Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 281/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 150/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 191/15
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
BSG: NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2013 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung eines weiteren, bei einem Arbeitsunfall erlittenen Gesundheitserstschadens – konkret eines Wirbelkörperkompressionsbruchs im Bereich L 1 - sowie Kostenübernahme der Heilbehandlung dafür.
Der 1937 geborene Kläger erlitt am 11. Juli 1973 einen Unfall, als er neben einem Gittermast-Autokranausleger, welcher sich ca. 1,5 m über dem Straßenniveau befand, mit der linken Hand den letzte Haltebolzen des Auslegers mit einem Handhammer auszuschlagen versuchte. Hierbei wurde er von einem Arbeitskollegen berührt und im Moment des Schlages unter den Ausleger gestoßen. Der herabfallende Ausleger traf den Kläger an der linken Körperhälfte.
Der Kläger befand sich vom 11. bis zum 27. Juli 1973 zur operativen Versorgung in stationärer Behandlung des DRK Krankenhauses J in Berlin. Dem Befundbericht des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung des DRK Krankenhauses Dr. R vom 19. Juli 1973 ist zu entnehmen: 36-jähriger vollorientierter Patient, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks mit ausgedehntem Hämatom, Schürfung und Hämatom linker Oberschenkel Streckseite, Schürfung unter dem linken Knie sowie Hämatom linker Oberarm.
Die Röntgenuntersuchung des linken Oberschenkels ergab: Kein Anhalt für posttraumatische ossäre Veränderungen im Bereich des linken Femurs; die des linken Sprunggelenkes: Fraktur des Malleolus tibialis des linken Unterschenkels.
Im "Ersten Rentengutachten" stellte Dr. Dr. H am 15. November 1973 an Verletzungen durch den Unfall einen stark verschobenen Bruch des linken Innenknöchels sowie Blutergüsse am linken Oberarm und am linken Oberschenkel fest, wobei die Röntgenaufnahme der oberen Sprunggelenke beiderseits auf der linken Seite einen vollständig achsengerecht und knöchern verheilten Innenknöchelbruch links zeigte. Unter "B. Gegenwärtiger Zustand und Beurteilung" gab der Gutachter die "Klagen des Verletzten" wie folgt wieder: "Am li. Oberschenkel habe ich immer noch ein taubes Gefühl. Ferner habe ich Schmerzen am li. Fuß. Der Fuß schwillt etwas abends an. Morgens sind die Sprunggelenke steif. Ich muss mich dann erst einlaufen. Auf unebener Erde fühle ich mich unsicher."
Die Rechtsvorgängerin (Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung) der Beklagten erkannte mit Bescheid vom 23. November 1973 den Unfall vom 11. Juli 1973 als Arbeitsunfall an sowie an bestehenden Unfallfolgen: "Nach Bruch des linken Innenknöchels und Prellung am linken Oberarm und am linken Oberschenkel: Weichteilverdickung der Knöchelgabel links, Narbenbildung über dem linken Innenknöchel, Einschränkung der Beweglichkeit im linken oberen Sprunggelenk, Narbenbildung an der Streckseite des linken Oberschenkels, Verschmächtigung der Ober- und Unterschenkelweichteile links."
Die Beklagte leistete dem Kläger wegen der Folgen dieses Unfalls zunächst eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v. H.).
Zur aktuellen Einschätzung der Verletzungsfolgen erstattete Dr. Dr. H am 03. Mai 1975 ein "Zweites Rentengutachten", in welchem es festhielt: "Die Verletzung des li. Oberarms ist folgenlos ausgeklungen. Der spezielle Verletzungsbefund betrifft die unteren Gliedmaßen ... Der Pat. befindet sich in guter körperlicher Verfassung. Das Becken ist symmetrisch und fest. Beide Hüftgelenke sind frei beweglich. Die Oberschenkelweichteile sind seitengleich entwickelt. In der Umgebung der Narbe mäßige Sensibilitätsstörungen bei guter Verschieblichkeit. Beide Kniegelenke sind frei beweglich. Die Beweglichkeit der Zehen ist etwa seitengleich. Auch die Beschwielung der Fußsohlen hat keine Seitenunterschiede. Der Barfußgang ist ungestört und gut raumgreifend ...Vorfuß- und Hackengang werden ausgeführt." Die Röntgenaufnahme beider Sprunggelenke vom 03. Mai 1975 zeigte eine achsengerecht ausgeheilte Fraktur.
Mit Bescheid vom 27. Mai 1975 entzog die Beklagte dem Kläger mit Ablauf des Monats Juni 1975 die Rente unter Verweis auf die MdE-Bewertung des Gutachters Dr. Dr. Hmit nur noch 10 v. H ...
Bei der am 17. Oktober 1975 durchgeführten Röntgenuntersuchung der LWS des Klägers wurde ein Wirbelkörperkompressionsbruch im Bereich L 1 festgestellt.
Am 13. Dezember 1996 wurde der Kläger während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Großhandels- und Lagerei- Berufsgenossenschaft (GroLa BG) Opfer eines Überfalls, bei dem er tätlich angegriffen wurde und der durch Bescheid vom 23. Mai 2011 als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Die GroLa BG holte zur Feststellung der verbliebenen Unfallfolgen ein neurologisches Fachgutachten ein, welches durch Prof. Dr. Hund Dr. P am 16. Januar 2001 erstellt wurde. Hier werden überwiegend Probleme mit dem rechten Unterarm vom Kläger angegeben, Beschwerden mit der Wirbelsäule werden nicht berichtet.
Aufgrund eines vom Kläger mit der Begründung: " das Gelenk ist weiter versteift, beim laufen und längeren stehen schmerzt der Knöchel und ist geschwollen." eingeleiteten Überprüfungsverfahrens im April 2000 veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K. In seinen Gutachten vom 24. Mai 2000 und vom 31. Oktober 2003 verwies er jeweils als unfallunabhängige krankhafte Veränderungen des Klägers auf die unter "2. Allgemeinzustand" festgehaltenen: "1985 Wirbelsäulenbeschwerden - ärztliche Behandlung".
Mit Bescheiden vom 18. Februar 2004 stellte die Beklagte an Unfallfolgen fest: Nach verschobenem Bruch des linken Innenknöchels,
- diskrete Minderung der Oberschenkelmuskulatur links,
- leichte Sensibilitätsstörungen im Bereich der Narbenbildung,
- endgradige Bewegungseinschränkung des linken oberen und unteren Sprunggelenks,
- Verschleißerscheinungen an der Gelenksfläche des Innenknöchels links.
Als Folgen des Arbeitsunfalles erkannte sie nicht an: Zustand der Folgen des Unfalls vom 13. Dezember 1996, entschädigt durch die GroLa BG, Fehlhaltung der Hals-, Brust-, Lendenwirbelsäule mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizungen im Bereich der Wirbelsäule, Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelkörper L 5/S1 links Endgliedverlust des 5. Fingers links, Senk-Spreizfußstellung beidseits.
Mit Schreiben vom 05. September 2011 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten an, dass bei ihm anlässlich einer Begutachtung durch den Orthopäden Dr. E im Jahr 2010 eine lange zurückliegende Kompressionsfraktur des Wirbelkörpers L 1 festgestellt worden sei. Da er seit mehreren Jahrzehnten an Rückenschmerzen und Bewegungseinschränkungen leide, seien diese auf den Arbeitsunfall von 1973 zurückzuführen. Der Kläger begehrte von der Beklagten eine Anpassung der Unfallrente sowie die Gewährung weiterer Heilbehandlung.
Mit Bescheid vom 27. September 2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Wirbelkörperkompressionsfraktur ab. Diese Verletzung sei keine Folge des Arbeitsunfalls. Während der gesamten Akutbehandlung habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt – auch nicht anlässlich der Begutachtungen vom 15. November 1973, vom 13. Juni 1974 und vom 3. Mai 1975 – Wirbelsäulenbeschwerden angegeben. Erst bei einer Begutachtung im Mai 2000 sei erstmals mitgeteilt worden, dass der Kläger sich seit 1985 wegen Wirbelsäulenbeschwerden in ärztlicher Behandlung befunden habe. Bereits mit Bescheid vom 18. Februar 2004 seien Fehlhaltungen der gesamten Wirbelsäule mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizungen und einem Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 als unfallfremde Erkrankungen festgestellt worden.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass der Wirbelkörperkompressionsbruch bereits durch Röntgenbilder vom 17. Oktober 1975 festgestellt worden sei, nachdem er sich seit 1974 wegen Rückenschmerzen in ärztlicher Behandlung befunden habe. Der Sachverständige Prof. Dr. N habe bereits in einem Gutachten aus dem Jahr 1999 festgehalten, dass er seit 1975 an Wirbelsäulenbeschwerden mit Kribbelgefühl im Bereich beider Oberschenkel leide. Er habe bei allen Untersuchungen auf seine Rückenschmerzen hingewiesen, die jeweiligen Sachverständigen hätten jedoch mangels Vorstellung von einem Gittermast-Autokran fehlerhaft keine Verbindung mit dem Arbeitsunfall hergestellt. Aufgrund seines Schocks und der Gabe von Schmerzmitteln habe auch er zunächst keine Verbindung mit dem Unfall herstellen können. Die zeitliche Nähe zwischen Dokumentation und dem Unfall spreche für einen Zusammenhang.
