Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 VK 3/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VK 12/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Als bei § 48 SGB X beachtliche Verschlimmerung kommen die Verschlimmerung anerkannter Schädigungsfolgen und das Auftreten weiterer Schädigungsfolgen nach der letzten bestandskräftigen Feststellung in Betracht.
2. Hat eine Behörde im Rahmen einer Entscheidung gem. § 44 SGB X darauf verzichtet, unter Hinweis auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen eine erneute Sachprüfung abzulehnen, ist auch für das Gericht ein umfassender Prüfungsrahmen eröffnet.
3. Ein schädigungsfremder Nachschaden hat für die Höhe des GdS und die sich daraus ergebende Versorgung keine Bedeutung, selbst wenn er sich auf die Schädigungsfolgen dahingehend auswirkt, dass er die Auswirkungen der Schädigungsfolgen verstärkt.
2. Hat eine Behörde im Rahmen einer Entscheidung gem. § 44 SGB X darauf verzichtet, unter Hinweis auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen eine erneute Sachprüfung abzulehnen, ist auch für das Gericht ein umfassender Prüfungsrahmen eröffnet.
3. Ein schädigungsfremder Nachschaden hat für die Höhe des GdS und die sich daraus ergebende Versorgung keine Bedeutung, selbst wenn er sich auf die Schädigungsfolgen dahingehend auswirkt, dass er die Auswirkungen der Schädigungsfolgen verstärkt.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einem höheren Grad der Schädigung (GdS) als bisher hat.
Der im Jahr 1926 geborene Kläger wurde am 14.10.1944 bei der Ableistung seines Wehrdienstes durch Granatsplitter an beiden Beinen, beiden Armen und der Lunge verwundet.
Wegen seiner Kriegsbeschädigung bezieht er seit 1948 Versorgungsrente, zunächst nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE - jetzige Bezeichnung: Grad der Schädigung - GdS) in Höhe von 50 v.H., seit 1951 nach einer MdE in Höhe von 60 v.H.
Im Bescheid vom 22.03.1989 waren die Schädigungsfolgen wie folgt formuliert worden: 1. Absetzung im rechten Mittelfuß, Bewegungseinschränkung im Fußgelenk, Muskelschwund im rechten Unterschenkel, reizlose Narben am rechten Oberschenkel und linken Unterschenkel, multiple Weichteilstecksplitter an beiden Oberschenkeln und Unterschenkeln und im Bereich der linken dorsalen Beckenwand 2. Gebrauchsunfähigkeit des 4. Fingers rechts. Teilverlust des 5. Fingers rechts. Multiple Weichteilstecksplitter im 2. - 4. Finger rechts 3. Lungenstecksplitter im linken Lungenoberlappen ohne Brustfellverwachsungen.
Anlässlich eines auf eine Verschlechterung der Gehfähigkeit gestützten Verschlimmerungsantrags des Klägers vom 09.11.2009 war der Kläger am 26.01.2010 versorgungsärztlich begutachtet worden. Dabei hatte der Kläger neben den im Vordergrund stehenden Gehbeschwerden unter anderem darüber berichtet, dass er seit einiger Zeit Schmerzen beim Geschlechtsverkehr habe und diese auf Granatsplitter in der Nähe der Prostata oder im Hodensack zurückführe. Einen Grund für eine höhere Bewertung der Schädigungsfolgen hatte der Gutachter nicht gesehen; fragliche Granatsplitter im Bereich des äußeren Genitals könnten - so der Sachverständige - die Beschwerden des Klägers beim Geschlechtsverkehr wissenschaftlich nicht erklären.
Den Verschlimmerungsantrag hatte der Beklagte unter Bezugnahme auf das eingeholte Gutachten mit Bescheid vom 17.02.2010 abgelehnt, dabei aber die Schädigungsfolgen zu Ziff. 1 am Anfang wie folgt neu formuliert: "1. Absetzung in der rechten Fußwurzel (Chopart-Amputation), ..." Dieser Bescheid war bestandskräftig geworden, nachdem der Kläger seinen zunächst erhobenen Widerspruch zurückgenommen hatte.
Mit Schreiben vom 07.06.2012 hatte der Kläger erneut einen Verschlimmerungsantrag gestellt. Er hatte den Antrag damit begründet, dass er infolge eines Sturzes auf das Schultergelenk keine Krücken mehr verwenden könne. Dazu hatte er ein Attest der D-Klinik A-Stadt vom 15.05.2012 vorgelegt, wonach er am 06.01.2011 gestürzt sei und sich dabei eine Rotatorenmanschettenruptur des rechten Schultergelenks zugezogen habe. Im Rahmen einer körperlichen Untersuchung am 14.05.2012 habe der Kläger - so der Klinikbericht - über anhaltende Schmerzen in der rechten Schulter geklagt; eine eingeschränkte Beweglichkeit habe sich gezeigt.
Näher begründet worden war der Verschlimmerungsantrag durch den Kläger mit Schreiben vom 27.09.2012. Am 12.06.2012 habe er - so der Kläger - versucht, seinen PKW mit Baumschnitt zu beladen. Beim Abbrechen eines Holzastes mit beiden Händen habe er einen kurzen starken Schmerz in der rechten Schulter verspürt. Es sei die Bizepssehne rechts gerissen. Infolgedessen könne er keine Gehstützen mehr verwenden. Darauf sei er jedoch angewiesen, um wenigstens ein paar Schritte gehen zu können. Er sei schädigungsbedingt auf eine Chopartprothese angewiesen.
Nach Befragung des versorgungsärztlichen Dienstes (Stellungnahme vom 22.10.2012) hatte es der Beklagte mit Bescheid vom 23.10.2012 abgelehnt, den Versorgungsanspruch des Klägers neu festzustellen.
Am 26.11.2012 beantragte der Kläger erneut eine Überprüfung bzw. Neufeststellung seines Versorgungsanspruchs. Durch den Rotatorenmanschettendefekt der rechten Schulter sei er nicht mehr belastbar. Weiter beantragte er die Anerkennung von weiteren Granatsplittern, die im Bereich seines Hodens nachgewiesen seien, als Kriegsleiden.
Am 17.01.2013 äußerte sich der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten zu den beigezogenen medizinischen Unterlagen. Danach - so der Versorgungsarzt - ergäben sich keine Hinweise auf eine schädigungsbedingte Verletzung der rechten Schulter. Die Schädigungsfolgen seien insoweit aber neu zu bezeichnen, als nunmehr zur Präzisierung der Schädigungsfolgen auch Weichteilstecksplitter im Hodensack festzustellen seien.
Mit Bescheid vom 18.01.2013 erkannte der Beklagte Weichteilstecksplitter im Bereich des Hodensacks als weitere Schädigungsfolgen an, ohne den dem Versorgungsanspruch zugrunde gelegten GdS zu erhöhen.
Mit Schreiben vom 23.01.2013 und 06.02.2013 erhob der damalige Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger mit Schreiben vom 06.02.2013 geltend, dass er am 06.01.2011 auf dem Gehsteig ausgerutscht und zu Boden gestürzt sei. Dabei habe er sich reflexartig auf seinen rechten Arm gestützt. Es sei eine Rotatorenmanschettenruptur und außerdem ein Bruch der Bizepssehne festgestellt worden. Seitdem leide er unter Schmerzen. Die Granatsplitterverletzungen hätten zu einem Brennen in der Harnröhre unmittelbar bei oder nach jeder Ejakulation geführt. Lebenslang sei ihm die Möglichkeit genommen worden, ein geregeltes sexuelles Eheleben zu führen.
Der Beklagte holte anschließend medizinische Unterlagen ein. In einem Bericht der D-Klinik A-Stadt vom 12.01.2011 wird angegeben, dass der Kläger am 06.01.2011 auf den abduzierten und retroflektierten Arm gestürzt sei und seitdem über Schmerzen in der rechten Schulter geklagt habe. Nach dem Ergebnis einer Computertomographie der rechten Schulter vom 11.01.2011 liegen u.a. eine Arthrose des Schultereckgelenks sowie des Schultergelenks, eine vorbestehende Verschmälerung des subacromialen Raums mit Impingement und eine Atrophie des Supraspinatusmuskelquerschnitts vor; es bestehe der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur. Weiter ist den Unterlagen zu entnehmen, dass der Kläger am 12.06.2012 einen Stock über dem Knie gebrochen und danach einschließende Schmerzen im rechten Oberarm verspürt hat. Klinisch wurde der Verdacht auf eine Bizepssehnenruptur bei vorgeschädigten Schultergelenk geäußert.
Der versorgungsärztliche Dienst sah in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.03.2013 keinen Anhalt für eine posttraumatische Schädigung der Schulter, sondern nur alterstypische degenerative Veränderungen. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden beim Geschlechtsverkehr seien - so der versorgungsärztliche Dienst - nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Granatsplitter im Bereich des Hodensacks zurückzuführen.
