Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 KA 14/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 27/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Februar 2012 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Umfang der Ermächtigung des Klägers und eine damit in Zusammenhang stehende Honorarberichtigung für die Quartale IV/2004 bis III/2005.
Der Kläger war im streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum Direktor des Instituts für Pathologie des Universitätsklinikums (UKBF). Er nahm vom 1. Juli 1984 bis zum 30. Juni 2010 als Facharzt für Pathologie im Rahmen einer Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Aufgrund des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 28. Juli 2003 i.d.F. des Beschlusses des Beru¬fungsausschusses für Ärzte vom 26. November 2003 war der Kläger vom 1. Oktober 2003 bis zum 30. September 2005 – und damit im streitgegenständlichen Zeitraum – wie folgt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt: 1. Auf Überweisung von niedergelassenen Pathologen sämtliche Leistungen des Fachgebietes.
2. Auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums Benjamin Franklin sämtliche Leistungen des Fachgebiets der Pathologie.
3. Auf Überweisung von Vertragsärzten Untersuchungen von lymphatischem Gewebe und Haematopathologie.
4. Auf Überweisung der Zklinik S der FU B und der Zklinik der Charité H-Universität zu Berlin Durchführung von histologischen Untersuchungen von Knochen, Zähnen und Implantaten nach den EBM-Nrn. ( )
Streitig ist vorliegend noch, ob Punkt 2. der Ermächtigung auch Leistungen erfasst, die der Kläger aufgrund von Überweisungen aus verschiedenen Abteilungen der Poliklinik des UKBF erbracht hat.
Mit Bescheid vom 12. September 2006, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2007, hob die Beklagte aufgrund von Vorlagen des Plausibilitätsausschusses die Honorarbescheide des Klägers für die Quar¬tale IV/2004 bis III/2005 auf, setzte das Honorar quartalsweise jeweils neu fest und forderte einen Betrag in Höhe von 82.167,70 Euro vom Kläger zurück. Dabei wurden u.a. Überweisungs¬scheine von Polikliniken des UKBF in folgendem Umfange abgesetzt:
IV/04: 312 Scheine, Kürzungsbetrag 7.598,13 Euro, I/05: 230 Scheine, Kürzungsbetrag 8.481,74 Euro, II/05: 206 Scheine, Kürzungsbetrag 7.884,59 Euro, III/05: 293 Scheine, Kürzungsbetrag 6.952,72 Euro.
Zur Begründung führte die Beklagte u.a. aus: Der Kläger sei nur dazu ermächtigt, auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des UKBF sämtliche Leistungen des Fachgebiets Pathologie durchzuführen. Gleichwohl habe er Überweisungen aus "Kapazitätsgründen" aus diversen Abteilungen der Poliklinik der UKBF (z.B. Hochschulambulanz für Innere Medizin Endoskopie, Hochschulambulanz Gynäkologie) angenommen und abge¬rechnet. Zwar sei eine Überweisung an den Kläger durch eine Poliklinik laut § 2 Abs. 1 Satz 3 der Vereinbarung über die Vergütung der in den Universitätspolikliniken in Berlin erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen vom 19. Juni 1997 (Poliklinik-Vertrag) in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung (nur) aus "Kapazitätsgründen" zulässig gewesen; seit dem 1. Januar 2003 bestehe der Poliklinik-Vertrag indessen nicht mehr und die Polikliniken rechneten direkt mit den Krankenkassen ab. Am 28. März 2007 sei ein neuer Vertrag zur Ausgestaltung der Ermächtigung nach § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB V geschlossen worden, der rückwirkend zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten sei. Unter Berücksichtigung von § 1 dieses Vertrages, wonach der Vertrag u.a. keine Anwendung finde für die Behandlung von Patienten im Rahmen von persönlichen Ermächtigungen von Ärzten, sei eine Vergütung ausgeschlossen. Die Überweisungen durch die Hochschulambulanzen des UKBF seien daher nicht von der Er¬mächtigung des Klägers gedeckt gewesen. Im Übrigen – hier nicht mehr streitgegenständlich – seien auch Überweisungsscheine aus anderen Kliniken abgerech¬net worden, obwohl sich die Ermächtigung nur auf Überweisung von anderen ermächtigten Ärzten des UKBF erstrecke; ferner seien Überweisungen von fachärztlichen Internisten aus Bielefeld und Lehnin für his¬tologische Untersuchungen angenommen und abgerechnet worden, die nicht von der Er¬mächtigung umfasst seien. Der Einwand des Klägers, wonach eine Kürzung seines Honorars wegen Überschreitung des Individualbudgets nicht erfolgen dürfe, sei unzutreffend. Die mit der Bildung von Individualbudgets einhergehende Umstruktu¬rierung der vertragsärztlichen Vergütung schließe es nicht aus, dass auch budgetierte Leistun-gen einer Honorarkürzung wegen Abrechnungsfehlern infolge der Ergebnisse von Plausibilitäts¬prüfungen unterlägen. Die Beklagte sei grundsätzlich berechtigt, die Honorarberichti¬gung der zu Unrecht abgerechneten Leistungen vom budgetierten Honorar abzuziehen.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger, soweit hier noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: Die Rückforderung des Honorars sei insbesondere deshalb rechtswidrig, weil sie unberücksichtigt lasse, dass aufgrund des Individualbudgets ca. 65 % seiner Leistungen nicht bzw. kaum vergütet würden. Darüber hinaus sei er auch während des vertragslosen Zustandes berechtigt gewesen, Überweisungen von Polikliniken des UKBF anzunehmen und abzurechnen. Die rückwirkende Geltung des Poliklinikvertrages vom 28. März 2007 sei unbeachtlich, da jedenfalls seit Anfang 2003 bis zum 28. März 2007 ein vertragsloser Zustand bestanden habe. Er habe in die¬sem Zeitraum damit rechnen müssen bzw. darauf vertrauen dürfen, dass die Regelungen des alten Poliklinik-Vertrags weiter gälten. Der neue Vertrag begründe eine echte Rückwirkung, da er nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte anknüpfe. Es sei ihm nicht zuzurechnen, dass die Vertragspartner über vier Jahre nicht in der Lage gewesen seien, einen neuen Vertrag abzuschließen.
