Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1934/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 1699/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. März 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Verletztenrente im Anschluss an einen anerkannten Arbeitsunfall.
Der am 06.04.1974 geborene Kläger war als Arbeiter bei einer Produktions- und Vertriebsgesellschaft für Küchen beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) gesetzlich unfallversichert.
Am 19.01.2010 erlitt der Kläger einen Unfall, indem ihm beim Abziehen einer Folie eine Küchenspüle aus der Hand rutschte und er sich beim Nachgreifen den linken Arm verdrehte (Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 25.01.2010 ). In dem Durchgangsarztbericht (D-Arzt-Bericht) vom selben Tage diagnostizierte Dr. A. eine distale Bizepssehnenruptur links. Am 21.01.2010 wurde im Krankenhaus B. eine Sehnenrevision und Re-Insertion links durchgeführt.
Mit Bescheid vom 12.02.2010 und Widerspruchsbescheid vom 04.05.2010 hatte die BGHM zunächst die Anerkennung als Arbeitsunfall abgelehnt. In dem deswegen vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) geführten Klageverfahren (S 20 U 2931/10) war bei dem Orthopäden Dr. C. das Sachverständigengutachten vom 13.08.2010 eingeholt worden. Jener Sachverständige hatte einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und der Ruptur der Bizepssehne angenommen, die aktuellen Beeinträchtigungen beschrieben und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. bis zum Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 09.04.2010 und danach von derzeit (damals) 20 v.H. angenommen. Die BGHM erkannte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 05.10.2010 mit Schriftsatz vom 08.11.2010 das angeschuldigte Ereignis als Arbeitsunfall sowie die Bizepssehnenruptur links als Unfallfolge an. Auf Nachfrage des Klägers verweigerte sie jedoch eine Entscheidung über Leistungen, da ein solcher Anspruch nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens sei (Schriftsatz vom 24.05.2011). Der Kläger nahm das Anerkenntnis am 15.07.2011 an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 26.08.2011 lehnte die BGHM – von Amts wegen – die Gewährung einer Rente ab. Als Unfallfolgen seien verblieben eine geringe Muskelminderung am Oberarm und eine endgradige Einschränkung der Unterarmdrehung nach operativ versorgtem Bizepssehnenriss. Diese Beeinträchtigungen führten nicht zu einer MdE von wenigstens 20 v.H.
Im Vorverfahren wies der Kläger auf den Vorschlag Dr. C.s hin, eine MdE von 20 v.H. anzunehmen. Die BGHM holte noch den H-Arzt-Bericht des Orthopäden D. vom 12.01.2012 ein, der eine reizlose Narbe an der linken Ellenbeuge, eine gut tastbare und leicht verquollene distale Bizepssehne, jedoch eine deutliche Kraftminderung von 2/5 im Vergleich zu rechts bei freier Beweglichkeit des Ellenbogens und intakter DMS (Durchblutung, Motorik, Sensibilität) ergab. Die BGHM erließ daraufhin den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.03.2012.
Hiergegen hat der Kläger am 18.04.2012 gegen die BGHM Klage zum SG erhoben. Er hat vorgetragen, die Bewertung der MdE mit "unter 20 v.H." sei deutlich zu niedrig. Sein Gesundheitszustand sei kontinuierlich schlecht geblieben. Er sei in seiner körperlichen Bewegungsfähigkeit eingeschränkt.
Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt um den 10.04.2012 war das Unternehmen, in dem der Kläger weiterhin beschäftigt ist, an die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW), überwiesen worden. Dies teilten die BGHM und die BGHW (im Folgenden: die Beklagte) dem SG mit. Dieses änderte mit Zustimmung des Klägers daraufhin formlos das Passivrubrum ab.
Nachdem die Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG den Kläger bei dem Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Prof. Dr. E. begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 26.10.2012 ausgeführt, bei dem Kläger beständen noch eine geringe Verschmächtigung der Muskulatur am linken Oberarm, dort auch geringgradige Einschränkungen der Streckung/Beugung (0-5-145° gegenüber 0-0-150° rechts) und der Einwärts- und Auswärtsdrehung (85-0-75° gegenüber 90-0-80° rechts) sowie eine geringgradige Verminderung der groben Kraft mit geringer Kraftverminderung auch im Faustschluss links. Dieser Befund entspreche weitgehend dem Vorgutachten vom 13.08.2010. Nach der einschlägigen Literatur und den Erfahrungssätzen lasse sich für diese Beeinträchtigungen eine MdE von 20 v.H. nicht begründen. Vielmehr betrage die MdE 10 v.H.