Mit Bescheid vom 15.03.2013 lehnte es der Beklagte ab, die Folgen des Sturzes vom 06.01.2011 und die Verletzungsfolgen vom 12.06.2012 als mittelbare Schädigungsfolgen anzuerkennen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2013 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.01.2013 und den einbezogenen Bescheid vom 15.03.2013 zurückgewiesen.
Am 19.04.2013 hat der damalige Bevollmächtigte des Klägers für diesen Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben und beantragt, die mittelbaren Schädigungsfolgen einer Rotatorenmanschettenruptur rechts aufgrund eines Sturzes am 06.01.2011 und der Ruptur der langen Bizepssehne rechts aufgrund einer Verletzung am 12.06.2012 anzuerkennen und Versorgung nach einem GdS von mindestens 70 zu leisten.
Mit Schreiben vom 27.05.2013 hat das SG zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Der Bevollmächtigte des Klägers hat anschließend mitgeteilt, dass er das Mandat niederlege und dem Kläger die Klagerücknahme empfohlen habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Seit dem bestandskräftigen Bescheid vom 17.02.2010 sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten. Es seien lediglich die Schädigungsfolgen insoweit zu präzisieren gewesen, als auch Weichteilverletzungen des Hodens festgestellt worden seien. Über die bereits anerkannten Schädigungsfolgen hinaus seien keine weiteren Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anzuerkennen.
Mit Schreiben vom 02.07.2013 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er mit Schreiben vom 25.07.2013 betreffend die Beschwerden beim Geschlechtsverkehr vorgetragen, dass er die stechenden Schmerzen beim Orgasmus erstmals im Jahr 1954 gehabt habe. Es sei anzunehmen, dass diese Schmerzen mit größter Wahrscheinlichkeit durch die Granatsplitter im Hodensack verursacht seien. Erst im November 2011 sei radiologisch nachgewiesen worden, dass sich drei Granatsplitter im Hoden befänden, was zuvor aufgrund der Gefahr einer Erbgutschädigung nicht möglich gewesen sei. Die Granatsplitter im Genitalbereich seien eindeutig die Ursache der Schmerzen beim Orgasmus. Er verlange eine adäquate Entschädigung für die seit seiner schweren Kriegsbeschädigung am 14.10.1944 auferlegte schwere physische und psychische Last. In einem Schreiben vom 31.08.2013 hat er zudem auf den "Bruch" des rechten Schultergelenks (Rotatorenmanschette) hingewiesen. Er hat in mehreren Schreiben deutlich gemacht, dass er eine rückwirkende Versorgung ab Beginn der Schmerzen beim Orgasmus erwarte.
Der Beklagte hat sich wiederholt im Rahmen von versorgungsärztlichen Stellungnahmen geäußert und ist bei seiner bisherigen Einschätzung geblieben.
Auf Nachfrage des Senats hat der Urologe Prof. Dr. S., D., der den Kläger seit vielen Jahren behandelt, mit Schreiben vom 25.02.2014 mitgeteilt, dass er einen Kausalzusammenhang zwischen den Granatsplittern und den geschilderten Beschwerden beim Geschlechtsverkehr nicht sehe. Bei unklarer Genese der Beschwerden bestehe auch keine kausale Therapiemöglichkeit.
Im Auftrag des Senats hat der Urologe Dr. B. unter dem Datum vom 21.07.2014 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt. Einen Zusammenhang zwischen den vom Kläger angegebenen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und den Granatsplittern im Hodensack hat er - wie schon zuvor der behandelnde Urologe des Klägers - nicht gesehen.
Weiter hat im Auftrag des Senats Dr. C. ein fachchirurgisch-orthopädisches Gutachten unter dem Datum vom 24.06.2014 erstellt. Eine traumatische Schulterverletzung beim Kläger hat er nicht gesehen; ein Schulterschaden infolge der Kriegsverletzungen liege - so der Sachverständige - nicht vor.
Die Gutachten sind dem Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 08.08.2014 und Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten übersandt worden.
Dazu hat sich der Kläger mit Schreiben vom 18.08.2014 dahingehend geäußert, dass er die Ausführungen des Sachverständigen zu den Schmerzen beim Geschlechtsverkehr für nicht nachvollziehbar halte und nicht müde werde, sein vollständiges Recht gemäß dem deutschen Gesetz für Kriegsopfer zu verlangen. Er verlange eine finanzielle Entschädigung für 49 Jahre totaler sexueller Abstinenz und zudem die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG und eine Höherstufung des GdS.
Mit Beschluss vom 11.11.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des SG Augsburg vom 18.06.2013 sowie die Bescheide des Beklagten vom 18.01.2013 und vom 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2013 aufzuheben und ihm unter Anerkennung von weiteren Schädigungsfolgen (Schulterschaden rechts, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr) Versorgung nach einem GdS von mehr als 60 rückwirkend zuzusprechen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG Augsburg beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 11.11.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.
Der Senat hat in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden können, da dieser über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 SGG).
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die Klage gegen die Bescheide vom 18.01. und 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2013 zu Recht abgewiesen.
1. Streitgegenstand
Gegenstand des Verfahrens sind zum einen der Bescheid vom 18.01.2013, zum anderen der Bescheid vom 15.03.2013, jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2013.
1.1. Bescheid vom 18.01.2013
Mit dem Bescheid vom 18.01.2013 hat der Beklagte als weitere Schädigungsfolge Weichteilstecksplitter im Hodensack anerkannt. Auch wenn der Beklagte diesen Bescheid ausdrücklich nur auf die Regelung des § 48 SGB X gestützt hat, enthält der Bescheid betreffend die Granatsplitter im Hodensack keine auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestützte Regelung, sondern vielmehr eine Entscheidung gemäß § 44 SGB X. Denn aus § 48 SGB X resultiert nur dann ein Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen (bzw. Höherbewertung bereits anerkannter Schädigungsfolgen), wenn sich eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung seit der letzten bestandskräftigen Entscheidung ergeben hat. In Betracht dafür kommt neben einer Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen bereits anerkannten Gesundheitsstörungen das Auftreten weiterer noch als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, vom BSG bestätigt mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B). § 44 SGB X ist - im Gegensatz zu § 48 SGB X - dann einschlägig, wenn es um die Anerkennung von Schädigungsfolgen geht, die bereits vor der letzten bestandkräftigen Entscheidung vorgelegen haben. Dies ist bei den Granatsplittern im Hodensack der Fall, die sich seit vielen Jahrzehnten dort befinden und nach den Angaben des Klägers seit den 1950er Jahren Beschwerden verursachen, aber aus jetzt nicht mehr nachvollziehbaren Gründen, wie dies auch der versorgungsärztliche Dienst in seiner Stellungnahme vom 17.01.2013 angemerkt hat, nicht bereits früher als Schädigungsfolgen anerkannt worden sind. Eine Regelung im Sinn des § 48 SGB X ist im Bescheid vom 18.01.2013 hingegen dahingehend enthalten, dass der Beklagte die Anerkennung einer Verschlimmerung des durch die Kriegsverletzung beeinträchtigten Gesundheitszustands des Klägers abgelehnt hat.
1.2. Bescheid vom 15.03.2013
Gegenstand des Verfahrens ist weiter der Bescheid vom 15.03.2013, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, die Folgen des Sturzes vom 06.01.2011 und potentielle Verletzungsfolgen vom 12.06.2012 als mittelbare Schädigungsfolgen anzuerkennen und dem Kläger Versorgung nach einem höheren GdS zu gewähren. Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung gemäß § 44 SGB X. Denn der Beklagte hat es bereits zuvor mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 23.10.2012 abgelehnt, eine wesentliche Änderung im Sinn des § 48 SGB X festzustellen, wobei diese Entscheidung auch die Ablehnung der Anerkennung eines Schadens im Bereich der rechten Schulter als Schädigungsfolge infolge der Ereignisse vom 06.01.2011 und 12.06.2012 beinhaltet hat.
1.3. Kein Streitgegenstand: Merkzeichen aG
Nicht Gegenstand des Verfahren ist die - allein vom Kläger wiederholt thematisierte, vom Beklagten aber nicht weiter aufgegriffene - Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG hat. Darüber hat der Beklagte in den Bescheiden dieser versorgungsrechtlichen Streitigkeit keine Entscheidung getroffen, wie dem Kläger mehrfach vom Senat erläutert worden ist. Sollte der Kläger in der schwerbehindertenrechtlichen Frage des Merkzeichens aG eine Entscheidung begehren, wäre darüber in einem gesonderten schwerbehindertenrechtlichen Verwaltungsverfahren durch den Beklagten zu befinden, ohne dass dies in Zusammenhang mit den hier zu entscheidenden Streitgegenständen stünde.