Mit Urteil vom 29. Februar 2012 hat das Sozialgericht Berlin der Klage teilweise stattgegeben. Es hat den angefochtenen Bescheid der Beklagten insoweit auf-gehoben, als darin im oben bezeichneten Umfang Leistungen auf Grund von Überweisungen aus diversen Abteilungen der Poliklinik der Universitätsklinik Benjamin Franklin in den Quartalen IV/2004 bis III/2005 unter Rückforderung der entsprechenden Honorarsumme sachlich-rechnerisch richtig gestellt wurden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung, soweit hier von Interesse, hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Rechtlich zu beanstanden sei lediglich die Streichung der auf Überweisung der Institutsambulanzen des UKBF er-brachten ärztlichen Leistungen. Der Kläger sei infolge seiner Ermächtigung in den Quartalen IV/2004 bis III/2005 berechtigt gewesen, die entsprechenden Überweisungen anzunehmen und abzu¬rechnen. Insoweit sei durch die gesetzliche Neuregelung der Vergütungssystematik für die Po¬likliniken zum 1. Januar 2003 keine Änderung eingetreten. Es sei schon nicht ersichtlich, warum die streitgegenständlichen Überweisungen aus "Kapazitätsgründen" seit dem 1. Januar 2003 nicht mehr zulässig gewesen sein sollten; zumindest sei der Kläger aber durch seine Ermächtigung zu diesen Abrechnungen berechtigt und darüber hinaus in seinem Vertrauen auf die Abrechenbarkeit dieser Leistungen geschützt. Das behauptete Auslaufen der Hochschulklinik-Vereinbarung vom 16. Juni 1997 zum 1. Januar 2003 sei nicht nachvollziehbar. Vor dem Hintergrund von § 120 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung gehe die Beklagte zu Recht davon aus, dass der Kläger jedenfalls bis zum 31. Dezember 2002 Über¬weisungen aus den poliklinischen Einrichtungen der HU und der FU B habe annehmen und abrechnen dürfen. Die Tatsache, dass die Leistungen der Hochschulambulanzen selbst seit dem 1. Januar 2003 nicht mehr aus der Gesamtvergütung, sondern auf der Grundlage von Verträgen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Hochschulen vergütet würden, führe aber nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 19. Juni 1997. Vor allem aber sei die Vergütung des Klägers selbst zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Vereinbarung vom 19. Juni 1997 gewesen. Diese habe lediglich die Vergütung der überweisenden Poli¬kliniken geregelt. Umgekehrt seien die Vergütungsregelungen für die Polikliniken auch nicht zum Gegenstand der Ermächtigung des Klägers gemacht worden. Diese umfasse auch Überweisungen aus den Polikliniken des UKBF. Ziffer 2. der Ermächtigung bestimme, dass der Kläger "auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums sämtliche Leistungen des Fachgebiets der Pathologie" erbringen dürfe. Nach diesem Wortlaut sei zwar zweifelhaft, ob auch Über¬weisun¬gen durch ermächtigte Hochschulambulanzen (Institutsermächtigungen) und damit Po¬liklini¬ken erfasst seien oder nur solche durch persönlich ermächtigte Kli¬nik¬ärzte. Im Falle des Klägers bestehe allerdings die Besonderheit, dass die Zulassungsgremien von einer Erstreckung der Ermächtigung auch auf die Überweisung durch Polikliniken ausgegangen seien. Dies ergebe sich aus der Entwicklung der Ermächtigung des Klägers und den Ausführungen in den insbesondere in den Jahren 1992 bis 1995 ergangenen Bescheiden von Zulassungs- und Berufungsausschuss, aus denen das Sozialgericht im Einzelnen zitiert. Der Wortlaut der Ermächtigung sei vor und nach der Rechtsänderung zum 1. Januar 2003 insoweit gleich geblieben. Sofern die Beklagte ab dem 1. Januar 2003 gegenüber dem Kläger eine Änderung des Ermächtigungsumfangs habe herbeiführen wollen, hätte sie dies ausdrücklich im Rahmen der Ermächtigung zum Ausdruck bringen müssen. Auch der am 28. März 2007 mit Wirkung zum 1. März 2003 abgeschlossene "Vertrag zur Ausgestaltung der Ermächtigung" zwischen der Charité und der Beklagten belege dies, denn dort sei geregelt (§ 2 Abs. 4 Satz 5), dass die Charité gegenüber der Beklagten für zu Unrecht ausgestellte Überweisungsscheine hafte. Im Falle der unzulässigen Leistungserbringung müsse die Beklagte sich also an die Charité halten.
