Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 R 1130/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 124/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2014 aufgehoben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2011 verpflichtet, die Bescheide vom 6. Februar 2001 und vom 3. Juni 2002 zu ändern und zu Gunsten des Klägers dessen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeiträume vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2002 und vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 dem Grunde nach festzustellen, den Rentenhöchstwert entsprechend neu festzusetzen und den sich hieraus ab dem 1. Januar 2006 ergebenden Nachzahlungsbetrag zu leisten. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens in vollem Umfang zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsantrags anstelle der ihm gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Der 1949 geborene Kläger stellte am 17. Juli 2000 bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit.
Am 1. Januar 2001 trat das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) in Kraft, mit dem die bis dahin in §§ 43, 44 SGB VI a.F. geregelten Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit durch die Renten wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung (§§ 43, 240 SGB VI n.F.) abgelöst wurden.
Nach Abschluss der Ermittlungen gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 6. Februar 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2002. Hierbei stellte sie fest, dass die Anspruchsvoraussetzungen ab dem 17. Juli 2000 erfüllt wurden.
Auf den Antrag des Klägers vom 14. März 2002 gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 3. Juni 2002 im Anschluss an die Zeitrente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer.
Am 13. Dezember 2010 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag, mit dem er u.a. vorbrachte, der Bescheid vom 6. Februar 2001 sei rechtswidrig, weil ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hätte gewährt werden müssen. Auch der Bescheid vom 3. Juni 2002 sei rechtswidrig belastend, weil zum 1. Juli 2002 eine Neufeststellung hätte erfolgen müssen. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2011 die Rente des Klägers wegen voller Erwerbsminderung mit Wirkung ab 1. Juli 2002 der Höhe nach neu fest. Hieraus ergab sich ein Nachzahlungsbetrag von 1.719,27 Euro.
Mit seinem Widerspruch gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger gegen die Rentenart und Rentenhöhe. Ihm hätte von Anfang an eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt werden müssen, da sowohl der Leistungsfall auch der Rentenantrag noch im Jahre 2000 gelegen hätten. Damit würden sich auch die zu berücksichtigenden persönlichen Entgeltpunkt verschieben.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2011 mit der Begründung zurück, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit anstelle der Rente wegen voller Erwerbsminderung, da die befristete Rente erst am 1. Februar 2001 begonnen habe.
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die Neufestsetzung des Rentenhöchstwertes und die Leistung des sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrags begehrt.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 14. März 2011 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. August 2009 gewährt, die sie mit Schreiben vom 22. März 2011 zur vorläufigen Leistung erklärt hat.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Neuberechnung seiner Rente als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer Überprüfungsentscheidung zutreffend berücksichtigt, dass für den Kläger aufgrund eines neuen Leistungsfalls vom 30. Juni 2002 ein neues, eigenständiges Recht auf Rente wegen Erwerbsminderung entstanden sei. Grundlage der Berechnung seien allein die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse und die Bestimmungen des zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Rechts. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit habe auch nicht unter Beachtung der Übergangsvorschrift des § 302 b Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) bestanden, da sich nach Auffassung des Bundesozialgerichts (BSG, Urteil vom 29. November 2007 – B 13 R 18/07 –) deren Inhalt darin erschöpfe, dass nur die Fortzahlung einer bereits bewilligten Rente gewährleistet werden solle.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er ist der Ansicht, dass nach § 300 Abs. 2 SGB VI für ihn weiterhin die Vorschriften über die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit maßgeblich seien, weil er den Rentenantrag vor Ablauf von drei Kalendermonaten nach Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes gestellt habe. Mit Erfüllung der Voraussetzungen der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit habe er einen Anspruch auf die Leistung dieser Rente gehabt. Zwar sei diese Leistung nicht sofort, sondern erst mit Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung fällig gewesen, jedoch gehöre der Rentenbeginn nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2011 zu verpflichten, die Bescheide vom 6. Februar 2001 und vom 3. Juni 2002 zu ändern, zu Gunsten des Klägers dessen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeiträume vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2002 und vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 dem Grunde nach festzustellen, den Rentenhöchstwert entsprechend neu festzusetzen und den sich hieraus ab dem 1. Januar 2006 ergebenden Nachzahlungsbetrag zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie hält ihre Entscheidungen für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 28. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2011, mit dem die Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens die Änderung der Bescheide vom 6. Februar 2001 und vom 3. Juni 2002 ablehnte, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
1. Die Beklagte hat zu Gunsten des Klägers dessen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeiträume vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2002 und vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 festzustellen.