2. Zum Bescheid vom 18.01.2013 betreffend die Regelung nach § 44 SGB X
Der Beklagte hat zutreffend im Weg einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftig gewordenen Bescheide insofern abgeändert, als er Weichteilstecksplitter im Hodensack als weitere Schädigungsfolge ohne Erhöhung der Versorgung anerkannt hat. Ein weitergehender Anspruch auf Anerkennung der vom Kläger angegebenen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr als Schädigungsfolge und auf Versorgung nach einem GdS von mehr als 60 wegen dieser Beschwerden besteht aber nicht.
2.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X
Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:
Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.
Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).
Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.
Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.
Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zu Grunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d.h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zu Grunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.
Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).
Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.
Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).
Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12).
Diesen Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das vorgenannte Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:
" ... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr 2 SGG scheidet ebenfalls aus ... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert."
2.2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall
Soweit die Frage der Anerkennung von Granatsplittern im Hodensack als weitere Schädigungsfolge betroffen ist, hat der Beklagte unabhängig von der Bestandskraft früherer Entscheidungen nach erneuter Prüfung in der Sache diese Gesundheitsstörung (zutreffend) als weitere Schädigungsfolge anerkannt. Weitere (mittelbare) Schädigungsfolgen, insbesondere die vom Kläger angegebenen Beschwerden beim Geschlechtsverkehr, sind nicht anzuerkennen, da sich diesbezüglich ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang mit den Granatsplittern im Hodensack nicht herstellen lässt. Allein aus den Granatsplittern im Hodensack resultiert kein relevanter GdS.
2.2.1. Prüfungsrahmen des Gerichts
Der Beklagte hat bezüglich der Granatsplitter im Hodensack nicht auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen verwiesen, sondern in der Sache geprüft. Dies hat zur Konsequenz, dass auch der Senat in der Sache voll zu prüfen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95), ob die geltend gemachten Schmerzen beim Geschlechtsverkehr auf Granatsplitter im Hodensack und damit auf die Kriegsverletzung zurückzuführen sind.
2.2.2. Voraussetzungen für eine Anerkennung als Schädigungsfolge - allgemein
Für die Anerkennung der vom Kläger angegebenen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr als Schädigungsfolge wäre eine im Vollbeweis nachgewiesene Gesundheitsstörung erforderlich, die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG in einem wahrscheinlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis im Krieg stehen müsste.
Vollbeweis im vorgenannten Sinn bedeutet, dass eine Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Die bloße Wahrscheinlichkeit und erst recht nur die Möglichkeit reichen nicht aus.
Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG bedeutet, dass nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Eine potentielle Ursache begründet daher dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az.: 10 RV 15/77). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort "hinreichend" nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 128, Rdnr. 3c). Eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs reicht nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66; für den vergleichbaren Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteil vom 22.06.2004, Az.: B 2 U 22/03 R).
2.2.3. Prüfung im konkreten Fall
Ob die vom Kläger angegebenen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr im Vollbeweis nachgewiesen sind - die damit befassten Ärzte gehen zwar von glaubhaften und konkreten Angaben des Klägers aus, können die Beschwerden aber nicht näher nachvollziehen - , kann dahingestellt bleiben. Denn die Beschwerden sind jedenfalls nicht durch die Folgen der Kriegsverletzung zu erklären.
Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat sowohl auf die Angaben des behandelnden Urologen des Klägers Prof. Dr. S., der dem Senat aus anderen Verfahren als auch in Zusammenhangsfragen erfahrener Arzt bekannt ist, als auch auf das im Berufungsverfahren eingeholte ärztliche Gutachten des Urologen Dr. B. vom 21.07.2014. Beide Ärzte haben die vom Kläger angegebenen Beschwerden und die bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf urologischem Gebiet vollständig erfasst und ihre Auswirkungen zutreffend gewürdigt. Insbesondere der gerichtliche Sachverständige hat alle Gesichtspunkte, auch die klägerische Argumentation, sehr ausführlich bedacht und abgewogen. Beide Ärzte sind übereinstimmend zu der Einschätzung gekommen, dass ein Zusammenhang zwischen den im Hodensack einliegenden Granatsplittern und den vom Kläger angegebenen Beschwerden beim Geschlechtsverkehr nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Der Senat macht sich diese ärztlichen bzw. ärztlich-sachverständigen Feststellungen zu eigen.
Prof. Dr. S. hat sich im Schreiben vom 25.02.2014 dahingehend geäußert, dass der Kläger die Beschwerden beim Geschlechtsverkehr zwar durchaus glaubhaft und konkret angebe. Einen Kausalzusammenhang zwischen den Granatsplittern und den geschilderten Beschwerden sieht er aber nicht. Angesichts der unklaren Genese der Beschwerden besteht auch keine kausale Therapiemöglichkeit.
Auch der vom Senat als Sachverständiger beauftragte Urologe Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 21.07.2014 das vom Kläger angegebene tagelange Brennen in der Harnröhre und die schmerzhaften Spasmen im Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr zwar als durchaus glaubhaft betrachtet. Gleichwohl kann er - wie auch Prof. Dr. S. - einen kausalen Zusammenhang mit den vorhandenen Granatsplittern im Hodensack nicht erkennen. Dabei ist er davon ausgegangen, dass ein Metallsplitter in unmittelbarer Nähe des rechten Samenstrangs liegt.
Aus den Granatsplittern im Hodensack resultiert daher wegen fehlender kausaler Zurechenbarkeit von weitergehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen kein relevanter GdS.
Dass der bislang festgestellt GdS von 60 einer Überprüfung der Höhe nach standhält, ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. C., der darauf hingewiesen hat, dass ein GdS von 60 angemessen ist.
3. Zum Bescheid vom 15.03.2013
Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, im Weg einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die Gesundheitsstörung im Bereich der rechten Schulter als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen (und einen höheren GdS festzustellen).
Soweit die Frage der Anerkennung eines Gesundheitsschadens im Bereich der rechten Schulter als weitere Schädigungsfolge betroffen ist, hat der Beklagte unabhängig von der Bestandskraft seiner früheren bestandskräftig gewordenen Entscheidung vom 23.10.2012 nach erneuter Prüfung in der Sache eine Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge erneut abgelehnt. Diese Ablehnung ist zu Recht erfolgt.
Der vom Kläger geltend gemachte Schaden in der rechten Schulter steht nicht in einem hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang mit der Kriegsverletzung und ist daher nicht als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen.
Bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen einer Anerkennung als Schädigungsfolge verweist der Senat auf die oben (s. Ziff. 2.2.2.) erfolgten Erläuterungen.
Bei seiner Einschätzung eines fehlenden kausalen Zusammenhangs des Gesundheitsschadens in der rechten Schulter mit der Kriegsverletzung stützt sich der Senat auf das von ihm eingeholte Gutachten des Dr. C. vom 24.06.2014. Dieser Sachverständige hat die vorliegenden medizinischen Unterlagen, die vom Kläger angegebenen Beschwerden und die bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und ihre Auswirkungen zutreffend gewürdigt. Er hat sich mit allen in Frage kommenden Gesichtspunkten sehr ausführlich beschäftigt und den vollständigen Akteninhalt sorgfältig gewürdigt. Er ist mit klarer und nachvollziehbarer Begründung zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Zusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen in der rechten Schulter und der Kriegsverletzung nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen.
3.1. Folgen des Ereignisses vom 06.01.2011
Der Sturz vom 06.01.2011 hat keine länger anhaltenden Gesundheitsstörungen hinterlassen.
Eine Anerkennung von Sturzfolgen als mittelbare Schädigungsfolgen kommt nur dann in Betracht, wenn der Sturz auf die kriegsfolgenbedingte Einschränkung der Gehfähigkeit zurückzuführen ist. Ob dies der Fall gewesen ist oder der Sturz auf schädigungsunabhängige Naturgegebenheiten wie z.B. glatte Bodenverhältnisse oder andere Gründe zurückzuführen ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls hat der Sturz keine länger anhaltenden Gesundheitsstörungen verursacht. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. C ...
Entgegen der ersten Annahme aus der D-Klinik A-Stadt ist beim Kläger radiologisch eine Rotatorenmanschettenruptur genauso wie eine - vom Kläger selbst behauptete - Fraktur im Bereich des Schultergelenks ausgeschlossen worden. Beim Kläger liegen hingegen zweifellos eine Arthrose des Schultereckgelenks und eine Verschmälerung des subacromialen Raums vor, die Beschwerden verursachen. Dieser beim Kläger vorliegende Schaden im Bereich der Schulter ist ausschließlich degenerativer Natur, wie er im hohen Lebensalter üblich ist. Ein Zusammenhang mit dem vom Kläger angegebenen Sturz auf die Schulter ist daher nicht wahrscheinlich zu machen.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat den Kläger darauf hin, dass der Sachverständige Dr. C. zutreffend darauf aufmerksam gemacht hat, dass ein direkter Unfallmechanismus, wie er vom Kläger beschrieben worden ist, nicht geeignet wäre, eine Verletzung der Rotatorenmanschette zu bedingen. Ein solcher Unfallmechanismus kann nicht schadlos die schützenden muskulären oder knöchernen Strukturen überspringen, um im Inneren des Schultergelenks, nämlich der Rotatorenmanschette, traumatische Spuren zu hinterlassen. Diese Ausführungen des Sachverständigen stehen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Begutachtungsliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 412 f.).
