäßig war, kommt es auf den Inhalt des Rücknahmebescheides, insbesondere seine Begründung an. Diese muss nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X nicht nur erkennen lassen, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern auch diejenigen Gesichtspunkte, von denen sie bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.06.1967 - 1 RA 381/65 - juris). Insoweit ist nach § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X auch der Inhalt des Widerspruchsbescheides maßgebend.
Den Rücknahmebescheid vom 11.02.2010 hat die Beklagte im Wesentlichen damit begründet, die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes sei beim Wegfall des Vertrauensschutzes auch für die Vergangenheit "zulässig", soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die der begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemachte habe. Der Kläger habe vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtige und unvollständige Angaben gemacht. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist ausgeführt worden, das Tatbestandsmerkmal der Betriebsfremdheit sei in der Person von K. nicht erfüllt. Die Erforderlichkeit des Einsatzes einer Ersatzkraft mit Kostenerstattungsanspruch falle weg, wenn - wie im Fall des Klägers - zu den im Haushalt und/oder Betrieb vorhandenen Personen keine zusätzliche Arbeitskraft habe eingesetzt werden müssen. Ferner ist ausgeführt worden, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen zu schützen. Bereits erhaltene Leistungen seien zurückzuzahlen. Im Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 hat sich die Beklagte mit den Einwänden des Klägers auseinandergesetzt und ausgeführt, es verblieben keine Zweifel an der fehlenden Betriebsfremdheit. Der Kläger habe daher zu Unrecht Betriebshilfe erhalten. Die Angaben, die zur Leistungsgewährung geführt hätten, seien vorsätzlich, zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig und/oder unvollständig gemacht worden. Von einer Aufhebung der begünstigenden Verwaltungsakte und Rückforderung der Leistung in Geld werde nicht abgesehen. Ferner ist erneut ausgeführt worden, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand der den Kläger begünstigenden Bescheide. Die Solidargemeinschaft der Versicherten sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen zu schützen. Im Bescheid vom 20.02.2013 hat die Beklagte die Gründe für die Rückforderung um arglistige Täuschung und vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemachte Angaben erweitert. Sie hat ein weiteres Mal ausgeführt, das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Solidargemeinschaft sei vor unberechtigter Leistungsinanspruchnahme schützen.
Diese Begründung erhellt, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung nicht getroffen hat. Die Fragen der Rechtswidrigkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes und eines nicht bestehenden Schutzes des Vertrauens in dessen Bestand gehören zu den Voraussetzungen, die zunächst vorliegen müssen, um zu einer Ermessensentscheidung zu gelangen, nämlich zu der Prüfung, ob von einem daraus folgenden Rücknahmerecht Gebrauch gemacht werden soll oder - ganz oder teilweise - nicht. Hat jedoch die Behörde lediglich die Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens geprüft und bejaht und bereits aufgrund dessen eine Rücknahmeentscheidung getroffen, ist die Entscheidung rechtswidrig, weil es an der durch den Zweck der Ermächtigung vorgeschriebenen Abwägung und angemessenen Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles fehlt (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 26.05.1983 - 10 RKg 13/82 - juris).
Hinzukommt, dass die Beklagte in ihrem Bescheid an keiner Stelle dargelegt hat, überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen zu haben. Sie hat lediglich dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Aufhebung nach § 45 SGB X "zulässig" sei und sodann diese Voraussetzungen bejaht. Dass hierdurch aber lediglich eine Ermessensentscheidung eröffnet wird, etwa indem sie dargelegt hätte, sie "dürfe" oder "könne" nun die Bewilligung zurücknehmen, ist an keiner Stelle des Bescheides dargelegt. Der Senat sieht auch in den am Ende der Bescheide jeweils gemachten Ausführungen (von einer Aufhebung der begünstigenden Verwaltungsakte und Rückforderung der Leistung in Geld werde nicht abgesehen; das öffentliche Interesse an einer Beseitigung der Unrechtsfolgen habe Vorrang vor dem weiteren Bestand des/der den Kläger begünstigenden Verwaltungsaktes/Bescheide; die Solidargemeinschaft der Beitragszahler/Versicherten sei vor nicht gerechtfertigten Aufwendungen beziehungsweise unberechtigter Leistungsinanspruchnahme zu schützen, bereits erhaltene Leistungen seien zurückzuzahlen) keine ausreichende Ermessensentscheidung.
Diese Ausführungen erschöpfen sich in der Wiedergabe allgemeiner Grundsätze und erübrigen deshalb keineswegs Ausführungen dazu, aus welchen Gründen auch nach Abwägung der individuellen Verhältnisse des Einzelfalles die Rücknahme für gerechtfertigt gehalten wird. Formelhafte Wendungen reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen nicht aus, weil bei derartigen Leerformeln nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und gegebenenfalls in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Erforderlich ist vielmehr eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist, damit dem Betroffenen beziehungsweise dem Gericht die Prüfung ermöglicht wird, ob die Ermessensausübung den gesetzlichen Vorgaben entspricht (BSG, Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 19/99 R - juris). Daran mangelt es hier. Ferner mag es sich zwar bei den oben zitierten Ausführungen der Beklagten teilweise um Gesichtspunkte handeln, die bereits bei der Frage zu prüfen sind, ob der Kläger Vertrauensschutz genießt. Während sie dort jedoch bei entsprechender Wertung für die gesetzliche Voraussetzung des Rücknahmerechts nur eine richtige Antwort zulassen, besitzt die Beklagte bei ihrer Wertung im Rahmen der Ermessensausübung das Recht, zwischen mehreren je für sich ebenfalls richtigen Lösungen zu wählen, nämlich die zu Unrecht bewilligte Leistung gleichwohl ganz oder zur Anpassung übergangsweise, gegebenenfalls auch teilweise zu belassen, oder sie ganz zu entziehen (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 26.05.1983 - 10 RKg 13/82 - juris). Es ist unumgänglich, dass die Beklagte ihre Erwägungen hierzu deutlich macht, was vorliegend aber nicht geschehen ist.