Die Voraussetzungen für eine Zugunstenentscheidung nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) sind erfüllt. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. a) Der Bescheid vom 6. Februar 2001, mit dem die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB n.F. gewährte, ist rechtswidrig. Denn der Kläger hat für diesen Zeitraum Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F.
Zwar sind nach § 300 Abs. 1 SGB VI Vorschriften dieses Gesetzbuchs – hier § 43 Abs. 2 SGB n.F. – von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Insoweit wäre es unerheblich, dass der die Gewährung einer Rente rechtfertigende Leistungsfall, wovon die Beteiligten – zu Recht – ausgehen, bereits am 17. Juli 2000, d.h. vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Renten am 1. Januar 2001 wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, eingetreten war.
Von dem Grundsatz des § 300 Abs. 1 SGB VI macht Abs. 2 dieser Vorschrift jedoch eine – vorliegend einschlägige – Ausnahme: Danach sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs – hier § 44 SGB VI a.F. – auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist mit dem Erstantrag vom 17. Juli 2000 geschehen.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 300 Abs. 2 SGB VI sind erfüllt. Der Anspruch des Klägers auf (befristete) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit war mit Erfüllung der in §§ 44, 102 SGB VI a.F. normierten Voraussetzungen noch unter Geltung des alten Rechts entstanden. Unerheblich ist, dass die Leistung nicht sofort fällig war, sondern – da nach § 101 Abs. 1 SGB VI befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet werden – erst am 1. Februar 2001 und damit zu einem Zeitpunkt, zu welchem § 44 SGB VI a.F. bereits außer Kraft getreten war. Denn der Rentenbeginn selbst gehört nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung (so Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. September 2005 – B 13 RJ 10/04 R –, SozR 4-2600 § 101 Nr. 2, BSGE 95, 112, SozR 4-2600 § 102 Nr. 1, SozR 4-2600 § 44 Nr. 3).
b) Auch bei Erlass des Bescheids vom 3. Juni 2002 wandte die Beklagte das Recht unrichtig an, indem sie dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 zu Unrecht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB n.F. gewährte. Denn der Kläger hat auch für diesen Zeitraum Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F.
Zwar hat die Beklagte im Rahmen ihrer Entscheidung über die "Weiter"-Gewährung zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen für den neuen Leistungszeitraum (hier ab dem 1. Juli 2002) erneut erfüllt sind, und hierbei die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse, d.h. – neben den gesundheitlichen Verhältnissen und ihrer voraussichtlichen Entwicklung – die Bestimmungen des dann gültigen Rechts, zu Grunde zu legen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 31/96 –, SozR 3-2600 § 300 Nr. 8, SozR 3-2600 § 306 Nr. 2).
Jedoch greift vorliegend die Ausnahmevorschrift des § 302b Abs 1 Satz 1 SGB VI. Hiernach besteht, wenn am 31. Dezember 2000 Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bestand, dieser Anspruch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung maßgebend waren. Dies war der Fall, da – wie ausgeführt – der Anspruch des Klägers auf (befristete) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits unter Geltung des alten Rechts entstanden war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. November 2007 (– B 13 R 18/07 R –, SozR 4-2600 § 300 Nr. 2, SozR 4-2600 § 43 Nr. 11), wonach § 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI nur die Fortzahlung einer bereits bewilligten Rente gewährleisten soll. Anders als im dort entschiedenen Fall hatte der Kläger den ersten Rentenantrag schon vor dem Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes am 1. Januar 2001 gestellt. Nach seinem gegen den Bescheid vom 6. Februar 2001 gerichteten – erfolgreichen – Überprüfungsantrag ist er im Hinblick auf den zweiten Leistungszeitraum so zu stellen, als hätte die Beklagte seinen den ersten Leistungszeitraum betreffenden Rentenantrag bereits positiv beschieden.