3.2. Folgen des Ereignisses vom 12.06.2012
Etwaige dauerhafte gesundheitlich negative Folgen dieses Ereignisses können schon deshalb nicht als mittelbare Schädigungsfolgen anerkannt werden, da das Ereignis selbst in keinerlei Zusammenhang mit der Kriegsverletzung steht.
Den Angaben des Klägers folgend hat er am 12.06.2012 beim Abbrechen eines Holzastes mit beiden Händen einen kurzen und starken Schmerz in der rechten Schulter verspürt. Sollte dabei tatsächlich die Bizepssehne gerissen sein, ist dies nicht auf die Kriegsverletzung und deren Folgen zurückzuführen. Denn der Bereich der Schulter ist von der Verletzung im Krieg nicht betroffen gewesen. Im Übrigen ist auch hier zu berücksichtigen, dass der beim Kläger vorliegende Schaden im Bereich der Schulter ausschließlich degenerativer Natur ist, wie er im hohen Lebensalter typisch ist.
3.3. Keine mittelbare Schädigungsfolge wegen einer langjährigen Gehstockbenutzung
Der beim Kläger im Bereich der rechten Schulter vorliegende Gesundheitsschaden ist auch nicht auf den langjährigen Gebrauch des Gehstocks zurückzuführen, auf dessen Benutzung der Kläger wegen des schädigungsbedingten Teilverlusts des rechten Fußes angewiesen ist.
Der Senat hat, um alle nur möglichen Ansatzpunkte abzudecken, den Sachverständigen Dr. C. unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Krückengang-Schulter zu einem möglichen Zusammenhang befragt. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt hat der Sachverständige mit überzeugender Begründung einen Zusammenhang mit den Beschwerden in der rechten Schulter verneint. Denn der Kläger benutzt keine Unterarmgehhilfe, sondern einen sogenannten Fritz-Stock. Dabei handelt es sich um einen Gehstock, dessen Griff an seinem oberen Ende einen rechten Winkel zum Stock bildet. Aus der Benutzung einer derartigen Gehhilfe resultiert keine gravierende Belastung im Bereich des Schultergelenks. Zudem müsste, einem biomechanischen Grundsatz folgend, die Gehhilfe immer auf der gesunden Seite benutzt werden. Da beim Kläger kriegsverletzt das rechte Bein ist, müsste ein sich aus einer Krückenbenutzung ergebender Schulterschaden an der linken Schulter auftreten. Da aber der vom Kläger geltend gemachte Schaden an der rechten Schulter vorliegt, kann von einem Zusammenhang nicht nur wegen der Benutzung einer grundsätzlich nicht schadensverursachenden Gehhilfe, sondern auch wegen der Verortung des Schadens nicht gegangen werden. Dass der Kläger zudem bei der zuletzt im Jahr 2009 ambulant durchgeführten Begutachtung ein erstaunlich flüssiges, annähernd gleichschrittiges und sicheres Gangbild gezeigt hat, was gegen eine relevante Belastung der Gehhilfe spricht, gewinnt keine eigenständige Bedeutung mehr.
3.4. Keine Bedeutung einer reduzierten Benutzbarkeit der Gehhilfe für den GdS
Ob der Kläger infolge einer schädigungsfremden Gesundheitsstörung im Bereich der Schulter die aufgrund der Schädigungsfolgen erforderliche Gehhilfe nicht mehr im bisherigen Umfang benutzen kann und daher die Auswirkungen der Schädigungsfolgen im täglichen Leben für ihn stärker ausgeprägt sind als früher, hat keine rechtliche Bedeutung für die Höhe des GdS.
Der im Bereich der Schulter aufgetretene Gesundheitsschaden stellt einen sogenannten Nachschaden dar, der versorgungsrechtlich irrelevant ist.
Spätere schädigungsfremde Nachschäden sind von der Entschädigungspflicht ausgeschlossen und haben keinen Einfluss auf die Höhe des GdS, selbst wenn sie sich auf die Schädigungsfolgen dahingehend auswirken, dass sie die Auswirkungen der Schädigungsfolgen verstärken (ständige Rspr., vgl. zum Bereich der Kriegsopferversorgung: Urteil des BSG vom 10.12.1975, Az.: 9 RV 112/75; Urteil des Senats vom 08.04.2014, Az.: L 15 VK 19/13; zum vergleichbaren Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteile vom 21.09.1967, Az.: 2 RU 65/66, und vom 17.03.1992, Az.: 2 RU 20/91). Denn mit dem Ende des schädigenden Vorgangs ist zugleich die versorgungsrechtlich beachtliche Ursachenkette abgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.1963, Az.: 11 RV 568/62).
4. Zum Bescheid vom 18.01.2013 betreffend die Regelung gemäß § 48 SGB X
Eine Verschlimmerung des kriegsfolgenbedingten Gesundheitszustands im Sinn des § 48 SGB X mit der Folge, dass ein höherer GdS festzustellen wäre, ist nicht nachgewiesen.
4.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 48 SGB X
Der Kläger hätte über § 48 SGB X nur dann einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen bzw. Höherbewertung bereits anerkannter Schädigungsfolgen, wenn sich eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung ergeben hätte. In Betracht dafür kommt neben einer Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen bereits anerkannten Gesundheitsstörungen das Auftreten weiterer noch als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, vom BSG bestätigt mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B).
Nichts davon ist vorliegend der Fall.
4.2. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen
Eine Verschlimmerung liegt nicht vor.
Weder hat der Kläger eine Verschlimmerung bereits anerkannter Schädigungsfolgen behauptet noch ist ein Ansatzpunkt für eine derartige Verschlimmerung ersichtlich. Aus sachverständiger Sicht ist der GdS nach wie vor zutreffend bewertet.
4.3. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Auftretens weiterer als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen
Neue, d.h. seit dem bestandskräftigen Bescheid vom 23.10.2012 aufgetretene Schädigungsfolgen hat der Kläger weder behauptet noch ist eine derartige Änderung ersichtlich.
4.4. Keine Relevanz schädigungsfremder Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers für die Höhe des GdS
Schädigungsfremde Änderungen im Gesundheitszustand des Klägers haben, auch wenn sie die Auswirkungen der Schädigungsfolgen im täglichen Leben verstärken, keine rechtliche Bedeutung für die Höhe des GdS (vgl. oben Ziff. 3.4.).
Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einem höheren Grad der Schädigung (GdS) als bisher hat.
Der im Jahr 1926 geborene Kläger wurde am 14.10.1944 bei der Ableistung seines Wehrdienstes durch Granatsplitter an beiden Beinen, beiden Armen und der Lunge verwundet.
Wegen seiner Kriegsbeschädigung bezieht er seit 1948 Versorgungsrente, zunächst nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE - jetzige Bezeichnung: Grad der Schädigung - GdS) in Höhe von 50 v.H., seit 1951 nach einer MdE in Höhe von 60 v.H.
Im Bescheid vom 22.03.1989 waren die Schädigungsfolgen wie folgt formuliert worden: 1. Absetzung im rechten Mittelfuß, Bewegungseinschränkung im Fußgelenk, Muskelschwund im rechten Unterschenkel, reizlose Narben am rechten Oberschenkel und linken Unterschenkel, multiple Weichteilstecksplitter an beiden Oberschenkeln und Unterschenkeln und im Bereich der linken dorsalen Beckenwand 2. Gebrauchsunfähigkeit des 4. Fingers rechts. Teilverlust des 5. Fingers rechts. Multiple Weichteilstecksplitter im 2. - 4. Finger rechts 3. Lungenstecksplitter im linken Lungenoberlappen ohne Brustfellverwachsungen.
Anlässlich eines auf eine Verschlechterung der Gehfähigkeit gestützten Verschlimmerungsantrags des Klägers vom 09.11.2009 war der Kläger am 26.01.2010 versorgungsärztlich begutachtet worden. Dabei hatte der Kläger neben den im Vordergrund stehenden Gehbeschwerden unter anderem darüber berichtet, dass er seit einiger Zeit Schmerzen beim Geschlechtsverkehr habe und diese auf Granatsplitter in der Nähe der Prostata oder im Hodensack zurückführe. Einen Grund für eine höhere Bewertung der Schädigungsfolgen hatte der Gutachter nicht gesehen; fragliche Granatsplitter im Bereich des äußeren Genitals könnten - so der Sachverständige - die Beschwerden des Klägers beim Geschlechtsverkehr wissenschaftlich nicht erklären.
Den Verschlimmerungsantrag hatte der Beklagte unter Bezugnahme auf das eingeholte Gutachten mit Bescheid vom 17.02.2010 abgelehnt, dabei aber die Schädigungsfolgen zu Ziff. 1 am Anfang wie folgt neu formuliert: "1. Absetzung in der rechten Fußwurzel (Chopart-Amputation), ..." Dieser Bescheid war bestandskräftig geworden, nachdem der Kläger seinen zunächst erhobenen Widerspruch zurückgenommen hatte.