Gestützt auf dieses Gutachten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.03.2014 abgewiesen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.04.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, es bestehe weiterhin ein erhebliches Kraftdefizit.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. März 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2012 zu verurteilen, Leistungen in Form einer Verletztenrente in gesetzlicher Höhe, mindestens nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen.
Der Kläger hatte zwischenzeitlich einen Antrag auf eine wahlärztliche Begutachtung gestellt und auch den Kostenvorschuss eingezahlt, hat jedoch keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 02.03.2015 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Kläger hat dieser Verfahrensweise unter dem 16.03.2015 zugestimmt, ohne den Antrag auf Einholung eines wahlärztlichen Gutachtens aufrechtzuerhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, ohne zuvor das beantragte Gutachten nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzuholen. Der Kläger hat diesen Antrag nicht aufrecht erhalten, sondern sich auf Anfrage des Senats mit einem Urteil im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Es kann daher offen bleiben, ob der Antrag abzulehnen gewesen wäre.
2. Auf Grund der genannten Zustimmungen der Beteiligten entscheidet der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
3. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewiesen:
a) Allerdings ist die Klage gegen die nunmehr als Beklagte geführte BGHW zulässig. An sie wurde das Mitgliedsunternehmen, in dem der Kläger beschäftigt war, nach § 136 Abs. 1 Satz 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) überwiesen, nachdem sich offensichtlich die materiellen Voraussetzungen der Zuständigkeit geändert hatten. Damit wurde die Beklagte nach § 137 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VII auch für die zuvor eingetretenen Versicherungsfälle zuständig. Ob dieser Zuständigkeitswechsel vor oder nach Klageerhebung eingetreten ist, kann hier offen bleiben. Selbst wenn er erst während der Rechtshängigkeit der Klage eintrat, so war die Beklagte hier befugt, den Rechtsstreit aufzunehmen. Nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordung (ZPO) ist ein Rechtsnachfolger berechtigt, den Prozess als Hauptpartei zu übernehmen, wenn der Gegner zustimmt. Diese Regelung war hier anwendbar, nachdem die jetzige Beklagte nicht als Gesamtrechtsnachfolgerin (Funktionsnachfolgerin) zuständig geworden ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 99 Rn. 6a), sondern die bisher zuständige BGHM fortbesteht. Aber der Kläger hatte dem Parteiwechsel unter dem 25.06.2012 zugestimmt.
b) Die Klage ist aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Verletztenrente als Folge des Arbeitsunfalls vom 19.01.2010. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII liegen nicht vor. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist in Folge des Unfalls nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert.
Die unfallversicherungsrechtlich relevante MdE für die Folgen einer Verletzung der Bizepssehne bemisst sich nach den einschlägigen Erfahrungswerten der medizinischen Fachliteratur insbesondere nach den Einschränkungen der Beweglichkeiten im Ellenbogengelenk, weil die Bizepssehnen nur für die Beugung und die Auswärtsdrehung des Unterarms sorgen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 402). Hierbei ist eine MdE von 20 v.H. - erst - erreicht bei einer Einschränkung der Streckung/Beugung auf 30-0-90°, eine MdE von 10 v.H. ist bereits - bei gleicher Einschränkung der Streckfähigkeit - bei einer Einschränkung der Beugung auf 120° gerechtfertigt (Normwert 150° und mehr, vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O, S. 530 f.). Andere Einschränkungen wie Kraftminderungen sind ergänzend zu berücksichtigen, soweit sie Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit haben.
