L 8 SB 186/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 186/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren des Klägers L 8 SB 3./14 durch Rücknahme der Berufung am 05.09.2014 erledigt ist. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Rechtsstreit durch eine Berufungsrücknahme-erklärung vom 05.09.2014 erledigt ist.

Das Versorgungsamt F. stellte bei dem am 19.11.1937 geborenen Kläger zuletzt in Ausführung eines Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Freiburg vom 04.03.1999 mit Ausführungsbescheid vom 25.03.1999 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen der folgenden Behinderungen fest:

- Störung der Persönlichkeit mit querulatorisch zwanghaft depressiven Zügen mittelgradiger Schwere (Teil-GdB 50), - rechter Zeigefinger in der Mitte des Mittelgliedes, der Mittelfinger im Mittelgelenk, der Ring- und Kleinfinger der rechten Hand im Grundgelenk abgesetzt (Teil-GdB 40), - psychosomatisch mitverursachte und aufrechterhaltene, chronisch rezidivierende Magendarmerkrankung, Gastritis, Ulcus duodeni (Teil-GdB 30 für den somatischen Anteil und Teil-GdB 20 für den psychosomatischen Anteil), - Knie- und Hüftgelenksarthrose beidseits und - Torsionsskoliose der unteren Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfälle

(Bl. 298 der Verwaltungsakte Band 2).

Nachdem ein erster Antrag auf Feststellung des Merkzeichens "G" vom 29.09.2003 erfolglos geblieben war (Bescheid des Versorgungsamts F. vom 18.11.2003 (Bl. 320 der Verwaltungsakte Band 2), beantragte der Kläger am 01.06.2011 erneut die Feststellung des Merkzeichens "G" aufgrund einer Behinderung am rechten Kniegelenk (Bl. 328 der Verwaltungsakte Band 2).

Das Landratsamt B. - Versorgungsamt - lehnte die Feststellung des Merkzeichens "G" mit Bescheid vom 22.08.2011 ab (Bl. 347 der Verwaltungsakte Band 2). Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums S. - Landesversorgungsamt - vom 25.01.2012 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 357 der Verwaltungsakte Band 2).

Hiergegen erhob der Kläger am 21.02.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Das SG holte zunächst ein fachorthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten von Amts wegen bei Dr. P. ein, welcher im Gutachten vom 28.05.2012 wegen einer postoperativ verbliebenen suboptimalen neuralen Steuerung der knieführenden Muskulatur rechts, einer Mitverletzung der Bandstrukturen links und einer beidseitigen Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt ansah (Bl. 25/61 der SG-Akte). Dr. P. schätzte den GdB für das rechte Kniegelenk mit 20 und für das linke Kniegelenk mit 10, insgesamt für die unteren Extremitäten mit 20 ein.

Dem trat der Beklagte unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 28.08.2012 entgegen, woraufhin das SG eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. P. einholte. In der ergänzenden Stellungnahme vom 26.09.2012 führte Dr. P. aus, dass die in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" beim Kläger nicht erfüllt seien und bestätigte die Einschätzung des Beklagten (Bl. 68/73 der SG-Akte).

Nachdem der Kläger Einwendungen erhoben hatte, holte das SG eine weitere ergänzende Stellungnahme von Dr. P. ein, welcher unter dem 15.11.2012 ausführte, trotz der Einwendungen des Klägers seien die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht erfüllt, da weder eine permanente Sturzneigung, noch eine funktionelle Versteifung der Kniegelenke oder eine erhebliche Gangunsicherheit vorliege (Bl. 8./88 der SG-Akte).

Daraufhin holte das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein fachorthopädisch-chirurgisches Gutachten bei Dr. K. ein. Im Gutachten vom 01.04.2013 bewertete Dr. K. den GdB für das rechte Kniegelenk mit 20 und für das linke mit 10, den GdB für die unteren Extremitäten insgesamt mit 20. Es bestehe im Vergleich zum Vorgutachten weiterhin eine Muskelschwäche links nach zweimaliger Quadrizepsruptur. Die Kniescheibe links zeige keine weiteren Instabilitäten. Bei den vorliegenden Nebendiagnosen (Diabetes mellitus Typ II und Herz¬rhythmusstörungen) seien weitere gewichtige Faktoren für eine Gang- und Standunsicherheit vorhanden, zu deren Beurteilung sich Dr. K. außer Stande sah. Jedoch sei in der Zusammenschau der Faktoren eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit mit Sturzneigung sowie Gang- und Standunsicherheit nachvollziehbar. Diese sei jedoch nicht monokausal auf orthopädisch/unfallchirurgischem Gebiet erklärbar. Unter Berücksichtigung eines GdB von 20 für die unteren Extremitäten seien die Kriterien für die Anerkennung des Merkzeichens "G" nicht erfüllt (Bl. 95/125 der SG-Akte).