Mit Schreiben vom 07.06.2012 hatte der Kläger erneut einen Verschlimmerungsantrag gestellt. Er hatte den Antrag damit begründet, dass er infolge eines Sturzes auf das Schultergelenk keine Krücken mehr verwenden könne. Dazu hatte er ein Attest der D-Klinik A-Stadt vom 15.05.2012 vorgelegt, wonach er am 06.01.2011 gestürzt sei und sich dabei eine Rotatorenmanschettenruptur des rechten Schultergelenks zugezogen habe. Im Rahmen einer körperlichen Untersuchung am 14.05.2012 habe der Kläger - so der Klinikbericht - über anhaltende Schmerzen in der rechten Schulter geklagt; eine eingeschränkte Beweglichkeit habe sich gezeigt.
Näher begründet worden war der Verschlimmerungsantrag durch den Kläger mit Schreiben vom 27.09.2012. Am 12.06.2012 habe er - so der Kläger - versucht, seinen PKW mit Baumschnitt zu beladen. Beim Abbrechen eines Holzastes mit beiden Händen habe er einen kurzen starken Schmerz in der rechten Schulter verspürt. Es sei die Bizepssehne rechts gerissen. Infolgedessen könne er keine Gehstützen mehr verwenden. Darauf sei er jedoch angewiesen, um wenigstens ein paar Schritte gehen zu können. Er sei schädigungsbedingt auf eine Chopartprothese angewiesen.
Nach Befragung des versorgungsärztlichen Dienstes (Stellungnahme vom 22.10.2012) hatte es der Beklagte mit Bescheid vom 23.10.2012 abgelehnt, den Versorgungsanspruch des Klägers neu festzustellen.
Am 26.11.2012 beantragte der Kläger erneut eine Überprüfung bzw. Neufeststellung seines Versorgungsanspruchs. Durch den Rotatorenmanschettendefekt der rechten Schulter sei er nicht mehr belastbar. Weiter beantragte er die Anerkennung von weiteren Granatsplittern, die im Bereich seines Hodens nachgewiesen seien, als Kriegsleiden.
Am 17.01.2013 äußerte sich der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten zu den beigezogenen medizinischen Unterlagen. Danach - so der Versorgungsarzt - ergäben sich keine Hinweise auf eine schädigungsbedingte Verletzung der rechten Schulter. Die Schädigungsfolgen seien insoweit aber neu zu bezeichnen, als nunmehr zur Präzisierung der Schädigungsfolgen auch Weichteilstecksplitter im Hodensack festzustellen seien.
Mit Bescheid vom 18.01.2013 erkannte der Beklagte Weichteilstecksplitter im Bereich des Hodensacks als weitere Schädigungsfolgen an, ohne den dem Versorgungsanspruch zugrunde gelegten GdS zu erhöhen.
Mit Schreiben vom 23.01.2013 und 06.02.2013 erhob der damalige Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger mit Schreiben vom 06.02.2013 geltend, dass er am 06.01.2011 auf dem Gehsteig ausgerutscht und zu Boden gestürzt sei. Dabei habe er sich reflexartig auf seinen rechten Arm gestützt. Es sei eine Rotatorenmanschettenruptur und außerdem ein Bruch der Bizepssehne festgestellt worden. Seitdem leide er unter Schmerzen. Die Granatsplitterverletzungen hätten zu einem Brennen in der Harnröhre unmittelbar bei oder nach jeder Ejakulation geführt. Lebenslang sei ihm die Möglichkeit genommen worden, ein geregeltes sexuelles Eheleben zu führen.
Der Beklagte holte anschließend medizinische Unterlagen ein. In einem Bericht der D-Klinik A-Stadt vom 12.01.2011 wird angegeben, dass der Kläger am 06.01.2011 auf den abduzierten und retroflektierten Arm gestürzt sei und seitdem über Schmerzen in der rechten Schulter geklagt habe. Nach dem Ergebnis einer Computertomographie der rechten Schulter vom 11.01.2011 liegen u.a. eine Arthrose des Schultereckgelenks sowie des Schultergelenks, eine vorbestehende Verschmälerung des subacromialen Raums mit Impingement und eine Atrophie des Supraspinatusmuskelquerschnitts vor; es bestehe der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur. Weiter ist den Unterlagen zu entnehmen, dass der Kläger am 12.06.2012 einen Stock über dem Knie gebrochen und danach einschließende Schmerzen im rechten Oberarm verspürt hat. Klinisch wurde der Verdacht auf eine Bizepssehnenruptur bei vorgeschädigten Schultergelenk geäußert.
Der versorgungsärztliche Dienst sah in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.03.2013 keinen Anhalt für eine posttraumatische Schädigung der Schulter, sondern nur alterstypische degenerative Veränderungen. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden beim Geschlechtsverkehr seien - so der versorgungsärztliche Dienst - nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Granatsplitter im Bereich des Hodensacks zurückzuführen.
Mit Bescheid vom 15.03.2013 lehnte es der Beklagte ab, die Folgen des Sturzes vom 06.01.2011 und die Verletzungsfolgen vom 12.06.2012 als mittelbare Schädigungsfolgen anzuerkennen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2013 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.01.2013 und den einbezogenen Bescheid vom 15.03.2013 zurückgewiesen.
Am 19.04.2013 hat der damalige Bevollmächtigte des Klägers für diesen Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben und beantragt, die mittelbaren Schädigungsfolgen einer Rotatorenmanschettenruptur rechts aufgrund eines Sturzes am 06.01.2011 und der Ruptur der langen Bizepssehne rechts aufgrund einer Verletzung am 12.06.2012 anzuerkennen und Versorgung nach einem GdS von mindestens 70 zu leisten.
Mit Schreiben vom 27.05.2013 hat das SG zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Der Bevollmächtigte des Klägers hat anschließend mitgeteilt, dass er das Mandat niederlege und dem Kläger die Klagerücknahme empfohlen habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Seit dem bestandskräftigen Bescheid vom 17.02.2010 sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht eingetreten. Es seien lediglich die Schädigungsfolgen insoweit zu präzisieren gewesen, als auch Weichteilverletzungen des Hodens festgestellt worden seien. Über die bereits anerkannten Schädigungsfolgen hinaus seien keine weiteren Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anzuerkennen.
Mit Schreiben vom 02.07.2013 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er mit Schreiben vom 25.07.2013 betreffend die Beschwerden beim Geschlechtsverkehr vorgetragen, dass er die stechenden Schmerzen beim Orgasmus erstmals im Jahr 1954 gehabt habe. Es sei anzunehmen, dass diese Schmerzen mit größter Wahrscheinlichkeit durch die Granatsplitter im Hodensack verursacht seien. Erst im November 2011 sei radiologisch nachgewiesen worden, dass sich drei Granatsplitter im Hoden befänden, was zuvor aufgrund der Gefahr einer Erbgutschädigung nicht möglich gewesen sei. Die Granatsplitter im Genitalbereich seien eindeutig die Ursache der Schmerzen beim Orgasmus. Er verlange eine adäquate Entschädigung für die seit seiner schweren Kriegsbeschädigung am 14.10.1944 auferlegte schwere physische und psychische Last. In einem Schreiben vom 31.08.2013 hat er zudem auf den "Bruch" des rechten Schultergelenks (Rotatorenmanschette) hingewiesen. Er hat in mehreren Schreiben deutlich gemacht, dass er eine rückwirkende Versorgung ab Beginn der Schmerzen beim Orgasmus erwarte.
Der Beklagte hat sich wiederholt im Rahmen von versorgungsärztlichen Stellungnahmen geäußert und ist bei seiner bisherigen Einschätzung geblieben.
Auf Nachfrage des Senats hat der Urologe Prof. Dr. S., D., der den Kläger seit vielen Jahren behandelt, mit Schreiben vom 25.02.2014 mitgeteilt, dass er einen Kausalzusammenhang zwischen den Granatsplittern und den geschilderten Beschwerden beim Geschlechtsverkehr nicht sehe. Bei unklarer Genese der Beschwerden bestehe auch keine kausale Therapiemöglichkeit.
Im Auftrag des Senats hat der Urologe Dr. B. unter dem Datum vom 21.07.2014 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt. Einen Zusammenhang zwischen den vom Kläger angegebenen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und den Granatsplittern im Hodensack hat er - wie schon zuvor der behandelnde Urologe des Klägers - nicht gesehen.
Weiter hat im Auftrag des Senats Dr. C. ein fachchirurgisch-orthopädisches Gutachten unter dem Datum vom 24.06.2014 erstellt. Eine traumatische Schulterverletzung beim Kläger hat er nicht gesehen; ein Schulterschaden infolge der Kriegsverletzungen liege - so der Sachverständige - nicht vor.