Bei dem Kläger besteht nach den Feststellungen des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Prof. Dr. E., an denen der Senat keinen Anlass zu zweifeln hat, eine endgradige Einschränkung der Streckfähigkeit von lediglich 5°, vor allem aber ist die Beugefähigkeit nahezu uneingeschränkt (145°, vgl. auch die Beugefähigkeit von 150° auf der gesunden rechten Seite, zu allem S. 8 des Gutachtens). Wenn Prof. Dr. E. vor diesem Hintergrund eine MdE von 10 v.H. vorschlägt, ist dies nicht als zu gering zu beanstanden. Eine MdE von 20 v.H. kann jedenfalls auch nicht zusammen mit den weiteren Beeinträchtigungen (entsprechend geringe endgradige Einschränkung der Drehung, geringe Kraftminderung [die Muskelminderung allein ist keine Funktionsbeeinträchtigung, sondern ein medizinisches Indiz für eine Minderbelastung einer Seite, die evtl. auf ein Kraftdefizit zurückgeführt werden kann] und ein Druckschmerz) erreicht werden, zumal das Beugedefizit allein nicht einmal eine MdE von 10 v.H. bedingen würde.
An dieser Einschätzung ändert auch das Gutachten von Dr. C. aus dem ersten Prozess vor dem SG nichts. Bereits damals war die Beweglichkeit nahezu überhaupt nicht eingeschränkt (0-0-145° bds., S. 7 des Gutachtens). Der damalige Vorschlag einer MdE von 20 v.H. (der gar nicht Gegenstand des Gutachtenauftrags gewesen war) beruhte allein auf einem damals festgestellten - wohl höheren - Kraftdefizit (S. 13 des Gutachtens). Schon Dr. C. hatte damals allerdings angeführt, dass jenes Kraftdefizit binnen weiterer drei Monate, also bis zum 01.11.2010, ausgeheilt sein werde. Diese Mutmaßung ist eingetreten, hat doch Prof. Dr. E. nunmehr ein deutlich geringeres Defizit der groben Kraft links gemessen.
Die Einschätzung insbesondere von Prof. Dr. E. wird auch bestätigt durch den H-Arzt-Bericht des Orthopäden D. vom 12.01.2012. Dieser hatte zwar ebenfalls auf das noch bestehende Kraftdefizit hingewiesen, das zu jener Zeit 2/5 der groben Kraft betrug; er hatte aber vor allem auch eine freie Beweglichkeit des Ellenbogens und keine Beeinträchtigungen von Durchblutung, Motorik oder Sensibilität feststellen können.
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht angenommen werden, dass nach dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bzw. nach der 26. Woche nach dem Unfall vorübergehend eine MdE von 20 v.H. bestanden hat.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Verletztenrente im Anschluss an einen anerkannten Arbeitsunfall.
Der am 06.04.1974 geborene Kläger war als Arbeiter bei einer Produktions- und Vertriebsgesellschaft für Küchen beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) gesetzlich unfallversichert.
Am 19.01.2010 erlitt der Kläger einen Unfall, indem ihm beim Abziehen einer Folie eine Küchenspüle aus der Hand rutschte und er sich beim Nachgreifen den linken Arm verdrehte (Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 25.01.2010 ). In dem Durchgangsarztbericht (D-Arzt-Bericht) vom selben Tage diagnostizierte Dr. A. eine distale Bizepssehnenruptur links. Am 21.01.2010 wurde im Krankenhaus B. eine Sehnenrevision und Re-Insertion links durchgeführt.
Mit Bescheid vom 12.02.2010 und Widerspruchsbescheid vom 04.05.2010 hatte die BGHM zunächst die Anerkennung als Arbeitsunfall abgelehnt. In dem deswegen vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) geführten Klageverfahren (S 20 U 2931/10) war bei dem Orthopäden Dr. C. das Sachverständigengutachten vom 13.08.2010 eingeholt worden. Jener Sachverständige hatte einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und der Ruptur der Bizepssehne angenommen, die aktuellen Beeinträchtigungen beschrieben und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. bis zum Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 09.04.2010 und danach von derzeit (damals) 20 v.H. angenommen. Die BGHM erkannte nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 05.10.2010 mit Schriftsatz vom 08.11.2010 das angeschuldigte Ereignis als Arbeitsunfall sowie die Bizepssehnenruptur links als Unfallfolge an. Auf Nachfrage des Klägers verweigerte sie jedoch eine Entscheidung über Leistungen, da ein solcher Anspruch nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens sei (Schriftsatz vom 24.05.2011). Der Kläger nahm das Anerkenntnis am 15.07.2011 an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 26.08.2011 lehnte die BGHM – von Amts wegen – die Gewährung einer Rente ab. Als Unfallfolgen seien verblieben eine geringe Muskelminderung am Oberarm und eine endgradige Einschränkung der Unterarmdrehung nach operativ versorgtem Bizepssehnenriss. Diese Beeinträchtigungen führten nicht zu einer MdE von wenigstens 20 v.H.
