S 17 SB 3307/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 3307/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen des Merkzeichens „H“ (Hilflosigkeit)
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleiches "H" (Hilflosigkeit) er-füllt.

Bei dem am XX.XX.1989 geborenen Kläger hatte das Landratsamt mit Bescheid vom 29.10.2008 einen GdB von 70 über den 20.08.2006 hinaus anerkannt sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "H" festgestellt. Die Feststellungen bestätigte das Landratsamt mit Bescheid vom 07.09.2010.

Mit Schreiben vom 01.07.2013 leitete das Landratsamt eine Nachprüfung von Amts wegen ein und zog Befunde der behandelnden Ärzte bei. Nach Anhörung des Klägers hob das Landratsamt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "H" ab 17.04.2014 auf und stellte zugleich einen GdB von 70 fest (Bescheid vom 14.04.2014). In der dem Bescheid zugrunde liegenden Stellungnahme berücksichtigte der versorgungsärztliche Dienst (Stellungnahme vom 16.01.2014) folgende Gesundheitsstörungen:

Autismus, hyperkinetisches Syndrom, Posttraumatische Belastungsstörung Einzel-GdB 70.

Hiergegen erhob der Kläger am 15.05.2014 Widerspruch. Er sei zwar in der Lage, eingeübte Tagesabläufe einigermaßen selbständig durchzuführen, zu lernen und Arbeitsvorgänge auszuführen. Ebenso sei es ihm möglich, vertraute Wege zu gehen und im beschränkten Maße auch selbständig Geschäfte zu tätigen. Sobald jedoch die geringste Störung auftrete, erfolge völlige Hilflosigkeit, jede Aktion und Reaktion sei blockiert. Im Gegensatz zum Kleinkindalter bestehe jedoch die Fähigkeit, von Vertrauenspersonen Hilfe anzufordern, auch in der Form von telefonischen Anweisungen oder Ratschlägen. Das erfordere die ständige Bereitschaft und Verfügbarkeit dieser Personen. Bezüglich der Ordnung und Sauberkeit, Hygiene, Einhaltung regelmäßiger Notwendigkeiten bestehe weiterhin Bedarf für häufige Kontrollen und Aufforderungen, dies zu tun.

Nach einer weiteren versorgungsärztlichen Wertung wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2014 als unbegründet zurück. Der Kläger habe zwischenzeitlich bereits das 25. Lebensjahr vollendet. Nach den Unterlagen wohne er in einem betreuten Wohnen mit niederfrequenten sozialtherapeutischen Kontakten. Der von den Eltern beschriebene erhöhte Überwachungs-bedarf rechtfertige nicht mehr die Zuerkennung des Merkzeichens "H". Der sich durch die notwendigen Hilfemaßnahem ergebene Zeitaufwand sei nicht mehr erheblich im Sinne der Vorschriften.

Mit der am 06.10.2014 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zu Begründung trägt er vor, die vom Beklagten beschriebene ambulant betreute Wohnung sei notwendig gewesen, da die Belastung durch arbeitstäglich zweieinhalb- bis mehr als dreistündige Fahrzeiten jeweils zu und von der Arbeit auf Dauer nicht erträglich sei. Da der Kläger aber auch krankheitsbedingt Probleme mit der Haushaltsführung, Vorsorge, Reinlichkeit und Hygiene habe, sei eine Betreuung notwendig. Für alle besonderen Fälle, Störungen im Nahverkehr, Ämter, Termine usw. benötige der Kläger immer noch intensive und sofortige Unterstützung. Da der Kläger eine hohe Intelligenz besitze, sei eine persönliche Anwesenheit eines Betreuers meist nicht notwendig, wohl aber die ständige Erreichbarkeit per Telefon, Mail oder SMS, um Anweisungen, Verhaltensmaß-regeln zu erteilen, aber auch regelmäßige Kontrollen der Einnahme der Medizin o.ä. durchzuführen. Diese Hilfen seien inzwischen zwar nicht mehr so intensiv, aber für einen Zeitraum von etwa zwei Jahren noch weiter notwendig.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 14.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2014 aufzuheben, soweit er die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" aufhebt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Landratsamtes sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid vom 14.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2014 nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Der Bescheid verletzt ihn nicht in eigenen Rechten, weil die Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs H nicht mehr vorliegen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig, soweit die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" mit Wirkung ab dem 17.04.2014 aufgehoben worden ist.