Die Gutachten sind dem Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 08.08.2014 und Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten übersandt worden.
Dazu hat sich der Kläger mit Schreiben vom 18.08.2014 dahingehend geäußert, dass er die Ausführungen des Sachverständigen zu den Schmerzen beim Geschlechtsverkehr für nicht nachvollziehbar halte und nicht müde werde, sein vollständiges Recht gemäß dem deutschen Gesetz für Kriegsopfer zu verlangen. Er verlange eine finanzielle Entschädigung für 49 Jahre totaler sexueller Abstinenz und zudem die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG und eine Höherstufung des GdS.
Mit Beschluss vom 11.11.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des SG Augsburg vom 18.06.2013 sowie die Bescheide des Beklagten vom 18.01.2013 und vom 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2013 aufzuheben und ihm unter Anerkennung von weiteren Schädigungsfolgen (Schulterschaden rechts, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr) Versorgung nach einem GdS von mehr als 60 rückwirkend zuzusprechen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG Augsburg beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 11.11.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.
Der Senat hat in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden können, da dieser über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 SGG).
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die Klage gegen die Bescheide vom 18.01. und 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2013 zu Recht abgewiesen.
1. Streitgegenstand
Gegenstand des Verfahrens sind zum einen der Bescheid vom 18.01.2013, zum anderen der Bescheid vom 15.03.2013, jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 03.04.2013.
1.1. Bescheid vom 18.01.2013
Mit dem Bescheid vom 18.01.2013 hat der Beklagte als weitere Schädigungsfolge Weichteilstecksplitter im Hodensack anerkannt. Auch wenn der Beklagte diesen Bescheid ausdrücklich nur auf die Regelung des § 48 SGB X gestützt hat, enthält der Bescheid betreffend die Granatsplitter im Hodensack keine auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestützte Regelung, sondern vielmehr eine Entscheidung gemäß § 44 SGB X. Denn aus § 48 SGB X resultiert nur dann ein Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen (bzw. Höherbewertung bereits anerkannter Schädigungsfolgen), wenn sich eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung seit der letzten bestandskräftigen Entscheidung ergeben hat. In Betracht dafür kommt neben einer Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen bereits anerkannten Gesundheitsstörungen das Auftreten weiterer noch als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, vom BSG bestätigt mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B). § 44 SGB X ist - im Gegensatz zu § 48 SGB X - dann einschlägig, wenn es um die Anerkennung von Schädigungsfolgen geht, die bereits vor der letzten bestandkräftigen Entscheidung vorgelegen haben. Dies ist bei den Granatsplittern im Hodensack der Fall, die sich seit vielen Jahrzehnten dort befinden und nach den Angaben des Klägers seit den 1950er Jahren Beschwerden verursachen, aber aus jetzt nicht mehr nachvollziehbaren Gründen, wie dies auch der versorgungsärztliche Dienst in seiner Stellungnahme vom 17.01.2013 angemerkt hat, nicht bereits früher als Schädigungsfolgen anerkannt worden sind. Eine Regelung im Sinn des § 48 SGB X ist im Bescheid vom 18.01.2013 hingegen dahingehend enthalten, dass der Beklagte die Anerkennung einer Verschlimmerung des durch die Kriegsverletzung beeinträchtigten Gesundheitszustands des Klägers abgelehnt hat.
1.2. Bescheid vom 15.03.2013
Gegenstand des Verfahrens ist weiter der Bescheid vom 15.03.2013, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, die Folgen des Sturzes vom 06.01.2011 und potentielle Verletzungsfolgen vom 12.06.2012 als mittelbare Schädigungsfolgen anzuerkennen und dem Kläger Versorgung nach einem höheren GdS zu gewähren. Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung gemäß § 44 SGB X. Denn der Beklagte hat es bereits zuvor mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 23.10.2012 abgelehnt, eine wesentliche Änderung im Sinn des § 48 SGB X festzustellen, wobei diese Entscheidung auch die Ablehnung der Anerkennung eines Schadens im Bereich der rechten Schulter als Schädigungsfolge infolge der Ereignisse vom 06.01.2011 und 12.06.2012 beinhaltet hat.
1.3. Kein Streitgegenstand: Merkzeichen aG
Nicht Gegenstand des Verfahren ist die - allein vom Kläger wiederholt thematisierte, vom Beklagten aber nicht weiter aufgegriffene - Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG hat. Darüber hat der Beklagte in den Bescheiden dieser versorgungsrechtlichen Streitigkeit keine Entscheidung getroffen, wie dem Kläger mehrfach vom Senat erläutert worden ist. Sollte der Kläger in der schwerbehindertenrechtlichen Frage des Merkzeichens aG eine Entscheidung begehren, wäre darüber in einem gesonderten schwerbehindertenrechtlichen Verwaltungsverfahren durch den Beklagten zu befinden, ohne dass dies in Zusammenhang mit den hier zu entscheidenden Streitgegenständen stünde.
2. Zum Bescheid vom 18.01.2013 betreffend die Regelung nach § 44 SGB X
Der Beklagte hat zutreffend im Weg einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die bestandskräftig gewordenen Bescheide insofern abgeändert, als er Weichteilstecksplitter im Hodensack als weitere Schädigungsfolge ohne Erhöhung der Versorgung anerkannt hat. Ein weitergehender Anspruch auf Anerkennung der vom Kläger angegebenen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr als Schädigungsfolge und auf Versorgung nach einem GdS von mehr als 60 wegen dieser Beschwerden besteht aber nicht.
2.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 44 SGB X
Bei der gesetzlichen Regelung des § 44 SGB X und dem dabei zu beachtenden Prüfungsrahmen ist Folgendes zu berücksichtigen:
Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 77 SGG, wonach ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wird, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Diese Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) ist ein wesentliches Prinzip der Rechtsordnung. Mit der Bestandskraft wird Rechtssicherheit geschaffen, weil die Beteiligten wissen, woran sie sind, nämlich dass die Regelung des Verwaltungsakts sie bindet, und Rechtsfrieden garantiert, weil weiterer Streit über den Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Für den Adressaten des Verwaltungsakts ist damit keine unangemessene Benachteiligung verbunden, hat er doch die Möglichkeit, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel gegen einen Bescheid zu wehren und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Schöpft er diese Mittel nicht aus oder akzeptiert er den Verwaltungsakt, weil er selbst keinen überzeugenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit hat, müssen die Beteiligten die getroffene Regelung in der Zukunft für und gegen sich gelten lassen.
Die Regelung des § 44 SGB X ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung von der Bindungswirkung (Bestandskraft) unanfechtbarer und damit für die Beteiligten bindend gewordener sozialrechtlicher Verwaltungsakte, um damit materielle Rechtmäßigkeit herzustellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eröffnet dazu zwei Alternativen. Entweder muss bei der bestandskräftig gewordenen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt worden (erste Alternative) oder die Behörde muss beim Erlass des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich nachträglich aufgrund des Bekanntwerdens neuer Tatsachen als unrichtig erwiesen hat (zweite Alternative).
Nicht Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es, Fristenregelungen im Zusammenhang mit der Frage der Bestandskraft von Entscheidungen der Verwaltung oder auch der Gerichte auszuhebeln und die mit der Bestandskraft bezweckte Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in das Belieben der Beteiligten zu stellen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann kein Mittel sein, um durch wiederholte Anträge bei der Behörde diese immer wieder zu Sachentscheidungen (deren Ergebnis wegen der bereits getroffenen Entscheidung absehbar ist) zu zwingen, die dann wiederum gerichtlich in der Sache überprüfbar wären. Würde man dies zulassen, hätte eine Behörde keinerlei Möglichkeit, sich vor wiederholenden Anträgen mit dem sich daraus ergebenden möglicherweise massiven Verwaltungsaufwand, der nicht nur Personal bindet, sondern auch Kosten verursacht, zu schützen.
Bei der oben genannten ersten Alternative handelt es sich um eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der bestandskräftig gewordenen Entscheidung, bei der es auf den Vortrag neuer Tatsachen nicht ankommt und die von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Eine derartige Überprüfung bedeutet jedoch nicht, dass eine vollständige Überprüfung des Sachverhalts mittels neuer Ermittlung des Sachverhalts und neu einzuholender Gutachten durchzuführen wäre. Vielmehr ist lediglich aus rein rechtlicher Sicht zu würdigen, ob der der bestandskräftig gewordenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilt und rechtlich in nicht zu beanstandender Weise bewertet worden ist.