Gegen das ihr am 8. März 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. April 2012 (Osterdienstag) Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie an: Entscheidend sei der Wortlaut der Ermächtigung, die eine Leistungserbringung nur für den Fall der Überweisung durch niedergelassene Pathologen und durch ermächtigte Klinikärzte des UKBF vorsehe. In den 90er Jahren von den Zulassungsgremien angestellte Erwägungen seien insoweit unerheblich. Vertrauensschutz genieße der Kläger auf Grundlage der Beschlusshistorie nicht. Der Ermächtigungstenor sei mehrfach geändert worden, so dass es allein auf die Formulierung der für den streitigen Zeitraum geltenden Ermächtigung ankomme. Zudem sei es mit dem 1. Januar 2003 zu einer maßgeblichen Rechtsänderung gekommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Februar 2012 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Er hält den stattgebenden Teil der erstinstanzlichen Entscheidung für zutreffend. Zu Recht sei das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Hochschulklinik-Vereinbarung vom 19. Juni 1997 nicht zum 1. Januar 2003 ausgelaufen sei. Von einer Erstreckung seiner Ermächtigung auch auf Überweisungen durch Polikliniken seien auch die Zulassungsgremien ausgegangen. Wenn diese die Ermächtigung hinsichtlich der Überweisung von Polikliniken hätte beschränken wollen, hätte dies im Wortlaut von Ziffer 2. der Ermächtigung zum Ausdruck gebracht werden müssen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben. Der angefochtene Bescheid ist insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass der teilstattgebende Teil des erstinstanzlichen Urteils aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen war.
1. Rechtsgrundlage der von der Beklagten durch den angefochtenen Bescheid vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist § 106a SGB Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetztes vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190). Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte (bzw. der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Krankenhausärzte) fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts – mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots –, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). In wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt, ist unerheblich; einzige tatbestandliche Voraussetzung ist die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rück-nahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. August 2013, B 6 KA 50/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17).
2.a) Zur Überzeugung des Senats waren die Honorarbescheide des Klägers für die streitigen Quartale IV/2004 bis III/2005 auch insoweit rechtswidrig, als ihnen Leistungen zugrunde lagen, die der Kläger auf Überweisungen von Polikliniken des UKBF erbracht hatte. Diese Leistungserbringung war nicht vom Umfang der dem Kläger erteilten Ermächtigung umfasst und damit nicht abrechenbar; die Ermächtigung des Klägers im streitigen Zeitraum umfasste lediglich eine Erbringung von Leistungen auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des UKBF hin. Der Wortlaut in Punkt 2. der durch den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28. Juli 2003 i.d.F. des Beschlusses des Beru¬fungsausschusses vom 26. November 2003 für den Zeitraum 1. Oktober 2003 bis zum 30. September 2005 erteilten Ermächtigung war insoweit eindeutig, indem der Kläger für die Erbringung sämtlicher Leistungen des Fachgebiets der Pathologie zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt wurde u.a. "auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums". Der Wortlaut der Ermächtigung ist einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Auf Überweisung auch der Polikliniken des UKBF durfte der Kläger im streitigen Zeitraum nicht vertragsärztlich tätig werden.
b) Rechtlich unerheblich sind insoweit die Regelungen in den Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung Berlin über die Vergütung der in den Universitätspolikliniken in Berlin erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen vom 19. Juni 1997 und 28. März 2007. Denn diese Vereinbarungen gestalteten nicht etwa den (fallentscheidenden) Umfang der Ermächtigung des Klägers, sondern regelten nur die Ausgestaltung der Ermächtigung der Hochschulambulanzen nach § 117 Abs. 1 SGB V. So regelte § 2 der Vereinbarung vom 19. Juni 1997 die Art und Höhe der Vergütung:
(1) Die Vergütung erfolgt durch einen Pauschalbetrag für jeden einzelnen Behandlungsfall ( ) im Rahmen und im Umfang der Ermächtigung gemäß § 117 Satz 1 SGB V.
Mit dem Pauschalbetrag sind alle Leistungen für die Behandlung von Versicherten ( ) abgegolten.
Ausgenommen sind nur Leistungen, die innerhalb des vom Anspruchsberechtigten aufgesuchten Klinikums nicht angeboten werden können, weil die apparativen Voraussetzungen nicht vorliegen oder die Leistungen aus Kapazitätsgründen nicht rechtzeitig erbracht werden können.
Diese Regelung erlaubte also die Überweisung Versicherter seitens der Poliklinik u.a. aus Kapazitätsgründen, mit der Folge, dass der mit der Überweisung angegangene Arzt (Vertragsarzt oder ermächtigter Arzt) seinerseits und jenseits des von der überweisenden Poliklinik erhobenen Pauschalbetrages erbrachte Leistungen abrechnen durfte. Keine Auswirkungen hat eine derartige vertragliche Bestimmung indessen auf den Inhalt der Ermächtigung des aufgrund der Überweisung durch die Poliklinik angegangenen Arztes. Ohne rechtliche Bedeutung ist daher auch die am 28. März 2007 getroffene Vereinbarung zwischen den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin über die Vergütung der in den Universitätspolikliniken in Berlin erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen, deren § 2 Abs. 4 es den Hochschulambulanzen grundsätzlich untersagt, für von ihnen erbringbare Leistungen Überweisungen an Vertragsärzte oder andere an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte und Einrichtungen auszustellen. Unabhängig von den Rechtsverhältnissen der Universitätspolikliniken durfte der Kläger stets – was selbstverständlich ist – nur im jeweiligen Umfange seiner Ermächtigung vertragsärztlich tätig werden.