Das SG holte ein neurologisches Gutachten von Amts wegen bei Dr. C. ein. Im Gutachten vom 22.07.2013 diagnostizierte Dr. C. eine leichtgradige Polyneuropathie der unteren Gliedmaßen bei Diabetes mellitus. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr lasse sich nicht objektivieren. Die Voraussetzungen zur Erteilung des Merkzeichens "G" seien nicht erfüllt (Bl. 133/147 der SG-Akte).

Mit Schreiben vom 15.10.2013 und 15.11.2013 erhob der Kläger weitere Einwendungen gegen die Gutachten und beantragte, die drei Gutachter zu einer mündlichen Verhandlung zu laden, damit sie den sicheren Einbeinstand oder den leichtgradig unsicheren Seiltänzergang dokumentieren (Bl. F 151/152 der SG-Akte) und legte medizinische Unterlagen vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.11.2013 wies das SG die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte das SG im Wesentlichen gestützt auf die drei Gutachten von Dr. P., Dr. K. und Dr. C. aus, der Kläger leide zwar im Zusammenhang mit der Implantation der Knietotalendoprothese am rechten Kniegelenk und den Sehnenrupturen am linken Kniegelenk an einer gewissen Beeinträchtigung beim Gehen. Jedoch liege keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vor, was sich an der regelrechten Funktion der Prothese und den weitgehend bandstabilen und neurologisch unauffälligen Verhältnissen zeige. Eine Ladung der gerichtlichen Sachverständigen wie vom Kläger beantragt sei nicht erforderlich, da die Sachverständigen die entscheidungserheblichen Fragen erschöpfend beantwortet hätten. Der Kläger habe keine konkreten erläuterungsbedürftigen neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, welche einer ergänzenden mündlichen Befragung der Sachverständigen zugänglich seien (Bl. 159/163 der SG-Akte).

Dagegen legte der Kläger am 19.12.2013 Berufung (L 8 SB 3./14) ein und beantragte, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen, da die Entscheidung des Beklagten von "tendenziöser Einseitigkeit" geprägt sei und das Verfahren an mangelnder Sachverhaltsauf-klärung leide.

Der Beklagte trat der Klage entgegen.

Im Erörterungstermin vom 05.09.2014 wies der vormals zuständige Berichterstatter den Kläger darauf hin, dass sowohl die zwei von Amts wegen gehörten Sachverständigen Dr. P. und Dr. C. als auch der auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. K. zu dem Ergebnis gelangt seien, dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "G" nicht erfüllt seien, weshalb die Berufung des Klägers aussichtslos erscheine. Weiter wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er bei Fortsetzung des Rechtsstreits gemäß § 192 SGG mit Kosten in Höhe von mindestens 225,00 EUR zu rechnen habe. Daraufhin erklärte der Kläger, er nehme die Berufung zurück (Bl.15/16 der Senatsakte L 8 SB 3./14).

Mit Schreiben vom 15.09.2014 hat der Kläger die Rücknahmeerklärung gemäß § 123 BGB angefochten und den vormals zuständigen Berichterstatter wegen "Falschbeurkundung, Nötigung i.V.m. Körperverletzung und übler Nachrede" abgelehnt. Zur Begründung trägt er vor, er sei mit der hinterhältigen Drohung einer Kostenbelastung überrumpelt worden, falls er die Berufung nicht zurücknehme. Ihm sei keine Möglichkeit gegeben worden, seine Darlegung in der Berufungsschrift ergänzend zu erläutern. Ferner treffe es nicht zu, dass alle drei Sachver-ständigen übereinstimmend die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr verneint hätten. Damit sei die Drohung der Kostenauferlegung rechtswidrig gewesen. Beigefügt war eine fachärztliche Bescheinigung der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik des Universitätsklinikums F. vom 02.09.2011, in der eine hohe Vulnerabilität des Klägers in zwischenmenschlichen, insbesondere konflikthaften Auseinandersetzungen vor dem Hintergrund der Grundstörung insbesondere in Auseinandersetzung mit Autoritäten bescheinigt wird. Ferner trägt der Kläger vor, dass der Wiederaufnahmegrund des § 589 Abs. 1 ZPO vorliegend nicht einschlägig sei, da dieser nur für durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossene Verfahren gelte, was vorliegend nicht der Fall sei. Bei Anwendbarkeit der ZPO über § 179 SGG lägen die Voraussetzungen von § 579 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie § 580 Nr. 4, 5 und 7b ZPO bzw. § 179 Abs. 2 SGG vor. Eine Sachentscheidung des LSG sei nicht beantragt gewesen, sondern lediglich die Zurückverweisung an das SG.

Schließlich hat der Kläger fürsorglich die Rücknahme des Bescheides vom 22.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.01.2012 gemäß § 44 SGB X beantragt. Diesem Antrag entsprach das LRA mit Bescheid vom 18.05.2015 nicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Verfahren fortzusetzen sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20.11.2013 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

den Antrag des Klägers zurückzuweisen.

Er trägt zur Begründung vor, das frühere Berufungsverfahren L 8 SB 3./14 sei durch Rücknahme der Berufung im Erörterungstermin vom 05.09.2014 erledigt worden. Die vom Kläger beantragte Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens setze das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes voraus. Die Vorschriften des § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. den Vorschriften des 4. Buches der Zivilprozessordnung über die Nichtigkeits- oder Restitutionsklage sowie des § 179 Abs. 2 SGG lägen sämtlich nicht vor.

Mit einem nachrichtlich an das LSG übersandten Schreiben vom 22.06.2015 an das LRA hat der Kläger vorgetragen, "die zum Kotzen überdrüßliche, hinhaltende Schreiberei in dieser Sache" interessiere ihn längst nicht mehr, sondern nur das Merkreichen "G". Er hat dem Schreiben eine fachärztliche Bescheinigung der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums F. vom 28.04.2015 beigefügt, in der ihm eine chronische psychische Erkrankung bescheinigt wird, wodurch er in Stresssituationen, wozu Gerichtsverfahren und Haft zu rechnen seien, besonders vulnerabel sei. Gerichtsverhandlungen und Haft bärgen ein erhebliches Risiko der gesundheitlichen, psychophysischen Dekom¬pensation. Nachdem dem Kläger mit Schreiben des Senats vom 23.06.2015 mitgeteilt worden war, dass weiterhin beabsichtigt sei, am 26.06.2015 zu entscheiden, hat der Kläger mit Telefax vom 25.06.2015 unter Verweis auf die fachärztliche Bescheinigung vom 28.04.2015 vorgetragen, es sei ihm nicht freigestellt, zum Termin zu erscheinen. Er müsse im Gegenteil um Beachtung dieser Bescheinigung und deren Vorrang vor "prozeßverfahrensrechtlichen Vorschriften" bitten. Für den Fall, dass der vormals zuständige Berichterstatter mitwirke, oder eine Kostenauferlegung beabsichtigt sei, gelte die Berufung bzw. Anfechtung als nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Band 1 und 2 sowie die Prozessakten des SG und des Senats im vorliegenden Verfahren und im Verfahren L 8 SB 3./14 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandeln und entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß geladen war und mit der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat war hieran auch nicht aufgrund insbesondere des Schreibens des Klägers an das Gericht vom 25.06.2015 gehindert. Dem Schreiben ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger die Aufhebung des Termins wegen Erkrankung beantragt. Vielmehr entnimmt der Senat dem Schreiben, dass es dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, zum Termin zu erscheinen und dass er deshalb nach dem Sozialgerichtsgesetz mögliche "Sanktionen" nicht für gerechtfertigt erachtet. Soweit der Kläger außerdem mitteilt - unter bestimmten Voraussetzungen - "gelte die Berufung bzw. Anfechtung als nicht erfolgt", ist die Erklärung unter Bedingungen erfolgt und deshalb nicht als prozessual wirksame Rücknahmeerklärung zu werten. Die Erklärung zeigt aber, dass der Kläger davon ausgeht, dass der Senat über die von ihm fortgeführte Berufung entscheiden wird.

Nachdem der Kläger die Fortführung des Rechtsstreits begehrt, ist vorrangig Gegenstand des Rechtsstreits die Frage, ob der Rechtsstreit durch Rücknahme der Berufung erledigt ist.

Der Kläger hat mit der - nach nochmaligem Vorlesen - von ihm genehmigten Erklärung im Erörterungstermin vom 05.09.2014, er nehme die Berufung zurück, dieses Rechtsmittel verloren.