Eine daraufhin von der Beklagten veranlasste radiologische Nachbefundung des medizinischen Bildmaterials durch das Institut für Radiologie des Unfallkrankenhauses Berlin, Prof. Dr. M, vom 01. November 2011 ergab, dass in den Röntgenaufnahmen von 1975 ein trapezoid deformierter 1. Lendenwirbelkörper zu erkennen war. An dessen Deckplatte zeigten sich auffallende spondylophytäre Ausziehungen nach ventrokranial, während in den sonstigen Segmenten lediglich initiale spondylophytäre Ausziehungen nachweisbar waren. Insgesamt habe am 17. Oktober 1975 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr frischer/eher älterer Deckplattenbruch vorgelegen. Der Bruch passe zeitlich prinzipiell zum Arbeitsunfall aus 1973, wenngleich eine exakte zeitliche Zuordnung bildmorphologisch nicht möglich sei. Als Unfallmechanismus sei eine Stauchung mit Inklination im thorakolumbalen Übergang zu postulieren. Ein solcher Mechanismus sei in der erfassten Beschreibung des Unfalls so nicht angegeben, Prof. Dr. M.
Daraufhin holte die Beklagte ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W-R ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass ein Unfallzusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Zum einen finde sich in den damaligen Behandlungsberichten keine Dokumentation einer Prellmarke, die eine direkte axiale Stauchung der Wirbelsäule belege. Nach Angaben des Klägers sei dieser Ende 1974 aus einer sitzenden Position plötzlich nicht mehr hochgekommen, er sei wie blockiert gewesen; im Anschluss habe er Heilbehandlung in Anspruch genommen. Soweit er sich erinnern könne, hätten sich die Schmerzen tief lumbal lokalisiert. In den ärztlichen Berichten vom 20. Februar 1974 und vom 5. April 1974 sei keine Rückensymptomatik erwähnt. Eine traumatisch bedingte Wirbelkörperfraktur impliziere jedoch im Allgemeinen eine erhebliche Schmerzhaftigkeit bis zu einem nahezu kompletten Funktionsverlust. Diese Symptome stellten sich sofort und nicht erst nach Wochen oder Jahren ein. Der Kläger habe bestätigt, dass während der letzten 40 Jahre Schmerzen konstant am lumbosakralen Übergang zu spüren gewesen seien. Somit stimmten auch Schmerz und Schadensort nicht überein. Die vom Kläger geklagten tiefen Schmerzen und Hypästhesien entlang der Oberschenkel seien einem – u.a. 2003 dokumentierten – Bandscheibenvorfall im Segment L 3 zuzuordnen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03. Mai 2012 wies die Beklagte den Widerspruch unter Berufung auf die Ergebnisse des Gutachtens zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Mai 2012 Klage erhoben. Er hat behauptet, der Ausleger habe ihn seinerzeit zuerst von hinten linksseitig an der Schulter getroffen und ihn wie ein Taschenmesser zusammenklappen lassen. Er sei mit dem Gesäß auf die Fahrbahn aufgeschlagen und habe sich halb sitzend, halb liegend unter dem Ausleger befunden. In gebückter Haltung sei er ins Krankenhaus gebracht worden. Dort sei seiner Ehefrau aufgefallen, dass er einen blauen "Hintern" habe. Dies habe sie wahrgenommen, da das Krankenhaushemd hinten offen gewesen sei und beim Aufstehen auseinander geklafft habe. Bei Stauchungsfrakturen der Wirbelsäule bestünden oftmals keine erheblichen Beschwerden, teilweise werde ein leichter Schmerz bemerkt, der bei Druck zunehme. Dass die Rückenschmerzen in den Gutachten bis zum 03. Mai 1975 nicht erwähnt wurden, erkläre sich dadurch, dass die Fraktur erstmals durch Röntgenbilder aus Oktober 1975 festgestellt worden sei.
Mit Urteil vom 27. August 2013 hat das SG die Klage - im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen darauf verwiesen, dass es zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend wahrscheinlich sei, dass durch den Arbeitsunfall aus dem Jahr 1973 eine Kompressionsfraktur des ersten Wirbelkörpers der Lendenwirbelsäule rechtlich wesentlich verursacht worden sei. Unter Verweis auf das Gutachten von Dr. W-R sei bereits die biomechanische Geeignetheit des Einwirkungsablaufes des Arbeitsunfalls zur Verursachung eines Wirbelkörperkompressionsbruches zweifelhaft. Nach der unfallmedizinischen Literatur sei eine axiale Krafteinwirkung (Stauchung) der Wirbelsäule zu fordern, um entsprechende Frakturen zu verursachen. Voraussetzung eines derart geeigneten Unfallherganges wäre die Dokumentation der bei derartigen Stauchungen zu erwartenden Begleitverletzungen, insbesondere von Prellmarken. Solche Anzeichen seien jedoch weder im Erstbefund noch im Lauf der späteren Behandlung angegeben worden. Sofern der Vortrag des Klägers zuträfe, er habe seinerzeit einen "blauen Hintern" gehabt, sei dies ein gegenüber dem Normalzustand erheblicher Befund, so dass dessen Dokumentation durch die behandelnden Ärzte - angesichts der auch an anderen Stellen aufgetretenen und dokumentierten Hämatome - in jedem Fall zu erwarten gewesen wäre. Selbst wenn die Behauptung des Klägers als wahr unterstellt werde, bestehe nach Auffassung der Kammer keine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Kausalität zwischen Unfalleinwirkung und Wirbelkörperbruch. Soweit der Gutachter Dr. W-R angebe, eine Wirbelkörperfraktur impliziere im allgemeinen eine "erhebliche Schmerzhaftigkeit bis hin zu einem nahezu kompletten Funktionsverlust" sei dies anhand der unfallversicherungsrechtlichen Standardliteratur so nicht nachvollziehbar, da ein isolierter Wirbelkörperbruch "häufig uncharakteristische und auch relativ leichte Beschwerden verursache, weshalb bekannt sei, dass bei entsprechender Toleranz die Betroffenen nicht zur Behandlung gehen oder bei den Untersuchungen derartige Schäden wegen der oft nur gering ausgebildeten klinischen Zeichen nicht beobachtet oder übersehen werden". Wie auch bereits das Institut für Radiologie in seiner Nachbegutachtung darauf verwiesen habe, sei jedoch ein exaktes zeitliches Zuordnungsbild morphologisch nicht möglich. Somit bestehe die Möglichkeit, dass eine entsprechende Verletzung in einem gewissen Zeitfenster um den Zeitpunkt des Arbeitsunfalles herum, insbesondere auch schon zuvor, eingetreten sein könne. Unter Verweis auf die unfallversicherungsrechtliche Literatur könne insbesondere die Verletzung bereits vor dem Arbeitsunfall eingetreten und zunächst unbemerkt geblieben sein. Denn ein Wirbelkörperkompressionsbruch könne danach auch bei einem ruckartigen Anheben eines schweren Gegenstandes entstanden seien. Ein solches Ereignis würde mangels Aufschlagens keine erkennbare Prellmarke hinterlassen und allenfalls zu leichten, uncharakteristischen Schmerzen führen und damit zunächst unentdeckt bleiben. Dies könne hier aufgrund der vor dem Unfall erheblichen körperliche Belastungen enthaltenden Berufslaufbahn des Klägers (Tätigkeiten seit 1956 als Kraftfahrer und Autokranfahrer) auch nicht als fernliegend abgetan werden. Somit spreche der zeitliche Verlauf nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die Annahme einer Kausalität zwischen Arbeitsunfall und Wirbelkörperkompressionsbruch. Soweit der Gutachter Dr. W-R auf die Inkongruenz von Verletzungsort und Schmerzlokalisation verweise, sei dies für die Kammer schlüssig und spreche ebenfalls gegen eine unfallbedingte Verursachung des Kompressionsbruches. Denn der Kläger habe gegenüber dem Gutachter angegeben, seiner Erinnerung nach durchgehend an tiefen lumbalen Schmerzen, d.h. lokalisiert am Übergang zum Steißbein, gelitten zu haben. Hierzu habe der Sachverständige ausgeführt, dass insbesondere die seinerzeit geklagten Kribbelphänomene der Oberschenkel mit Nerveneinengungen in tieferen Segmenten der Lendenwirbelsäule zu erklären seien. Dementsprechend sei bei den später erstmals angefertigten MRT-Befunden auf den entsprechenden Etagen der Lendenwirbelsäule auch Bandscheibenvorfälle gefunden worden. Dass die Schmerzlokalisation ebenfalls nicht für einen kausalen Zusammenhang spreche, sei aufgrund der Darstellungen des Gutachters für die Kammer nachvollziehbar. Insgesamt ergebe sich aus den Umständen des Einzelfalles zwar eine Wahrscheinlichkeit für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfalleinwirkung und Wirbelkörperbruch als Erstschaden, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liege jedoch nicht vor. Letztlich sei auch nicht geklärt, ob die derzeitige Behandlungsbedürftigkeit des Klägers wegen Wirbelsäulenbeschwerden Folge gerade dieses Wirbelkörperbruches sei, da der Gutachter plausibel und nachvollziehbar mannigfaltige weitere Wirbelsäulenerkrankungen des Klägers festgestellt habe, welche von Umfang und Lage her die geklagten tiefen lumbalen Schmerzen nebst Kribbelphänomenen der Oberschenkel plausibler erklären als der - ohne ein Quetschung des Myelons - stattgefundene Wirbelkörperkompressionsbruch bei L 1.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03. September 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. September 2013 Berufung eingelegt. Soweit das SG ausführe, dass es ebenso möglich gewesen sei, dass der Kläger sich bereits vor dem Unfallereignis ein "Verhebetrauma" zugezogen habe, sei dies an den Haaren herbei gezogen und entbehre jeglicher Grundlage. Das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. WR könne nicht als Grundlage der gerichtlichen Entscheidung dienen. Weder die Kammer noch der Sachverständige hätten sich vergegenwärtigt, um welche Unfallmechanismen es sich im Falle des Klägers gehandelt habe und welche Kräfte auf dessen Wirbelsäule eingewirkt hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, als weiteren Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973 einen Wirbelkörperkompressionsbruch im Bereich L1 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe verwiesen und sie zum Gegenstand ihres eigenen Vorbringens gemacht.