Weitergehende Sachermittlungen sind im Rahmen der ersten Alternative nicht geboten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Systematik der gesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Denn mit der Differenzierung zwischen den aufgezeigten zwei Alternativen (unrichtige Rechtsanwendung einerseits und ursprünglich unrichtig zu Grunde gelegter Sachverhalt andererseits) hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass nicht in jedem Fall eine völlige Überprüfung unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass die Verwaltung nicht durch aussichtslose Überprüfungsanträge, die beliebig oft wiederholt werden können, immer wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.1991, Az.: 9b RAr 7/90). Würde hingegen bereits im Rahmen der ersten Alternative eine umfassende Sachprüfung, d.h. mit einer umfassenden Neuermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts, vorausgesetzt, so stünde dies im Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen für die zweite Alternative, für die die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel vorausgesetzt wird. Im Rahmen der ersten Alternative sind daher die tatsächlichen Feststellungen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid zu Grunde gelegen haben, auch im Überprüfungsverfahren zu beachten und lediglich zu prüfen, ob auf diesen Tatsachen aufbauend, unabhängig von ihrer Richtigkeit, die rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind. In dem Verfahren erfolgt eine rein rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss.
Für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel im Rahmen eines abgestuften Verfahrens an (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86, das auch im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R nicht infrage gestellt worden ist). Die Prüfung bei dieser zweiten Alternative hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, wie sie auch im Rahmen eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens zu beachten sind. Es liegt daher der zweiten Alternative ein Verfahren zugrunde, bei der es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R).
Ergibt sich bei diesem Verfahren nichts Neues, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung der bestandskräftigen Entscheidung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen.
Eine Behörde ist daher nur dann, wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht bekannte Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, oder wenn sich herausstellt, dass das Recht unrichtig angewandt worden ist, dazu verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RV 18/86).
Hat eine Behörde unter zutreffender Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine erneute Sachprüfung und Sachentscheidung abgelehnt, kann sich das Gericht über diese Entscheidung nicht hinwegsetzen und den gesamten Sachverhalt einer wiederholten Sachprüfung unterziehen. Denn § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst, nicht aber dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers hinwegzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.04.2004, Az.: L 8 U 115/02; ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 18.02.2014, Az.: L 15 VK 3/12).
Diesen Prüfungsmaßstab, den der Senat beispielsweise im Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, ausführlich dargestellt hat, hat das BSG, dessen Rechtsprechung zu § 44 SGB X nicht immer einheitlich ist (vgl. vorgenanntes Urteil des Senats vom 18.03.2013, dort Ziff. 3.3.1. der Gründe), ausdrücklich bestätigt, wenn es im Anschluss an das vorgenannte Urteil des Senats mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B, Folgendes ausgeführt hat:
" ... Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr 2 SGG scheidet ebenfalls aus ... Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG ... zugrunde gelegten Rechtsansicht in Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Vorinstanz hat sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert."
2.2. Prüfung im hier zu entscheidenden Fall
Soweit die Frage der Anerkennung von Granatsplittern im Hodensack als weitere Schädigungsfolge betroffen ist, hat der Beklagte unabhängig von der Bestandskraft früherer Entscheidungen nach erneuter Prüfung in der Sache diese Gesundheitsstörung (zutreffend) als weitere Schädigungsfolge anerkannt. Weitere (mittelbare) Schädigungsfolgen, insbesondere die vom Kläger angegebenen Beschwerden beim Geschlechtsverkehr, sind nicht anzuerkennen, da sich diesbezüglich ein hinreichend wahrscheinlicher Zusammenhang mit den Granatsplittern im Hodensack nicht herstellen lässt. Allein aus den Granatsplittern im Hodensack resultiert kein relevanter GdS.
2.2.1. Prüfungsrahmen des Gerichts
Der Beklagte hat bezüglich der Granatsplitter im Hodensack nicht auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen verwiesen, sondern in der Sache geprüft. Dies hat zur Konsequenz, dass auch der Senat in der Sache voll zu prüfen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 09.08.1995, Az.: 9 BVg 5/95), ob die geltend gemachten Schmerzen beim Geschlechtsverkehr auf Granatsplitter im Hodensack und damit auf die Kriegsverletzung zurückzuführen sind.
2.2.2. Voraussetzungen für eine Anerkennung als Schädigungsfolge - allgemein
Für die Anerkennung der vom Kläger angegebenen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr als Schädigungsfolge wäre eine im Vollbeweis nachgewiesene Gesundheitsstörung erforderlich, die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG in einem wahrscheinlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis im Krieg stehen müsste.
Vollbeweis im vorgenannten Sinn bedeutet, dass eine Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Die bloße Wahrscheinlichkeit und erst recht nur die Möglichkeit reichen nicht aus.
Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG bedeutet, dass nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Eine potentielle Ursache begründet daher dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az.: 10 RV 15/77). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort "hinreichend" nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 128, Rdnr. 3c). Eine bloße - abstrakte oder konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs reicht nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1968, Az.: 9 RV 610/66; für den vergleichbaren Rechtsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteil vom 22.06.2004, Az.: B 2 U 22/03 R).
2.2.3. Prüfung im konkreten Fall
Ob die vom Kläger angegebenen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr im Vollbeweis nachgewiesen sind - die damit befassten Ärzte gehen zwar von glaubhaften und konkreten Angaben des Klägers aus, können die Beschwerden aber nicht näher nachvollziehen - , kann dahingestellt bleiben. Denn die Beschwerden sind jedenfalls nicht durch die Folgen der Kriegsverletzung zu erklären.
Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat sowohl auf die Angaben des behandelnden Urologen des Klägers Prof. Dr. S., der dem Senat aus anderen Verfahren als auch in Zusammenhangsfragen erfahrener Arzt bekannt ist, als auch auf das im Berufungsverfahren eingeholte ärztliche Gutachten des Urologen Dr. B. vom 21.07.2014. Beide Ärzte haben die vom Kläger angegebenen Beschwerden und die bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf urologischem Gebiet vollständig erfasst und ihre Auswirkungen zutreffend gewürdigt. Insbesondere der gerichtliche Sachverständige hat alle Gesichtspunkte, auch die klägerische Argumentation, sehr ausführlich bedacht und abgewogen. Beide Ärzte sind übereinstimmend zu der Einschätzung gekommen, dass ein Zusammenhang zwischen den im Hodensack einliegenden Granatsplittern und den vom Kläger angegebenen Beschwerden beim Geschlechtsverkehr nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Der Senat macht sich diese ärztlichen bzw. ärztlich-sachverständigen Feststellungen zu eigen.
Prof. Dr. S. hat sich im Schreiben vom 25.02.2014 dahingehend geäußert, dass der Kläger die Beschwerden beim Geschlechtsverkehr zwar durchaus glaubhaft und konkret angebe. Einen Kausalzusammenhang zwischen den Granatsplittern und den geschilderten Beschwerden sieht er aber nicht. Angesichts der unklaren Genese der Beschwerden besteht auch keine kausale Therapiemöglichkeit.
Auch der vom Senat als Sachverständiger beauftragte Urologe Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 21.07.2014 das vom Kläger angegebene tagelange Brennen in der Harnröhre und die schmerzhaften Spasmen im Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr zwar als durchaus glaubhaft betrachtet. Gleichwohl kann er - wie auch Prof. Dr. S. - einen kausalen Zusammenhang mit den vorhandenen Granatsplittern im Hodensack nicht erkennen. Dabei ist er davon ausgegangen, dass ein Metallsplitter in unmittelbarer Nähe des rechten Samenstrangs liegt.
Aus den Granatsplittern im Hodensack resultiert daher wegen fehlender kausaler Zurechenbarkeit von weitergehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen kein relevanter GdS.
Dass der bislang festgestellt GdS von 60 einer Überprüfung der Höhe nach standhält, ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. C., der darauf hingewiesen hat, dass ein GdS von 60 angemessen ist.
3. Zum Bescheid vom 15.03.2013
Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, im Weg einer Überprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X die Gesundheitsstörung im Bereich der rechten Schulter als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen (und einen höheren GdS festzustellen).
Soweit die Frage der Anerkennung eines Gesundheitsschadens im Bereich der rechten Schulter als weitere Schädigungsfolge betroffen ist, hat der Beklagte unabhängig von der Bestandskraft seiner früheren bestandskräftig gewordenen Entscheidung vom 23.10.2012 nach erneuter Prüfung in der Sache eine Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge erneut abgelehnt. Diese Ablehnung ist zu Recht erfolgt.
Der vom Kläger geltend gemachte Schaden in der rechten Schulter steht nicht in einem hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang mit der Kriegsverletzung und ist daher nicht als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen.
Bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen einer Anerkennung als Schädigungsfolge verweist der Senat auf die oben (s. Ziff. 2.2.2.) erfolgten Erläuterungen.
Bei seiner Einschätzung eines fehlenden kausalen Zusammenhangs des Gesundheitsschadens in der rechten Schulter mit der Kriegsverletzung stützt sich der Senat auf das von ihm eingeholte Gutachten des Dr. C. vom 24.06.2014. Dieser Sachverständige hat die vorliegenden medizinischen Unterlagen, die vom Kläger angegebenen Beschwerden und die bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und ihre Auswirkungen zutreffend gewürdigt. Er hat sich mit allen in Frage kommenden Gesichtspunkten sehr ausführlich beschäftigt und den vollständigen Akteninhalt sorgfältig gewürdigt. Er ist mit klarer und nachvollziehbarer Begründung zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Zusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen in der rechten Schulter und der Kriegsverletzung nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen.