Zudem können bei der Ermessensprüfung auch weitere Umstände zu beachten sein, die bei der Interessenabwägung im Rahmen des Vertrauensschutzes keine Rolle spielten. So können beispielsweise die im Einzelfall durch die Rücknahme einer Bewilligung eintretenden wirtschaftlichen Folgen für den Betroffenen derart sein, dass sie bei sachgerechter Ermessensausübung gleichwohl zu keiner oder einer differenzierten Rücknahmeentscheidung führen. Pflicht der Beklagten ist es deshalb, in jedem Falle auf die für die Ermessensentscheidung relevanten Verhältnisse des Einzelfalles einzugehen. Sie wäre hierzu selbst dann angehalten, wenn sie sich für eine Ermessensentscheidung auf allgemeine Grundsätze berufen wollte (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84 - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.06.1967 - 1 RA 381/65 - juris; BSG, Urteil vom 31.01.1979 - 11 RA 30/78 - juris). Den für ihre Entscheidung benötigten Sachverhalt hat die Beklagte gegebenenfalls von Amts wegen zu ermitteln. Ferner hätte es sich empfohlen, bei der Anhörung danach zu fragen, was aus Sicht des Versicherten gegen die geplante Rücknahme und Rückforderung spricht. Nur dann könnte man der Behörde nicht vorwerfen, die Ermessensentscheidung mangelhaft begründet zu haben, wenn sie in Abwesenheit naheliegender Gesichtspunkte nicht krampfhaft nach weiteren anzuführenden Umständen sucht (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X, Rz. 57). Doch auch dies ist im Anhörungsschreiben der Beklagten vom 11.12.2009 unterblieben.
Eine Ermessensentscheidung war vorliegend auch nicht entbehrlich, weil der Kläger sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen kann. Es ist nämlich nicht so, dass der Sozialleistungsträger das zu Unrecht Erlangte vom bösgläubigen Versicherten ohne Ermessensausübung zurückfordern "müsse". Zwar mag in besonders groben Fällen von Bösgläubigkeit im Sinne von betrügerischem Verhalten das Ermessen eingeschränkt oder auf Null reduziert sein. Eine verallgemeinernde Aussage dahingehend, dass in allen Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eine Ermessensausübung nicht geboten sei, ist jedoch nicht möglich. Dies wäre bereits mit dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 SGB X nicht zu vereinbaren. Die für das Recht der Arbeitsförderung und der Grundsicherung für Arbeitsuchende geltenden Sonderregelungen § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 40 Abs. 2 Nr. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wären überflüssig. Die unterschiedliche Intensität des Verschuldens der verschiedenen Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X bliebe unberücksichtigt (so LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.04.2012 - L 1 KR 63/12 B - juris; allerdings dafür, dass vor allem bei Bösgläubigkeit des Begünstigten im Sinne betrügerischen Verhaltens eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen werden könne: BSG, Urteil vom 11.04.2002 - B 3 P 8/01 R - juris Rz. 26; für die grundsätzliche Erforderlichkeit einer Ermessensbetätigung auch bei Bösgläubigkeit: BSG, Urteil vom 09.09.1998 - B 13 RJ 41/97 R - juris; für eine mögliche Einschränkung des Ermessens in besonders groben Fällen von Bösgläubigkeit, aber diese Frage letztlich offen lassend: BSG, Urteil vom 24.01.1995 - 8 RKn 11/93 - juris Rz. 21-23; ebenso: BSG, Urteil vom 25.01.1995 - 8 RKn 11/93 - juris Rz. 22; für eine Reduzierung des Ermessensspielraums auf Null bei Bösgläubigkeit: BSG, Urteil vom 25.01.1994 - 4 RA 16/92 - juris Rz. 18-20; siehe dazu auch: BSG, Urteil vom 26.09.1990 - 9b/7 RAr 30/89 - juris). Abgesehen davon hätte auch bei einer sogenannten "Ermessensreduzierung auf Null" in der Begründung einer solchen Entscheidung deutlich gemacht werden müssen, dass überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen worden ist, da Ermessensentscheidungen wie bei einer gebundenen Entscheidung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe und darüber hinaus (auch) die Gründe für die darauf beruhende und somit erst daran anschließende Ausübung des Ermessens erkennen lassen müssen (BSG, Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 19/99 R - juris), was vorliegend nicht der Fall ist.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch eine Heilung des Ermessensausfalls nicht möglich wäre. Zwar darf nach § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X die Begründung einer Entscheidung mit heilender Wirkung nachgeholt werden. Würden aber im Gerichtsverfahren Ermessenserwägungen mitgeteilt, die bei Erlass des Bescheides oder Widerspruchsbescheides nicht angestellt worden sind, dürften sie nicht mehr berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 19/99 R - juris).
Mithin ist die im Bescheid der Beklagten vom 11.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2010 und des Bescheides vom 20.02.2013 nach § 45 SGB X verfügte Rücknahme und damit auch die sich hierauf stützende nach § 50 SGB X erfolgte Rückforderung rechtswidrig. Das SG hat diesen Bescheid daher zu Recht aufgehoben.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlie-gen.
Rechtskraft
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