3. Ein Vertrauensschutz des Klägers steht der angefochtenen sachlich-rechnerischen Richtigstellung nicht entgegen.
a) Grundsätzlich kann die Befugnis einer Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung Einschränkungen durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes unterliegen (vgl. hierzu Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 189 ff. zu § 106a). Sachlich-rechnerische Richtigstellungen dürfen u.a. aus Vertrauensschutzgründen nicht erfolgen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung über einen längeren Zeitraum eine systematisch fachfremde oder eine ohne ausreichende fachliche Qualifikation ausgeübte Tätigkeit in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände geduldet und der Vertragsarzt (oder der ermächtigte Arzt) im Vertrauen auf die weitere Vergütung solcher Leistungen weiterhin entsprechende Leistungen erbracht hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2001, B 6 KA 3/01 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 39; Urteil vom 14. Dezember 2005, B 6 KA 17/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17; Urteil vom 8. Februar 2006, B 6 KA 12/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16; kritisch: Clemens, a.a.O., Rdnr. 210). In einem solchen Fall entsteht ein Vertrauen des Vertragsarztes dahin, dass die von ihm erreichte günstige Honorierung in Einklang mit der Rechtslage steht.
b) Hieran gemessen mangelt es an einem Vertrauenstatbestand schon deshalb, weil für eine wissentliche Duldung der Leistungserbringung bzw. der Abrechnungspraxis des Klägers seitens der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung nichts ersichtlich ist. Zu keinem Zeitpunkt hat sie bekundet, dass der Kläger über den jeweiligen Umfang seiner Ermächtigung hinaus vertragsärztlich tätig werden und abrechnen dürfe. Zugleich konnte zur Überzeugung des Senats angesichts der konkreten Ermächtigungshistorie für den Kläger seit Erlass des Bescheides des Zulassungsausschusses vom 15. Mai 1995 kein Vertrauen mehr dahingehend bestehen, dass er auch auf Überweisungen der Polikliniken hin vertragsärztlich tätig werden dürfe. Dazu im Einzelnen:
• Auf der Grundlage des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 9. November 1992 war der Kläger für die Jahre 1993 und 1994 dazu ermächtigt, vertragsärztliche Leistungen auch auf Überweisung der Polikliniken der Freien Universität B zu erbringen. • In seinem Beschluss vom 7. Februar 1994, betreffend die Ermächtigung des Klägers für die Zeit vom 1. April 1994 bis 31. März 1995, reduzierte der Zulassungsausschuss die Ermächtigung des Klägers ihrem Umfang nach auf Überweisungen von Vertragsärzten; in der Begründung dieses Beschlusses führte der Zulassungsausschuss an, die Überweisungsmöglichkeit der Polikliniken könne nicht mehr Inhalt des Leistungskataloges sein, weil diese Fälle schon "Inhalt der Poliklinikpauschale" seien. • Auf den Widerspruch des Klägers hiergegen beließ es der Berufungsausschuss für Ärzte in seinem Beschluss vom 23. Juni 1994 im Tenor der Ermächtigung bei der Formulierung "auf Überweisung von Vertragsärzten", führte in der Begründung seines Beschlusses aber aus, man habe es nicht für erforderlich gehalten, Polikliniken ausdrücklich in die Möglichkeit der Überweisung einzubeziehen, da diese unter die Formulierung "auf Überweisung von Vertragsärzten" zu subsumieren seien. • Mit seinem Beschluss vom 15. Mai 1995, bezogen auf den Zeitraum 1. Juli 1995 bis 30. Juni 1997, fasste der Zulassungsausschuss den Tenor der Ermächtigung neu, beließ es bei der Formulierung "auf Überweisung von Vertragsärzten", nahm aber als Erweiterung erstmals unter Punkt 2. folgende Formulierung mit auf, bei der es ihrem wesentlichen Inhalt nach bis zu Beginn des vorliegend streitigen Zeitraumes blieb: "Auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums ( ) sämtliche Leistungen des Fachgebiets der Pathologie."
Es liegt auf der Hand, dass der Kläger angesichts des seit dem Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15. Mai 1995 bestehenden konkreten Umfanges seiner Ermächtigung nicht darauf vertrauen durfte, auch in Zukunft vertragsärztliche Leistungen auf Überweisung der Universitätspolikliniken erbringen zu dürfen. Dies mag aufgrund des zitierten Votums des Berufungsausschusses zwar für den Zeitraum 1. April 1994 bis 31. März 1995 der Fall gewesen sein, wobei der Senat dahinstehen lassen kann, ob die Annahme des Berufungsausschusses, Überweisungen von Polikliniken seien unter die Formulierung "auf Überweisung von Vertragsärzten" zu subsumieren, zutreffend war. Denn jedenfalls hatte die Ermächtigung des Klägers mit Wirkung vom 1. Juli 1995 einen neuen Wortlaut, der nun ausdrücklich auf eine "Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums Benjamin Franklin" rekurrierte. Vor diesem Hintergrund durfte der Kläger nicht davon ausgehen, dass es bei der Meinungsäußerung des Berufungsausschusses zum Umfang der Ermächtigung vom 23. Juni 1994 bliebe, denn diese konnte sich gar nicht auf den neu gefassten Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15. Mai 1995 beziehen. Dem Kläger hätte es oblegen, den genauen Wortlaut des Beschlusses vom 15. Mai 1995 zur Kenntnis zu nehmen; ein Vertrauen darauf, auch nach dem 1. Juli 1995 Leistungen auf Überweisung der Universitätspolikliniken erbringen und abrechnen zu dürfen, konnte sich nach alledem jedenfalls nicht entwickeln.
4. Von ihrem Kürzungsermessen hat die Beklagte in rechtlich beanstandungsfreier Weise Gebrauch gemacht, indem sie die Honorare des Klägers für die Quartale IV/2004 bis III/2005 im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung um sämtliche Leistungen kürzte, die auf Überweisung von Polikliniken des UKBF erbracht wurden (insgesamt 30.917,18 Euro). Aspekte der Leistungsbudgetierung mussten dabei nicht berücksichtigt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Umfang der Ermächtigung des Klägers und eine damit in Zusammenhang stehende Honorarberichtigung für die Quartale IV/2004 bis III/2005.