1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid, gegen den formelle Bedenken im Übrigen nicht bestehen, ist insoweit § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein – wie hier von Anfang an rechtmäßiger – Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Wege einer gebundenen Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung ein-tritt. Eine solche liegt bei Nachteilsausgleichen vor, wenn die früher vorliegenden Voraussetzungen des jeweiligen Nachteilsausgleichs weggefallen sind. Die gesetzlichen Vorgaben liegen hier vor.

2. Grundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" sind § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in Verbindung mit § 33b Abs. 3 Satz 3, Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV). Gemäß § 33b Abs. 6 Satz 3 EStG ist eine Person hilflos, wenn sie infolge von Gesundheitsstörungen für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 3 dieser Vorschrift genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (§ 33b Abs. 6 Satz 4 EStG). Diese Fassung des Begriffs der Hilflosigkeit geht auf Umschreibungen zurück, die von der Rechtsprechung im Schwer-behindertenrecht bezüglich der steuerlichen Vergünstigung und im Versorgungs-recht hinsichtlich der gleich lautenden Voraussetzungen für die Pflegezulage nach § 35 Bundesversorgungsgesetz (BVG) entwickelt worden sind. Dabei hat sich der Gesetzgeber bewusst nicht an den Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) angelehnt (vgl. BSG, Ue.v. 12.2.2003 - B 9 SB 1/02 R - juris und v. 24.11.2005 - B 9 SB 1/05 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 3, jeweils m.w.N.).

Bei den gemäß § 33b Abs. 6 EStG zu berücksichtigenden Verrichtungen handelt es sich um solche, die im Ablauf eines jeden Tages unmittelbar zur Wartung, Pflege und Befriedigung wesentlicher Bedürfnisse des Betroffenen gehören sowie häufig und regelmäßig wiederkehren. Dazu zählen zunächst die auch von der Pflegeversicherung (vgl. § 14 Abs. 4 SGB XI) erfassten Bereiche der Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung), Ernährung (mundgerechtes Zubereiten und Aufnahme der Nahrung) und Mobilität (Aufstehen, Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppen-steigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung). Diese Bereiche werden unter dem Begriff der so genannten Grundpflege zusammengefasst (vgl. §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 3 SGB XI; § 37 Abs. 1 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch). Hinzu kommen jene Verrichtungen, die in den Bereichen der notwendigen körperlichen Bewegung, psychischen Erholung, geistigen Anregung und der Kommunikation (insbesondere Sehen, Hören, Sprechen, Fähigkeit zu Interaktionen) anfallen. Bei psychisch oder geistig Behinderten liegt Hilflosigkeit auch dann vor, wenn sie bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens zwar keiner Handreichungen bedürfen, sie diese Verrichtungen aber infolge einer Antriebsschwäche ohne ständige Überwachung nicht vornehmen. Nicht vom Begriff der Hilflosigkeit umschlossen ist der Hilfebedarf bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen (vgl. z.B. BSG, Ue.v. 12.2.2003 - B 9 SB 1/02 R - juris und v. 24.11.2005 - B 9 SB 1/05 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 3, m.w.N.).

