L 1 R 325/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 R 627/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 325/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Errwerbsminderungsrente
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 21. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der im April 1974 geborene Kläger hat von September 1990 bis Juni 1994 eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker absolviert und war dann bis August 1994 als Mitarbeiter in der Qualitätssicherung sowie von September 1994 bis September 1995 als Bauhelfer versicherungpflichtig beschäftigt. Nach einer Ausbildung zum Zimmerer von September 1995 bis September 1997 im elterlichen Zimmereibetrieb war er dort bis Mai 1998 als Zimmerergeselle tätig. Nach dessen Insolvenz übernahm der Kläger den Betrieb und war bis zu dessen erneuter Insolvenz im Juli/August 2005 selbstständig tätig. Ab Januar 2006 arbeitete er als Qualitätsprüfer in einer Firma für Kunststoffspritztechnik, wobei er im Jahr 2007 eine Fortbildung als Qualitätssicherheitsassistent absolvierte. Ab 7. Januar 2010 war er arbeitsunfähig. Für ihn ist ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt.

Mit Antrag vom 10. Juli 2012 begehrte der Kläger unter Hinweis auf eine chronisch - affektive Störung Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten.

Aktenkundig wurden neben diversen Befundberichten behandelnder Ärzte ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Bayern vom 6. Juni 2010, wonach die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, und einer Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) gefährdet sei, und ein psychiatrisches Gutachten von Dr. S. vom 8. Oktober 2010. Dr. S. stellte beim Kläger eine depressive Episode, eine Panikstörung, eine undifferenzierte Somatisierungsstörung mit hypochondrischer Reaktion, Gelenkbeschwerden, einen unter Behandlung kompensierten Bluthochdruck bei Übergewicht sowie einen schädlichen Konsum von Alkohol und Nikotin fest und empfahl die Durchführung von stationären Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation in einer psychosomatischen Klinik.

Aus dem ebenfalls von der Beklagten beigezogenen Entlassungsbericht vom 21. Januar 2011 (Aufenthalt vom 28. Dezember 2010 bis 18. Januar 2011) des R. Rehabilitations- und Präventionszentrums Bad K. gehen als Diagnosen Angst und depressive Störung, gemischt, hervor. Dem Kläger wurde noch ein tägliches Leistungsvermögen

von 6 Stunden und mehr für mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sowie als Qualitätsprüfer bescheinigt.

Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. S. vom 26. September 2012 ein. Dr. S. diagnostizierte beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mäßiggradig ausgeprägt, mit psychovegetativen Störungen, eine Angststörung, Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden ohne schwerwiegende Funktionsminderung, einen Bluthochdruck sowie Übergewicht.

Der Kläger sei noch in der Lage, mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr täglich als Qualitätsprüfer oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Zu vermeiden seien Schicht- bzw. Nachtdienst und besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 10. Oktober 2012 ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, er habe bereits diverse Therapien ohne Erfolg absolviert. Im Rahmen der Wiedereingliederung habe sich gezeigt, dass immer wieder erhebliche Einschränkungen entstanden seien. Sein Beschäftigungsverhältnis sei mittlerweile auch mit Zustimmung des ZBFS Regensburg gekündigt worden. Er legte Stellungnahmen seiner behandelnden Ärzte Dr. D. und Dr. E. im Rahmen des Verfahrens beim ZBFS - Integrationsamt Regensburg auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vor. Danach ist der Kläger nicht mehr in der Lage, die Tätigkeit als Qualitätsprüfer dauerhaft und in vollem Umfang auszuüben. Nach Einholung einer Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten, der Neurologin und Psychiaterin Dr. J. vom 19. November 2012, wonach sich aus den vorgelegten Berichten kein neuer Sachverhalt ergebe, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2012 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und zur Begründung unter Vorlage weiterer Befundberichte vorgetragen, er leide unter bisher nicht berücksichtigten Beschwerden an beiden Kniegelenken. Auch ist ein Gutachten des MDK Bayern vom 21. September 2012 übersandt worden. Danach habe der Kläger keine längeren Schlafphasen, sondern erwache nach spätestens 2 1/2 Stunden immer wieder. Dort sind ein deutliches depressives Syndrom mittelgradig bis schwer, körperliche Beschwerden im Sinne einer Somatisierung sowie eine Angst- und Panikstörung festgehalten. Es müsse weiterhin von Arbeitsunfähigkeit auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen werden. Damit sei ein 6-stündiges tägliches Leistungsvermögen nicht vereinbar.