Der Kläger war im streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum Direktor des Instituts für Pathologie des Universitätsklinikums (UKBF). Er nahm vom 1. Juli 1984 bis zum 30. Juni 2010 als Facharzt für Pathologie im Rahmen einer Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Aufgrund des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 28. Juli 2003 i.d.F. des Beschlusses des Beru¬fungsausschusses für Ärzte vom 26. November 2003 war der Kläger vom 1. Oktober 2003 bis zum 30. September 2005 – und damit im streitgegenständlichen Zeitraum – wie folgt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt: 1. Auf Überweisung von niedergelassenen Pathologen sämtliche Leistungen des Fachgebietes.
2. Auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums Benjamin Franklin sämtliche Leistungen des Fachgebiets der Pathologie.
3. Auf Überweisung von Vertragsärzten Untersuchungen von lymphatischem Gewebe und Haematopathologie.
4. Auf Überweisung der Zklinik S der FU B und der Zklinik der Charité H-Universität zu Berlin Durchführung von histologischen Untersuchungen von Knochen, Zähnen und Implantaten nach den EBM-Nrn. ( )
Streitig ist vorliegend noch, ob Punkt 2. der Ermächtigung auch Leistungen erfasst, die der Kläger aufgrund von Überweisungen aus verschiedenen Abteilungen der Poliklinik des UKBF erbracht hat.
Mit Bescheid vom 12. September 2006, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2007, hob die Beklagte aufgrund von Vorlagen des Plausibilitätsausschusses die Honorarbescheide des Klägers für die Quar¬tale IV/2004 bis III/2005 auf, setzte das Honorar quartalsweise jeweils neu fest und forderte einen Betrag in Höhe von 82.167,70 Euro vom Kläger zurück. Dabei wurden u.a. Überweisungs¬scheine von Polikliniken des UKBF in folgendem Umfange abgesetzt:
IV/04: 312 Scheine, Kürzungsbetrag 7.598,13 Euro, I/05: 230 Scheine, Kürzungsbetrag 8.481,74 Euro, II/05: 206 Scheine, Kürzungsbetrag 7.884,59 Euro, III/05: 293 Scheine, Kürzungsbetrag 6.952,72 Euro.
Zur Begründung führte die Beklagte u.a. aus: Der Kläger sei nur dazu ermächtigt, auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des UKBF sämtliche Leistungen des Fachgebiets Pathologie durchzuführen. Gleichwohl habe er Überweisungen aus "Kapazitätsgründen" aus diversen Abteilungen der Poliklinik der UKBF (z.B. Hochschulambulanz für Innere Medizin Endoskopie, Hochschulambulanz Gynäkologie) angenommen und abge¬rechnet. Zwar sei eine Überweisung an den Kläger durch eine Poliklinik laut § 2 Abs. 1 Satz 3 der Vereinbarung über die Vergütung der in den Universitätspolikliniken in Berlin erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen vom 19. Juni 1997 (Poliklinik-Vertrag) in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung (nur) aus "Kapazitätsgründen" zulässig gewesen; seit dem 1. Januar 2003 bestehe der Poliklinik-Vertrag indessen nicht mehr und die Polikliniken rechneten direkt mit den Krankenkassen ab. Am 28. März 2007 sei ein neuer Vertrag zur Ausgestaltung der Ermächtigung nach § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB V geschlossen worden, der rückwirkend zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten sei. Unter Berücksichtigung von § 1 dieses Vertrages, wonach der Vertrag u.a. keine Anwendung finde für die Behandlung von Patienten im Rahmen von persönlichen Ermächtigungen von Ärzten, sei eine Vergütung ausgeschlossen. Die Überweisungen durch die Hochschulambulanzen des UKBF seien daher nicht von der Er¬mächtigung des Klägers gedeckt gewesen. Im Übrigen – hier nicht mehr streitgegenständlich – seien auch Überweisungsscheine aus anderen Kliniken abgerech¬net worden, obwohl sich die Ermächtigung nur auf Überweisung von anderen ermächtigten Ärzten des UKBF erstrecke; ferner seien Überweisungen von fachärztlichen Internisten aus Bielefeld und Lehnin für his¬tologische Untersuchungen angenommen und abgerechnet worden, die nicht von der Er¬mächtigung umfasst seien. Der Einwand des Klägers, wonach eine Kürzung seines Honorars wegen Überschreitung des Individualbudgets nicht erfolgen dürfe, sei unzutreffend. Die mit der Bildung von Individualbudgets einhergehende Umstruktu¬rierung der vertragsärztlichen Vergütung schließe es nicht aus, dass auch budgetierte Leistun-gen einer Honorarkürzung wegen Abrechnungsfehlern infolge der Ergebnisse von Plausibilitäts¬prüfungen unterlägen. Die Beklagte sei grundsätzlich berechtigt, die Honorarberichti¬gung der zu Unrecht abgerechneten Leistungen vom budgetierten Honorar abzuziehen.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger, soweit hier noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: Die Rückforderung des Honorars sei insbesondere deshalb rechtswidrig, weil sie unberücksichtigt lasse, dass aufgrund des Individualbudgets ca. 65 % seiner Leistungen nicht bzw. kaum vergütet würden. Darüber hinaus sei er auch während des vertragslosen Zustandes berechtigt gewesen, Überweisungen von Polikliniken des UKBF anzunehmen und abzurechnen. Die rückwirkende Geltung des Poliklinikvertrages vom 28. März 2007 sei unbeachtlich, da jedenfalls seit Anfang 2003 bis zum 28. März 2007 ein vertragsloser Zustand bestanden habe. Er habe in die¬sem Zeitraum damit rechnen müssen bzw. darauf vertrauen dürfen, dass die Regelungen des alten Poliklinik-Vertrags weiter gälten. Der neue Vertrag begründe eine echte Rückwirkung, da er nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte anknüpfe. Es sei ihm nicht zuzurechnen, dass die Vertragspartner über vier Jahre nicht in der Lage gewesen seien, einen neuen Vertrag abzuschließen.