3.1. Folgen des Ereignisses vom 06.01.2011
Der Sturz vom 06.01.2011 hat keine länger anhaltenden Gesundheitsstörungen hinterlassen.
Eine Anerkennung von Sturzfolgen als mittelbare Schädigungsfolgen kommt nur dann in Betracht, wenn der Sturz auf die kriegsfolgenbedingte Einschränkung der Gehfähigkeit zurückzuführen ist. Ob dies der Fall gewesen ist oder der Sturz auf schädigungsunabhängige Naturgegebenheiten wie z.B. glatte Bodenverhältnisse oder andere Gründe zurückzuführen ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls hat der Sturz keine länger anhaltenden Gesundheitsstörungen verursacht. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. C ...
Entgegen der ersten Annahme aus der D-Klinik A-Stadt ist beim Kläger radiologisch eine Rotatorenmanschettenruptur genauso wie eine - vom Kläger selbst behauptete - Fraktur im Bereich des Schultergelenks ausgeschlossen worden. Beim Kläger liegen hingegen zweifellos eine Arthrose des Schultereckgelenks und eine Verschmälerung des subacromialen Raums vor, die Beschwerden verursachen. Dieser beim Kläger vorliegende Schaden im Bereich der Schulter ist ausschließlich degenerativer Natur, wie er im hohen Lebensalter üblich ist. Ein Zusammenhang mit dem vom Kläger angegebenen Sturz auf die Schulter ist daher nicht wahrscheinlich zu machen.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat den Kläger darauf hin, dass der Sachverständige Dr. C. zutreffend darauf aufmerksam gemacht hat, dass ein direkter Unfallmechanismus, wie er vom Kläger beschrieben worden ist, nicht geeignet wäre, eine Verletzung der Rotatorenmanschette zu bedingen. Ein solcher Unfallmechanismus kann nicht schadlos die schützenden muskulären oder knöchernen Strukturen überspringen, um im Inneren des Schultergelenks, nämlich der Rotatorenmanschette, traumatische Spuren zu hinterlassen. Diese Ausführungen des Sachverständigen stehen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Begutachtungsliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 412 f.).
3.2. Folgen des Ereignisses vom 12.06.2012
Etwaige dauerhafte gesundheitlich negative Folgen dieses Ereignisses können schon deshalb nicht als mittelbare Schädigungsfolgen anerkannt werden, da das Ereignis selbst in keinerlei Zusammenhang mit der Kriegsverletzung steht.
Den Angaben des Klägers folgend hat er am 12.06.2012 beim Abbrechen eines Holzastes mit beiden Händen einen kurzen und starken Schmerz in der rechten Schulter verspürt. Sollte dabei tatsächlich die Bizepssehne gerissen sein, ist dies nicht auf die Kriegsverletzung und deren Folgen zurückzuführen. Denn der Bereich der Schulter ist von der Verletzung im Krieg nicht betroffen gewesen. Im Übrigen ist auch hier zu berücksichtigen, dass der beim Kläger vorliegende Schaden im Bereich der Schulter ausschließlich degenerativer Natur ist, wie er im hohen Lebensalter typisch ist.
3.3. Keine mittelbare Schädigungsfolge wegen einer langjährigen Gehstockbenutzung
Der beim Kläger im Bereich der rechten Schulter vorliegende Gesundheitsschaden ist auch nicht auf den langjährigen Gebrauch des Gehstocks zurückzuführen, auf dessen Benutzung der Kläger wegen des schädigungsbedingten Teilverlusts des rechten Fußes angewiesen ist.
Der Senat hat, um alle nur möglichen Ansatzpunkte abzudecken, den Sachverständigen Dr. C. unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Krückengang-Schulter zu einem möglichen Zusammenhang befragt. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt hat der Sachverständige mit überzeugender Begründung einen Zusammenhang mit den Beschwerden in der rechten Schulter verneint. Denn der Kläger benutzt keine Unterarmgehhilfe, sondern einen sogenannten Fritz-Stock. Dabei handelt es sich um einen Gehstock, dessen Griff an seinem oberen Ende einen rechten Winkel zum Stock bildet. Aus der Benutzung einer derartigen Gehhilfe resultiert keine gravierende Belastung im Bereich des Schultergelenks. Zudem müsste, einem biomechanischen Grundsatz folgend, die Gehhilfe immer auf der gesunden Seite benutzt werden. Da beim Kläger kriegsverletzt das rechte Bein ist, müsste ein sich aus einer Krückenbenutzung ergebender Schulterschaden an der linken Schulter auftreten. Da aber der vom Kläger geltend gemachte Schaden an der rechten Schulter vorliegt, kann von einem Zusammenhang nicht nur wegen der Benutzung einer grundsätzlich nicht schadensverursachenden Gehhilfe, sondern auch wegen der Verortung des Schadens nicht gegangen werden. Dass der Kläger zudem bei der zuletzt im Jahr 2009 ambulant durchgeführten Begutachtung ein erstaunlich flüssiges, annähernd gleichschrittiges und sicheres Gangbild gezeigt hat, was gegen eine relevante Belastung der Gehhilfe spricht, gewinnt keine eigenständige Bedeutung mehr.
3.4. Keine Bedeutung einer reduzierten Benutzbarkeit der Gehhilfe für den GdS
Ob der Kläger infolge einer schädigungsfremden Gesundheitsstörung im Bereich der Schulter die aufgrund der Schädigungsfolgen erforderliche Gehhilfe nicht mehr im bisherigen Umfang benutzen kann und daher die Auswirkungen der Schädigungsfolgen im täglichen Leben für ihn stärker ausgeprägt sind als früher, hat keine rechtliche Bedeutung für die Höhe des GdS.
Der im Bereich der Schulter aufgetretene Gesundheitsschaden stellt einen sogenannten Nachschaden dar, der versorgungsrechtlich irrelevant ist.
Spätere schädigungsfremde Nachschäden sind von der Entschädigungspflicht ausgeschlossen und haben keinen Einfluss auf die Höhe des GdS, selbst wenn sie sich auf die Schädigungsfolgen dahingehend auswirken, dass sie die Auswirkungen der Schädigungsfolgen verstärken (ständige Rspr., vgl. zum Bereich der Kriegsopferversorgung: Urteil des BSG vom 10.12.1975, Az.: 9 RV 112/75; Urteil des Senats vom 08.04.2014, Az.: L 15 VK 19/13; zum vergleichbaren Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteile vom 21.09.1967, Az.: 2 RU 65/66, und vom 17.03.1992, Az.: 2 RU 20/91). Denn mit dem Ende des schädigenden Vorgangs ist zugleich die versorgungsrechtlich beachtliche Ursachenkette abgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.1963, Az.: 11 RV 568/62).
4. Zum Bescheid vom 18.01.2013 betreffend die Regelung gemäß § 48 SGB X
Eine Verschlimmerung des kriegsfolgenbedingten Gesundheitszustands im Sinn des § 48 SGB X mit der Folge, dass ein höherer GdS festzustellen wäre, ist nicht nachgewiesen.
4.1. Allgemeines zum Prüfungsrahmen des § 48 SGB X
Der Kläger hätte über § 48 SGB X nur dann einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen bzw. Höherbewertung bereits anerkannter Schädigungsfolgen, wenn sich eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung ergeben hätte. In Betracht dafür kommt neben einer Verschlimmerung der als Schädigungsfolgen bereits anerkannten Gesundheitsstörungen das Auftreten weiterer noch als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen nach dem letzten bestandskräftigen Bescheid (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 18.03.2013, Az.: L 15 VK 11/11, vom BSG bestätigt mit Beschluss vom 31.07.2013, Az.: B 9 V 31/13 B).
Nichts davon ist vorliegend der Fall.
4.2. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen
Eine Verschlimmerung liegt nicht vor.
Weder hat der Kläger eine Verschlimmerung bereits anerkannter Schädigungsfolgen behauptet noch ist ein Ansatzpunkt für eine derartige Verschlimmerung ersichtlich. Aus sachverständiger Sicht ist der GdS nach wie vor zutreffend bewertet.
4.3. Keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Auftretens weiterer als Schädigungsfolgen anzuerkennender Gesundheitsstörungen
Neue, d.h. seit dem bestandskräftigen Bescheid vom 23.10.2012 aufgetretene Schädigungsfolgen hat der Kläger weder behauptet noch ist eine derartige Änderung ersichtlich.
4.4. Keine Relevanz schädigungsfremder Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers für die Höhe des GdS
Schädigungsfremde Änderungen im Gesundheitszustand des Klägers haben, auch wenn sie die Auswirkungen der Schädigungsfolgen im täglichen Leben verstärken, keine rechtliche Bedeutung für die Höhe des GdS (vgl. oben Ziff. 3.4.).
Die Berufung kann daher unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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