Die vom Kläger im Erörterungstermin vom 05.09.2014 abgegebene Rücknahmeerklärung ist wirksam erfolgt. Sie wurde ordnungsgemäß protokolliert, vorgespielt und vom Kläger genehmigt. Aus der vom Kläger vorgelegten fachärztlichen Bescheinigung der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums F. vom 02.09.2011 ergibt sich eine hohe Vulnerabilität des Klägers in zwischenmenschlichen, insbesondere konflikthaften Auseinandersetzungen mit Autoritäten. Hinweise auf eine mögliche Prozessunfähigkeit des Klägers ergeben sich hieraus jedoch nicht. Auch das im Verlauf des Rechtsstreits vom Kläger schriftlich Vorgetragene, lässt keinen Hinweis auf eine bestehende Prozessunfähigkeit des Klägers erkennen.

Die vom Kläger wirksam erklärte Berufungsrücknahme führt gemäß § 156 Abs. 3 Satz 1 SGG zum Verlust des Rechtsmittels. Damit ist der Gerichtsbescheid des SG vom 20.11.2013 rechtskräftig geworden.

Die Wirkung der Berufungsrücknahmeerklärung des Klägers im Erörterungstermin vom 05.09.2014 kann weder durch die vom Kläger mit Schriftsatz vom 15.09.2014 ausdrücklich erklärte Anfechtung noch durch einen Widerruf der Rücknahmeerklärung beseitigt. werden.

Als bedingungsfeindliche Prozesshandlung im Sinne des § 156 SGG kann die Rücknahmeerklärung grundsätzlich weder wegen Willensmängeln nach den §§ 119 ff. BGB angefochten noch frei widerrufen werden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 156 Rn. 2a; ebenso zur Klagerücknahme § 102 Rdnr. 7c, jeweils m.w.N. auch zu den Ausnahmen). Ein Widerruf ist lediglich unter den Voraussetzungen einer Wiederaufnahme nach den §§ 179, 180 möglich (BSG SozR 1500 § 102 Nr. 2). Dabei gelten die Fristen des § 586 ZPO entsprechend. Danach kann die vom Kläger abgegebene Rücknahmeerklärung insbesondere nicht wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung gemäß § 123 Abs. 1 BGB angefochten werden. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB nicht vor. Soweit der Kläger geltend macht, er habe sich durch den Hinweis des vormals zuständigen Berichterstatters auf eine mögliche Auferlegung von Kosten nach § 192 SGG in Höhe von mindestens 225,00 EUR unter Druck gesetzt bzw. bedroht gefühlt, ändert dies nichts an der Rechtswirksamkeit der Rücknahmeerklärung.

Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Als verursachter Kostenbeitrag gilt dabei für das Verfahren vor dem Landessozialgericht mindestens der Betrag von 225,00 EUR (§§ 192 Abs. 1 Satz 3, 184 Abs. 2 SGG). Damit mag durch den vom vormals zuständigen Berichterstatter erteilten Hinweis, die Berufung sei aussichtslos, da drei Sachverständige die Voraussetzungen für das Vorliegen des Merkzeichens "G" verneint hätten und der Kläger im Falle einer Fortführung des Rechtsstreits mit einer Kostenbelastung in Höhe von mindestens 225,00 EUR rechnen müsse, zwar ein Druck zur Rücknahme entstanden sein. § 192 SGG sieht jedoch als "Warnfunktion", auch im Hinblick auf das zu gewährende rechtliche Gehör, vor der Auferlegung von Verschuldenskosten gerade einen entsprechenden Hinweis zwingend vor. Durch den Hinweis hat der vormals zuständige Berichterstatter der vom SGG vorgegebenen Regelung Rechnung getragen. Die Erteilung des Hinweises stellt daher keine unzulässige Einflussnahme dar. Der Hinweis auf § 192 SGG war entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht rechtswidrig. Zwar hat Dr. P. zunächst im Gutachten vom 28.05.2012 die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt angesehen hat. Jedoch hat Dr. P. in der Folge seine Auffassung korrigiert und in zwei ergänzenden Stellungnahmen vom 26.09.2012 und 15.11.2012 zuletzt das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" verneint. Damit war der Hinweis des vormals zuständigen Berichterstatters im Erörterungstermin vom 05.09.2014, dass die Berufung wegen der übereinstimmenden Verneinung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" durch alle drei Sachverständigen keine Erfolgsaussicht hat zutreffend. Nach der gegebenen und vom vormaligen Berichterstatter laut Niederschrift vom 05.09.2014 mit dem Kläger auch erörterten Sachlage war nach der Rechtsprechung des Senats die Verhängung von Kosten in Höhe von mindestens 225 EUR nach § 192 SGG in Betracht zu ziehen. In der Folge war auch der Hinweis auf § 192 SGG geboten. Eine arglistige Täuschung oder eine widerrechtliche Drohung als Anfechtungsgrund des § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

Damit ist keine Anfechtung der Prozesserklärung zulässig und die Voraussetzungen für eine Anfechtung lägen wie ausgeführt ohnehin nicht vor.