2. Da der Kläger erfolgreich beanspruchen kann, für die Zeiträume vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2002 und vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 anstelle der Rente wegen voller Erwerbsminderung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu erhalten, besteht auch ein Anspruch auf entsprechende Neufestsetzung des Rentenhöchstwertes und Leistung des sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrags.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsantrags anstelle der ihm gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Der 1949 geborene Kläger stellte am 17. Juli 2000 bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit.
Am 1. Januar 2001 trat das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) in Kraft, mit dem die bis dahin in §§ 43, 44 SGB VI a.F. geregelten Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit durch die Renten wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung (§§ 43, 240 SGB VI n.F.) abgelöst wurden.
Nach Abschluss der Ermittlungen gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 6. Februar 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2002. Hierbei stellte sie fest, dass die Anspruchsvoraussetzungen ab dem 17. Juli 2000 erfüllt wurden.
Auf den Antrag des Klägers vom 14. März 2002 gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 3. Juni 2002 im Anschluss an die Zeitrente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer.
Am 13. Dezember 2010 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag, mit dem er u.a. vorbrachte, der Bescheid vom 6. Februar 2001 sei rechtswidrig, weil ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hätte gewährt werden müssen. Auch der Bescheid vom 3. Juni 2002 sei rechtswidrig belastend, weil zum 1. Juli 2002 eine Neufeststellung hätte erfolgen müssen. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2011 die Rente des Klägers wegen voller Erwerbsminderung mit Wirkung ab 1. Juli 2002 der Höhe nach neu fest. Hieraus ergab sich ein Nachzahlungsbetrag von 1.719,27 Euro.
Mit seinem Widerspruch gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger gegen die Rentenart und Rentenhöhe. Ihm hätte von Anfang an eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt werden müssen, da sowohl der Leistungsfall auch der Rentenantrag noch im Jahre 2000 gelegen hätten. Damit würden sich auch die zu berücksichtigenden persönlichen Entgeltpunkt verschieben.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2011 mit der Begründung zurück, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit anstelle der Rente wegen voller Erwerbsminderung, da die befristete Rente erst am 1. Februar 2001 begonnen habe.
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die Neufestsetzung des Rentenhöchstwertes und die Leistung des sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrags begehrt.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 14. März 2011 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. August 2009 gewährt, die sie mit Schreiben vom 22. März 2011 zur vorläufigen Leistung erklärt hat.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Neuberechnung seiner Rente als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer Überprüfungsentscheidung zutreffend berücksichtigt, dass für den Kläger aufgrund eines neuen Leistungsfalls vom 30. Juni 2002 ein neues, eigenständiges Recht auf Rente wegen Erwerbsminderung entstanden sei. Grundlage der Berechnung seien allein die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse und die Bestimmungen des zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Rechts. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit habe auch nicht unter Beachtung der Übergangsvorschrift des § 302 b Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) bestanden, da sich nach Auffassung des Bundesozialgerichts (BSG, Urteil vom 29. November 2007 – B 13 R 18/07 –) deren Inhalt darin erschöpfe, dass nur die Fortzahlung einer bereits bewilligten Rente gewährleistet werden solle.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er ist der Ansicht, dass nach § 300 Abs. 2 SGB VI für ihn weiterhin die Vorschriften über die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit maßgeblich seien, weil er den Rentenantrag vor Ablauf von drei Kalendermonaten nach Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes gestellt habe. Mit Erfüllung der Voraussetzungen der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit habe er einen Anspruch auf die Leistung dieser Rente gehabt. Zwar sei diese Leistung nicht sofort, sondern erst mit Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung fällig gewesen, jedoch gehöre der Rentenbeginn nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2011 zu verpflichten, die Bescheide vom 6. Februar 2001 und vom 3. Juni 2002 zu ändern, zu Gunsten des Klägers dessen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeiträume vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2002 und vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 dem Grunde nach festzustellen, den Rentenhöchstwert entsprechend neu festzusetzen und den sich hieraus ab dem 1. Januar 2006 ergebenden Nachzahlungsbetrag zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie hält ihre Entscheidungen für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 28. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2011, mit dem die Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens die Änderung der Bescheide vom 6. Februar 2001 und vom 3. Juni 2002 ablehnte, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
1. Die Beklagte hat zu Gunsten des Klägers dessen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeiträume vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2002 und vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 festzustellen.