Das SG hat die Schwerbehindertenakten beim Versorgungsamt Regensburg sowie diverse Befundberichte beigezogen und von Amts wegen ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters R. vom 19. Juni 2013 in Auftrag gegeben. Dieser hat beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung, Angst und Panik gemischt, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bluthochdruck, Übergewicht sowie Schmerzen in den Hüft- und Kniegelenken diagnostiziert. Der Kläger könne noch 6 Stunden und mehr täglich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Sitzen und Stehen verrichten. Zu vermeiden seien Heben und Tragen von Lasten, besonderer Zeitdruck und Nachtdienst.

Auf Antrag des Klägers hat das SG ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. S. vom 16. Dezember 2013 eingeholt. Dr. S. hat eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradigen Episoden, eine Panikstörung mit häufig auftretenden Panikattacken, eine somatoforme autonome Funktionsstörung (früher Organneurose, hier Herzneurose nach dem Herztod des Vaters), eine hypochondrische Störung, ein beginnendes Karpaltunnel-Syndrom beidseits (grenzwertig gemessene distal motorische Latenz des Nervus medianus am Handgelenk), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schmerzen in Hüft- und Kniegelenken, eine arterielle Hypertonie sowie Übergewicht diagnostiziert. Der Kläger könne nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen verrichten. Als weitere qualitative Leistungseinschränkungen wurden genannt Schichtarbeiten und Arbeiten mit Publikumsverkehr. Der festgestellte Zustand bestehe mit Sicherheit seit 12. September 2013 (Tag der Untersuchung).

Nachdem die Beklagte sich der Leistungsbeurteilung durch Dr. S. nicht angeschlossen hatte, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2014 unter Berufung auf das Gutachten des Sachverständigen R. abgewiesen. Dem Gutachten von Dr. S. sei nicht zu folgen. Die Unüberwindbarkeit der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen trotz therapeutischer Hilfen und entsprechender Medikation sei für das Gericht nicht nachgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und geltend gemacht, die Diagnosen aus den Befundberichten der behandelnden Ärzte Dres. E. und D. seien vom SG nicht hinreichend gewürdigt worden. Die Begutachtung bei Dr. S. habe wesentlich länger gedauert als beim Sachverständigen R ... Dem Kläger sei es im Jahr 2014 aufgrund seiner Panikattacken und -störungen nicht möglich gewesen, ohne krankheitsbedingte Fehltage an einem Integrationsseminar für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Schwerbehinderte teilzunehmen. Während der rund 10-wöchigen Theoriezeit habe er im Durchschnitt ein bis drei Fehltage pro Woche gehabt. Die Überforderung resultiere vor allem aus den Panikattacken. Diese äußerten sich dadurch, dass er ohne Sinn und Ziel rastlos in der Wohnung umherlaufe, das Zittern anfange und nicht mehr in der Lage sei, geordnet oder überhaupt zu sprechen. Er müsse dann schleunigst die häusliche Umgebung aufsuchen, da er die Anwesenheit anderer Menschen, beispielsweise an öffentlichen Plätzen, nicht mehr ertragen könne und auch Angst vor möglicherweise eigenen unkontrollierten Reaktionen habe. Der Kläger komme mit unvorhergesehenen Zwischenfällen oder plötzlichen Änderungen nicht klar. So habe die Mitteilung der Praktikumsstelle der Behindertenwerkstätten B-Stadt, dass das Praktikum dort aus organisatorischen Gründen ende und der Kläger ab der nächsten Woche in Bad K. in einer neuen Praktikumsstelle beginne solle, den Kläger aus der Bahn geworfen und wieder weitere Panikattacken ausgelöst. Schließlich habe auch die private Versicherung des Klägers Erwerbsminderung anerkannt, da sie rückwirkend ab Mai 2012 entsprechend einer Erwerbsminderungsfortzahlungsklausel die Beiträge für die vom Kläger abgeschlossene Riester-Rentenversicherung entrichte. Vorgelegt wurde eine Stellungnahme zum Verlauf des Integrationsseminar für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Schwerbehinderung der dbo Dienstleistungen und Bildung vom 23. Juni 2014, in der dem Kläger empfohlen wird, den Rentenantrag aufrechtzuerhalten. Ferner wurde aktenkundig eine Aufstellung der DAK über Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers seit April 2007.

