S 16 KA 188/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
16
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 16 KA 188/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 31/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Abgrenzung, welche „Arztfälle im fachärztlichen Versorgungsbereich“ der Rechtsfolge von Präambel 4.1 Punkt 4. EBM unterfallen, ist – jedenfalls bei neuropädiatrischen Leistungen – auf die entsprechenden Kapitel- und GOP-Bezeichnungen des EBM selbst und nicht auf sonstige medizinische Definitionsquellen abzustellen.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung des Regelleistungsvolumens hinsichtlich der Klägerin für das Quartal II/2011, hierbei allerdings nur noch um die Frage, welche Leistungsziffern EBM bei Anwendung der Präambel 4.1 Punkt 4. EBM Berücksichtigung finden.

Die Klägerin ist seit dem 01.10.1998 als Fachärztin für Kinderheilkunde zugelassen. Zum 25.09.2001 erfolget eine Umwandlung des Zulassungsstatus zur Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin. Seit dem 07.03.2006 ist die Klägerin als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neuropädiatrie zugelassen und nimmt als Haus- und Fachärztin an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Die Beklagte setzte das Regelleistungsvolumen für das Quartal II/2011 mit Bescheid vom 01.03.2011 wie folgt fest:

Name RLV-Gruppe RLV-relevante Fallzahl Fallwert in EUR Fallwertab-staffelung Alters-struktur-quote Aufschlag für BAG RLV in EUR
A., Kinderärzte 1790 39,01 EUR 0,9520 0,9965 1,000 66.243,49 EUR
Qualifikationsgebundenes Zusatzvolumen RLV-relevante Fallzahl QZV-Fallwert QZV
QZV 2 Allergologie (Zusatzbezeichnung) 1790 0,72 EUR 1.288,80 EUR
QZV 8 Hyposensibilisierungs-behandlung 1790 0,39 EUR 698,10 EUR
QZV 16 Psychosomatische Grundversorgung, Übende Verf. 1790 0,96 EUR 1.718,40 EUR
QZV 21 Sonographie I 1790 0,54 EUR 966,60 EUR
QZV 24 Spirometrie 1790 0,15 EUR 268,50 EUR

Mit eigenem Schreiben vom 07.03.2011 erhob die Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid. Mit Schreiben durch ihre Bevollmächtigte vom selben Tag beantragte sie die die Anhebung der QZV-Fallwerte sowie die Gewährung einer Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens hinsichtlich der Fallwerte.

Zur Begründung führte sie aus, sie unterscheide sich durch ihre Leistungserbringung deutlich von den übrigen Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin. Diese Praxisbesonderheiten habe die Beklagte nicht berücksichtigt. Sie gehöre einer kleinen Gruppe von lediglich 15 Neuropädiatern an. Sie bemängelte auch die Festsetzung der QZV Fallwerte im Einzelnen.

Die Beklagte wertete beide Schreiben als einen Antrag auf Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen bzw. zu den QZV für das Quartal II/2011. Mit Bescheid vom 12.04.2011 änderte die Beklagte den Bescheid vom 01.03.2011 dahingehend ab, dass nunmehr zum einen ein RLV-Fallwert von 52,38 EUR festgesetzt wurde. Zum anderen wurden der QZV-Fallwert "16 - Psychosomatische Grundversorgung, Übende Verf." auf 2,30 EUR und der QZV-Fallwert "21 - QZV 21 Sonographie I" auf 0,96 EUR festgesetzt.

Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem im Hinblick auf den RLV-Umfang zu der von ihr vorgenommenen Berücksichtigung des 40 prozentigen Aufschlags auf die Versichertenpauschalen nach der Präambel 4.1 Punkt 4. EBM aus. Die Beklagte nahm diese dergestalt vor, dass sie den Aufschlag auf alle Behandlungsfälle der Klägerin gewährte und ihr in der Folge aufgrund Praxisbesonderheit einen um 13,37 Euro erhöhten Fallwert, nämlich insgesamt die oben genannten 52,38 Euro, zuwies.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2011 Widerspruch.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Beklagte habe die neuropädiatrischen Leistungen nicht in ausreichendem Maße beachtet. Die Fallwerterhöhung sei aus der Summe der neuropädiatrischen Leistungen und des 40 prozentigen Aufschlags zu ermitteln.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, sie habe sich hinsichtlich der Berechnung des der Klägerin zugestandenen erhöhten Regelleistungsvolumenfallwerts im Bescheid vom 12.04.2011 zugunsten der Klägerin verrechnet, werde jedoch keine Verböserung vornehmen, so dass es bei der Fallwerterhöhung von 13,37 Euro verbleibe. Der neuropädiatrische Leistungsbereich sei getrennt vom Aufschlag auf die Versicherungspauschalen zu errechnen. Eine Fallwerterhöhung hinsichtlich der neuropädiatrischen Leistungen komme nicht in Betracht, weil diese keinen Umfang von mindestens 20% am Umfang des klägerischen RLV-Fallwertes ausmachten.

Gegen den Honorarbescheid der Beklagten für das streitgegenständliche Quartal hatte die Klägerin Widerspruch eingelegt. Die Entscheidung hierüber wurde durch die Beklagte wegen der vorliegenden Klage zurückgestellt.

Am 26.03.2011 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie verweist darauf, dass streitig ausschließlich die Frage sei, wie eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen aufgrund des neuropädiatrischen Schwerpunkts zu berechnen ist und welche Fälle der Klägerin als fachärztliche Fälle zu qualifizieren sind. Sie bemängelt die Berechnungen der Beklagten als intransparent. Ergänzend zu ihren Ausführungen im Verwaltungsverfahren trägt sie vor, im Quartal II/2011 ergäben sich 599 fachärztliche Fälle. Die Klägerin meint sinngemäß, der Zuschlag nach Präambel 4.1 Punkt 4. EBM sei auf alle fachärztlichen, nicht ausschließlich hausärztlichen, Leistungen aufzuschlagen. Bei neuropädiatrischen Patienten würden neben Leistungen der neuropädiatrischen Gebührenordnungsposition, namentlich hier der 04430 bis 04435 EBM, auch weitere Leistungen erbracht, die in unmittelbarem Zusammenhang mit neuropädiatrischen Erkrankungen stünden, wie beispielsweise die psychotherapeutischen Gespräche nach 35100 und 35110 und die Testungen nach 35300, 35301 und 35302 EBM, ebenso wie das übende Verfahren nach 35111, der Bericht an den Gutachter nach 35130 sowie die biografische Anamnese nach 35140 EBM. Jeder Patient mit neuropädiatrischer Diagnose bliebe eine neuropädiatrischer Fall mit all seinen Besonderheiten in der Betreuung und Behandlung, auch wenn die Klägerin in einem Quartal keine weitergehenden neuropädiatrischen Leistungen erbracht oder abgerechnet habe. Sie erfülle im Großraum A-Stadt einen Sicherstellungsauftrag. Im Übrigen liege die Klägerin hinsichtlich der Ziffer 35301 EBM im Quartal II/2011 mit 326% über dem Fallgruppendurchschnitt.

Die Klägerin beantragt,
Der Antragsbescheid vom 12.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2011 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie meint, der Zuschlag nach der oben genannten Präambel sei nur dann aufzuschlagen, wenn im Aufsatzquartal neben der Versichertenpauschale auch eine Leistung der neuropädiatrischen Gebührenordnungsposition, namentlich hier der 04430 bis 04434 EBM, erbracht wurde. Sie verweist darauf, dass die GOP 35130 und 35140 zu den freien Leistungen gehören und dass für die GOP 35100, 35110 und 35111 bereits bei der Berechnung des QZV berücksichtigt worden seien. Die GOP 35300 sei von 197 Praxen der insgesamt 301 Praxen der Fachgruppe erbracht worden und die GOP 35301 von 150 Praxen. Bei den Neuropädiatern sei die GOP 35301 von 10 der 18 Praxen erbracht worden. Beide stellte damit Kernleistungen dar.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen, das ursprünglich ebenfalls streitgegenständliche Quartal I/2011 mit Beschluss vom 28.10.2011 als separates Verfahren abgetrennt und das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 19.09.2012 zum Ruhen gebracht. Es wurde mit Verfügung vom 05.04.2013 von Amts wegen wieder aufgerufen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Behördenvorgänge sowie der Gerichtsakten. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat gem. § 12 Abs. 3 Satz 2 SGG in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden, auch ist das Sozialgericht Marburg zuständig.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn der Bescheid vom 12.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2011 ist zwar rechtswidrig, verletzt die Klägerin aber nicht in ihren Rechten. Zudem hat sie keinen Anspruch auf Neubescheidung, weil ihr kein höheres Regelleistungsvolumen für das streitbefangene Quartal zusteht.

Die Berechnung des Regelleistungsvolumens in den streitgegenständlichen Bescheiden ist nicht im Einklang mit den dazu bestehenden Vorschriften ermittelt worden. Die Klägerin ist hierdurch aber nicht beschwert, weil die fehlerhafte Berechnung zu ihren Gunsten erfolgte und ihr kein höheres Regelleistungsvolumen zusteht, als das festgesetzte.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Ermittlung der Regelleistungsvolumina für das hier streitgegenständliche Quartale II/2011 sind § 87b SGB V in der ab dem 01.07.2008 geltenden Fassung (BGBl. I S. 874) sowie der aufgrund von § 87b in der ab 01.04.2007 geltenden Fassung (BGBl. I S. 2477) gefasste Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung aus seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008 in Gestalt der jeweiligen Änderungsbeschlüsse, insb. des Beschlusses aus seiner 199. Sitzung am 22.09.2009 mit Wirkung zum 01.01.2010 (Amtliche Bekanntmachung: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 106, Heft 39 vom 25.09.2009, A 1907 - A 1919; dort Teil F) und schließlich der Honorarverteilungsvertrag zwischen der Beklagten und den Verbänden der Primärkassen sowie die Ersatzkassen vom 14.05.2012 mit Wirkung für die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.12.2011.

Nach § 87b Abs. 1 Satz 1 SGB V in der oberen bereits erwähnten, ab 01.07.2008 geltenden Fassung werden abweichend von § 85 die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 01.01.2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 vergütet.

Nach § 87b Abs. 2 SGB V a.F. sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen (Satz 1). Ein Regelleistungsvolumen nach Satz 1 ist die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist (Satz 2). Abweichend von Absatz 1 Satz 1 ist die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten kann hiervon abgewichen werden (Satz 3). Bei der Bestimmung des Zeitraums, für den ein Regelleistungsvolumen festgelegt wird, ist insbesondere sicherzustellen, dass eine kontinuierliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist (Satz 4). Weitere vertragsärztliche Leistungen können außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden, wenn sie besonders gefördert werden sollen oder soweit dies medizinisch oder auf Grund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist (Satz 7).

Nach § 87b Abs. 3 SGB V a.F. sind die Werte für die Regelleistungsvolumina nach Absatz 2 morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen; bei der Differenzierung der Arztgruppen ist die nach § 87 Abs. 2a SGB V a.F. zugrunde zu legende Definition der Arztgruppen zu berücksichtigen (Satz 1).

Nach § 87b Abs. 4 SGB V a.F. bestimmt der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten und bestimmt Vorgaben zur näheren Umsetzung (Sätze 1 und 2). Die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen stellen gemeinsam erstmalig bis zum 15. November 2008 und danach jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres gemäß den vorgenannten Vorgaben des Bewertungsausschusses unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der Regelleistungsvolumina konkret anzuwendende Berechnungsformel fest (Satz 3).

Schließlich obliegt nach § 87b Abs. 5 SGB V a.F. die Zuweisung der Regelleistungsvolumina an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des Regelleistungsvolumens, wobei § 85 Abs. 4 Satz 9 gilt (Sätze 1 und 2).

Der o.g. Beschluss des Bewertungsausschusses vom 22.09.2009 sieht unter Teil F, Abschnitt 3.4, Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung vor.

Diese Vorgaben haben die Partner der Gesamtverträge unter Abschnitt II, Unterabschnitt 3.5, übernommen und ergänzt. Die zweite Hälfte des letzten Absatzes des vorgenannten Unterabschnitts lautet:

"Der Vorstand der KV Hessen kann außerdem im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliegt. (RLV und QZV). Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen entscheidet hierüber im Einzelfall und informiert die Vertragsparteien."

Der Vorstand der Beklagten hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und nach Angaben der Beklagten folgende Umsetzungsweise gewählt:

Zunächst wird der praxisindividuelle Fallwert einer Praxis bzw. eines Arztes im entsprechenden Vorjahresquartal anhand der Frequenzstatistik ermittelt, wobei die angeforderten Regelleistungsvolumenleistungen erstens um diejenigen Leistungen des betreffenden, also aktuellen Quartals, die außerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet werden und zweitens um die Leistungen der Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina reduziert werden. Dieser so ermittelte individuelle Fallwert wird durch die Fallzahl des aktuellen Quartals dividiert. Übersteigt der auf diese Weise ermittelte praxisindividuelle Regelleistungsvolumenfallwert den Regelleistungsvolumenfallwert der Fachgruppe um 20 % oder mehr, wird eine detaillierte Prüfung durchgeführt.

Diese abstrakte Berechnungsweise ist angesichts ihrer normativen Grundlagen im o.g. Honorarverteilungsvertrag und im o.g. Beschluss des Bewertungsausschusses nicht zu beanstanden.

Auch die konkrete Berechnung der Regelleistungsvolumens, zunächst unter Außerachtlassung der oben dargestellten Regelungen zu Praxisbesonderheiten, weißt keine ersichtlichen Fehler auf, so dass hinsichtlich der Berechnungsabfolge auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid vom 01.03.2011 und im zugehörigen Widerspruchsbescheid vom 05.10.2011 Bezug genommen wird.

Die mit Antragsbescheid vom 12.04.2011 vorgenommene Fallwerterhöhung im Rahmen der Anerkennung von Praxisbesonderheiten hinsichtlich der Klägerin in Höhe von 13,37 Euro erfolgte zwar fehlerhaft, wie bereits im Vorverfahren auffiel. Allerdings liegt kein Beschwer seitens der Klägerin vor, weil die Fehlberechnung ausschließlich zu ihren Gunsten ausgefallen ist.

Die Beklagte hat nämlich Präambel 4.1 Punkt 4. EBM in der hier betreffenden Fassung über die Regelungswirkung hinaus und damit unzutreffend angewendet. Die Bestimmung im dortigen Satz 2 lautet: "Wird ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt oder Zusatzweiterbildung im Arztfall im fachärztlichen Versorgungsbereich tätig, sind abweichend von 4.1 der Allgemeinen Bestimmungen die Versichertenpauschalen aus Abschnitt 4.2.1 mit einem Aufschlag in Höhe von 40% der jeweiligen Punktzahl berechnungsfähig." Bei den pädiatrischen Versichertenpauschalen nach 4.2.1 handelt es sich um die Pauschalen nach den Ziffern 04110, 04111 und 04112, weiterhin 04120, 04121 und 04122 sowie 04130 und 04121.

Der Klägerin als Neuropädiaterin ist deswegen der Zuschlag zu gewähren, wenn sie einen Behandlungsfall neuropädiatrisch versorgt oder aber einen Behandlungsfall neuropädiatrisch und normal kinderärztlich versorgt. Entgegen der Berechnung der Beklagten wäre der Klägerin jedoch dann kein Aufschlag zu gewähren gewesen in Behandlungsfällen, in denen eine lediglich kinderarztmedizinisch, nicht aber neuropädiatrische Versorgung erfolgte.

Weil die Beklagte von der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit einer Verböserung (vgl. hierzu, insbesondere im sozialgerichtlichen Verfahren, SG Landshut, Urteil vom 28.11.2013 - S 13 AL 241/12 mwN) von vorneherein abgesehen und die fehlerhafte Fallwerterhöhung hat bestehen lassen, ist der Bescheid vom 12.04.2011 in Gestalt des zugehörigen Widerspruchsbescheids rechtswidrig. Mangels Beschwer oder Verletzung der Rechte der Klägerin führt dies allerdings nicht zur Aufhebung dieser Bescheide.

Eine Rechtsverletzung lässt sich auch nicht aus der Sichtweise der Klägerin ableiten, dass ihr trotz ihrer Praxisbesonderheiten eine zu geringe Fallwerterhöhung unter Beachtung der aus Präambel 4.1 Punkt 4. EBM folgenden Abrechnungsmodalitäten gewährt worden wäre. Ihre diesbezügliche Rechtsauffassung ist nämlich unzutreffend.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Neuropädiatrie gemäß der Präambel des Kapitels 4 des EBM dazu berechtigt, die Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 4.4.2 abzurechnen.

Der Fachgruppenfallwert für das Quartal II/2010 beträgt 39,01 Euro. Bei Zugrundelegung der mittlerweile zwischen den Beteiligten unstreitigen tatsächlichen Grundlagen ergibt sich unter Anwendung der oben dargelegten, von der Beklagten vorgenommenen Ermittlungsweise zu Praxisbesonderheiten Folgendes:

Das Regelleistungsvolumen der Klägerin in Höhe von 107.492,95 dividiert durch die Regelleistungsvolumenfallzahl der Klägerin von 1790 ergibt einen praxisindividuellen Fallwert in Höhe von 60,05 Euro. Gegenüber dem Fachgruppenfallwert der Kinderärzte von 39,01 Euro liegt eine Überschreitung bei der Klägerin von mehr als 20%, nämlich von 53,94%, vor.

Die daraus nach der dargestellten Berechnungsweise der Beklagten folgende Detailprüfung ergibt sodann für die von der Klägerin das Überschreiten eines einzelnen Leistungsbereichs, nämlich ihres neuropädiatrischen Schwerpunkts, in Höhe von mehr als 20% des Regelleistungsvolumenumfangs.

Zwar folgt aus der Gesamtheit der von der Klägerin abgerechneten neuropädiatrischen Leistungsziffern 04430, 04431, 04433, 04434 lediglich ein Volumenanteil von 15,79%. Weil es sich bei den Aufschlägen auf die Versichertenpauschalen aber um Begleitleistungen handelt, kann eine sachgerechte Ermittlung des Anteils neuropädiatrischen Schwerpunkts am Gesamtvolumen nur bei kumulierter Betrachtung der Haupt- und der Begleitleistung ergeben. Der Leistungsanteil der neuropädiatrischen Leistungsziffern mit den Aufschlägen ergibt sodann einen Volumenanteil von 21,89%.

Deshalb war dieser Schwerpunktbereich in Form einer Addition des individuellen Bereichswerts (23.527,08 EUR als Volumen des neuropädiatrischen Leistungsbereichs dividiert durch die Regelleistungsvolumenfallzahl der Klägerin von 1790 ergibt 13,14 Euro) auf den Fallgruppenfallwert im Rahmen des Regelleistungsvolumens zu berücksichtigen (39,01 Euro zuzüglich 13,14 Euro ergibt 52,15 Euro).

Gegenüber dem mit den angegriffenen Bescheiden zugestandenen Regelleistungsvolumenfallwert in Höhe von 52,38 Euro ergibt sich nach der hier dargelegten, zutreffenden Berechnung eine (um 1,23 Euro) geringere Anspruchshöhe der Klägerin.

Etwas anderes würde sich hinsichtlich der Fallwerthöhe ergeben, wenn, wie die Klägerin meint, zur Ermittlung des Volumens des neuropädiatrischen Leistungsbereichsbereichs über die neuropädiatrischen Leistungsziffern hinaus auch weitere Leistungen im Zusammenhang mit einer neuropädiatrischen Diagnose, oder jedenfalls ein zugehöriger Aufschlag auf die Versicherungspauschale, eingerechnet würden, namentlich die psychotherapeutischen Gespräche nach 35100 und 35110 und die Testungen nach 35300, 35301 und 35302 EBM, ebenso wie das übende Verfahren nach 35111, der Bericht an den Gutachter nach 35130 sowie die biografische Anamnese nach 35140 EBM.

Die Einbeziehung dieser weiteren Ziffern wäre jedoch rechtsfehlerhaft. Zutreffend verweist die Beklagte darauf, dass die Leistungsziffern 35130 und 35140 den freien Leistungen zugehörig sind und insofern ihre Einbeziehung in eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens ausscheidet. Die Leistungsziffern 35100, 35110 und 35111 wurden bei der Berechnung des QZV berücksichtigt, womit diesen Leistungsziffern hinreichend Rechnung getragen worden ist.

Hinsichtlich der Leistungsziffern 35300 und 35301 scheidet die Anerkennung einer Praxisbesonderheit aus, weil sich diese Leistungen anhand der vorliegenden Daten als Kernleistung und zwar sowohl der Vergleichsgruppe der hausärztlichen Kinderärzte als auch der Neuropädiater darstellt. Für die Ermittlung des Regelleistungsvolumens ist dabei freilich das Quartal II/2010 relevant, so dass die Zahlen für das Quartal II/2011 insoweit unerheblich sind.

Wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, geht es ihr bei den in den Vorabsätzen genannten Abrechnungsziffern aber nicht um die Erhöhung des Regelleistungsvolumens im Umfang des Abrechnungsvolumens dieser Ziffern. Vielmehr strebt sie die Anerkennung des Aufschlags der Versichertenpauschale für diese vorgenannten Abrechnungsziffern nach den oben dargestellten Regeln der Präambel 4.1 Punkt 4. EBM an, um damit die Erhöhung des Volumenanteils neuropädiatrischer Leistungen zu erreichen.

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen.

Nach der gesetzlichen Vorgabe des § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestimmt der einheitliche Bewertungsmaßstab den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Nach der hier relevanten Bestimmung der Präambel ist für den Aufschlag erforderlich, dass ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt oder Zusatzweiterbildung im Arztfall im fachärztlichen Versorgungsbereich tätig wird. Bezugspunkt für den Arztfall im fachärztlichen Versorgungsbereich, vorliegend den neuropädiatrischen Versorgungsbereich, sind daher die Bestimmungen des EBM. Normativ-gebührenrechtlich handelt es sich nach diesen Bestimmungen abschließend bei den Abrechnungspositionen des Kapitels 4.4.2, Titel "Neuropädiatrische Gebührenpositionen" um neuropädiatrische fachärztliche Behandlungen im Sinne der Präambel 4.1 Punkt 4. EBM.

Der Klägerin ist ohne weiteres zuzugestehen, dass es zahlreiche weitere ärztliche Behandlungs- und Diagnosemaßnahmen gibt, unter anderem die von ihr vorgetragenen Gebührenordnungsposition, die aus medizinischer Sicht eine neuropädiatrisch-fachärztliche Maßnahme darstellen. Auch bleibt, wie sie vorträgt, jeder Patient mit neuropädiatrischer Diagnose medizinisch betrachtet ein neuropädiatrischer Fall, selbst wenn bei der jeweiligen Konsultation keinerlei neuropädiatrische Maßnahme durchgeführt wird. Gleichwohl ändert dies nichts an der gebührenrechtlichen Bewertung.

Denn nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB kommt dem Bewertungsausschuss die Kompetenz zu, den Maßstab für das ärztliche Abrechnungsgefüge zu entwickeln und zu definieren. Bei der Anwendung der EBM-Bestimmungen ist deshalb auch dessen Nomenklatur maßgeblich. Dem Bewertungsausschuss steht es frei, in Abweichung dessen auf außerhalb des EBM geltende Definitionen zu verweisen. Die Bestimmung in EBM-Ziffer 04433, vorletzter Absatz, mit der auf die ICD-10-Nomenklatur verwiesen wird, zeigt zum einen, dass dem Bewertungsausschuss die Möglichkeit einer Verweisung bekannt ist, ohne dass er dies zum Anlass genommen hätte, hiervon bei der streitigen Präambel Gebrauch zu machen. Zum anderen zeigt die Verweisung in diesem Kontext, dass die Diagnosen nach ICD-10 für den Bewertungsausschuss eine ggf. gebührenrechtlich obligatorische, aber keine abschließend ausreichende Voraussetzung darstellen.

Die Klägerseits in das Verfahren eingeführte Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 30.04.2014, L 7 KA 1/12, besagt nichts Gegenteiliges. Gegenstand des dortigen Verfahrens war nämlich nicht die Auslegung von Bestimmungen des EBM.

Bei der Berechnung der Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina, die Bestandteil der angegriffenen Bescheide sind, sind keine Rechtsanwendungsfehler erkennbar.

Nachdem keine Rechtsverletzung der Klägerin vorlag, schied auch ein Anspruch auf Neubescheidung aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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