Die tatbestandlich vorausgesetzte "Reihe von Verrichtungen" kann regelmäßig erst dann angenommen werden, wenn es sich um mindestens drei Verrichtungen handelt, die einen Hilfebedarf in erheblichem Umfang erforderlich machen (vgl. BSG, U.v. 2.7.1997 – 9 RV 19/95 – juris, mit Hinweis auf BT-Drucks. 12/5262 S 164). Die Beurteilung der Erheblichkeit orientiert sich an dem Verhältnis der dem Betroffenen nur noch mit fremder Hilfe möglichen Verrichtungen zu denen, die er auch ohne fremde Hilfe bewältigen kann. In der Regel ist dabei auf die Zahl der Verrichtungen, den wirtschaftlichen Wert der Hilfe und den zeitlichen Aufwand abzustellen. Mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben in der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 15 SGB XI) ist die Erheblichkeit des Hilfebedarfs in erster Linie nach dem täglichen Zeitaufwand für erforderliche Betreuungsleistungen zu beurteilen. Danach ist nicht hilflos, wer nur in relativ geringem Umfange, täglich etwa eine Stunde, auf fremde Hilfe angewiesen ist (vgl. BSG, Ue.v. 29.8.1990 – 9a/9 RVs 7/89 ; v. 8.3.1995 – 9 RVs 5/94 ; v. 2.71997 – 9 RV 19/95 und v. 10.9.1997 - 9 RV 8/96 - jeweils juris). Daraus ergibt sich jedoch nicht schon, bei einem Überschreiten dieser Mindestgrenze ist in jedem Fall Hilflosigkeit zu bejahen. Ein täglicher Zeitaufwand ist - für sich genommen - vielmehr erst dann erheblich, wenn dieser mindestens zwei Stunden erreicht. Da die Begriffe der Pflegebedürftigkeit (vgl. §§ 14, 15 SGB XI) und der Hilflosigkeit (vgl. § 35 BVG, § 33b EStG) nicht völlig übereinstimmen (vgl. dazu BSG, U.v. 8.3.1995 – 9 RVs 5/94SozR 3-3870 § 4 Nr. 12), können die zeitlichen Grenzwerte der sozialen Pflegeversicherung zwar nicht unmittelbar übernommen werden, sie lassen sich jedoch als gewisse Orientierungspunkte nutzen. Zusätzlich sind noch die Bereiche der geistigen Anregung und Kommunikation und - ebenfalls anders als grundsätzlich in der Pflegeversicherung (vgl. BSG, U.v. 26.11.1998 – B 3 P 13/97 RSozR 3-3300 § 14 Nr. 8) - Anleitung, Überwachung und Bereitschaft zur Hilfe zu berücksichtigen. Da im Hinblick auf den insoweit erweiterten Maßstab bei der Prüfung von Hilflosigkeit leichter ein größerer Zeitaufwand für fremde Betreuungsleistungen erreicht wird als im Bereich der Grundpflege bei der Pflegeversicherung, ist von einer Zwei-Stunden-Grenze auszugehen, was dem Grundpflegeerfordernis für die Pflegestufe II der Pflegeversicherung entspricht (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI).

Um den individuellen Verhältnissen eines Behinderten Rechnung tragen zu können, ist es notwendig, bei der Beurteilung von Hilflosigkeit nicht allein auf den zeitlichen Betreuungsaufwand abzustellen. Vielmehr kommt dabei auch weiteren Umständen der Hilfeleistung, insbesondere ihrem wirtschaftlichen Wert, Bedeutung zu. Dieser Wert wird wesentlich durch die Zahl und die zeitliche Verteilung der Verrichtungen mitbestimmt, bei denen fremde Hilfe erforderlich ist. Denn eine Hilfsperson kann regelmäßig nur für zusammenhängende Zeitabschnitte, nicht jedoch für einzelne Handreichungen herangezogen bzw. beschäftigt werden. Dieser Umstand rechtfertigt es, Hilflosigkeit im hier geforderten Sinne bereits bei einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen einer und zwei Stunden dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege (wegen der Zahl der Verrichtungen bzw. ungünstiger zeitlicher Verteilung der Hilfeleistungen) besonders hoch ist (SG Karlsruhe, U.v. 15.2.2013 – S 1 SB 1094/12 – juris; vgl. auch BSG, U.v. 12.2.2003 – B 9 SB 1/02 R – juris).

Bei einer Reihe schwerer Behinderungen, die aufgrund ihrer Art und besonderen Auswirkungen regelhaft Hilfeleistungen in erheblichem Umfang erfordern, kann im Allgemeinen ohne nähere Prüfung angenommen werden, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Hilflosigkeit erfüllt sind. Dies gilt stets bei Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung, Querschnittslähmung und anderen Behinderungen, die auf Dauer und ständig – auch innerhalb des Wohnraums – die Benutzung eines Rollstuhls erfordern, in der Regel auch bei Hirnschäden, Anfallsleiden, geistiger Behinderung und Psychosen, wenn diese Behinderungen allein einen GdB von 100 bedingen, und beim Verlust von zwei oder mehr Gliedmaßen, ausgenommen Unterschenkel oder Fußamputation beiderseits, bei der immer eine individuelle Prüfung erforderlich ist (vgl. Teil A Nr. 4 Buchstaben e) und f) Seite 11, 12 der Anlage zu § 2 VMV).