Der Senat hat Befundberichte von Dr. E. und Dr. D. beigezogen und von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. F. vom 24. März 2015. Dr. F. hat beim Kläger ein Mischsyndrom bestehend aus einer depressiven Störung wechselnder Ausprägung und einer Angststörung mit Panikattacken, Herzangst sowie eine Somatisierungsstörung festgestellt und dem Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bescheinigt. Nicht mehr zumutbar seien Tätigkeiten unter Zeitdruck (Fließband-, Akkordarbeit) bzw. in einem hektischen Arbeitsumfeld sowie Schichtarbeiten, insbesondere Nachtschicht. Die Umstellungsfähigkeit des Klägers auf andere Tätigkeiten sei nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.

Der Kläger hat in seiner Stellungnahme hierzu erneut darauf verwiesen, dass er die Integrationsmaßnahme aufgrund seiner Panikzustände oftmals verlassen musste. Das Gutachten von Dr. F. sei widersprüchlich und nicht vereinbar mit den bisher gestellten Diagnosen. Nach Dr. F. sei es indiziert, dass der Kläger an einer psychotherapeutischen Behandlung dringend teilnehme, wobei sicher mehr als 10 Stunden, sinnvollerweise mehr als 25 Stunden nötig seien. Völlig unverständlich sei dann die Angabe, der Kläger könne noch mittelschwere Arbeiten verrichten, wobei Zeitdruckarbeiten ausschieden. Es stelle sich die Frage, ob eine Pflicht besteht, eine entsprechende Tätigkeit zu bezeichnen, die er vollschichtig ausüben konnte, bei der er nicht unter Zeitdruck zu arbeiten habe und bei der eine psychotherapeutische Behandlung mit mehr als 25 Stunden durchgeführt werden könne. Auch sei nicht verständlich, dass der Gutachter keine Einschränkung der Umstellungsfähigkeit sehe, wenn jegliche Veränderungen beim Kläger Panikstörungen auslösen würden. Widersprüchlich sei auch die Angabe, der Kläger könne unter Anspannung aller verfügbaren Mittel des Willens die seelischen Hemmungen aus eigener Kraft und/oder unter ärztlicher Mithilfe überwinden. Aus eigener Kraft könne der Kläger seine Krankheit nicht überwinden, da nach Ausführungen von Dr. F. eine psychotherapeutische Behandlung mit mindestens 25 Stunden erforderlich sei. Widersprüchlich sei auch, dass der Kläger als vollschichtig einsatzfähig erachtet werde, obwohl gleichzeitig angegeben ist, dass die Einschränkungen der Gesundheit und des Leistungsvermögen des Klägers voraussichtlich weiter fortbestehen würden. Auch halte er die Durchführung stationärer Heilmaßnahmen und weiterer fachärztlicher Untersuchungen nicht für erforderlich, obwohl er kurz zuvor angegeben habe, eine psychotherapeutische Behandlung des Klägers sei dringend indiziert. Dr. F. habe also die Erkrankungen des Klägers bestätigt, die Fragen bezüglich der Beweisanordnung jedoch konträr zu diesen Feststellungen beantwortet. Dem Kläger sei eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorzuschlagen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Regensburg vom 21. Februar 2014 sowie des Bescheids der Beklagten vom 10. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2012 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 10. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI oder Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI zu. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI kommt von vornherein nicht in Betracht, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. F. ist der Kläger noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erledigen. Der hiervon abweichenden Einschätzung von Dr. S. vermag der Senat nicht zu folgen.