Im Vorverfahren wies der Kläger auf den Vorschlag Dr. C.s hin, eine MdE von 20 v.H. anzunehmen. Die BGHM holte noch den H-Arzt-Bericht des Orthopäden D. vom 12.01.2012 ein, der eine reizlose Narbe an der linken Ellenbeuge, eine gut tastbare und leicht verquollene distale Bizepssehne, jedoch eine deutliche Kraftminderung von 2/5 im Vergleich zu rechts bei freier Beweglichkeit des Ellenbogens und intakter DMS (Durchblutung, Motorik, Sensibilität) ergab. Die BGHM erließ daraufhin den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.03.2012.
Hiergegen hat der Kläger am 18.04.2012 gegen die BGHM Klage zum SG erhoben. Er hat vorgetragen, die Bewertung der MdE mit "unter 20 v.H." sei deutlich zu niedrig. Sein Gesundheitszustand sei kontinuierlich schlecht geblieben. Er sei in seiner körperlichen Bewegungsfähigkeit eingeschränkt.
Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt um den 10.04.2012 war das Unternehmen, in dem der Kläger weiterhin beschäftigt ist, an die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW), überwiesen worden. Dies teilten die BGHM und die BGHW (im Folgenden: die Beklagte) dem SG mit. Dieses änderte mit Zustimmung des Klägers daraufhin formlos das Passivrubrum ab.
Nachdem die Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG den Kläger bei dem Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Prof. Dr. E. begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 26.10.2012 ausgeführt, bei dem Kläger beständen noch eine geringe Verschmächtigung der Muskulatur am linken Oberarm, dort auch geringgradige Einschränkungen der Streckung/Beugung (0-5-145° gegenüber 0-0-150° rechts) und der Einwärts- und Auswärtsdrehung (85-0-75° gegenüber 90-0-80° rechts) sowie eine geringgradige Verminderung der groben Kraft mit geringer Kraftverminderung auch im Faustschluss links. Dieser Befund entspreche weitgehend dem Vorgutachten vom 13.08.2010. Nach der einschlägigen Literatur und den Erfahrungssätzen lasse sich für diese Beeinträchtigungen eine MdE von 20 v.H. nicht begründen. Vielmehr betrage die MdE 10 v.H.
Gestützt auf dieses Gutachten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.03.2014 abgewiesen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.04.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, es bestehe weiterhin ein erhebliches Kraftdefizit.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. März 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2012 zu verurteilen, Leistungen in Form einer Verletztenrente in gesetzlicher Höhe, mindestens nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen.
Der Kläger hatte zwischenzeitlich einen Antrag auf eine wahlärztliche Begutachtung gestellt und auch den Kostenvorschuss eingezahlt, hat jedoch keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben.
Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 02.03.2015 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Kläger hat dieser Verfahrensweise unter dem 16.03.2015 zugestimmt, ohne den Antrag auf Einholung eines wahlärztlichen Gutachtens aufrechtzuerhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, ohne zuvor das beantragte Gutachten nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzuholen. Der Kläger hat diesen Antrag nicht aufrecht erhalten, sondern sich auf Anfrage des Senats mit einem Urteil im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Es kann daher offen bleiben, ob der Antrag abzulehnen gewesen wäre.
2. Auf Grund der genannten Zustimmungen der Beteiligten entscheidet der Senat nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
3. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewiesen:
a) Allerdings ist die Klage gegen die nunmehr als Beklagte geführte BGHW zulässig. An sie wurde das Mitgliedsunternehmen, in dem der Kläger beschäftigt war, nach § 136 Abs. 1 Satz 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) überwiesen, nachdem sich offensichtlich die materiellen Voraussetzungen der Zuständigkeit geändert hatten. Damit wurde die Beklagte nach § 137 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VII auch für die zuvor eingetretenen Versicherungsfälle zuständig. Ob dieser Zuständigkeitswechsel vor oder nach Klageerhebung eingetreten ist, kann hier offen bleiben. Selbst wenn er erst während der Rechtshängigkeit der Klage eintrat, so war die Beklagte hier befugt, den Rechtsstreit aufzunehmen. Nach § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordung (ZPO) ist ein Rechtsnachfolger berechtigt, den Prozess als Hauptpartei zu übernehmen, wenn der Gegner zustimmt. Diese Regelung war hier anwendbar, nachdem die jetzige Beklagte nicht als Gesamtrechtsnachfolgerin (Funktionsnachfolgerin) zuständig geworden ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 99 Rn. 6a), sondern die bisher zuständige BGHM fortbesteht. Aber der Kläger hatte dem Parteiwechsel unter dem 25.06.2012 zugestimmt.