Der Senat hat ein Gutachten durch den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S vom 23. Mai 2014 eingeholt, welches auf der körperlichen Untersuchung des Klägers vom 21. Mai 2014 basiert. Auf der Grundlage des vom Kläger gegenüber dem Sachverständigen nochmals geschilderten und im Gutachten auf den Seiten 6 und 7 wiedergegebenen Unfallherganges stellte der Sachverständige fest, dass davon ausgegangen werden müsse, dass beim Unfall 1973 der Kranausleger den Kläger auf der linken Körperseite erfasst habe. Hierbei habe sich der Kläger Prellungen am linken Oberarm, am linken Oberschenkel mit Schürfung und eine Innenknöchelfraktur links zugezogen. Auch bei der zum Tag der Begutachtung erfolgten Unfallschilderung sei vom Kläger nicht angegeben worden, dass der Ausleger an der Wirbelsäule angeprallt sei. Es sei vielmehr angegeben worden, dass der Oberkörper nach vorne zusammen geklappt sei. Dieses Verletzungsmuster sei aus gutachterlicher Sicht, auch anhand der aktuellen Literatur, nicht geeignet, eine Fraktur eines Lendenwirbelkörpers hervorzurufen. Gesicherte Ursache eines Biegungsmechanismusses im Sinne einer Hyperflexion sei jedoch der Sturz aus großer Höhe, das Auftreten von schweren Kräften am Nacken oder im Bereich der Brustwirbelsäule, schwere Kollisionsverletzungen im PKW oder das plötzliche, ruckartigen Anheben eines schweren Gegenstandes. Auch habe der Kläger während des stationären Aufenthaltes und der primären Nachbehandlung keine Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule angegeben. Erst 1975 sei eine entsprechende Röntgenaufnahme gefertigt worden. Der zwischen dem Unfall 1973 und dieser Röntgenaufnahme 1975 liegende Zeitraum bleibe daher unklar und sei durch medizinische Unterlagen nicht gesichert. Die jetzigen Beschwerden des Klägers seien durch die degenerativen Veränderungen bedingt. In Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. W-R und Professor Dr. M sei ein ursächlicher Zusammenhang nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellbar.
Auf den Antrag des Klägers hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W vom 18. Oktober 2014 eingeholt. Aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers vom 25. September 2014 hat der Sachverständige ausgeführt: "Da jedoch weder in dem Durchgangsarztbericht noch in den Nachschauberichten von Rückenschmerzen die Rede war, kann auch retrospektiv nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden ob das angeschuldigte Unfallereignis tatsächlich die LWK1-Fraktur hervorgerufen hat." Weiter hat er dargelegt, dass der zeitliche Verlauf prinzipiell geeignet gewesen wäre, da im Jahre 1975 radiologisch eine nicht mehr frische Fraktur am LWK 1 festgestellt worden sei. Die anamnestischen Angaben verwiesen darauf, dass nach dem Unfallereignis am 11. Juli 1973 Beschwerden an der Lendenwirbelsäule vorgelegen hätten, jedoch sei in den Durchgangsarztberichten und Nachschauberichten kein dokumentierter Schmerz an der Lendenwirbelsäule nachgewiesen worden. Dies könne entweder ein Hinweis auf eine stumm eingetretene Fraktur sein oder auch einen Zusammenhang mit der Fraktur ausschließen. Da jedoch keine konkurrierende Verletzung an der Wirbelsäule aufgetreten sei und auch nach Angaben des Versicherten das Krankheitsregister unauffällig gewesen sei, sei davon auszugehen, dass wahrscheinlich ein Zusammenhang zwischen dem angeschuldigten Unfallereignis und der Lendenwirbelkörperfraktur zu sehen sei.
Mit Stellungnahme vom 08. Dezember 2014 hat der Sachverständige Dr. St ausgeführt, dass keinerlei ärztliche Dokumente vorlägen, die ein Vorliegen von Beschwerden bereits ab dem Unfallzeitpunkt beweisen würden. Vielmehr lägen ärztliche Befundunterlagen aus diesem Zeitraum in Form von Krankenhausberichten und Durchgangsarzt- sowie Nachschauberichten vor, in denen keinerlei Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule mitgeteilt worden seien. Die Ausführungen von Dr. W, die nur leicht eingestauchte Grund- und Deckplattenfraktur des 1. Lendenwirbelkörper könne in so einem Fall klinisch auch mal stumm verlaufen, sei als spekulativ aufzufassen. Hinsichtlich des Unfallherganges habe der Gutachter Dr. W in seinem Gutachten nicht erläutert, aus welchem Grund er den Unfallhergang für biomechanisch ausreichend erachtet. Nicht gesichert werden könne durch Dr. W auch der Zeitraum von fast zwei Jahren zwischen dem Unfall und dem ersten Röntgenbild. Es fänden sich keine plausiblen und sicheren Gründe für das primäre Nichterkennen einer Fraktur.
Dr. W hat mit Schriftsatz vom 16. März 2015 mitgeteilt, dass er auch nach Durchsicht der ergänzenden Stellungnahme des Dr. S an seiner gutachterlichen Einschätzung festhalte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die beigezogene Gerichtsakte zum Aktenzeichen S 69 U 700/01 und S 14 RA 725/96 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zulässiger Gegenstand des vorliegenden Klage- und Berufungsverfahrens ist – bei sachdienlicher Würdigung des klägerischen Vortrags gemäß § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - von Anfang an lediglich die Feststellung eines bestimmten weiteren Gesundheitserstschadens. Eine gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG anfechtbare Entscheidung über konkrete Entschädigungsleistungen traf die Beklagte im Bescheid vom Bescheid vom 27. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012 dem Kläger gegenüber ohnehin nicht, sie lehnte lediglich pauschal "Entschädigungsleistungen" der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Mit dieser Leerformel brachte sie im Kontext der Bescheidbegründung allenfalls eine anfechtbare – verwaltungsaktmäßige – Regelung i.S.v. § 31 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) des Inhalts zum Ausdruck, dass keine weiteren Gesundheitserstschäden mehr vorlagen. Dementsprechend wäre die – derzeit noch gemäß Klageantrag in der ersten Instanz - auf die Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtete Klage bei wörtlichem Verständnis unzulässig gewesen, weil nicht in einem Verwaltungsverfahren über konkrete Entschädigungsleistungen vor Klageerhebung befunden worden ist (vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R -, zitiert nach juris Rn. 10 f.). Da sich i.Ü. auch der Widerspruchsbescheid zu konkreten Entschädigungsleistungen nicht verhält, hätte es insofern auch an der Durchführung des nach § 78 SGG erforderlichen Vorverfahrens gefehlt (Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteil vom 03. Mai 2013 – L 3 U 29/11 -, zitiert nach juris).
Die Klage ist dementsprechend auf eine bloße allgemeine Feststellungsklage umgestellt worden, ohne dass hierein eine gemäß § 99 SGG gegebenenfalls zustimmungspflichtige Klageänderung zu sehen wäre. Vielmehr ist dieser Feststellungsantrag gemäß § 123 SGG unter Würdigung des klägerischen Gesamtvorbringens ohnehin von Anfang an von seinem Begehren umfasst gewesen. Eine eben so verstandene Feststellungsklage ist gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 SGG vorliegend statthaft (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 2004 – B 2 U 21/03 R -, zitiert nach juris Rn. 24); das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 2 SGG ist hierbei zu bejahen. Nach der Systematik des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind in den Vorschriften, welche die Voraussetzungen der verschiedenen sozialen Rechte auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung regeln (z.B. §§ 27 ff. SGB VII (Heilbehandlung) und §§ 45 ff. SGB VII (Verletztengeld)), nur die spezifischen Voraussetzungen der jeweiligen einzelnen Arten von Leistungsrechten ausgestaltet. Demgegenüber sind die allgemeinen Rechtsvoraussetzungen, die für alle Leistungsrechte des SGB VII gleichermaßen gelten, nämlich die Regelungen über den Versicherungsfall und die ihm zuzurechnenden Unfallfolgen (§§ 7 bis 13 i.V.m. §§ 2 bis 6 SGB VII), vorab und einheitlich ausgestaltet. Ermächtigung und Anspruch betreffen daher auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung gegen denselben Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind. Zu den abstrakt feststellbaren Anspruchselementen gehören neben dem Versicherungsfall die (sog. unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich (und deshalb zurechenbar) spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden. Der Feststellung, ob und welche Gesundheitsstörungen Folgen eines Versicherungsfalls sind, kommt eine über den einzelnen Leistungsanspruch hinausgehende rechtliche Bedeutung für den Träger und den Versicherten zu. Denn trotz unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen setzen, wie bereits ausgeführt, alle Leistungsansprüche nach den §§ 26 ff. SGB VII als gemeinsame Tatbestandsmerkmale einen Versicherungsfall (iSd §§ 7 bis 13 SGB VII) und durch ihn verursachte Gesundheitsschäden - bis hin zum Tod des Verletzten - voraus und begründen dafür die Verbandszuständigkeit nur eines bestimmten Trägers der Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 05. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R – zitiert nach juris, Rn. 12, 17, 19 ff.). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse bestünde demgegenüber nicht, soweit die Feststellung von Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit begehrt wird. Dies wäre eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 55 Rn. 9), welche gegenüber der im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machenden Erstattung konkreter Behandlungskosten oder Zahlung von Verletztengeld subsidiär wäre (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 19 f.).
Die so verstandene Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 27. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, soweit ein Wirbelkörperkompressionsbruch im Bereich L 1 als weiterer Gesundheitserstschaden verneint wird.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Der Gesetzgeber bringt mit der wiederkehrenden Formulierung "infolge" – vgl. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1, 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII - das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls bzw. seiner Folgen mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und länger andauernden Unfallfolgen (BSG, a.a.O., Rn. 10; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Kap. 1.4, S. 21 f.). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit und des Unfallereignisses müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.).
Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass die Wirbelkörperkompressionsfraktur bei L1 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf das Unfallereignis vom 11. Juli 1973 zurückzuführen ist.
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (BSG, a.a.O., Rn. 16).
Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Maßgebend ist, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (BSG, a.a.O., Rn. 17). Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, a.a.O., Rn. 18). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann entgegen der Auffassung der Beklagten nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (BSG, a.a.O., Rn. 19). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O., Rn. 20).
Dies zugrunde gelegt kann im Unfallereignis vom 11. Juli 1973 nicht eine wesentliche Ursache für die Wirbelkörperkompressionsfraktur bei L1 angenommen werden. Hierfür schließt sich der Senat ohne Einschränkungen den Ausführungen von Dr. S sowie im Ergebnis auch den Ausführungen von Dr. WR an und verweist diesbezüglich auch auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils und sieht zunächst von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, vgl. § 153 Abs. 2 SGG.
Nachvollziehbar haben Dr. S und Dr. W-R unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Standardliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 428 ff.) ausgeführt, dass der vom Kläger bei den Begutachtungen geschilderte Unfallmechanismus nicht geeignet war, die Fraktur eines Wirbelkörpers zu verursachen. Dabei geht der Senat nach allen möglichen Varianten des Unfallgeschehens sicher davon aus, dass der Kranausleger den Kläger auf der linken Körperseite erfasst hat. Hierbei hat sich der Kläger Prellungen am linken Oberarm, am linken Oberschenkel mit Schürfung und eine Innenknöchelfraktur links zugezogen. Bei keiner Unfallschilderung, auch nicht bei der zum Tag der Begutachtung, ist vom Kläger angegeben worden, dass der Ausleger an der Wirbelsäule angeprallt sei. Vielmehr gab er an, dass der Oberkörper nach vorne zusammen geklappt sei. Soweit der Kläger angab, mit dem Gesäß auf die Straße gefallen zu sein und einen "blauen Hintern" gehabt zu haben, hat das SG in seinem Urteil zutreffend dargelegt, Seite 7 der Urschrift, das mangels ärztlicher Dokumentation eines entsprechenden Hämatoms, angesichts aller anderen dokumentierten Hämatome am Körper des Klägers, diese Darstellung des Klägers nicht untermauert wird und somit nicht belastbar ist. Anhand der Behandlungsunterlagen ist keine Prellmarke im Bereich des Körperstammes festgestellt worden, ein Hämatom wurde (lediglich) am linken Oberarm dokumentiert.
Zwar gehen Verletzungen mit einem Bruch des Lendenwirbelkörpers häufig mit Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule einher, deren Intensität wechselhaft sein und häufig auch nur uncharakteristische und nur relativ leichte Beschwerden verursachen kann (Schönberger u.a., a.a.O., Seite 429). Der Kläger hat jedoch, dies geht aus den vorliegenden Behandlungsunterlagen der Jahre 1973 bis 1975 hervor, sowohl während des stationären Aufenthaltes und der primären Nachbehandlung keinerlei Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule angegeben. Zutreffend verweist Dr. S zudem darauf, dass sichere Gründe für das primäre Nichterkennen einer Fraktur, wie beispielsweise lange Immobilisierung oder Koma beim Kläger nicht vorgelegen haben. Soweit der Kläger nunmehr darstellt, schon zwei bis drei Monate nach dem Unfall Beschwerden im LWS-Bereich gehabt und sich deshalb in ärztliche Behandlung begeben zu haben, so dass 1975 eine entsprechende Röntgenaufnahme gefertigt worden sei, wird dies nicht durch ärztliche Unterlagen bestätigt. Der zwischen dem Unfall 1973 und der Röntgenaufnahme 1975 liegende mögliche Beschwerde-Zeitraum bleibt unklar und wird nicht durch medizinische Unterlagen, die über eine Wirbelsäulensymptomatik Aufschluss geben, belegt. In den vorliegenden Rentengutachten wird zwar mehrfach von einer Beschwerdesymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule berichtet, dies aber – nach Angaben des Klägers – erst seit 1985. Auch wenn vor dem Unfall etwaige Beschwerden an der Lendenwirbelsäule ebenso wenig dokumentiert sind wie ein etwaiger zusätzlicher Unfall im Zeitraum zwischen dem 11. Juli 1973 und der erstmaligen radiologischen Sicherung der alten Wirbelkörperfraktur 1975, spricht das Zeitfenster zwischen dem Unfall und der radiologischen Sicherung der Fraktur am ersten Lendenwirbelkörper gegen die Ursächlichkeit des Unfalles. Schließlich spricht gegen einen Kausalzusammenhang, dass die vom Kläger bei der Untersuchung durch die Sachverständigen Dr. S und Dr. WR durch den Kläger angegebenen und demonstrierten Beschwerden im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule zu lokalisieren waren, nicht jedoch am thorakolumbalen Übergang an der oberen Lendenwirbelsäule im Bereich der ehemaligen Fraktur.
Demgegenüber vermag der Sachverständige Dr. W mit seinen Erwägungen zur Zusammenhangsfrage nicht zu überzeugen. Er lässt – worauf Dr. S zutreffend hinweist – eine wissenschaftliche Erörterung zur Biomechanik des Unfallhergangs vermissen. Soweit er einen Kausalzusammenhang dadurch gegeben sieht, dass der Nachweis einer Vorschädigung der LWS vor dem Unfall und das Hinzutreten eines weiteren Unfalls im Zeitraum zwischen dem 11. Juli 1973 und 1975 fehlen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Hier ist noch einmal zu betonen, dass ein geeigneter Unfallmechanismus nicht darstellbar ist, anlässlich der unfallnahen Untersuchungen und auch bis zur erstmaligen radiologischen Sicherung der alten Wirbelkörperfraktur 1975 keine LWS-Beschwerden und kein Hämatom/Prellmarke am Stamm-Oberkörper dokumentiert wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Revisionszulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung eines weiteren, bei einem Arbeitsunfall erlittenen Gesundheitserstschadens – konkret eines Wirbelkörperkompressionsbruchs im Bereich L 1 - sowie Kostenübernahme der Heilbehandlung dafür.
Der 1937 geborene Kläger erlitt am 11. Juli 1973 einen Unfall, als er neben einem Gittermast-Autokranausleger, welcher sich ca. 1,5 m über dem Straßenniveau befand, mit der linken Hand den letzte Haltebolzen des Auslegers mit einem Handhammer auszuschlagen versuchte. Hierbei wurde er von einem Arbeitskollegen berührt und im Moment des Schlages unter den Ausleger gestoßen. Der herabfallende Ausleger traf den Kläger an der linken Körperhälfte.
Der Kläger befand sich vom 11. bis zum 27. Juli 1973 zur operativen Versorgung in stationärer Behandlung des DRK Krankenhauses J in Berlin. Dem Befundbericht des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung des DRK Krankenhauses Dr. R vom 19. Juli 1973 ist zu entnehmen: 36-jähriger vollorientierter Patient, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks mit ausgedehntem Hämatom, Schürfung und Hämatom linker Oberschenkel Streckseite, Schürfung unter dem linken Knie sowie Hämatom linker Oberarm.
Die Röntgenuntersuchung des linken Oberschenkels ergab: Kein Anhalt für posttraumatische ossäre Veränderungen im Bereich des linken Femurs; die des linken Sprunggelenkes: Fraktur des Malleolus tibialis des linken Unterschenkels.
Im "Ersten Rentengutachten" stellte Dr. Dr. H am 15. November 1973 an Verletzungen durch den Unfall einen stark verschobenen Bruch des linken Innenknöchels sowie Blutergüsse am linken Oberarm und am linken Oberschenkel fest, wobei die Röntgenaufnahme der oberen Sprunggelenke beiderseits auf der linken Seite einen vollständig achsengerecht und knöchern verheilten Innenknöchelbruch links zeigte. Unter "B. Gegenwärtiger Zustand und Beurteilung" gab der Gutachter die "Klagen des Verletzten" wie folgt wieder: "Am li. Oberschenkel habe ich immer noch ein taubes Gefühl. Ferner habe ich Schmerzen am li. Fuß. Der Fuß schwillt etwas abends an. Morgens sind die Sprunggelenke steif. Ich muss mich dann erst einlaufen. Auf unebener Erde fühle ich mich unsicher."
Die Rechtsvorgängerin (Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung) der Beklagten erkannte mit Bescheid vom 23. November 1973 den Unfall vom 11. Juli 1973 als Arbeitsunfall an sowie an bestehenden Unfallfolgen: "Nach Bruch des linken Innenknöchels und Prellung am linken Oberarm und am linken Oberschenkel: Weichteilverdickung der Knöchelgabel links, Narbenbildung über dem linken Innenknöchel, Einschränkung der Beweglichkeit im linken oberen Sprunggelenk, Narbenbildung an der Streckseite des linken Oberschenkels, Verschmächtigung der Ober- und Unterschenkelweichteile links."
Die Beklagte leistete dem Kläger wegen der Folgen dieses Unfalls zunächst eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v. H.).
Zur aktuellen Einschätzung der Verletzungsfolgen erstattete Dr. Dr. H am 03. Mai 1975 ein "Zweites Rentengutachten", in welchem es festhielt: "Die Verletzung des li. Oberarms ist folgenlos ausgeklungen. Der spezielle Verletzungsbefund betrifft die unteren Gliedmaßen ... Der Pat. befindet sich in guter körperlicher Verfassung. Das Becken ist symmetrisch und fest. Beide Hüftgelenke sind frei beweglich. Die Oberschenkelweichteile sind seitengleich entwickelt. In der Umgebung der Narbe mäßige Sensibilitätsstörungen bei guter Verschieblichkeit. Beide Kniegelenke sind frei beweglich. Die Beweglichkeit der Zehen ist etwa seitengleich. Auch die Beschwielung der Fußsohlen hat keine Seitenunterschiede. Der Barfußgang ist ungestört und gut raumgreifend ...Vorfuß- und Hackengang werden ausgeführt." Die Röntgenaufnahme beider Sprunggelenke vom 03. Mai 1975 zeigte eine achsengerecht ausgeheilte Fraktur.
Mit Bescheid vom 27. Mai 1975 entzog die Beklagte dem Kläger mit Ablauf des Monats Juni 1975 die Rente unter Verweis auf die MdE-Bewertung des Gutachters Dr. Dr. Hmit nur noch 10 v. H ...
Bei der am 17. Oktober 1975 durchgeführten Röntgenuntersuchung der LWS des Klägers wurde ein Wirbelkörperkompressionsbruch im Bereich L 1 festgestellt.
Am 13. Dezember 1996 wurde der Kläger während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Großhandels- und Lagerei- Berufsgenossenschaft (GroLa BG) Opfer eines Überfalls, bei dem er tätlich angegriffen wurde und der durch Bescheid vom 23. Mai 2011 als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Die GroLa BG holte zur Feststellung der verbliebenen Unfallfolgen ein neurologisches Fachgutachten ein, welches durch Prof. Dr. Hund Dr. P am 16. Januar 2001 erstellt wurde. Hier werden überwiegend Probleme mit dem rechten Unterarm vom Kläger angegeben, Beschwerden mit der Wirbelsäule werden nicht berichtet.
Aufgrund eines vom Kläger mit der Begründung: " das Gelenk ist weiter versteift, beim laufen und längeren stehen schmerzt der Knöchel und ist geschwollen." eingeleiteten Überprüfungsverfahrens im April 2000 veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K. In seinen Gutachten vom 24. Mai 2000 und vom 31. Oktober 2003 verwies er jeweils als unfallunabhängige krankhafte Veränderungen des Klägers auf die unter "2. Allgemeinzustand" festgehaltenen: "1985 Wirbelsäulenbeschwerden - ärztliche Behandlung".
Mit Bescheiden vom 18. Februar 2004 stellte die Beklagte an Unfallfolgen fest: Nach verschobenem Bruch des linken Innenknöchels,
- diskrete Minderung der Oberschenkelmuskulatur links,
- leichte Sensibilitätsstörungen im Bereich der Narbenbildung,
- endgradige Bewegungseinschränkung des linken oberen und unteren Sprunggelenks,
- Verschleißerscheinungen an der Gelenksfläche des Innenknöchels links.
Als Folgen des Arbeitsunfalles erkannte sie nicht an: Zustand der Folgen des Unfalls vom 13. Dezember 1996, entschädigt durch die GroLa BG, Fehlhaltung der Hals-, Brust-, Lendenwirbelsäule mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizungen im Bereich der Wirbelsäule, Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelkörper L 5/S1 links Endgliedverlust des 5. Fingers links, Senk-Spreizfußstellung beidseits.
Mit Schreiben vom 05. September 2011 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten an, dass bei ihm anlässlich einer Begutachtung durch den Orthopäden Dr. E im Jahr 2010 eine lange zurückliegende Kompressionsfraktur des Wirbelkörpers L 1 festgestellt worden sei. Da er seit mehreren Jahrzehnten an Rückenschmerzen und Bewegungseinschränkungen leide, seien diese auf den Arbeitsunfall von 1973 zurückzuführen. Der Kläger begehrte von der Beklagten eine Anpassung der Unfallrente sowie die Gewährung weiterer Heilbehandlung.
Mit Bescheid vom 27. September 2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Wirbelkörperkompressionsfraktur ab. Diese Verletzung sei keine Folge des Arbeitsunfalls. Während der gesamten Akutbehandlung habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt – auch nicht anlässlich der Begutachtungen vom 15. November 1973, vom 13. Juni 1974 und vom 3. Mai 1975 – Wirbelsäulenbeschwerden angegeben. Erst bei einer Begutachtung im Mai 2000 sei erstmals mitgeteilt worden, dass der Kläger sich seit 1985 wegen Wirbelsäulenbeschwerden in ärztlicher Behandlung befunden habe. Bereits mit Bescheid vom 18. Februar 2004 seien Fehlhaltungen der gesamten Wirbelsäule mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizungen und einem Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 als unfallfremde Erkrankungen festgestellt worden.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass der Wirbelkörperkompressionsbruch bereits durch Röntgenbilder vom 17. Oktober 1975 festgestellt worden sei, nachdem er sich seit 1974 wegen Rückenschmerzen in ärztlicher Behandlung befunden habe. Der Sachverständige Prof. Dr. N habe bereits in einem Gutachten aus dem Jahr 1999 festgehalten, dass er seit 1975 an Wirbelsäulenbeschwerden mit Kribbelgefühl im Bereich beider Oberschenkel leide. Er habe bei allen Untersuchungen auf seine Rückenschmerzen hingewiesen, die jeweiligen Sachverständigen hätten jedoch mangels Vorstellung von einem Gittermast-Autokran fehlerhaft keine Verbindung mit dem Arbeitsunfall hergestellt. Aufgrund seines Schocks und der Gabe von Schmerzmitteln habe auch er zunächst keine Verbindung mit dem Unfall herstellen können. Die zeitliche Nähe zwischen Dokumentation und dem Unfall spreche für einen Zusammenhang.
Eine daraufhin von der Beklagten veranlasste radiologische Nachbefundung des medizinischen Bildmaterials durch das Institut für Radiologie des Unfallkrankenhauses Berlin, Prof. Dr. M, vom 01. November 2011 ergab, dass in den Röntgenaufnahmen von 1975 ein trapezoid deformierter 1. Lendenwirbelkörper zu erkennen war. An dessen Deckplatte zeigten sich auffallende spondylophytäre Ausziehungen nach ventrokranial, während in den sonstigen Segmenten lediglich initiale spondylophytäre Ausziehungen nachweisbar waren. Insgesamt habe am 17. Oktober 1975 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr frischer/eher älterer Deckplattenbruch vorgelegen. Der Bruch passe zeitlich prinzipiell zum Arbeitsunfall aus 1973, wenngleich eine exakte zeitliche Zuordnung bildmorphologisch nicht möglich sei. Als Unfallmechanismus sei eine Stauchung mit Inklination im thorakolumbalen Übergang zu postulieren. Ein solcher Mechanismus sei in der erfassten Beschreibung des Unfalls so nicht angegeben, Prof. Dr. M.
Daraufhin holte die Beklagte ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W-R ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass ein Unfallzusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Zum einen finde sich in den damaligen Behandlungsberichten keine Dokumentation einer Prellmarke, die eine direkte axiale Stauchung der Wirbelsäule belege. Nach Angaben des Klägers sei dieser Ende 1974 aus einer sitzenden Position plötzlich nicht mehr hochgekommen, er sei wie blockiert gewesen; im Anschluss habe er Heilbehandlung in Anspruch genommen. Soweit er sich erinnern könne, hätten sich die Schmerzen tief lumbal lokalisiert. In den ärztlichen Berichten vom 20. Februar 1974 und vom 5. April 1974 sei keine Rückensymptomatik erwähnt. Eine traumatisch bedingte Wirbelkörperfraktur impliziere jedoch im Allgemeinen eine erhebliche Schmerzhaftigkeit bis zu einem nahezu kompletten Funktionsverlust. Diese Symptome stellten sich sofort und nicht erst nach Wochen oder Jahren ein. Der Kläger habe bestätigt, dass während der letzten 40 Jahre Schmerzen konstant am lumbosakralen Übergang zu spüren gewesen seien. Somit stimmten auch Schmerz und Schadensort nicht überein. Die vom Kläger geklagten tiefen Schmerzen und Hypästhesien entlang der Oberschenkel seien einem – u.a. 2003 dokumentierten – Bandscheibenvorfall im Segment L 3 zuzuordnen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03. Mai 2012 wies die Beklagte den Widerspruch unter Berufung auf die Ergebnisse des Gutachtens zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 11. Mai 2012 Klage erhoben. Er hat behauptet, der Ausleger habe ihn seinerzeit zuerst von hinten linksseitig an der Schulter getroffen und ihn wie ein Taschenmesser zusammenklappen lassen. Er sei mit dem Gesäß auf die Fahrbahn aufgeschlagen und habe sich halb sitzend, halb liegend unter dem Ausleger befunden. In gebückter Haltung sei er ins Krankenhaus gebracht worden. Dort sei seiner Ehefrau aufgefallen, dass er einen blauen "Hintern" habe. Dies habe sie wahrgenommen, da das Krankenhaushemd hinten offen gewesen sei und beim Aufstehen auseinander geklafft habe. Bei Stauchungsfrakturen der Wirbelsäule bestünden oftmals keine erheblichen Beschwerden, teilweise werde ein leichter Schmerz bemerkt, der bei Druck zunehme. Dass die Rückenschmerzen in den Gutachten bis zum 03. Mai 1975 nicht erwähnt wurden, erkläre sich dadurch, dass die Fraktur erstmals durch Röntgenbilder aus Oktober 1975 festgestellt worden sei.
Mit Urteil vom 27. August 2013 hat das SG die Klage - im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen darauf verwiesen, dass es zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend wahrscheinlich sei, dass durch den Arbeitsunfall aus dem Jahr 1973 eine Kompressionsfraktur des ersten Wirbelkörpers der Lendenwirbelsäule rechtlich wesentlich verursacht worden sei. Unter Verweis auf das Gutachten von Dr. W-R sei bereits die biomechanische Geeignetheit des Einwirkungsablaufes des Arbeitsunfalls zur Verursachung eines Wirbelkörperkompressionsbruches zweifelhaft. Nach der unfallmedizinischen Literatur sei eine axiale Krafteinwirkung (Stauchung) der Wirbelsäule zu fordern, um entsprechende Frakturen zu verursachen. Voraussetzung eines derart geeigneten Unfallherganges wäre die Dokumentation der bei derartigen Stauchungen zu erwartenden Begleitverletzungen, insbesondere von Prellmarken. Solche Anzeichen seien jedoch weder im Erstbefund noch im Lauf der späteren Behandlung angegeben worden. Sofern der Vortrag des Klägers zuträfe, er habe seinerzeit einen "blauen Hintern" gehabt, sei dies ein gegenüber dem Normalzustand erheblicher Befund, so dass dessen Dokumentation durch die behandelnden Ärzte - angesichts der auch an anderen Stellen aufgetretenen und dokumentierten Hämatome - in jedem Fall zu erwarten gewesen wäre. Selbst wenn die Behauptung des Klägers als wahr unterstellt werde, bestehe nach Auffassung der Kammer keine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Kausalität zwischen Unfalleinwirkung und Wirbelkörperbruch. Soweit der Gutachter Dr. W-R angebe, eine Wirbelkörperfraktur impliziere im allgemeinen eine "erhebliche Schmerzhaftigkeit bis hin zu einem nahezu kompletten Funktionsverlust" sei dies anhand der unfallversicherungsrechtlichen Standardliteratur so nicht nachvollziehbar, da ein isolierter Wirbelkörperbruch "häufig uncharakteristische und auch relativ leichte Beschwerden verursache, weshalb bekannt sei, dass bei entsprechender Toleranz die Betroffenen nicht zur Behandlung gehen oder bei den Untersuchungen derartige Schäden wegen der oft nur gering ausgebildeten klinischen Zeichen nicht beobachtet oder übersehen werden". Wie auch bereits das Institut für Radiologie in seiner Nachbegutachtung darauf verwiesen habe, sei jedoch ein exaktes zeitliches Zuordnungsbild morphologisch nicht möglich. Somit bestehe die Möglichkeit, dass eine entsprechende Verletzung in einem gewissen Zeitfenster um den Zeitpunkt des Arbeitsunfalles herum, insbesondere auch schon zuvor, eingetreten sein könne. Unter Verweis auf die unfallversicherungsrechtliche Literatur könne insbesondere die Verletzung bereits vor dem Arbeitsunfall eingetreten und zunächst unbemerkt geblieben sein. Denn ein Wirbelkörperkompressionsbruch könne danach auch bei einem ruckartigen Anheben eines schweren Gegenstandes entstanden seien. Ein solches Ereignis würde mangels Aufschlagens keine erkennbare Prellmarke hinterlassen und allenfalls zu leichten, uncharakteristischen Schmerzen führen und damit zunächst unentdeckt bleiben. Dies könne hier aufgrund der vor dem Unfall erheblichen körperliche Belastungen enthaltenden Berufslaufbahn des Klägers (Tätigkeiten seit 1956 als Kraftfahrer und Autokranfahrer) auch nicht als fernliegend abgetan werden. Somit spreche der zeitliche Verlauf nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für die Annahme einer Kausalität zwischen Arbeitsunfall und Wirbelkörperkompressionsbruch. Soweit der Gutachter Dr. W-R auf die Inkongruenz von Verletzungsort und Schmerzlokalisation verweise, sei dies für die Kammer schlüssig und spreche ebenfalls gegen eine unfallbedingte Verursachung des Kompressionsbruches. Denn der Kläger habe gegenüber dem Gutachter angegeben, seiner Erinnerung nach durchgehend an tiefen lumbalen Schmerzen, d.h. lokalisiert am Übergang zum Steißbein, gelitten zu haben. Hierzu habe der Sachverständige ausgeführt, dass insbesondere die seinerzeit geklagten Kribbelphänomene der Oberschenkel mit Nerveneinengungen in tieferen Segmenten der Lendenwirbelsäule zu erklären seien. Dementsprechend sei bei den später erstmals angefertigten MRT-Befunden auf den entsprechenden Etagen der Lendenwirbelsäule auch Bandscheibenvorfälle gefunden worden. Dass die Schmerzlokalisation ebenfalls nicht für einen kausalen Zusammenhang spreche, sei aufgrund der Darstellungen des Gutachters für die Kammer nachvollziehbar. Insgesamt ergebe sich aus den Umständen des Einzelfalles zwar eine Wahrscheinlichkeit für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfalleinwirkung und Wirbelkörperbruch als Erstschaden, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liege jedoch nicht vor. Letztlich sei auch nicht geklärt, ob die derzeitige Behandlungsbedürftigkeit des Klägers wegen Wirbelsäulenbeschwerden Folge gerade dieses Wirbelkörperbruches sei, da der Gutachter plausibel und nachvollziehbar mannigfaltige weitere Wirbelsäulenerkrankungen des Klägers festgestellt habe, welche von Umfang und Lage her die geklagten tiefen lumbalen Schmerzen nebst Kribbelphänomenen der Oberschenkel plausibler erklären als der - ohne ein Quetschung des Myelons - stattgefundene Wirbelkörperkompressionsbruch bei L 1.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03. September 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. September 2013 Berufung eingelegt. Soweit das SG ausführe, dass es ebenso möglich gewesen sei, dass der Kläger sich bereits vor dem Unfallereignis ein "Verhebetrauma" zugezogen habe, sei dies an den Haaren herbei gezogen und entbehre jeglicher Grundlage. Das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Dr. WR könne nicht als Grundlage der gerichtlichen Entscheidung dienen. Weder die Kammer noch der Sachverständige hätten sich vergegenwärtigt, um welche Unfallmechanismen es sich im Falle des Klägers gehandelt habe und welche Kräfte auf dessen Wirbelsäule eingewirkt hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, als weiteren Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973 einen Wirbelkörperkompressionsbruch im Bereich L1 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe verwiesen und sie zum Gegenstand ihres eigenen Vorbringens gemacht.
Der Senat hat ein Gutachten durch den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S vom 23. Mai 2014 eingeholt, welches auf der körperlichen Untersuchung des Klägers vom 21. Mai 2014 basiert. Auf der Grundlage des vom Kläger gegenüber dem Sachverständigen nochmals geschilderten und im Gutachten auf den Seiten 6 und 7 wiedergegebenen Unfallherganges stellte der Sachverständige fest, dass davon ausgegangen werden müsse, dass beim Unfall 1973 der Kranausleger den Kläger auf der linken Körperseite erfasst habe. Hierbei habe sich der Kläger Prellungen am linken Oberarm, am linken Oberschenkel mit Schürfung und eine Innenknöchelfraktur links zugezogen. Auch bei der zum Tag der Begutachtung erfolgten Unfallschilderung sei vom Kläger nicht angegeben worden, dass der Ausleger an der Wirbelsäule angeprallt sei. Es sei vielmehr angegeben worden, dass der Oberkörper nach vorne zusammen geklappt sei. Dieses Verletzungsmuster sei aus gutachterlicher Sicht, auch anhand der aktuellen Literatur, nicht geeignet, eine Fraktur eines Lendenwirbelkörpers hervorzurufen. Gesicherte Ursache eines Biegungsmechanismusses im Sinne einer Hyperflexion sei jedoch der Sturz aus großer Höhe, das Auftreten von schweren Kräften am Nacken oder im Bereich der Brustwirbelsäule, schwere Kollisionsverletzungen im PKW oder das plötzliche, ruckartigen Anheben eines schweren Gegenstandes. Auch habe der Kläger während des stationären Aufenthaltes und der primären Nachbehandlung keine Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule angegeben. Erst 1975 sei eine entsprechende Röntgenaufnahme gefertigt worden. Der zwischen dem Unfall 1973 und dieser Röntgenaufnahme 1975 liegende Zeitraum bleibe daher unklar und sei durch medizinische Unterlagen nicht gesichert. Die jetzigen Beschwerden des Klägers seien durch die degenerativen Veränderungen bedingt. In Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. W-R und Professor Dr. M sei ein ursächlicher Zusammenhang nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellbar.
Auf den Antrag des Klägers hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W vom 18. Oktober 2014 eingeholt. Aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers vom 25. September 2014 hat der Sachverständige ausgeführt: "Da jedoch weder in dem Durchgangsarztbericht noch in den Nachschauberichten von Rückenschmerzen die Rede war, kann auch retrospektiv nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden ob das angeschuldigte Unfallereignis tatsächlich die LWK1-Fraktur hervorgerufen hat." Weiter hat er dargelegt, dass der zeitliche Verlauf prinzipiell geeignet gewesen wäre, da im Jahre 1975 radiologisch eine nicht mehr frische Fraktur am LWK 1 festgestellt worden sei. Die anamnestischen Angaben verwiesen darauf, dass nach dem Unfallereignis am 11. Juli 1973 Beschwerden an der Lendenwirbelsäule vorgelegen hätten, jedoch sei in den Durchgangsarztberichten und Nachschauberichten kein dokumentierter Schmerz an der Lendenwirbelsäule nachgewiesen worden. Dies könne entweder ein Hinweis auf eine stumm eingetretene Fraktur sein oder auch einen Zusammenhang mit der Fraktur ausschließen. Da jedoch keine konkurrierende Verletzung an der Wirbelsäule aufgetreten sei und auch nach Angaben des Versicherten das Krankheitsregister unauffällig gewesen sei, sei davon auszugehen, dass wahrscheinlich ein Zusammenhang zwischen dem angeschuldigten Unfallereignis und der Lendenwirbelkörperfraktur zu sehen sei.
Mit Stellungnahme vom 08. Dezember 2014 hat der Sachverständige Dr. St ausgeführt, dass keinerlei ärztliche Dokumente vorlägen, die ein Vorliegen von Beschwerden bereits ab dem Unfallzeitpunkt beweisen würden. Vielmehr lägen ärztliche Befundunterlagen aus diesem Zeitraum in Form von Krankenhausberichten und Durchgangsarzt- sowie Nachschauberichten vor, in denen keinerlei Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule mitgeteilt worden seien. Die Ausführungen von Dr. W, die nur leicht eingestauchte Grund- und Deckplattenfraktur des 1. Lendenwirbelkörper könne in so einem Fall klinisch auch mal stumm verlaufen, sei als spekulativ aufzufassen. Hinsichtlich des Unfallherganges habe der Gutachter Dr. W in seinem Gutachten nicht erläutert, aus welchem Grund er den Unfallhergang für biomechanisch ausreichend erachtet. Nicht gesichert werden könne durch Dr. W auch der Zeitraum von fast zwei Jahren zwischen dem Unfall und dem ersten Röntgenbild. Es fänden sich keine plausiblen und sicheren Gründe für das primäre Nichterkennen einer Fraktur.
Dr. W hat mit Schriftsatz vom 16. März 2015 mitgeteilt, dass er auch nach Durchsicht der ergänzenden Stellungnahme des Dr. S an seiner gutachterlichen Einschätzung festhalte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die beigezogene Gerichtsakte zum Aktenzeichen S 69 U 700/01 und S 14 RA 725/96 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zulässiger Gegenstand des vorliegenden Klage- und Berufungsverfahrens ist – bei sachdienlicher Würdigung des klägerischen Vortrags gemäß § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - von Anfang an lediglich die Feststellung eines bestimmten weiteren Gesundheitserstschadens. Eine gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG anfechtbare Entscheidung über konkrete Entschädigungsleistungen traf die Beklagte im Bescheid vom Bescheid vom 27. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012 dem Kläger gegenüber ohnehin nicht, sie lehnte lediglich pauschal "Entschädigungsleistungen" der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Mit dieser Leerformel brachte sie im Kontext der Bescheidbegründung allenfalls eine anfechtbare – verwaltungsaktmäßige – Regelung i.S.v. § 31 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) des Inhalts zum Ausdruck, dass keine weiteren Gesundheitserstschäden mehr vorlagen. Dementsprechend wäre die – derzeit noch gemäß Klageantrag in der ersten Instanz - auf die Gewährung von Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtete Klage bei wörtlichem Verständnis unzulässig gewesen, weil nicht in einem Verwaltungsverfahren über konkrete Entschädigungsleistungen vor Klageerhebung befunden worden ist (vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R -, zitiert nach juris Rn. 10 f.). Da sich i.Ü. auch der Widerspruchsbescheid zu konkreten Entschädigungsleistungen nicht verhält, hätte es insofern auch an der Durchführung des nach § 78 SGG erforderlichen Vorverfahrens gefehlt (Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteil vom 03. Mai 2013 – L 3 U 29/11 -, zitiert nach juris).
Die Klage ist dementsprechend auf eine bloße allgemeine Feststellungsklage umgestellt worden, ohne dass hierein eine gemäß § 99 SGG gegebenenfalls zustimmungspflichtige Klageänderung zu sehen wäre. Vielmehr ist dieser Feststellungsantrag gemäß § 123 SGG unter Würdigung des klägerischen Gesamtvorbringens ohnehin von Anfang an von seinem Begehren umfasst gewesen. Eine eben so verstandene Feststellungsklage ist gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 SGG vorliegend statthaft (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 2004 – B 2 U 21/03 R -, zitiert nach juris Rn. 24); das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 2 SGG ist hierbei zu bejahen. Nach der Systematik des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind in den Vorschriften, welche die Voraussetzungen der verschiedenen sozialen Rechte auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung regeln (z.B. §§ 27 ff. SGB VII (Heilbehandlung) und §§ 45 ff. SGB VII (Verletztengeld)), nur die spezifischen Voraussetzungen der jeweiligen einzelnen Arten von Leistungsrechten ausgestaltet. Demgegenüber sind die allgemeinen Rechtsvoraussetzungen, die für alle Leistungsrechte des SGB VII gleichermaßen gelten, nämlich die Regelungen über den Versicherungsfall und die ihm zuzurechnenden Unfallfolgen (§§ 7 bis 13 i.V.m. §§ 2 bis 6 SGB VII), vorab und einheitlich ausgestaltet. Ermächtigung und Anspruch betreffen daher auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung gegen denselben Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind. Zu den abstrakt feststellbaren Anspruchselementen gehören neben dem Versicherungsfall die (sog. unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich (und deshalb zurechenbar) spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden. Der Feststellung, ob und welche Gesundheitsstörungen Folgen eines Versicherungsfalls sind, kommt eine über den einzelnen Leistungsanspruch hinausgehende rechtliche Bedeutung für den Träger und den Versicherten zu. Denn trotz unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen setzen, wie bereits ausgeführt, alle Leistungsansprüche nach den §§ 26 ff. SGB VII als gemeinsame Tatbestandsmerkmale einen Versicherungsfall (iSd §§ 7 bis 13 SGB VII) und durch ihn verursachte Gesundheitsschäden - bis hin zum Tod des Verletzten - voraus und begründen dafür die Verbandszuständigkeit nur eines bestimmten Trägers der Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 05. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R – zitiert nach juris, Rn. 12, 17, 19 ff.). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse bestünde demgegenüber nicht, soweit die Feststellung von Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit begehrt wird. Dies wäre eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 55 Rn. 9), welche gegenüber der im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machenden Erstattung konkreter Behandlungskosten oder Zahlung von Verletztengeld subsidiär wäre (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 19 f.).
Die so verstandene Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 27. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, soweit ein Wirbelkörperkompressionsbruch im Bereich L 1 als weiterer Gesundheitserstschaden verneint wird.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Der Gesetzgeber bringt mit der wiederkehrenden Formulierung "infolge" – vgl. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1, 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII - das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Unfalls bzw. seiner Folgen mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Die Frage nach diesem Zurechnungszusammenhang stellt sich auf drei Ebenen, nämlich als Unfallkausalität zwischen ausgeübter Tätigkeit und Unfallereignis, als haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und als haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheitserstschaden und länger andauernden Unfallfolgen (BSG, a.a.O., Rn. 10; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Kap. 1.4, S. 21 f.). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit und des Unfallereignisses müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.).
Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass die Wirbelkörperkompressionsfraktur bei L1 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf das Unfallereignis vom 11. Juli 1973 zurückzuführen ist.
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (BSG, a.a.O., Rn. 16).
Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Maßgebend ist, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (BSG, a.a.O., Rn. 17). Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, a.a.O., Rn. 18). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann entgegen der Auffassung der Beklagten nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (BSG, a.a.O., Rn. 19). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O., Rn. 20).
Dies zugrunde gelegt kann im Unfallereignis vom 11. Juli 1973 nicht eine wesentliche Ursache für die Wirbelkörperkompressionsfraktur bei L1 angenommen werden. Hierfür schließt sich der Senat ohne Einschränkungen den Ausführungen von Dr. S sowie im Ergebnis auch den Ausführungen von Dr. WR an und verweist diesbezüglich auch auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils und sieht zunächst von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, vgl. § 153 Abs. 2 SGG.
Nachvollziehbar haben Dr. S und Dr. W-R unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Standardliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 428 ff.) ausgeführt, dass der vom Kläger bei den Begutachtungen geschilderte Unfallmechanismus nicht geeignet war, die Fraktur eines Wirbelkörpers zu verursachen. Dabei geht der Senat nach allen möglichen Varianten des Unfallgeschehens sicher davon aus, dass der Kranausleger den Kläger auf der linken Körperseite erfasst hat. Hierbei hat sich der Kläger Prellungen am linken Oberarm, am linken Oberschenkel mit Schürfung und eine Innenknöchelfraktur links zugezogen. Bei keiner Unfallschilderung, auch nicht bei der zum Tag der Begutachtung, ist vom Kläger angegeben worden, dass der Ausleger an der Wirbelsäule angeprallt sei. Vielmehr gab er an, dass der Oberkörper nach vorne zusammen geklappt sei. Soweit der Kläger angab, mit dem Gesäß auf die Straße gefallen zu sein und einen "blauen Hintern" gehabt zu haben, hat das SG in seinem Urteil zutreffend dargelegt, Seite 7 der Urschrift, das mangels ärztlicher Dokumentation eines entsprechenden Hämatoms, angesichts aller anderen dokumentierten Hämatome am Körper des Klägers, diese Darstellung des Klägers nicht untermauert wird und somit nicht belastbar ist. Anhand der Behandlungsunterlagen ist keine Prellmarke im Bereich des Körperstammes festgestellt worden, ein Hämatom wurde (lediglich) am linken Oberarm dokumentiert.
Zwar gehen Verletzungen mit einem Bruch des Lendenwirbelkörpers häufig mit Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule einher, deren Intensität wechselhaft sein und häufig auch nur uncharakteristische und nur relativ leichte Beschwerden verursachen kann (Schönberger u.a., a.a.O., Seite 429). Der Kläger hat jedoch, dies geht aus den vorliegenden Behandlungsunterlagen der Jahre 1973 bis 1975 hervor, sowohl während des stationären Aufenthaltes und der primären Nachbehandlung keinerlei Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule angegeben. Zutreffend verweist Dr. S zudem darauf, dass sichere Gründe für das primäre Nichterkennen einer Fraktur, wie beispielsweise lange Immobilisierung oder Koma beim Kläger nicht vorgelegen haben. Soweit der Kläger nunmehr darstellt, schon zwei bis drei Monate nach dem Unfall Beschwerden im LWS-Bereich gehabt und sich deshalb in ärztliche Behandlung begeben zu haben, so dass 1975 eine entsprechende Röntgenaufnahme gefertigt worden sei, wird dies nicht durch ärztliche Unterlagen bestätigt. Der zwischen dem Unfall 1973 und der Röntgenaufnahme 1975 liegende mögliche Beschwerde-Zeitraum bleibt unklar und wird nicht durch medizinische Unterlagen, die über eine Wirbelsäulensymptomatik Aufschluss geben, belegt. In den vorliegenden Rentengutachten wird zwar mehrfach von einer Beschwerdesymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule berichtet, dies aber – nach Angaben des Klägers – erst seit 1985. Auch wenn vor dem Unfall etwaige Beschwerden an der Lendenwirbelsäule ebenso wenig dokumentiert sind wie ein etwaiger zusätzlicher Unfall im Zeitraum zwischen dem 11. Juli 1973 und der erstmaligen radiologischen Sicherung der alten Wirbelkörperfraktur 1975, spricht das Zeitfenster zwischen dem Unfall und der radiologischen Sicherung der Fraktur am ersten Lendenwirbelkörper gegen die Ursächlichkeit des Unfalles. Schließlich spricht gegen einen Kausalzusammenhang, dass die vom Kläger bei der Untersuchung durch die Sachverständigen Dr. S und Dr. WR durch den Kläger angegebenen und demonstrierten Beschwerden im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule zu lokalisieren waren, nicht jedoch am thorakolumbalen Übergang an der oberen Lendenwirbelsäule im Bereich der ehemaligen Fraktur.
Demgegenüber vermag der Sachverständige Dr. W mit seinen Erwägungen zur Zusammenhangsfrage nicht zu überzeugen. Er lässt – worauf Dr. S zutreffend hinweist – eine wissenschaftliche Erörterung zur Biomechanik des Unfallhergangs vermissen. Soweit er einen Kausalzusammenhang dadurch gegeben sieht, dass der Nachweis einer Vorschädigung der LWS vor dem Unfall und das Hinzutreten eines weiteren Unfalls im Zeitraum zwischen dem 11. Juli 1973 und 1975 fehlen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Hier ist noch einmal zu betonen, dass ein geeigneter Unfallmechanismus nicht darstellbar ist, anlässlich der unfallnahen Untersuchungen und auch bis zur erstmaligen radiologischen Sicherung der alten Wirbelkörperfraktur 1975 keine LWS-Beschwerden und kein Hämatom/Prellmarke am Stamm-Oberkörper dokumentiert wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Revisionszulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
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