Im Vordergrund stehen beim Kläger die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet. Dr. F. hat beim Kläger einen guten Allgemeinzustand bei übergewichtigem Ernährungszustand festgestellt. In Bezug auf Kopf und Hirnnerven ergab sich - abgesehen von einer bereits seit Geburt bestehenden Visusminderung am linken Auge - kein auffälliger Befund. Bei der Untersuchung des Bewegungsapparats fanden sich keine wesentlichen Auffälligkeiten. Der Gang des Klägers war ungestört und harmonisch. Das Aus- und Ankleiden vollzog der Kläger zügig, zum Teil im freihändigen Einbeinstand. Nacken- und Schürzengriff waren für den Kläger problemlos vorführbar. Die Beugefähigkeit der Wirbelsäule war ungestört, der Finger-Boden-Abstand betrug 8 cm. Nervenwurzel- dehnungszeichen waren nicht zu provozieren. Muskeltonus und -trophik waren ebenso wie die grobe Kraft an Armen und Beinen sowie Koordination und Sensibilität ungestört.

In psychopathologischer Hinsicht war der ordentlich gekleidete und körperlich gepflegte Kläger bei der Untersuchung in einer allenfalls leichtgradig dysphorischen bis indifferenten Grundstimmung. Der Kläger erklärte gegenüber Dr. F., er halte sich eigentlich nicht für depressiv. Die affektive Schwingungsfähigkeit war nur leichtgradig gemindert. Der Kläger wirkte überwiegend ernst. Eine nennenswerte Antriebsminderung konnte Dr. F. nicht objektivieren. Die Kognition war nicht nennenswert gestört. Abstraktionsvermögen, Gedächtnisleistungen und Merkfähigkeit waren gut ausgeprägt.

Dr. F. hat ausgeführt, dass sich Anhaltspunkte für eine depressive Verstimmung im engeren Sinne beim Kläger nicht ergeben haben. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde sei jedoch davon auszugehen, dass in der Vergangenheit rezidivierend auch depressive Verstimmungszustände aufgetreten seien. Die vom Kläger angegebenen körperlichen Symptome etwa in Form eines Reizdarm-Syndroms und vegetativer Beschwerden wie Schlafstörungen stellten sich als Ausfluss der übergeordneten Diagnose einer Somatisierungsstörung dar. In Bezug auf die Panikzustände hat Dr. F. ausgeführt, dass der Kläger unter dem Einfluss einer hochgradig asthenisch akzentuierten Primärpersönlichkeit zu einem katastrophisierenden Denken neige. Für den Kläger sei dringend eine psychotherapeutische Behandlung indiziert. Die insoweit bisher durchgeführte Behandlung sei sicher zu kurz gewesen.

Dr. F. hat ferner angemerkt, dass die berufliche Leistungsfähigkeit durch die beschriebene Angststörung allenfalls qualitativ, aber nicht quantitativ beeinträchtigt sei. Dies ist für den Senat auch unter dem vom Kläger angegebenen Aktivitätsspektrum nachvollziehbar. So hat der Kläger erklärt, spazieren zu gehen, hin und wieder einen Dauerlauf zu machen, Squash und Tennis zu spielen, gelegentlich Ski zu fahren, Zeitschriften zu lesen, sich am Computer zu beschäftigen (Internet, dort Pflege seiner Musiksammlung), zu kochen, sich mit seinen Freunden häufig zum Kartenspielen zu treffen und mit Freude mit seinen beiden Autos zu fahren. Damit erschließt sich es dem Senat nicht, warum der Kläger nicht auch in der Lage sein sollte, 6 Stunden am Tag Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten. Er teilt dabei die Auffassung des R. Rehabilitations- und Präventionszentrums Bad K. , dass von einer Arbeitsaufnahme sogar am ehesten eine weitere Verbesserung seines Befindens zu erwarten ist.