Weiter ist ein Widerruf der Rücknahmeerklärung durch den Kläger zwar nicht ausdrücklich erfolgt. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass die im Schriftsatz vom 15.09.2014 erklärte Anfechtung auch den Widerruf der Rücknahmeerklärung mit beinhaltet, wird dadurch die Wirkung der Rücknahmeerklärung (Verlust des Rechtsmittels nach § 156 Absatz 3 Satz 1 SGG) nicht beseitigt. Ein Widerruf von Prozesshandlungen ist wie ausgeführt nur unter den engen Voraussetzungen der Wiederaufnahme gemäß §§ 179, 180 SGG zulässig. Vorliegend sind die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme jedoch nicht erfüllt. Gemäß § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung wieder aufgenommen werden. Nach § 578 Abs.1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen. Die vom Kläger geltend gemachten Voraussetzungen des § 579 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie des § 580 Nr. 4, 5 und 7b ZPO liegen nicht vor. Nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war und wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere sind keine Gründe ersichtlich, aus denen der vormals zuständige Berichterstatter gemäß § 60 SGG i.V.m. §§ 41 bis 46 Abs. 1 und 47 bis 49 ZPO von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen sein könnte. Auch die Voraussetzungen für eine Restitutionsklage liegen nicht vor. Diese findet u.a. nach § 580 Nr. 4, 5 und 7b ZPO statt, wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist oder wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat oder wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet und zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn gemäß § 581 Abs. 1 ZPO findet in den Fällen des § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier eindeutig nicht vor. Auch der Restitutionsgrund des § 580 Nr.7b liegt nicht vor, denn darin geht es um die Wiederaufnahme wegen unverschuldeter Unmöglichkeit der Benutzung erst nachträglich aufgefundener Urkunden. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben, da nicht ersichtlich ist, weshalb der Kläger die von ihm nunmehr vorgelegte Bescheinigung des Universitätsklinikums F. vom 02.09.2011 nicht bereits vor dem SG vorgelegt hat. Im Übrigen hätte diese Bescheinigung auch keinen Einfluss auf die Gewährung des Merkzeichens "G", weil aus ihr keine Gesichtspunkte hervorgehen, welche für die Feststellung des Merkzeichens "G" wesentlich sind.

Auch die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 179 Abs. 2 SGG sind nicht erfüllt. Danach ist die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat. Eine strafgerichtliche Verurteilung des vormals zuständigen Berichterstatters liegt erkennbar nicht vor, weshalb auch ein Widerruf der am 05.09.2014 erklärten Rücknahmeerklärung nicht zulässig ist.

Damit ist der Kläger im Ergebnis an seine Rücknahmeerklärung gebunden, welche gemäß § 156 Absatz 3 Satz 1 SGG zum Verlust des Rechtsmittels geführt hat. In der Folge ist der Gerichtsbescheid vom 20.11.2013 rechtskräftig geworden. Daher besteht auch kein Raum für eine Zurückverweisung an das SG, zumal dafür die gesetzlichen Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 SGG nicht vorliegen und sich im Übrigen die Berufung auch in der Sache nicht als begründet erweisen würde.

Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

Ein Grund für eine Zurückweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG liegt bereits deshalb nicht vor, da das SG eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Es liegt auch kein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG vor. Insbesondere musste das SG dem Antrag des Klägers auf eine ergänzende Befragung der Sachverständigen nicht nachkommen, da diese die entscheidungserheblichen Fragen erschöpfend beantwortet haben, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, worauf der Senat Bezug nimmt.

Ergänzend bleibt auszuführen, soweit der Kläger den vormaligen Berichterstatter im Schriftsatz vom 15.09.2014 abgelehnt hat, ist das Befangenheitsgesuch hinfällig geworden, da der vormals zuständige Berichterstatter wegen seines Eintritts in den Ruhestand zum 01.11.2014 die Fallbearbeitung nicht mehr fortführt und ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufrechterhaltung eines solchen Gesuchs nicht mehr besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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