b) Die Klage ist aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Verletztenrente als Folge des Arbeitsunfalls vom 19.01.2010. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII liegen nicht vor. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist in Folge des Unfalls nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert.
Die unfallversicherungsrechtlich relevante MdE für die Folgen einer Verletzung der Bizepssehne bemisst sich nach den einschlägigen Erfahrungswerten der medizinischen Fachliteratur insbesondere nach den Einschränkungen der Beweglichkeiten im Ellenbogengelenk, weil die Bizepssehnen nur für die Beugung und die Auswärtsdrehung des Unterarms sorgen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 402). Hierbei ist eine MdE von 20 v.H. - erst - erreicht bei einer Einschränkung der Streckung/Beugung auf 30-0-90°, eine MdE von 10 v.H. ist bereits - bei gleicher Einschränkung der Streckfähigkeit - bei einer Einschränkung der Beugung auf 120° gerechtfertigt (Normwert 150° und mehr, vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O, S. 530 f.). Andere Einschränkungen wie Kraftminderungen sind ergänzend zu berücksichtigen, soweit sie Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit haben.
Bei dem Kläger besteht nach den Feststellungen des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Prof. Dr. E., an denen der Senat keinen Anlass zu zweifeln hat, eine endgradige Einschränkung der Streckfähigkeit von lediglich 5°, vor allem aber ist die Beugefähigkeit nahezu uneingeschränkt (145°, vgl. auch die Beugefähigkeit von 150° auf der gesunden rechten Seite, zu allem S. 8 des Gutachtens). Wenn Prof. Dr. E. vor diesem Hintergrund eine MdE von 10 v.H. vorschlägt, ist dies nicht als zu gering zu beanstanden. Eine MdE von 20 v.H. kann jedenfalls auch nicht zusammen mit den weiteren Beeinträchtigungen (entsprechend geringe endgradige Einschränkung der Drehung, geringe Kraftminderung [die Muskelminderung allein ist keine Funktionsbeeinträchtigung, sondern ein medizinisches Indiz für eine Minderbelastung einer Seite, die evtl. auf ein Kraftdefizit zurückgeführt werden kann] und ein Druckschmerz) erreicht werden, zumal das Beugedefizit allein nicht einmal eine MdE von 10 v.H. bedingen würde.
An dieser Einschätzung ändert auch das Gutachten von Dr. C. aus dem ersten Prozess vor dem SG nichts. Bereits damals war die Beweglichkeit nahezu überhaupt nicht eingeschränkt (0-0-145° bds., S. 7 des Gutachtens). Der damalige Vorschlag einer MdE von 20 v.H. (der gar nicht Gegenstand des Gutachtenauftrags gewesen war) beruhte allein auf einem damals festgestellten - wohl höheren - Kraftdefizit (S. 13 des Gutachtens). Schon Dr. C. hatte damals allerdings angeführt, dass jenes Kraftdefizit binnen weiterer drei Monate, also bis zum 01.11.2010, ausgeheilt sein werde. Diese Mutmaßung ist eingetreten, hat doch Prof. Dr. E. nunmehr ein deutlich geringeres Defizit der groben Kraft links gemessen.
Die Einschätzung insbesondere von Prof. Dr. E. wird auch bestätigt durch den H-Arzt-Bericht des Orthopäden D. vom 12.01.2012. Dieser hatte zwar ebenfalls auf das noch bestehende Kraftdefizit hingewiesen, das zu jener Zeit 2/5 der groben Kraft betrug; er hatte aber vor allem auch eine freie Beweglichkeit des Ellenbogens und keine Beeinträchtigungen von Durchblutung, Motorik oder Sensibilität feststellen können.
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht angenommen werden, dass nach dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bzw. nach der 26. Woche nach dem Unfall vorübergehend eine MdE von 20 v.H. bestanden hat.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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