Die gegen das Gutachten von Dr. F. vorgebrachten Einwendungen konnten den Senat nicht überzeugen. Der Senat stimmt mit der von Dr. F. unmissverständlich klargemachten Auffassung überein, dass der Kläger in der Lage ist, seine seelischen Hemmungen in Bezug auf eine Arbeitsleistung zu überwinden, nachdem auch offensichtlich keine nennenswerten seelischen Hemmungen des Klägers in Bezug auf seine Freizeitgestaltung bestehen. Ob der Kläger diese gegenüber einer Arbeitsleistung bestehenden seelischen Hemmungen allein und ohne ärztliche Hilfe zu überwinden vermag oder ob er hierzu ärztlicher Hilfe bedarf, ist grundsätzlich nicht von sozialmedizinischer Bedeutung. Auch wenn der Kläger insoweit Hilfe bedarf, etwa in Form der von Dr. F. angeregten Behandlung, kommt eine Rentengewährung nicht in Betracht. Jedenfalls unter der Bedingung, dass der Kläger sich einer adäquaten Behandlung unterzieht, ist er gleichermaßen in der Lage, seine Hemmungen hinsichtlich einer Umstellung auf andere, leidensgerechte Tätigkeiten zu überwinden.

Soweit Dr. F. ausgeführt hat, dass die Einschränkungen der Gesundheit und des Leistungsvermögens voraussichtlich weiter fortbestehen, bezieht er sich auf die von ihm angenommenen qualitativen Leistungseinschränkungen. Nur insoweit besteht nach Auffassung des Sachverständigen, der sich der Senat anschließt, eine Erwerbsminderung des Klägers, die jedoch keinen Rentenanspruch begründet. Diese Einschätzung von Dr. F. steht damit nicht in Widerspruch zu seiner Annahme, der Kläger könne noch vollschichtig mittelschwere Arbeiten verrichten. Soweit Dr. F. erklärt hat, dass weitere fachärztliche Untersuchungen sowie stationäre Heilmaßnahmen nicht erforderlich sind, bedeutet dies zum einen, dass er eine weitere Begutachtung im laufenden Gerichtsverfahren und zum anderen eine stationäre Reha-Maßnahme nicht für erforderlich hält. Dies steht ersichtlich nicht im Widerspruch zu der Einschätzung, der Klägers sollte sich einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung unterziehen. Schließlich liegt auch keine Widersprüchlichkeit in dem Umstand, dass Dr. F. das Vorliegen bestimmter Gesundheitsstörungen bestätigt, zugleich aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen hat. Dr. F. bringt damit für den Senat nachvollziehbar nur zum Ausdruck, dass die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht entgegenstehen.

Die Einschätzung von Dr. F. steht im wesentlichen in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Sachverständigen R. , mit dem vom Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Beklagten von Dr. S. sowie der Leistungsbeurteilung durch das R. Rehabilitations- und Präventionszentrum Bad K ...

Die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung durch Dr. S. konnte den Senat nicht überzeugen. Die körperliche Untersuchung bei Dr. S. ergab wie bei den anderen Sachverständigen auch keine gravierenden Auffälligkeiten. Der von Dr. S. erhobene psychopathologische Befund war darüber hinaus ebenfalls nicht gravierend auffällig. So war der Kläger dort auch örtlich, zeitlich situativ und zur Person voll orientiert. Die Selbstreflexion war ausreichend, ebenso die intellektuelle Leistungsfähigkeit. Eine Störung der Aufmerksamkeit konnte Dr. S. nicht feststellen. Die von ihm erwähnte deutlich nachlassende Konzentrationsfähigkeit wird nicht näher beschrieben. Bei der Untersuchung durch Dr. F. waren derartige Störungen nicht auffällig. Gedächtnisstörungen konnte Dr. S. ebenso wenig wie sichere formale Denkstörungen, Wahnvorstellungen, Sinnestäuschungen oder Ichstörungen positivieren. Antriebsmäßig war der Kläger "eher" reduziert, die Psychomotorik jedoch adäquat.