Die Voraussetzungen für eine Zugunstenentscheidung nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) sind erfüllt. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. a) Der Bescheid vom 6. Februar 2001, mit dem die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB n.F. gewährte, ist rechtswidrig. Denn der Kläger hat für diesen Zeitraum Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F.
Zwar sind nach § 300 Abs. 1 SGB VI Vorschriften dieses Gesetzbuchs – hier § 43 Abs. 2 SGB n.F. – von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Insoweit wäre es unerheblich, dass der die Gewährung einer Rente rechtfertigende Leistungsfall, wovon die Beteiligten – zu Recht – ausgehen, bereits am 17. Juli 2000, d.h. vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Renten am 1. Januar 2001 wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, eingetreten war.
Von dem Grundsatz des § 300 Abs. 1 SGB VI macht Abs. 2 dieser Vorschrift jedoch eine – vorliegend einschlägige – Ausnahme: Danach sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs – hier § 44 SGB VI a.F. – auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist mit dem Erstantrag vom 17. Juli 2000 geschehen.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 300 Abs. 2 SGB VI sind erfüllt. Der Anspruch des Klägers auf (befristete) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit war mit Erfüllung der in §§ 44, 102 SGB VI a.F. normierten Voraussetzungen noch unter Geltung des alten Rechts entstanden. Unerheblich ist, dass die Leistung nicht sofort fällig war, sondern – da nach § 101 Abs. 1 SGB VI befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet werden – erst am 1. Februar 2001 und damit zu einem Zeitpunkt, zu welchem § 44 SGB VI a.F. bereits außer Kraft getreten war. Denn der Rentenbeginn selbst gehört nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Rente wegen Erwerbsminderung (so Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. September 2005 – B 13 RJ 10/04 R –, SozR 4-2600 § 101 Nr. 2, BSGE 95, 112, SozR 4-2600 § 102 Nr. 1, SozR 4-2600 § 44 Nr. 3).
b) Auch bei Erlass des Bescheids vom 3. Juni 2002 wandte die Beklagte das Recht unrichtig an, indem sie dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 zu Unrecht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB n.F. gewährte. Denn der Kläger hat auch für diesen Zeitraum Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F.
Zwar hat die Beklagte im Rahmen ihrer Entscheidung über die "Weiter"-Gewährung zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen für den neuen Leistungszeitraum (hier ab dem 1. Juli 2002) erneut erfüllt sind, und hierbei die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse, d.h. – neben den gesundheitlichen Verhältnissen und ihrer voraussichtlichen Entwicklung – die Bestimmungen des dann gültigen Rechts, zu Grunde zu legen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 31/96 –, SozR 3-2600 § 300 Nr. 8, SozR 3-2600 § 306 Nr. 2).
Jedoch greift vorliegend die Ausnahmevorschrift des § 302b Abs 1 Satz 1 SGB VI. Hiernach besteht, wenn am 31. Dezember 2000 Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bestand, dieser Anspruch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistung maßgebend waren. Dies war der Fall, da – wie ausgeführt – der Anspruch des Klägers auf (befristete) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits unter Geltung des alten Rechts entstanden war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. November 2007 (– B 13 R 18/07 R –, SozR 4-2600 § 300 Nr. 2, SozR 4-2600 § 43 Nr. 11), wonach § 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI nur die Fortzahlung einer bereits bewilligten Rente gewährleisten soll. Anders als im dort entschiedenen Fall hatte der Kläger den ersten Rentenantrag schon vor dem Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes am 1. Januar 2001 gestellt. Nach seinem gegen den Bescheid vom 6. Februar 2001 gerichteten – erfolgreichen – Überprüfungsantrag ist er im Hinblick auf den zweiten Leistungszeitraum so zu stellen, als hätte die Beklagte seinen den ersten Leistungszeitraum betreffenden Rentenantrag bereits positiv beschieden.
2. Da der Kläger erfolgreich beanspruchen kann, für die Zeiträume vom 1. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2002 und vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2009 anstelle der Rente wegen voller Erwerbsminderung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu erhalten, besteht auch ein Anspruch auf entsprechende Neufestsetzung des Rentenhöchstwertes und Leistung des sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrags.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
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