Diese Definition des Begriffs des Hilflosigkeit ist auch bei Kindern maßgebend (vgl. BSG, U.v. 29.8.1990 – 9a/9 RVs 7/89 - juris). Allerdings sind bei der Beurteilung der Hilflosigkeit von Kindern und Jugendlichen nicht nur die bei der Hilflosigkeit genannten "Verrichtungen" zu beachten. Auch die Anleitung zu diesen "Verrichtungen", die Förderung der körperlichen und geistigen Entwicklung (z.B. durch Anleitung im Gebrauch der Gliedmaßen oder durch Hilfen zum Erfassen der Umwelt oder zum Erlernen der Sprache) sowie die notwendige Überwachung gehören zu den Hilfeleistungen, die für die Frage der Hilflosigkeit von Bedeutung sind (vgl. Teil A Nr. 5 Buchstabe a) der Anlage zu § 2 VersMedV). Bei der Beurteilung der Hilflosigkeit bei Kindern ist stets nur der Teil der Hilflosigkeit zu berücksichtigen, der wegen der Behinderung den Umfang der Hilflosigkeit eines gesunden gleichaltrigen Kindes überschreitet. Der Umfang der wegen der Behinderungen zusätzlichen notwendigen Hilfeleistungen muss erheblich sein (vgl. Teil A Nr. 5 Buchstabe b) der Anlage zu § 2 VersMedV). Bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, die an-geboren oder im Kindesalter aufgetreten sind, und für sich allein einen GdB von wenigstens 50 bedingen und bei anderen gleichschweren, im Kindesalter beginnenden Verhaltens- und emotionalen Störungen mit langandauernden erheblichen Einordnungsschwierigkeiten ist regelhaft Hilflosigkeit bis zum 18. Lebensjahr anzunehmen (vgl. Teil A Nr. 5 Buchstabe d) Doppelbuchstabe bb) der Anlage zu § 2 VersMedV).

3. Gemessen an diesen Kriterien war der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nicht (mehr) hilflos.

Der Kläger bedarf keiner Hilfe in erheblichem Umfang. Das Gericht verkennt nicht, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankungen (weiterhin) der regelmäßigen Kontrolle und Überwachung bedarf. Der sich aus dem in der mündlichen Verhandlung beschriebenen Überwachungsbedarf ergebende Zeitaufwand ist allerdings nicht mehr erheblich im Sinne der o.g. Vorschriften. Der Kläger lebt in einer eigenen ambulant betreuten Wohnung. Dort ist er weitestgehend eigenständig. Sein Betreuer, der etwa 10 km entfernt von dem Kläger ist, besucht den Kläger regelmäßig lediglich nur einmal pro Woche und begleitet ihn zu "außergewöhnlichen" Terminen, wie etwa Behördengängen. Im Rahmen der Besuche kontrolliert der Betreuer insbesondere die Sauberkeit der Kleidung des Klägers. Daneben steht er dem Kläger telefonisch als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Rufbereitschaft geht allerdings - so der Kläger - nicht in die Nacht hinein. Des Weiteren sorgen sich die Eltern des Klägers um ihn. Sie stehen telefonisch 24h zur Verfügung. Der Kläger beanspruchte nach seinen Aussagen in der Vergangenheit mehrmals im Monat die Hilfe seiner Eltern, etwa, wenn er den Schlüssel in der Wohnung vergessen hat. Zwar kann auch das Erfordernis ständiger Bereitschaft zur Hilfeleistung die Hilflosigkeit begründen. Eine "ständige Bereitschaft" ist allerdings z.B. nur dann anzunehmen, wenn Hilfe häufig und plötzlich wegen akuter Lebensgefahr notwendig ist. Ein solcher Fall liegt bei dem Kläger ersichtlich nicht vor.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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