Mit Urteil vom 29. Februar 2012 hat das Sozialgericht Berlin der Klage teilweise stattgegeben. Es hat den angefochtenen Bescheid der Beklagten insoweit auf-gehoben, als darin im oben bezeichneten Umfang Leistungen auf Grund von Überweisungen aus diversen Abteilungen der Poliklinik der Universitätsklinik Benjamin Franklin in den Quartalen IV/2004 bis III/2005 unter Rückforderung der entsprechenden Honorarsumme sachlich-rechnerisch richtig gestellt wurden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung, soweit hier von Interesse, hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Rechtlich zu beanstanden sei lediglich die Streichung der auf Überweisung der Institutsambulanzen des UKBF er-brachten ärztlichen Leistungen. Der Kläger sei infolge seiner Ermächtigung in den Quartalen IV/2004 bis III/2005 berechtigt gewesen, die entsprechenden Überweisungen anzunehmen und abzu¬rechnen. Insoweit sei durch die gesetzliche Neuregelung der Vergütungssystematik für die Po¬likliniken zum 1. Januar 2003 keine Änderung eingetreten. Es sei schon nicht ersichtlich, warum die streitgegenständlichen Überweisungen aus "Kapazitätsgründen" seit dem 1. Januar 2003 nicht mehr zulässig gewesen sein sollten; zumindest sei der Kläger aber durch seine Ermächtigung zu diesen Abrechnungen berechtigt und darüber hinaus in seinem Vertrauen auf die Abrechenbarkeit dieser Leistungen geschützt. Das behauptete Auslaufen der Hochschulklinik-Vereinbarung vom 16. Juni 1997 zum 1. Januar 2003 sei nicht nachvollziehbar. Vor dem Hintergrund von § 120 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung gehe die Beklagte zu Recht davon aus, dass der Kläger jedenfalls bis zum 31. Dezember 2002 Über¬weisungen aus den poliklinischen Einrichtungen der HU und der FU B habe annehmen und abrechnen dürfen. Die Tatsache, dass die Leistungen der Hochschulambulanzen selbst seit dem 1. Januar 2003 nicht mehr aus der Gesamtvergütung, sondern auf der Grundlage von Verträgen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Hochschulen vergütet würden, führe aber nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 19. Juni 1997. Vor allem aber sei die Vergütung des Klägers selbst zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Vereinbarung vom 19. Juni 1997 gewesen. Diese habe lediglich die Vergütung der überweisenden Poli¬kliniken geregelt. Umgekehrt seien die Vergütungsregelungen für die Polikliniken auch nicht zum Gegenstand der Ermächtigung des Klägers gemacht worden. Diese umfasse auch Überweisungen aus den Polikliniken des UKBF. Ziffer 2. der Ermächtigung bestimme, dass der Kläger "auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums sämtliche Leistungen des Fachgebiets der Pathologie" erbringen dürfe. Nach diesem Wortlaut sei zwar zweifelhaft, ob auch Über¬weisun¬gen durch ermächtigte Hochschulambulanzen (Institutsermächtigungen) und damit Po¬liklini¬ken erfasst seien oder nur solche durch persönlich ermächtigte Kli¬nik¬ärzte. Im Falle des Klägers bestehe allerdings die Besonderheit, dass die Zulassungsgremien von einer Erstreckung der Ermächtigung auch auf die Überweisung durch Polikliniken ausgegangen seien. Dies ergebe sich aus der Entwicklung der Ermächtigung des Klägers und den Ausführungen in den insbesondere in den Jahren 1992 bis 1995 ergangenen Bescheiden von Zulassungs- und Berufungsausschuss, aus denen das Sozialgericht im Einzelnen zitiert. Der Wortlaut der Ermächtigung sei vor und nach der Rechtsänderung zum 1. Januar 2003 insoweit gleich geblieben. Sofern die Beklagte ab dem 1. Januar 2003 gegenüber dem Kläger eine Änderung des Ermächtigungsumfangs habe herbeiführen wollen, hätte sie dies ausdrücklich im Rahmen der Ermächtigung zum Ausdruck bringen müssen. Auch der am 28. März 2007 mit Wirkung zum 1. März 2003 abgeschlossene "Vertrag zur Ausgestaltung der Ermächtigung" zwischen der Charité und der Beklagten belege dies, denn dort sei geregelt (§ 2 Abs. 4 Satz 5), dass die Charité gegenüber der Beklagten für zu Unrecht ausgestellte Überweisungsscheine hafte. Im Falle der unzulässigen Leistungserbringung müsse die Beklagte sich also an die Charité halten.
Gegen das ihr am 8. März 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. April 2012 (Osterdienstag) Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie an: Entscheidend sei der Wortlaut der Ermächtigung, die eine Leistungserbringung nur für den Fall der Überweisung durch niedergelassene Pathologen und durch ermächtigte Klinikärzte des UKBF vorsehe. In den 90er Jahren von den Zulassungsgremien angestellte Erwägungen seien insoweit unerheblich. Vertrauensschutz genieße der Kläger auf Grundlage der Beschlusshistorie nicht. Der Ermächtigungstenor sei mehrfach geändert worden, so dass es allein auf die Formulierung der für den streitigen Zeitraum geltenden Ermächtigung ankomme. Zudem sei es mit dem 1. Januar 2003 zu einer maßgeblichen Rechtsänderung gekommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Februar 2012 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Er hält den stattgebenden Teil der erstinstanzlichen Entscheidung für zutreffend. Zu Recht sei das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Hochschulklinik-Vereinbarung vom 19. Juni 1997 nicht zum 1. Januar 2003 ausgelaufen sei. Von einer Erstreckung seiner Ermächtigung auch auf Überweisungen durch Polikliniken seien auch die Zulassungsgremien ausgegangen. Wenn diese die Ermächtigung hinsichtlich der Überweisung von Polikliniken hätte beschränken wollen, hätte dies im Wortlaut von Ziffer 2. der Ermächtigung zum Ausdruck gebracht werden müssen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben. Der angefochtene Bescheid ist insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass der teilstattgebende Teil des erstinstanzlichen Urteils aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen war.
1. Rechtsgrundlage der von der Beklagten durch den angefochtenen Bescheid vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist § 106a SGB Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetztes vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190). Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte (bzw. der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Krankenhausärzte) fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts – mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots –, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). In wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt, ist unerheblich; einzige tatbestandliche Voraussetzung ist die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rück-nahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. August 2013, B 6 KA 50/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17).
2.a) Zur Überzeugung des Senats waren die Honorarbescheide des Klägers für die streitigen Quartale IV/2004 bis III/2005 auch insoweit rechtswidrig, als ihnen Leistungen zugrunde lagen, die der Kläger auf Überweisungen von Polikliniken des UKBF erbracht hatte. Diese Leistungserbringung war nicht vom Umfang der dem Kläger erteilten Ermächtigung umfasst und damit nicht abrechenbar; die Ermächtigung des Klägers im streitigen Zeitraum umfasste lediglich eine Erbringung von Leistungen auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des UKBF hin. Der Wortlaut in Punkt 2. der durch den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28. Juli 2003 i.d.F. des Beschlusses des Beru¬fungsausschusses vom 26. November 2003 für den Zeitraum 1. Oktober 2003 bis zum 30. September 2005 erteilten Ermächtigung war insoweit eindeutig, indem der Kläger für die Erbringung sämtlicher Leistungen des Fachgebiets der Pathologie zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt wurde u.a. "auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums". Der Wortlaut der Ermächtigung ist einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Auf Überweisung auch der Polikliniken des UKBF durfte der Kläger im streitigen Zeitraum nicht vertragsärztlich tätig werden.
b) Rechtlich unerheblich sind insoweit die Regelungen in den Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung Berlin über die Vergütung der in den Universitätspolikliniken in Berlin erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen vom 19. Juni 1997 und 28. März 2007. Denn diese Vereinbarungen gestalteten nicht etwa den (fallentscheidenden) Umfang der Ermächtigung des Klägers, sondern regelten nur die Ausgestaltung der Ermächtigung der Hochschulambulanzen nach § 117 Abs. 1 SGB V. So regelte § 2 der Vereinbarung vom 19. Juni 1997 die Art und Höhe der Vergütung:
(1) Die Vergütung erfolgt durch einen Pauschalbetrag für jeden einzelnen Behandlungsfall ( ) im Rahmen und im Umfang der Ermächtigung gemäß § 117 Satz 1 SGB V.
Mit dem Pauschalbetrag sind alle Leistungen für die Behandlung von Versicherten ( ) abgegolten.
Ausgenommen sind nur Leistungen, die innerhalb des vom Anspruchsberechtigten aufgesuchten Klinikums nicht angeboten werden können, weil die apparativen Voraussetzungen nicht vorliegen oder die Leistungen aus Kapazitätsgründen nicht rechtzeitig erbracht werden können.
Diese Regelung erlaubte also die Überweisung Versicherter seitens der Poliklinik u.a. aus Kapazitätsgründen, mit der Folge, dass der mit der Überweisung angegangene Arzt (Vertragsarzt oder ermächtigter Arzt) seinerseits und jenseits des von der überweisenden Poliklinik erhobenen Pauschalbetrages erbrachte Leistungen abrechnen durfte. Keine Auswirkungen hat eine derartige vertragliche Bestimmung indessen auf den Inhalt der Ermächtigung des aufgrund der Überweisung durch die Poliklinik angegangenen Arztes. Ohne rechtliche Bedeutung ist daher auch die am 28. März 2007 getroffene Vereinbarung zwischen den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin über die Vergütung der in den Universitätspolikliniken in Berlin erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen, deren § 2 Abs. 4 es den Hochschulambulanzen grundsätzlich untersagt, für von ihnen erbringbare Leistungen Überweisungen an Vertragsärzte oder andere an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte und Einrichtungen auszustellen. Unabhängig von den Rechtsverhältnissen der Universitätspolikliniken durfte der Kläger stets – was selbstverständlich ist – nur im jeweiligen Umfange seiner Ermächtigung vertragsärztlich tätig werden.
3. Ein Vertrauensschutz des Klägers steht der angefochtenen sachlich-rechnerischen Richtigstellung nicht entgegen.
a) Grundsätzlich kann die Befugnis einer Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung Einschränkungen durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes unterliegen (vgl. hierzu Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 189 ff. zu § 106a). Sachlich-rechnerische Richtigstellungen dürfen u.a. aus Vertrauensschutzgründen nicht erfolgen, wenn die Kassenärztliche Vereinigung über einen längeren Zeitraum eine systematisch fachfremde oder eine ohne ausreichende fachliche Qualifikation ausgeübte Tätigkeit in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände geduldet und der Vertragsarzt (oder der ermächtigte Arzt) im Vertrauen auf die weitere Vergütung solcher Leistungen weiterhin entsprechende Leistungen erbracht hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2001, B 6 KA 3/01 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 39; Urteil vom 14. Dezember 2005, B 6 KA 17/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17; Urteil vom 8. Februar 2006, B 6 KA 12/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16; kritisch: Clemens, a.a.O., Rdnr. 210). In einem solchen Fall entsteht ein Vertrauen des Vertragsarztes dahin, dass die von ihm erreichte günstige Honorierung in Einklang mit der Rechtslage steht.
b) Hieran gemessen mangelt es an einem Vertrauenstatbestand schon deshalb, weil für eine wissentliche Duldung der Leistungserbringung bzw. der Abrechnungspraxis des Klägers seitens der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung nichts ersichtlich ist. Zu keinem Zeitpunkt hat sie bekundet, dass der Kläger über den jeweiligen Umfang seiner Ermächtigung hinaus vertragsärztlich tätig werden und abrechnen dürfe. Zugleich konnte zur Überzeugung des Senats angesichts der konkreten Ermächtigungshistorie für den Kläger seit Erlass des Bescheides des Zulassungsausschusses vom 15. Mai 1995 kein Vertrauen mehr dahingehend bestehen, dass er auch auf Überweisungen der Polikliniken hin vertragsärztlich tätig werden dürfe. Dazu im Einzelnen:
• Auf der Grundlage des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 9. November 1992 war der Kläger für die Jahre 1993 und 1994 dazu ermächtigt, vertragsärztliche Leistungen auch auf Überweisung der Polikliniken der Freien Universität B zu erbringen. • In seinem Beschluss vom 7. Februar 1994, betreffend die Ermächtigung des Klägers für die Zeit vom 1. April 1994 bis 31. März 1995, reduzierte der Zulassungsausschuss die Ermächtigung des Klägers ihrem Umfang nach auf Überweisungen von Vertragsärzten; in der Begründung dieses Beschlusses führte der Zulassungsausschuss an, die Überweisungsmöglichkeit der Polikliniken könne nicht mehr Inhalt des Leistungskataloges sein, weil diese Fälle schon "Inhalt der Poliklinikpauschale" seien. • Auf den Widerspruch des Klägers hiergegen beließ es der Berufungsausschuss für Ärzte in seinem Beschluss vom 23. Juni 1994 im Tenor der Ermächtigung bei der Formulierung "auf Überweisung von Vertragsärzten", führte in der Begründung seines Beschlusses aber aus, man habe es nicht für erforderlich gehalten, Polikliniken ausdrücklich in die Möglichkeit der Überweisung einzubeziehen, da diese unter die Formulierung "auf Überweisung von Vertragsärzten" zu subsumieren seien. • Mit seinem Beschluss vom 15. Mai 1995, bezogen auf den Zeitraum 1. Juli 1995 bis 30. Juni 1997, fasste der Zulassungsausschuss den Tenor der Ermächtigung neu, beließ es bei der Formulierung "auf Überweisung von Vertragsärzten", nahm aber als Erweiterung erstmals unter Punkt 2. folgende Formulierung mit auf, bei der es ihrem wesentlichen Inhalt nach bis zu Beginn des vorliegend streitigen Zeitraumes blieb: "Auf Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums ( ) sämtliche Leistungen des Fachgebiets der Pathologie."
Es liegt auf der Hand, dass der Kläger angesichts des seit dem Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15. Mai 1995 bestehenden konkreten Umfanges seiner Ermächtigung nicht darauf vertrauen durfte, auch in Zukunft vertragsärztliche Leistungen auf Überweisung der Universitätspolikliniken erbringen zu dürfen. Dies mag aufgrund des zitierten Votums des Berufungsausschusses zwar für den Zeitraum 1. April 1994 bis 31. März 1995 der Fall gewesen sein, wobei der Senat dahinstehen lassen kann, ob die Annahme des Berufungsausschusses, Überweisungen von Polikliniken seien unter die Formulierung "auf Überweisung von Vertragsärzten" zu subsumieren, zutreffend war. Denn jedenfalls hatte die Ermächtigung des Klägers mit Wirkung vom 1. Juli 1995 einen neuen Wortlaut, der nun ausdrücklich auf eine "Überweisung der anderen ermächtigten Ärzte des Universitätsklinikums Benjamin Franklin" rekurrierte. Vor diesem Hintergrund durfte der Kläger nicht davon ausgehen, dass es bei der Meinungsäußerung des Berufungsausschusses zum Umfang der Ermächtigung vom 23. Juni 1994 bliebe, denn diese konnte sich gar nicht auf den neu gefassten Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15. Mai 1995 beziehen. Dem Kläger hätte es oblegen, den genauen Wortlaut des Beschlusses vom 15. Mai 1995 zur Kenntnis zu nehmen; ein Vertrauen darauf, auch nach dem 1. Juli 1995 Leistungen auf Überweisung der Universitätspolikliniken erbringen und abrechnen zu dürfen, konnte sich nach alledem jedenfalls nicht entwickeln.
4. Von ihrem Kürzungsermessen hat die Beklagte in rechtlich beanstandungsfreier Weise Gebrauch gemacht, indem sie die Honorare des Klägers für die Quartale IV/2004 bis III/2005 im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung um sämtliche Leistungen kürzte, die auf Überweisung von Polikliniken des UKBF erbracht wurden (insgesamt 30.917,18 Euro). Aspekte der Leistungsbudgetierung mussten dabei nicht berücksichtigt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BRB
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