L 25 AS 111/15 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 34 AS 1814/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 111/15 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 1. Dezember 2014 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Cottbus, in dem die Kläger die Entfernung sämtlicher Kontoauszüge aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten begehren, ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

1. Die Beschwerde war zunächst dahingehend auszulegen, dass sie im Namen aller im Rubrum aufgeführten Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft eingelegt wurde. Der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger ist sowohl im Verwaltungs- als auch im Klage- und Prozesskostenhilfeverfahren jeweils ausdrücklich im Namen sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgetreten. Vor diesem Hintergrund geht der Senat trotz des nur auf die Klägerin zu 1. bezogenen Rubrums des angegriffenen Beschlusses des Sozialgerichts, das den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt hat, davon aus, dass das Sozialgericht zugleich auch über den Antrag der Kläger zu 2. bis 5. entscheiden wollte und entschieden hat.

2. a) Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. dem in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Artikel 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88BVerfGE 81, 347 ff.; und vom 3. März 2014 – 1 BvR 1671/13 – zitiert nach juris). Damit muss der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

b) Die vorliegende Rechtsverfolgung bietet nach Maßgabe dieser Grundsätze keine hinreichenden Erfolgsaussichten.

aa) Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Entfernung sämtlicher Kontoauszüge aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten kommt einzig § 84 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Betracht (vgl. zum individualschützenden Charakter dieser Regelung und zur Subsidiarität entsprechender Anspruchsgrundlagen nach dem Bundesdatenschutzgesetz Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. Juli 2010 – B 2 U 17/09 R –, juris Rn. 19 f.). Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Sie sind nach Satz 2 auch zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die verantwortliche Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass durch die Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden.

Dass die Anforderung von Kontoauszügen durch den Grundsicherungsträger grundsätzlich zulässig ist und insoweit auch eine zulässige Datenerhebung im Sinne des § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X darstellt (vgl. dazu BSG, Urteile vom 19. September 2008 – B 14 AS 45/07 R –, und 19. Februar 2009 – B 4 AS 10/08 R –, jeweils zitiert nach juris), stellen die Kläger selbst ausdrücklich nicht in Frage.

Ob rechtmäßig angeforderte Kontoauszüge stets auch über einen längeren Zeitraum aufbewahrt werden dürfen (so wohl Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 21. Mai 2014 – L 7 AS 347/14 B ER –, juris Rn. 16 ff.), dürfte vorliegend dahingestellt bleiben können. Jedenfalls soweit sich aus vorgelegten Kontoauszügen ein weiterer Ermittlungsbedarf oder eine Änderung in der Leistungshöhe ergibt, dürfte deren Aufbewahrung eine gemäß § 67c Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtmäßige Datenspeicherung darstellen (vgl. den Tätigkeitsbericht 2011 und 2012 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 24. April 2013, BT-Drs. 17/13000, S. 159 f.). Vor dem Hintergrund etwa der Regelungen in § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X und § 35 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) dürfte insoweit auch die in dem Aktenplan SGB II der Bundesagentur für Arbeit und der gemeinsamen Einrichtungen nach SGB II (abrufbar unter www.arbeitsagentur.de) geregelte zehnjährige pauschale Aufbewahrungsfrist nicht zu beanstanden sein (vgl. dazu näher Bayerisches LSG, a.a.O., juris Rn. 21 ff.).

Der Beklagte geht ausweislich des angefochtenen Widerspruchsbescheides mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (a.a.O.) selbst davon aus, dass eine Aufbewahrung der Kontoauszüge dann zulässig ist, wenn sich aus den vorgelegten Kontoauszügen ein weiterer Ermittlungsbedarf oder eine Änderung in der Leistungshöhe ergibt, und dass für den Fall, dass in der Verwaltungsakte Kontoauszüge aufbewahrt werden, diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Soweit die Kläger dies pauschal bestreiten und behaupten, in der Verwaltungsakte des Beklagten befänden sich "zahlreiche Kopien von Kontoauszügen der Klägerin" und es sei nicht ersichtlich und von dem Beklagten auch nicht vorgetragen worden, wofür diese noch benötigt würden, dürfte es sich um einen pauschalen Vortrag "ins Blaue hinein" handeln, der nicht geeignet ist, eine weitere Amtsermittlungspflicht des Beklagten gemäß § 20 SGB X (und damit auch des Sozialgerichts gemäß § 103 SGG) auszulösen und damit eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu begründen. Dafür dürfte neben dem Umstand, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger offenbar eine Vielzahl gleichgelagerter Verfahren unterschiedlicher Kläger betreibt, vorliegend insbesondere sprechen, dass sich in den sieben Bände umfassenden Verwaltungsakten des Beklagten jedenfalls bei kursorischer Prüfung überhaupt nur zwei Kontoauszüge befinden dürften, deren Anforderung und Aufbewahrung durch den Beklagten zur Feststellung eines den Leistungsanspruch ausschließenden Bezuges von Berufsausbildungsbeihilfe zudem sicher rechtmäßig gewesen sein dürfte. Vor diesem Hintergrund dürfte bereits die Behauptung, bei den Verwaltungsakten befänden sich "zahlreiche Kopien von Kontoauszügen", schlicht nicht nachvollziehbar sein.

Da sich auch aus dem weiteren Vorbringen der Kläger und auch sonst keinerlei hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben dürften, dass Kontoauszüge durch den Beklagten zu Unrecht aufbewahrt wurden, dürfte sich jede weitere Sachverhaltsaufklärung durch den Beklagten (und das Sozialgericht) als Ermittlung "ins Blaue hinein" darstellen, zu der auch unter Berücksichtigung des sich aus § 20 SGB X (und § 103 SGG) ergebenden Amtsermittlungsgrundsatzes keine Verpflichtung bestehen dürfte (vgl. Siefert, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 20 Rn. 15; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103 Rn. 8a, jeweils m.w.N.; vgl. auch ¬– zum Umfang der Überprüfungspflicht nach § 44 SGB X – BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 22/13 R –, juris Rn. 19).

bb) Aus den vorstehend dargelegten Gründen hat auch die auf die Feststellung gerichtete Klage, dass der Beklagte durch die Speicherung der Kontoauszüge in der Verwaltungsakte das geltende Recht verletzt hat, ungeachtet deren Zulässigkeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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