Die von Dr. S. festgestellte deutliche Auslenkung des Affekts zum depressiven Pol hin relativiert sich bei Berücksichtigung des Umstands, dass sich der Kläger bei Dr. F. selbst als nicht depressiv eingeschätzt hat und dort auch nur leichtgradig dysphorisch verstimmt wirkte. Der Senat konnte angesichts des von Dr. F. herausgearbeiteten umfangreichen Aktivitätsspektrums des Klägers auch nicht die volle Überzeugung davon gewinnen, dass der von Dr. S. hervorgehobene reduzierte Antrieb mit deutlicher Reduktion des "psychoenergetischen Niveaus" tatsächlich so gravierend ist, dass eine quantitative Leistungseinschränkung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorliegt. Die von Dr. S. aufgestellte Behauptung, beim Kläger seien ebenfalls kaum Spontanaktivitäten vorhanden, verwundert angesichts der oben aufgeführten zahlreichen Beschäftigungen des Klägers ebenfalls. Das umfangreiche Aktivitätsspektrum des Klägers würdigt Dr. S. nicht zureichend.

Der Senat misst auch dem Umstand, dass der Kläger nach Angaben von Dr. S. bei Wiedereingliederungsversuchen kaum mehr als 4 Stunden Arbeitszeit pro Tag schafft, keine durchgreifende Bedeutung zu. Angesichts eines laufenden Rentenverfahrens ist nicht zu erwarten, dass der Kläger hier alle verfügbaren Mittel seines Willens anspannt, um diesen Wiedereingliederungsversuchen zum Erfolg zu verhelfen. Denn dies liefe dem Ziel des anhängigen Verfahrens, nämlich der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, konträr entgegen. Da nach der den Senat überzeugenden Einschätzung von Dr. F. der Kläger in der Lage ist, seine Hemmungen gegenüber der Erbringung von Arbeitsleistungen jedenfalls mit ärztlicher Hilfe zu überwinden, kann das vom Kläger ausweislich des Berichts des nichtärztlichen Personals der dbo Dienstleistungen & Bildung vom 23. Juni 2014 im Rahmen der Integrationsmaßnahme tatsächlich demonstrierte Verhalten (Panikattacken in Form von eingeschränkter Mitteilungsfähigkeit, massivem Zittern und Schwitzen) keine tragfähige Grundlage für eine Rentengewährung sein.

Für den vorliegenden Rechtsstreit ist auch unerheblich, dass die private Versicherung des Klägers nach seinen Angaben Erwerbsminderung anerkannt hat, da sie rückwirkend ab Mai 2012 entsprechend einer Erwerbsminderungsfortzahlungsklausel die Beiträge für die vom Kläger abgeschlossene Riester-Rentenversicherung entrichtet. An derartige Festlegungen einer privaten Versicherung ist die Beklagte nicht gebunden.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger noch in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich und mehr zu verrichten.

Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegen weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, durch die für ihn der Arbeitsmarkt verschlossen wäre. Die von Dr. F. aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen, die der Senat seiner Beurteilung zu Grunde legt, sind nicht ungewöhnlich und schränken die Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht im besonderen Maße ein. Eine Funktionsbeeinträchtigung an den oberen oder unteren Extremitäten liegt nicht vor, auch besteht kein unüblicher Pausenbedarf. Schließlich ist die Wegefähigkeit des Klägers uneingeschränkt erhalten. Darüber hinaus ist hier zu berücksichtigen, dass dem Kläger nach den Feststellungen von Dr. F. sogar noch mittelschwere Arbeiten zuzumuten sind. Dr. F. hat auch ausdrücklich festgestellt, dass die üblicherweise in ungelernten Tätigkeiten zu verrichtenden Arbeiten wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren usw. dem Kläger bei insoweit erhaltener Umstellungsfähigkeit noch zugemutet werden können.

Die Berufung war damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§§ 183,193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved