Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 16 AL 210/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 125/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die einzelnen örtlichen Dienststellen der Bundeagentur für Arbeit sind Behörden im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X.
2. Aus § 2 Abs. 2 SGB X folgt, dass es im Sozialverwaltungsverfahren im Gegensatz zum Prozessrecht grundsätzlich keine fortwährende örtliche Zuständigkeit (sog. perpetuatio fori) gibt
3. Zur Frage nach der zuständigen Agentur für Arbeit für eine Aufhebungsentscheidung nach dem Umzug des Arbeitslosengeldempfängers.
2. Aus § 2 Abs. 2 SGB X folgt, dass es im Sozialverwaltungsverfahren im Gegensatz zum Prozessrecht grundsätzlich keine fortwährende örtliche Zuständigkeit (sog. perpetuatio fori) gibt
3. Zur Frage nach der zuständigen Agentur für Arbeit für eine Aufhebungsentscheidung nach dem Umzug des Arbeitslosengeldempfängers.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26. April 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen sind nicht zu erstatten. Hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens verbleibt es bei der Entscheidung im Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2010.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) sowie der Rückforderung der von der Beklagten an die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin in der Zeit vom 11 Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
Die am 1971 geborene Klägerin, die bis zum 31. März 2009 etwa 20 Jahre bei einer Kaufhauskette in N -W beschäftigt war, meldete sich am 12. März 2009 mit Wirkung zum 1. April 2009 bei der Beklagten arbeitslos. Im Antrag auf Arbeitslosengeld vom 20. April 2009 versicherte sie durch ihre Unterschrift, dass sie Änderungen unverzüglich anzeige und das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten sowie von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe. Hierin wird unter anderem darauf hingewiesen, dass man für den Bezug Arbeitslosengeld beschäftigungslos sein müsse und jede Beschäftigung oder Tätigkeit vor deren Beginn der Agentur anzuzeigen sei (Seite 14 des Merkblattes). Die Aufnahme einer Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich führe zu einer Unterbrechung der Arbeitslosigkeit, die der Agentur für Arbeit unverzüglich mitzuteilen sei (Seite 15 des Merkblattes). Darüber hinaus wird über die Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten (Seite 47 bis– 49 des Merkblattes) sowie die Folge einer Erstattungspflicht bei etwaigen Verstößen (Seite 50 des Merkblattes) belehrt.
Mit Bescheid vom 20. April 2009 bewilligte die Agentur für Arbeit L der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 30. März 2010 für 360 Kalendertage in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 46,58 EUR. Mit Bescheid vom 30. Mai 2009 wurde der Leistungsbetrag für die Zeit ab dem 1. April 2009 auf 46,83 EUR geändert. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden während der Zeit des Leistungsbezugs an die gesetzliche Kranken- und Pflegegeldversicherung der Klägerin abgeführt.
Am 11. Mai 2009 nahm die Klägerin eine Tätigkeit bei der Firma N M -D AG & Co. KG (im Nachfolgenden: Firma N ) auf. Beabsichtigt war eine Beschäftigung als Verkaufsstellenverwalterin einer Niederlassung in H , ohne dass es zunächst zum Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages kam. Die Klägerin füllte gegenüber einem für die Einstellung verantwortlichen Mitarbeiter der Firma N einen Einstellungsfragebogen aus und gab ihm hierbei auch ihre Bankverbindung an. Die Klägerin wurde von der Firma N zunächst zur Probe in der Filiale G eingesetzt und war dort in Vollzeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 tätig. Nachdem sie nach Ende einer Woche von der dortigen Filialleiterin keine positive Rückmeldung erhalten hatte, entschloss sich die Klägerin dazu, die Tätigkeit nicht weiter auszuüben. Die Firma N zahlte ihr für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 11. Mai bis zum 18. Mai 2009 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 807,78 EUR. Die Klägerin informierte die Beklagte über die Aufnahme der Beschäftigung nicht. Am 29. Juni 2009 informierte sie die Agentur für Arbeit L telefonisch über ihren Umzug nach L zum 1. Juli 2009. Eine persönliche Vorsprache bei der Agentur für Arbeit in L erfolgte am 14. Juli 2009.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung erhielt die Beklagte am 25. Juni 2009 Kenntnis, dass die Klägerin zum 11. Mai 2009 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Firma N aufgenommen habe. Nachdem ihr die Beschäftigung von Seiten der Firma N bestätigt worden war, hörte die Agentur für Arbeit L die Klägerin mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 zu einer beabsichtigten Aufhebung des Arbeitslosengeldes sowie der Erstattung der zu Unrecht abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 verwies die Klägerin darauf, dass sie zwar bei der Firma N tätig gewesen, es zu einem Arbeitsvertrag aber nicht gekommen sei. Ihr Versäumnis sei nicht wissentlich geschehen. Sie sei zu diesem Zeitpunkt gerade arbeitslos geworden und mit ihrer neuen Lebenssituation überfordert gewesen.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 hob die Agentur für Arbeit L das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 ganz auf und forderte die Erstattung von zu Unrecht gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von 374,64 EUR zurück.
Die Agentur für Arbeit L hörte die Klägerin mit einem Schreiben vom 18. März 2010 zur Erstattung der Beiträge der Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 19. Mai 2009 bis zum 22. Juli 2009 an. Mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. März 2010 wurde die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 19. Mai 2009 bis zum 22. Juli 2009 aufgehoben und die entsprechende Erstattungsforderung erlassen. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe hierbei zumindest grob fahrlässig gehandelt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – [SGB X]).
Nachdem die Klägerin hiergegen mit Schreiben vom 30. März 2010 Widerspruch einlegt hatte, nahm die Agentur für Arbeit L mit Änderungsbescheid vom 16. April 2010 den Erstattungsbescheid vom 17. Dezember 2009 zurück und hob nunmehr die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 22. Juli 2009 ganz auf.
Mit Änderungsbescheid vom 28. April 2010 änderte die Agentur für Arbeit L schließlich den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. März 2010 dahingehend, dass nunmehr die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis 13. Juli 2009 wegen Aufnahme einer Beschäftigungsverhältnisses aufgehoben wurde und ging hierbei von einer erneuten persönlichen Vorsprache am 14. Juli 2009 aus. Sie forderte das für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 ausgezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 2.903,46 EUR unter Berücksichtigung des bereits für den Monat Dezember 2009 verrechneten Betrages von 327,81 EUR zurück.
Nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 28. April 2010 wies die Agentur für Arbeit L den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2010 zurück. Ihr wurde nunmehr auch der Vertrauensausschlusstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X entgegengehalte.
Hiergegen hat die Klägerin am 16. Juni 2010 Klage erhoben und darauf verwiesen, dass ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Sie sei zunächst nur probeweise und ohne Arbeitsvertrag tätig gewesen und sei auch nicht davon ausgegangen, Arbeitsentgelt hierfür zu erhalten. Ein Arbeitsvertrag habe erst nach Ablauf der Probewoche zustande kommen sollen. Sie sei davon ausgegangen, dass erst ein Arbeitsvertrag vorliegen müsse, um sich bei der Beklagten abmelden zu können. Dass sie tatsächlich ein Arbeitsverhältnis mit der Firma N M -D AG & Co. KG eingegangen sei, habe sie durch die Lohnzahlung im August 2009 erfahren. Im Übrigen sei die Beklagte allenfalls berechtigt, eine Rückforderung für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 5. Juni 2009 geltend zu machen, da sie mehrfach persönlich bei der Agentur der Beklagten L vorgesprochen habe.
Mit Schriftsatz vom 10. September 2010 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich des Bescheides vom 5. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010, mit dem die Agentur für Arbeit L von ihr die in der Zeit vom 19. Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 in Höhe von insgesamt 950,02 EUR geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückverlangt hat, erweitert. Der Bescheid ist damit begründet worden, dass aufgrund der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld hierauf kein Anspruch bestanden habe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. April 2013 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. In der Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 sei sie aufgrund der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht arbeitslos gewesen sei und habe sich erst am 14. Juli 2009 erneut arbeitslos gemeldet. Eine frühere persönliche Arbeitslosmeldung habe sie nicht bewiesen. Zu Recht sei daher die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben und die Erstattung der Leistungen geltend gemacht worden. Mit der Aufnahme der Beschäftigung sei ab dem 11. Mai 2009 eine wesentliche Änderung eingetreten und Klägerin habe ihre Mitwirkungspflicht zumindest grob fahrlässig verletzt. Sie habe gewusst oder habe zumindest wissen müssen, dass sie die Aufnahme der Beschäftigung hätte mitteilen müssen. Dies ergebe sich aus dem "Merkblatt I für Arbeitslose", welches die Klägerin erhalten habe. Damit seien die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X gegeben. Nach § 335 SGB III sei die Beklagte auch berechtigt, die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zurückzufordern.
Gegen das ihr am 27. Mai 2013 zugestelltes Urteil hat die Klägerin am 26. Juni 2013 Berufung eingelegt. Sie rügt die örtliche Zuständigkeit der Agentur für Arbeit L. Die Entscheidung hätte durch die Agentur für Arbeit L und nicht durch die Agentur L ergehen dürfen. Außerdem sei die Rückforderung nicht rechtmäßig, da die fehlende Mitteilung der Arbeitsaufnahme nicht grob fahrlässig gewesen sei. Insoweit verweist Sie auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen und rügt, dass sich das Sozialgericht keinen persönlichen Eindruck von ihr verschafft habe. Sie rügt, dass die Einträge in der Kundenhistorie der Beklagte fehlerhaft seien, da ihre persönliche Vorsprache Anfang Juni bei der Agentur für Arbeit L nicht dokumentiert sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26. April 2013 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2010 sowie den Erstattungsbescheid zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen vom 5. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 aufzuheben
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Zuständigkeitsmängel seien nicht gegeben, da die Klägerin durch ihren Umzug nach L von der dortigen Arbeitsagentur betreut worden sei. Im Übrigen lasse die organisatorische Zuständigkeit die Rechtsträgerschaft der hinter jeder Agentur für Arbeit stehenden Bundesagentur für Arbeit unberührt. Die Aufhebung und Erstattung als solche sei rechtmäßig und insbesondere die Klägerin ordnungsgemäß angehört worden. Sie habe zumindest grob fahrlässig ihre Mitteilungspflichten verletzt. Hierüber sei sie ausdrücklich im Merkblatt belehrt worden. Hinsichtlich einer etwaigen Vorsprache der Klägerin Anfang Juni hat die Beklagte auf die von ihr vorgelegte Kundenhistorie Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht mit Urteil vom 26. April 2013 die Klage der Klägerin abgewiesen. Der Bescheid vom 19. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2010 bezogen auf die Aufhebung und Erstattung des in der Zeit vom 11. Mai 2009 bis 13. Juli 2009 geleisteten Arbeitslosengeldes und der Erstattungsbescheid vom 5. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 gerichtet auf Erstattung der in dieser Zeit geleisteten Beiträge zu der Kranken- und Pflegeversicherung sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die mit Bescheid vom 19. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2010 geltend gemachte Aufhebung und Erstattung in der Zeit vom 11. März 2009 bis zum 13. Juli 2009 geleisteten Arbeitslosengeldes in Höhe von insgesamt 2.903,46 EUR. Darüber hinaus steht die mit Bescheid vom 5. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 geltend gemachte Erstattung der von der Beklagten für die Klägerin in der Zeit vom 19. Mai 2009 bis 13. Juli 2009 an die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin geleisteten Beiträgen zur Krankenversicherung in Höhe von 843,00 EUR sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 107,02 EUR im Streit.
2. Die von der Beklagten erlassene Aufhebungsentscheidung und die geltend gemachte Erstattung des in der Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 geleisteten Arbeitslosenggeldes in Höhe von täglich 46,83 EUR (Leistungsbetrag) oder insgesamt von 2.903,46 EUR (62 Tage) ist nicht zu beanstanden.
a) Die Agentur für Arbeit L war für den Erlass der angefochtenen Bescheide zuständig.
Nach § 367 Abs. 2 Satz 1 SGB III gliedert sich die Bundesagentur für Arbeit in eine Zentrale auf der oberen Verwaltungsebene, Regionaldirektionen auf der mittleren Verwaltungsebene und Agenturen für Arbeit auf der örtlichen Verwaltungsebene. Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen vorrangig durch die örtlichen Agenturen für Arbeit erbracht werden (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Für Leistungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mit Ausnahme des Kurzarbeitergeldes, des Wintergeldes, des Insolvenzgeldes und der Leistungen zur Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen, ist die Agentur für Arbeit zuständig, in deren Bezirk die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bei Eintritt der leistungsbegründenden Tatbestände ihren oder seinen Wohnsitz hat (vgl. § 327 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Dies war im Falle der Klägerin zunächst die Agentur für Arbeit L.
Nach dem Umzug der Klägerin nach L war dann aber die dortige Agentur für Arbeit zuständig. Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X gelten für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach diesem Gesetzbuch ausgeübt wird, die Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X (§§ 1 bis 66 SGB X). Behörde im Sinne dieses Gesetzbuches ist nach § 1 Abs. 2 SGB X jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die einzelnen örtlichen Dienststellen der Bundeagentur für Arbeit sind Behörden im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X (vgl. Solka, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III [2014], § 367 Rdnr. 32). Nach § 2 Abs. 2 SGB X kann, wenn sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände ändern, die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt. Aus dieser Regelung folgt zum einen, dass es – vorbehaltlich etwaiger, hier nicht bestehender Sonderregelungen – im Sozialverwaltungsverfahren im Gegensatz zum Prozessrecht grundsätzlich keine fortwährende örtliche Zuständigkeit (sog. perpetuatio fori) gibt (vgl. I. Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [2. Aufl., 2011], § 2 Rdnr. 18 FN 64, m. w. N.). Zum anderen setzt die Sonderregelung in § 2 Abs. 2 SGB X nach dem eindeutigen Wortlaut ein laufendes Verwaltungsverfahren voraus. Dies ist jedenfalls dann nicht mehr der Fall, wenn das Verwaltungsverfahren durch des Erlass eines Bescheides bestandskräftig abgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2013 – B 13 R 5/11 R – SozR 4-1200 § 51 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 32). Das Verwaltungsverfahren betreffend den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Arbeitslosengeld war mit dem Änderungsbescheid vom 30. Mai 2009 abgeschlossen. Das Rückforderungsverfahren, an dessen Ende die hier streitigen Bescheide stehen, wurde durch die Agentur für Arbeit L von Amts wegen (vgl. § 18 SGB X) eingeleitet und ist ein eigenständiges Verwaltungsverwahren. Damit ist vorliegend § 2 Abs. 2 SGB X nicht anwendbar (vgl. I. Palsherm, a. a. O., Rdnr. 18.2 [Aktualisierung 01.08.2013]; a. A. [analoge Anwendung]: Grochtmann, NZS 2013, 410 ff.).
Selbst wenn entsprechend der Auffassung der Klägerin die Agentur für Arbeit L auch nach ihrem Umzug für das Rückforderungsverfahren zuständig geblieben wäre, würde allein der Erlass der angefochtenen Bescheide durch die dann unzuständige Agentur für Arbeit L wegen der Regelung in § 42 Satz 1 SGB X ihr auf die Aufhebung der Bescheide gerichtetes Begehren nicht stützen. Nach dieser Regelung kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften unter anderem über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dies kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes nur bei "faktischer Alternativlosigkeit" in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 7/08 R – SozR 4-1300 § 63 Nr. 9 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 30, m. w. N.). Eine solche Alternativlosigkeit ist vorliegend gegeben. Denn wenn, wie von der Beklagten vertreten, bezüglich einer Aufhebungsentscheidung der Klägerin einer der Vertrauensausschlusstatbestände aus § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorzuhalten ist, ist die Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Ein Ermessensspielraum für die zuständige Behörde ist mithin kraft Gesetzes ausgeschlossen.
b) Die Beklagte war berechtigt, die Arbeitslosengeldbewilligung für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 und damit die Bewilligungsbescheide nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III aufzuheben.
(1) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte mit dem im Erstattungsbescheid vom 17. Dezember 2009 in Bezug genommenen Aufhebungsbescheid vom selben Tag lediglich die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 aufgehoben hatte. Bei diesem Zeitraum handelte es sich um die Zeit, in der die Klägerin einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen war. In dem Bescheid kommt weder ausdrücklich noch konkludent zum Ausdruck, dass mit diesem Bescheid eine Entscheidung über sämtliche Konsequenzen der Arbeitsaufnahme enthalten sein sollte, dass mit anderen Worten dass Beschäftigungsaufnahme bei der Firma N keine weiteren leistungsrechtlichen Konsequenzen haben sollte.
(2) Die Aufhebungsentscheidung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde die Klägerin in Bezug auf den Vertrauensausschlusstatbestand in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X angehört. Hingegen mangelt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung in Bezug auf den Vertrauensausschlusstatbestand in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X.
Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Im Rahmen einer Anhörung muss demjenigen, der von dem beabsichtigten Erlass des belastenden Verwaltungsaktes betroffen ist, Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Entscheidungserheblich sind dabei alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dass heißt auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 37/09 R – SozR 4-1300 § 41 Nr. 2 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12, m. w. N.; Siefert, in: von Wulffen, SGB X [8., Aufl., 2014], § 24 Rdnr. 13).
Eine Anhörung, die diesen Anforderungen genügt, erfolgte nicht im Anhörungsschreiben vom 3. Dezember 2009. Dort wurde lediglich festgestellt, dass die Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma N gestanden habe, dass die Kläger mit Beginn der Beschäftigung keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, und dass geprüft werden müsse, ob die Leistungsbewilligung aufzuheben sowie die zu Unrecht erbrachten Leistungen und Versicherungsbeiträge zu erstatten seien.
Der Mangel wurde jedoch durch eine Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt. Ein Anhörungsmangel wird im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nur dann geheilt, wenn der Bescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen enthält (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1994 – 7 RAr 104/93 - SozR 3-4100 § 117 Nr. 11 = JURIS-Dokument Rdnr. 24; Sächs. LSG, Urteil vom 27. Februar 2014 – L 3 AS 579/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 53; Schütze, in: von Wulffen, SGB X [8., Aufl., 2014] § 41 Rdnr. 15; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar – Sozialversicherungsrecht - [Stand: 80. Erg.-Lfg., Dez. 2013], § 41 SGB X Rdnr. 16, m. w. N.). Dies war hier der Fall. Im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. März 2010 waren alle notwendigen Informationen enthalten, die die Klägerin in die Lage versetzten, zur Aufhebungsentscheidung einschließlich des Vertrauensausschlusses nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X sowie zur Erstattungsforderung Stellung zu nehmen.
Keine Heilung erfolgte in Bezug auf den Vertrauensausschlusstatbestand in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Dieser wurde von der Beklagten erstmals im Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2010 bemüht. Dieser Anhörungsmangel wurde auch nicht im gerichtlichen Verfahren beseitigt. Eine Nachholung der Anhörung parallel zum gerichtlichen Verfahren, welche gemäß § 41 Abs. 2 SGB X grundsätzlich bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, setzt nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ein eigenständiges, nicht notwendigerweise formelles Verwaltungsverfahren voraus, in dessen Rahmen die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat und an dessen Ende sie zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 37/09 R – SozR 4-1300 § 41 Nr. 2 = NJW 2011, 1996 = JURIS-Dokument, jeweils Leitsatz; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 10 LW 2/11R – SozR 4-5868 § 12 Nr. 1= JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 39). Ein solches Anhörungsverfahren wurde nicht durchgeführt.
Der Anhörungsmangel in Bezug auf den Vertrauensausschlusstatbestand in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X hat aber nicht zur Folge, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben wäre. Denn die Frage, ob sich die Klägerin nicht auf Vertrauen berufen kann, betrifft lediglich die Begründung des Bescheides, nicht aber die Verfügung. Da zudem die vier Vertrauensausschlusstatbestände in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht kumulativ nebeneinander stehen, ist es ausreichend, wenn einer, hier der in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, die Aufhebungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit zu tragen vermag.
(3) Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Er ist nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
Eine solche wesentliche Änderung ist in Bezug auf die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 11. Mai 2009 eingetreten.
Nach § 118 Abs. 1 SGB III (in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 Nr. 62 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) hatten Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos waren, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hatten.
Nach § 119 Abs. 1 SGB III (in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 Nr. 62 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) war ein Arbeitnehmer arbeitslos, der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemühte, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand (Verfügbarkeit). Nach § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III a. F. schloss die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasste; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer blieben unberücksichtigt.
Für die Zeit ab dem 11. Mai 2009 hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da sie auf Grund des zeitlichen Umfangs ihrer Tätigkeit bei der Firma N nicht mehr beschäftigungslos im Sinne von § 119 Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB III a. F. war.
Hierbei ist unerheblich, dass die Klägerin zunächst ohne schriftlichen Arbeitsvertrag zur Probe bei der Firma N arbeitete. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klägerin davon ausging, dass sie unentgeltlich zur Probe arbeite. Dies erscheint allerdings zweifelhaft, da sie der Firma N im Einstellungsfragebogens jedenfalls ihre Bankverbindung angab und ihrer gesetzlichen Krankenkasse benannte. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob die Klägerin dies als unentgeltliches Probearbeiten beurteilte, da sie, wie sie selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, in der Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 in der Filiale der Firma N in G in Vollzeit tätig war. Maßgebend für die Beschäftigungslosigkeit im Sinne von § 119 Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB III a. F. sind die objektiven Umstände und nicht die subjektiven Vorstellungen des Arbeitnehmers.
Auszugehen ist grundsätzlich von einem leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses. Der sozialrechtliche Begriff der Beschäftigung unterscheidet sich vom Begriff des Arbeitsverhältnisses. Er ist insofern weiter, als er sowohl Arbeit in einem wirksamen oder jedenfalls faktischen Arbeitsverhältnis als auch Arbeiten ohne Arbeitsverhältnis umfasst (vgl. Brandt, in: Niesel/Brand, SGB III [5. Aufl., 2010], § 119 Rdnr. 10; zur Rechtslage ab 1. April 2012: Brandt, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 138 Rdnr. 10). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 – B 7a AL 58/05 R – JURIS-Dokument Rdnr. 14, m. w. N.; BSG, Urteil vom 13. Juli 2006 – B 7a AL 16/05 R – SozR 4-4300 § 122 Nr. 5 = JURIS-Dokument Rdnr. 12, m. w. N.) ist der Kernbestand eines (leistungsrechtlichen) Beschäftigungsverhältnisses eine faktische Beziehung, die die Leistung von Arbeit unter persönlicher Abhängigkeit von einem anderen zum Inhalt hat, wobei sich diese Abhängigkeit auf der einen Seite in der tatsächlichen Verfügungsmacht (Direktionsrecht) und auf der anderen Seite in der faktischen Dienstbereitschaft auswirkt. Das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist nicht mit dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen. Entscheidend ist, dass Gegenstand des Verhältnisses gerade die Leistung fremdnütziger Arbeit von wirtschaftlichem Wert im Rahmen eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses ist (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2006, a. a. O., m. w. N.). Im Fall der Klägerin waren diese Voraussetzungen mit dem Einsatz in der Filiale der Firma N in G in Vollzeit und unter Anweisung der dortigen Filialleiterin in der Zeit vom 11. Mai bis zum 18. Mai 2009 erfüllt.
(4) In zeitlicher Hinsicht entfiel der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 13. Juli 2009.
Nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (in der vom 1. Mai 2004 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 Nr. 64 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) erlosch die Wirkung der Arbeitslosenmeldung mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger, wenn der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hatte. Damit erlosch die Wirkung der Arbeitslosmeldung der Klägerin vom 12. März 2009 am 11. Mai 2009, als sie bei der Firma N eine Beschäftigung aufnahm und diese der Beklagten nicht unverzüglich mitteilte. Die Klägerin hatte erst wieder ab dem 14. Juli 2009 Anspruch auf Arbeitslosengeld, als sie erneut bei der Beklagten vorsprach (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a. F. i. V. m. § 122 Abs. 1 Satz1 SGB III a. F.).
Eine von der Klägerin behauptete frühere persönliche Vorsprache (zur Notwendigkeit einer persönlichen Arbeitslosmeldung; Sächs. LSG, Beschluss vom 14. August 2014 – L 3 AL 1/13 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 20) bei der Beklagten ist nicht zu belegen. Hierfür trägt sie die objektive Beweislast (vgl. zur objektiven Beweislast für den Zeitpunkt des Einganges eines konstitutiv wirkenden Antrages: Sächs. LSG, Urteil vom 21. Juni 2012 – L 3 AS 607/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 49). Gegen die von der Klägerin behauptete frühere persönliche Vorsprache spricht die von der Beklagten vorgelegte Kundenhistorie, wonach eine frühere persönliche Vorsprache der Klägerin an einer Dienststelle der Beklagten nicht dokumentiert ist. Konkrete belastbare Angaben zur behaupteten Vorsprache hat die Klägerin nicht gemacht. Anhaltspunkte daran, dass die Kundenhistorie der Beklagten insoweit fehlerhaft ist, sind nicht ersichtlich.
(5) Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt hat. Es ist ein subjektiver Maßstab anzulegen. Danach handelt grob fahrlässig, wer unter Berücksichtigung seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, seines Einsichtsvermögens und der besonderen Umstände des Falles schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juni 1987 – 7 RAr 105/85 – BSGE 62, 32 [35] = SozR 4100 § 71 Nr. 2, m. w. N.; BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R – SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 = JURIS-Dokument Rdnr. 23, m. w. N.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 14/11 R – 4-1300 § 45 Nr. 15 = JURIS-Dokument Rdnr. 25).
Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass im "Merkblatt 1 für Arbeitslose" klare, unmissverständliche Hinweise enthalten waren. Die Klägerin wurde darüber belehrt, dass sie für den Bezug von Arbeitslosengeld beschäftigungslos sein müsse und jede Beschäftigung oder Tätigkeit vor deren Beginn anzuzeigen habe. Ihr musste damit bekannt sein, dass alle Änderungen, die den Leistungsanspruch beeinflussen könnten, unverzüglich mitzuteilen waren, und dass der Anspruch entfiel, wenn die aufgenommene Beschäftigung oder Tätigkeit 15 Stunden wöchentlich mehr umfasste. Durch ihrer Unterschrift auf dem am 20. April 2009 abgegebenen Antrag bestätigte die Klägerin den Erhalt des Merkblattes und die Kenntnisnahme von seinem Inhalt. Gleichwohl kam sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach. Die Klägerin war nach dem persönlichen Eindruck, den sich der Senat in der mündlichen Verhandlung verschaffen konnte, in der Lage, die Hinweise im Merkblatt zu verstehen.
(6) Die Beklagte hat die Jahresfrist zur Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit (vgl. § 48 Abs. 4 Satz 2, § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) gewahrt, was auch zwischen den Beteiligten nicht streitig war.
c) Die Erstattungsforderung ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die Erstattungsforderung der Beklagten ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie erfolgte für die Zeit vom 11. Mai bis zum 13. Juli 2009 in voller Höhe. Der Klägerin wurden für die 62 Tage ein täglicher Leistungssatz von 46,83 EUR bewilligt, insgesamt 2.903,46 EUR, so dass unter Abzug eines bereits aufgrund des Bescheides vom 17. Dezember 2009 für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 erfolgten Aufrechnung mit Leistungen in Höhe von 374,64 EUR der noch zu leistende Erstattungsbetrag 2.575,65 EUR beträgt.
3. Die Beklagte ist schließlich auch zur Rückforderung der im Zeitraum vom 19. Mai 2009 bis 13. Juli 2009 insgesamt in Höhe von 843,00 EUR und 107,02 EUR an die BKK M AG K geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung berechtigt. Die Rechtsgrundlagen finden sich in § 335 SGB III (in der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, Art. 2 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes vom 15. Juli 2009 [BGBl. I, 1939]).
Nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F. hatte der Bezieher von Arbeitslosengeld, wenn von der Bundesagentur für ihn Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt worden waren, der Bundesagentur die Beiträge zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung, wie hier mit den vorgenannten Bescheiden, rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden waren. Nach § 335 Abs. 5 SGB III a. F. war für die Beiträge der Bundesagentur zur sozialen Pflegeversicherung für Versicherungspflichtige nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) § 335 Abs. 1 SGB III entsprechend anzuwenden. Die Erstattungsforderung ist rechnerisch korrekt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGB II) nicht vorliegen.
Dr. Scheer Höhl Krewer
II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen sind nicht zu erstatten. Hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens verbleibt es bei der Entscheidung im Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2010.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) sowie der Rückforderung der von der Beklagten an die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin in der Zeit vom 11 Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
Die am 1971 geborene Klägerin, die bis zum 31. März 2009 etwa 20 Jahre bei einer Kaufhauskette in N -W beschäftigt war, meldete sich am 12. März 2009 mit Wirkung zum 1. April 2009 bei der Beklagten arbeitslos. Im Antrag auf Arbeitslosengeld vom 20. April 2009 versicherte sie durch ihre Unterschrift, dass sie Änderungen unverzüglich anzeige und das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten sowie von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe. Hierin wird unter anderem darauf hingewiesen, dass man für den Bezug Arbeitslosengeld beschäftigungslos sein müsse und jede Beschäftigung oder Tätigkeit vor deren Beginn der Agentur anzuzeigen sei (Seite 14 des Merkblattes). Die Aufnahme einer Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich führe zu einer Unterbrechung der Arbeitslosigkeit, die der Agentur für Arbeit unverzüglich mitzuteilen sei (Seite 15 des Merkblattes). Darüber hinaus wird über die Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten (Seite 47 bis– 49 des Merkblattes) sowie die Folge einer Erstattungspflicht bei etwaigen Verstößen (Seite 50 des Merkblattes) belehrt.
Mit Bescheid vom 20. April 2009 bewilligte die Agentur für Arbeit L der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 30. März 2010 für 360 Kalendertage in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 46,58 EUR. Mit Bescheid vom 30. Mai 2009 wurde der Leistungsbetrag für die Zeit ab dem 1. April 2009 auf 46,83 EUR geändert. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden während der Zeit des Leistungsbezugs an die gesetzliche Kranken- und Pflegegeldversicherung der Klägerin abgeführt.
Am 11. Mai 2009 nahm die Klägerin eine Tätigkeit bei der Firma N M -D AG & Co. KG (im Nachfolgenden: Firma N ) auf. Beabsichtigt war eine Beschäftigung als Verkaufsstellenverwalterin einer Niederlassung in H , ohne dass es zunächst zum Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages kam. Die Klägerin füllte gegenüber einem für die Einstellung verantwortlichen Mitarbeiter der Firma N einen Einstellungsfragebogen aus und gab ihm hierbei auch ihre Bankverbindung an. Die Klägerin wurde von der Firma N zunächst zur Probe in der Filiale G eingesetzt und war dort in Vollzeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 tätig. Nachdem sie nach Ende einer Woche von der dortigen Filialleiterin keine positive Rückmeldung erhalten hatte, entschloss sich die Klägerin dazu, die Tätigkeit nicht weiter auszuüben. Die Firma N zahlte ihr für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 11. Mai bis zum 18. Mai 2009 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 807,78 EUR. Die Klägerin informierte die Beklagte über die Aufnahme der Beschäftigung nicht. Am 29. Juni 2009 informierte sie die Agentur für Arbeit L telefonisch über ihren Umzug nach L zum 1. Juli 2009. Eine persönliche Vorsprache bei der Agentur für Arbeit in L erfolgte am 14. Juli 2009.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung erhielt die Beklagte am 25. Juni 2009 Kenntnis, dass die Klägerin zum 11. Mai 2009 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Firma N aufgenommen habe. Nachdem ihr die Beschäftigung von Seiten der Firma N bestätigt worden war, hörte die Agentur für Arbeit L die Klägerin mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 zu einer beabsichtigten Aufhebung des Arbeitslosengeldes sowie der Erstattung der zu Unrecht abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 verwies die Klägerin darauf, dass sie zwar bei der Firma N tätig gewesen, es zu einem Arbeitsvertrag aber nicht gekommen sei. Ihr Versäumnis sei nicht wissentlich geschehen. Sie sei zu diesem Zeitpunkt gerade arbeitslos geworden und mit ihrer neuen Lebenssituation überfordert gewesen.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 hob die Agentur für Arbeit L das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 ganz auf und forderte die Erstattung von zu Unrecht gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von 374,64 EUR zurück.
Die Agentur für Arbeit L hörte die Klägerin mit einem Schreiben vom 18. März 2010 zur Erstattung der Beiträge der Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 19. Mai 2009 bis zum 22. Juli 2009 an. Mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. März 2010 wurde die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 19. Mai 2009 bis zum 22. Juli 2009 aufgehoben und die entsprechende Erstattungsforderung erlassen. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe hierbei zumindest grob fahrlässig gehandelt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – [SGB X]).
Nachdem die Klägerin hiergegen mit Schreiben vom 30. März 2010 Widerspruch einlegt hatte, nahm die Agentur für Arbeit L mit Änderungsbescheid vom 16. April 2010 den Erstattungsbescheid vom 17. Dezember 2009 zurück und hob nunmehr die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 22. Juli 2009 ganz auf.
Mit Änderungsbescheid vom 28. April 2010 änderte die Agentur für Arbeit L schließlich den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. März 2010 dahingehend, dass nunmehr die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis 13. Juli 2009 wegen Aufnahme einer Beschäftigungsverhältnisses aufgehoben wurde und ging hierbei von einer erneuten persönlichen Vorsprache am 14. Juli 2009 aus. Sie forderte das für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 ausgezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 2.903,46 EUR unter Berücksichtigung des bereits für den Monat Dezember 2009 verrechneten Betrages von 327,81 EUR zurück.
Nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 28. April 2010 wies die Agentur für Arbeit L den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2010 zurück. Ihr wurde nunmehr auch der Vertrauensausschlusstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X entgegengehalte.
Hiergegen hat die Klägerin am 16. Juni 2010 Klage erhoben und darauf verwiesen, dass ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Sie sei zunächst nur probeweise und ohne Arbeitsvertrag tätig gewesen und sei auch nicht davon ausgegangen, Arbeitsentgelt hierfür zu erhalten. Ein Arbeitsvertrag habe erst nach Ablauf der Probewoche zustande kommen sollen. Sie sei davon ausgegangen, dass erst ein Arbeitsvertrag vorliegen müsse, um sich bei der Beklagten abmelden zu können. Dass sie tatsächlich ein Arbeitsverhältnis mit der Firma N M -D AG & Co. KG eingegangen sei, habe sie durch die Lohnzahlung im August 2009 erfahren. Im Übrigen sei die Beklagte allenfalls berechtigt, eine Rückforderung für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 5. Juni 2009 geltend zu machen, da sie mehrfach persönlich bei der Agentur der Beklagten L vorgesprochen habe.
Mit Schriftsatz vom 10. September 2010 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich des Bescheides vom 5. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010, mit dem die Agentur für Arbeit L von ihr die in der Zeit vom 19. Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 in Höhe von insgesamt 950,02 EUR geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückverlangt hat, erweitert. Der Bescheid ist damit begründet worden, dass aufgrund der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld hierauf kein Anspruch bestanden habe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. April 2013 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. In der Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 sei sie aufgrund der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht arbeitslos gewesen sei und habe sich erst am 14. Juli 2009 erneut arbeitslos gemeldet. Eine frühere persönliche Arbeitslosmeldung habe sie nicht bewiesen. Zu Recht sei daher die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben und die Erstattung der Leistungen geltend gemacht worden. Mit der Aufnahme der Beschäftigung sei ab dem 11. Mai 2009 eine wesentliche Änderung eingetreten und Klägerin habe ihre Mitwirkungspflicht zumindest grob fahrlässig verletzt. Sie habe gewusst oder habe zumindest wissen müssen, dass sie die Aufnahme der Beschäftigung hätte mitteilen müssen. Dies ergebe sich aus dem "Merkblatt I für Arbeitslose", welches die Klägerin erhalten habe. Damit seien die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X gegeben. Nach § 335 SGB III sei die Beklagte auch berechtigt, die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zurückzufordern.
Gegen das ihr am 27. Mai 2013 zugestelltes Urteil hat die Klägerin am 26. Juni 2013 Berufung eingelegt. Sie rügt die örtliche Zuständigkeit der Agentur für Arbeit L. Die Entscheidung hätte durch die Agentur für Arbeit L und nicht durch die Agentur L ergehen dürfen. Außerdem sei die Rückforderung nicht rechtmäßig, da die fehlende Mitteilung der Arbeitsaufnahme nicht grob fahrlässig gewesen sei. Insoweit verweist Sie auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen und rügt, dass sich das Sozialgericht keinen persönlichen Eindruck von ihr verschafft habe. Sie rügt, dass die Einträge in der Kundenhistorie der Beklagte fehlerhaft seien, da ihre persönliche Vorsprache Anfang Juni bei der Agentur für Arbeit L nicht dokumentiert sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26. April 2013 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2010 sowie den Erstattungsbescheid zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen vom 5. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 aufzuheben
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Zuständigkeitsmängel seien nicht gegeben, da die Klägerin durch ihren Umzug nach L von der dortigen Arbeitsagentur betreut worden sei. Im Übrigen lasse die organisatorische Zuständigkeit die Rechtsträgerschaft der hinter jeder Agentur für Arbeit stehenden Bundesagentur für Arbeit unberührt. Die Aufhebung und Erstattung als solche sei rechtmäßig und insbesondere die Klägerin ordnungsgemäß angehört worden. Sie habe zumindest grob fahrlässig ihre Mitteilungspflichten verletzt. Hierüber sei sie ausdrücklich im Merkblatt belehrt worden. Hinsichtlich einer etwaigen Vorsprache der Klägerin Anfang Juni hat die Beklagte auf die von ihr vorgelegte Kundenhistorie Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht mit Urteil vom 26. April 2013 die Klage der Klägerin abgewiesen. Der Bescheid vom 19. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2010 bezogen auf die Aufhebung und Erstattung des in der Zeit vom 11. Mai 2009 bis 13. Juli 2009 geleisteten Arbeitslosengeldes und der Erstattungsbescheid vom 5. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 gerichtet auf Erstattung der in dieser Zeit geleisteten Beiträge zu der Kranken- und Pflegeversicherung sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die mit Bescheid vom 19. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2010 geltend gemachte Aufhebung und Erstattung in der Zeit vom 11. März 2009 bis zum 13. Juli 2009 geleisteten Arbeitslosengeldes in Höhe von insgesamt 2.903,46 EUR. Darüber hinaus steht die mit Bescheid vom 5. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 geltend gemachte Erstattung der von der Beklagten für die Klägerin in der Zeit vom 19. Mai 2009 bis 13. Juli 2009 an die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin geleisteten Beiträgen zur Krankenversicherung in Höhe von 843,00 EUR sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 107,02 EUR im Streit.
2. Die von der Beklagten erlassene Aufhebungsentscheidung und die geltend gemachte Erstattung des in der Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 geleisteten Arbeitslosenggeldes in Höhe von täglich 46,83 EUR (Leistungsbetrag) oder insgesamt von 2.903,46 EUR (62 Tage) ist nicht zu beanstanden.
a) Die Agentur für Arbeit L war für den Erlass der angefochtenen Bescheide zuständig.
Nach § 367 Abs. 2 Satz 1 SGB III gliedert sich die Bundesagentur für Arbeit in eine Zentrale auf der oberen Verwaltungsebene, Regionaldirektionen auf der mittleren Verwaltungsebene und Agenturen für Arbeit auf der örtlichen Verwaltungsebene. Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen vorrangig durch die örtlichen Agenturen für Arbeit erbracht werden (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Für Leistungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mit Ausnahme des Kurzarbeitergeldes, des Wintergeldes, des Insolvenzgeldes und der Leistungen zur Förderung der Teilnahme an Transfermaßnahmen, ist die Agentur für Arbeit zuständig, in deren Bezirk die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bei Eintritt der leistungsbegründenden Tatbestände ihren oder seinen Wohnsitz hat (vgl. § 327 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Dies war im Falle der Klägerin zunächst die Agentur für Arbeit L.
Nach dem Umzug der Klägerin nach L war dann aber die dortige Agentur für Arbeit zuständig. Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X gelten für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach diesem Gesetzbuch ausgeübt wird, die Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X (§§ 1 bis 66 SGB X). Behörde im Sinne dieses Gesetzbuches ist nach § 1 Abs. 2 SGB X jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die einzelnen örtlichen Dienststellen der Bundeagentur für Arbeit sind Behörden im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X (vgl. Solka, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III [2014], § 367 Rdnr. 32). Nach § 2 Abs. 2 SGB X kann, wenn sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände ändern, die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt. Aus dieser Regelung folgt zum einen, dass es – vorbehaltlich etwaiger, hier nicht bestehender Sonderregelungen – im Sozialverwaltungsverfahren im Gegensatz zum Prozessrecht grundsätzlich keine fortwährende örtliche Zuständigkeit (sog. perpetuatio fori) gibt (vgl. I. Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [2. Aufl., 2011], § 2 Rdnr. 18 FN 64, m. w. N.). Zum anderen setzt die Sonderregelung in § 2 Abs. 2 SGB X nach dem eindeutigen Wortlaut ein laufendes Verwaltungsverfahren voraus. Dies ist jedenfalls dann nicht mehr der Fall, wenn das Verwaltungsverfahren durch des Erlass eines Bescheides bestandskräftig abgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2013 – B 13 R 5/11 R – SozR 4-1200 § 51 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 32). Das Verwaltungsverfahren betreffend den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Arbeitslosengeld war mit dem Änderungsbescheid vom 30. Mai 2009 abgeschlossen. Das Rückforderungsverfahren, an dessen Ende die hier streitigen Bescheide stehen, wurde durch die Agentur für Arbeit L von Amts wegen (vgl. § 18 SGB X) eingeleitet und ist ein eigenständiges Verwaltungsverwahren. Damit ist vorliegend § 2 Abs. 2 SGB X nicht anwendbar (vgl. I. Palsherm, a. a. O., Rdnr. 18.2 [Aktualisierung 01.08.2013]; a. A. [analoge Anwendung]: Grochtmann, NZS 2013, 410 ff.).
Selbst wenn entsprechend der Auffassung der Klägerin die Agentur für Arbeit L auch nach ihrem Umzug für das Rückforderungsverfahren zuständig geblieben wäre, würde allein der Erlass der angefochtenen Bescheide durch die dann unzuständige Agentur für Arbeit L wegen der Regelung in § 42 Satz 1 SGB X ihr auf die Aufhebung der Bescheide gerichtetes Begehren nicht stützen. Nach dieser Regelung kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften unter anderem über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dies kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes nur bei "faktischer Alternativlosigkeit" in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 7/08 R – SozR 4-1300 § 63 Nr. 9 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 30, m. w. N.). Eine solche Alternativlosigkeit ist vorliegend gegeben. Denn wenn, wie von der Beklagten vertreten, bezüglich einer Aufhebungsentscheidung der Klägerin einer der Vertrauensausschlusstatbestände aus § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorzuhalten ist, ist die Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Ein Ermessensspielraum für die zuständige Behörde ist mithin kraft Gesetzes ausgeschlossen.
b) Die Beklagte war berechtigt, die Arbeitslosengeldbewilligung für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 13. Juli 2009 und damit die Bewilligungsbescheide nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III aufzuheben.
(1) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte mit dem im Erstattungsbescheid vom 17. Dezember 2009 in Bezug genommenen Aufhebungsbescheid vom selben Tag lediglich die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 aufgehoben hatte. Bei diesem Zeitraum handelte es sich um die Zeit, in der die Klägerin einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen war. In dem Bescheid kommt weder ausdrücklich noch konkludent zum Ausdruck, dass mit diesem Bescheid eine Entscheidung über sämtliche Konsequenzen der Arbeitsaufnahme enthalten sein sollte, dass mit anderen Worten dass Beschäftigungsaufnahme bei der Firma N keine weiteren leistungsrechtlichen Konsequenzen haben sollte.
(2) Die Aufhebungsentscheidung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde die Klägerin in Bezug auf den Vertrauensausschlusstatbestand in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X angehört. Hingegen mangelt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung in Bezug auf den Vertrauensausschlusstatbestand in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X.
Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Im Rahmen einer Anhörung muss demjenigen, der von dem beabsichtigten Erlass des belastenden Verwaltungsaktes betroffen ist, Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Entscheidungserheblich sind dabei alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dass heißt auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 37/09 R – SozR 4-1300 § 41 Nr. 2 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12, m. w. N.; Siefert, in: von Wulffen, SGB X [8., Aufl., 2014], § 24 Rdnr. 13).
Eine Anhörung, die diesen Anforderungen genügt, erfolgte nicht im Anhörungsschreiben vom 3. Dezember 2009. Dort wurde lediglich festgestellt, dass die Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma N gestanden habe, dass die Kläger mit Beginn der Beschäftigung keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, und dass geprüft werden müsse, ob die Leistungsbewilligung aufzuheben sowie die zu Unrecht erbrachten Leistungen und Versicherungsbeiträge zu erstatten seien.
Der Mangel wurde jedoch durch eine Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt. Ein Anhörungsmangel wird im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nur dann geheilt, wenn der Bescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen enthält (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1994 – 7 RAr 104/93 - SozR 3-4100 § 117 Nr. 11 = JURIS-Dokument Rdnr. 24; Sächs. LSG, Urteil vom 27. Februar 2014 – L 3 AS 579/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 53; Schütze, in: von Wulffen, SGB X [8., Aufl., 2014] § 41 Rdnr. 15; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar – Sozialversicherungsrecht - [Stand: 80. Erg.-Lfg., Dez. 2013], § 41 SGB X Rdnr. 16, m. w. N.). Dies war hier der Fall. Im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19. März 2010 waren alle notwendigen Informationen enthalten, die die Klägerin in die Lage versetzten, zur Aufhebungsentscheidung einschließlich des Vertrauensausschlusses nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X sowie zur Erstattungsforderung Stellung zu nehmen.
Keine Heilung erfolgte in Bezug auf den Vertrauensausschlusstatbestand in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Dieser wurde von der Beklagten erstmals im Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2010 bemüht. Dieser Anhörungsmangel wurde auch nicht im gerichtlichen Verfahren beseitigt. Eine Nachholung der Anhörung parallel zum gerichtlichen Verfahren, welche gemäß § 41 Abs. 2 SGB X grundsätzlich bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, setzt nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ein eigenständiges, nicht notwendigerweise formelles Verwaltungsverfahren voraus, in dessen Rahmen die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat und an dessen Ende sie zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 37/09 R – SozR 4-1300 § 41 Nr. 2 = NJW 2011, 1996 = JURIS-Dokument, jeweils Leitsatz; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 10 LW 2/11R – SozR 4-5868 § 12 Nr. 1= JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 39). Ein solches Anhörungsverfahren wurde nicht durchgeführt.
Der Anhörungsmangel in Bezug auf den Vertrauensausschlusstatbestand in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X hat aber nicht zur Folge, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben wäre. Denn die Frage, ob sich die Klägerin nicht auf Vertrauen berufen kann, betrifft lediglich die Begründung des Bescheides, nicht aber die Verfügung. Da zudem die vier Vertrauensausschlusstatbestände in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht kumulativ nebeneinander stehen, ist es ausreichend, wenn einer, hier der in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, die Aufhebungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit zu tragen vermag.
(3) Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Er ist nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
Eine solche wesentliche Änderung ist in Bezug auf die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 11. Mai 2009 eingetreten.
Nach § 118 Abs. 1 SGB III (in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 Nr. 62 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) hatten Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos waren, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hatten.
Nach § 119 Abs. 1 SGB III (in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 Nr. 62 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) war ein Arbeitnehmer arbeitslos, der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemühte, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand (Verfügbarkeit). Nach § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III a. F. schloss die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasste; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer blieben unberücksichtigt.
Für die Zeit ab dem 11. Mai 2009 hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da sie auf Grund des zeitlichen Umfangs ihrer Tätigkeit bei der Firma N nicht mehr beschäftigungslos im Sinne von § 119 Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB III a. F. war.
Hierbei ist unerheblich, dass die Klägerin zunächst ohne schriftlichen Arbeitsvertrag zur Probe bei der Firma N arbeitete. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klägerin davon ausging, dass sie unentgeltlich zur Probe arbeite. Dies erscheint allerdings zweifelhaft, da sie der Firma N im Einstellungsfragebogens jedenfalls ihre Bankverbindung angab und ihrer gesetzlichen Krankenkasse benannte. Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob die Klägerin dies als unentgeltliches Probearbeiten beurteilte, da sie, wie sie selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, in der Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 in der Filiale der Firma N in G in Vollzeit tätig war. Maßgebend für die Beschäftigungslosigkeit im Sinne von § 119 Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB III a. F. sind die objektiven Umstände und nicht die subjektiven Vorstellungen des Arbeitnehmers.
Auszugehen ist grundsätzlich von einem leistungsrechtlichen Begriff des Beschäftigungsverhältnisses. Der sozialrechtliche Begriff der Beschäftigung unterscheidet sich vom Begriff des Arbeitsverhältnisses. Er ist insofern weiter, als er sowohl Arbeit in einem wirksamen oder jedenfalls faktischen Arbeitsverhältnis als auch Arbeiten ohne Arbeitsverhältnis umfasst (vgl. Brandt, in: Niesel/Brand, SGB III [5. Aufl., 2010], § 119 Rdnr. 10; zur Rechtslage ab 1. April 2012: Brandt, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 138 Rdnr. 10). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 – B 7a AL 58/05 R – JURIS-Dokument Rdnr. 14, m. w. N.; BSG, Urteil vom 13. Juli 2006 – B 7a AL 16/05 R – SozR 4-4300 § 122 Nr. 5 = JURIS-Dokument Rdnr. 12, m. w. N.) ist der Kernbestand eines (leistungsrechtlichen) Beschäftigungsverhältnisses eine faktische Beziehung, die die Leistung von Arbeit unter persönlicher Abhängigkeit von einem anderen zum Inhalt hat, wobei sich diese Abhängigkeit auf der einen Seite in der tatsächlichen Verfügungsmacht (Direktionsrecht) und auf der anderen Seite in der faktischen Dienstbereitschaft auswirkt. Das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist nicht mit dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen. Entscheidend ist, dass Gegenstand des Verhältnisses gerade die Leistung fremdnütziger Arbeit von wirtschaftlichem Wert im Rahmen eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses ist (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2006, a. a. O., m. w. N.). Im Fall der Klägerin waren diese Voraussetzungen mit dem Einsatz in der Filiale der Firma N in G in Vollzeit und unter Anweisung der dortigen Filialleiterin in der Zeit vom 11. Mai bis zum 18. Mai 2009 erfüllt.
(4) In zeitlicher Hinsicht entfiel der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 13. Juli 2009.
Nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (in der vom 1. Mai 2004 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, vgl. Artikel 1 Nr. 64 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) erlosch die Wirkung der Arbeitslosenmeldung mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger, wenn der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hatte. Damit erlosch die Wirkung der Arbeitslosmeldung der Klägerin vom 12. März 2009 am 11. Mai 2009, als sie bei der Firma N eine Beschäftigung aufnahm und diese der Beklagten nicht unverzüglich mitteilte. Die Klägerin hatte erst wieder ab dem 14. Juli 2009 Anspruch auf Arbeitslosengeld, als sie erneut bei der Beklagten vorsprach (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a. F. i. V. m. § 122 Abs. 1 Satz1 SGB III a. F.).
Eine von der Klägerin behauptete frühere persönliche Vorsprache (zur Notwendigkeit einer persönlichen Arbeitslosmeldung; Sächs. LSG, Beschluss vom 14. August 2014 – L 3 AL 1/13 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 20) bei der Beklagten ist nicht zu belegen. Hierfür trägt sie die objektive Beweislast (vgl. zur objektiven Beweislast für den Zeitpunkt des Einganges eines konstitutiv wirkenden Antrages: Sächs. LSG, Urteil vom 21. Juni 2012 – L 3 AS 607/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 49). Gegen die von der Klägerin behauptete frühere persönliche Vorsprache spricht die von der Beklagten vorgelegte Kundenhistorie, wonach eine frühere persönliche Vorsprache der Klägerin an einer Dienststelle der Beklagten nicht dokumentiert ist. Konkrete belastbare Angaben zur behaupteten Vorsprache hat die Klägerin nicht gemacht. Anhaltspunkte daran, dass die Kundenhistorie der Beklagten insoweit fehlerhaft ist, sind nicht ersichtlich.
(5) Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt hat. Es ist ein subjektiver Maßstab anzulegen. Danach handelt grob fahrlässig, wer unter Berücksichtigung seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, seines Einsichtsvermögens und der besonderen Umstände des Falles schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juni 1987 – 7 RAr 105/85 – BSGE 62, 32 [35] = SozR 4100 § 71 Nr. 2, m. w. N.; BSG, Urteil vom 8. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R – SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 = JURIS-Dokument Rdnr. 23, m. w. N.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 14/11 R – 4-1300 § 45 Nr. 15 = JURIS-Dokument Rdnr. 25).
Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass im "Merkblatt 1 für Arbeitslose" klare, unmissverständliche Hinweise enthalten waren. Die Klägerin wurde darüber belehrt, dass sie für den Bezug von Arbeitslosengeld beschäftigungslos sein müsse und jede Beschäftigung oder Tätigkeit vor deren Beginn anzuzeigen habe. Ihr musste damit bekannt sein, dass alle Änderungen, die den Leistungsanspruch beeinflussen könnten, unverzüglich mitzuteilen waren, und dass der Anspruch entfiel, wenn die aufgenommene Beschäftigung oder Tätigkeit 15 Stunden wöchentlich mehr umfasste. Durch ihrer Unterschrift auf dem am 20. April 2009 abgegebenen Antrag bestätigte die Klägerin den Erhalt des Merkblattes und die Kenntnisnahme von seinem Inhalt. Gleichwohl kam sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach. Die Klägerin war nach dem persönlichen Eindruck, den sich der Senat in der mündlichen Verhandlung verschaffen konnte, in der Lage, die Hinweise im Merkblatt zu verstehen.
(6) Die Beklagte hat die Jahresfrist zur Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit (vgl. § 48 Abs. 4 Satz 2, § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) gewahrt, was auch zwischen den Beteiligten nicht streitig war.
c) Die Erstattungsforderung ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die Erstattungsforderung der Beklagten ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie erfolgte für die Zeit vom 11. Mai bis zum 13. Juli 2009 in voller Höhe. Der Klägerin wurden für die 62 Tage ein täglicher Leistungssatz von 46,83 EUR bewilligt, insgesamt 2.903,46 EUR, so dass unter Abzug eines bereits aufgrund des Bescheides vom 17. Dezember 2009 für die Zeit vom 11. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 erfolgten Aufrechnung mit Leistungen in Höhe von 374,64 EUR der noch zu leistende Erstattungsbetrag 2.575,65 EUR beträgt.
3. Die Beklagte ist schließlich auch zur Rückforderung der im Zeitraum vom 19. Mai 2009 bis 13. Juli 2009 insgesamt in Höhe von 843,00 EUR und 107,02 EUR an die BKK M AG K geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung berechtigt. Die Rechtsgrundlagen finden sich in § 335 SGB III (in der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung, Art. 2 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes vom 15. Juli 2009 [BGBl. I, 1939]).
Nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F. hatte der Bezieher von Arbeitslosengeld, wenn von der Bundesagentur für ihn Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt worden waren, der Bundesagentur die Beiträge zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung, wie hier mit den vorgenannten Bescheiden, rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden waren. Nach § 335 Abs. 5 SGB III a. F. war für die Beiträge der Bundesagentur zur sozialen Pflegeversicherung für Versicherungspflichtige nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) § 335 Abs. 1 SGB III entsprechend anzuwenden. Die Erstattungsforderung ist rechnerisch korrekt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGB II) nicht vorliegen.
Dr. Scheer Höhl Krewer
Rechtskraft
Aus
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FSS
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