S 5 R 2956/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2956/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ist dem Erwerbstätigen vertraglich gestattet, die geschuldete Arbeitsleistung nicht selbst zu erbringen, sondern an Dritte zu delegieren, und macht er von der Möglichkeit der Delegation in der Praxis auch regelmäßig Gebrauch, so ist dies ein starkes Indiz dafür, dass er eine selbständige Tätigkeit verrichtet. Unerheblich ist insoweit, ob die von ihm eingesetzten Dritten für ihn entgeltlich oder unentgeltlich tätig werden.
1. Der Bescheid vom 28.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.8.2014 wird aufgehoben, soweit die Beklagte darin für den Beigeladenen Ziff. 1 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 13.188,19 EUR nachgefordert hat. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtli-chen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen Ziff. 1.

Die Klägerin betreibt mehrere Bankfilialen. Im Jahr 2000 beauftragte sie den Beigeladenen Ziff. 1, für die Reinigung zweier Filialen (in M. und V.) zu sorgen. Über den Vertragsinhalt verständigten sich die Parteien nur mündlich; eine schriftliche Vereinbarung gab es nicht. Für die Reinigungsarbeiten stellte der Beigeladene Ziff. 1 der Klägerin monatlich Rechnungen. In der Annahme, der Beigeladene Ziff. 1 übe eine selbständige Tätigkeit aus, meldete die Klägerin ihn nicht zur Sozialversicherung an.

Nachdem die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durchgeführt hatte, forderte sie mit Bescheid vom 28.5.2014 von der Klägerin Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 13.532,91 EUR und Säumniszuschlägen in Höhe von 174 EUR, zusammen 13.706,91 EUR. Davon entfielen 13.188,19 EUR auf Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen Ziff. 1, die restlichen 344,72 EUR und die Säumniszuschläge auf einen anderen, hier nicht streitigen Sachverhalt. Zur Begründung der Beitragsforderung bezüglich des Beigeladenen Ziff. 1 gab die Beklagte an, der Beigeladene Ziff. 1 habe im Prüfungszeitraum vom 1.1.2010 - 31.12.2013 bei der Klägerin in einen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Er sei verpflichtet gewesen, die Reinigungsarbeiten persönlich durchzuführen; die Filialleitung habe seine Arbeitsleistung kontrolliert. Zudem sei er an enge zeitliche Vorgaben gebunden gewesen: Er habe die tägliche Reinigung nach Geschäftsschluss um 17:00 Uhr (donnerstags: 18:30 Uhr) bis zum Einschalten der Alarmanlage um 20:30 Uhr erledigen müssen. Außerdem habe der Beigeladene Ziff. 1 kein unternehmerisches Risiko getragen. Vielmehr habe er für seine Tätigkeit eine feste Vergütung von 13 EUR pro Stunde erhalten; der Höhe nach sei dies kein "Unternehmerlohn". Kapital habe er für die Tätigkeit nicht eingesetzt. Denn zum einen habe er keine Mitarbeiter beschäftigt. Zum anderen seien die erforderlichen Betriebsmittel (Reinigungsgeräte und Putzmittel) von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Zwar habe der Beigeladene Ziff. 1 unter der Firma "xxx Treppenhausreinigung & Hausmeisterservice" ein Gewerbe angemeldet. Hierbei handele es sich aber nur um einen formalen Akt ohne Aussagekraft für die Statusfeststellung. Der Beigeladene Ziff. 1 habe für seine Firma jedenfalls keine Werbung betrieben. Unerheblich sei schließlich, dass sie, die Beklagte, bei früheren Betriebsprüfungen im Hinblick auf die Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 nichts beanstandet habe. Denn die Betriebsprüfung dürfe sich auf Stichproben beschränken; sie bezwecke nicht, dem Arbeitgeber umfassend Entlastung zu erteilen.

Hiergegen legte die Klägerin am 11.6.2014 Widerspruch ein. Sie machte geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Beigeladene Ziff. 1 bei ihr nicht beschäftigt gewesen; vielmehr habe er die Reinigungsarbeiten als Selbständiger erbracht: Sie, die Klägerin, habe sich bereits vor Jahren entschieden, die erforderlichen Reinigungsarbeiten nicht mehr durch fest angestellte Arbeitnehmer erledigen zu lassen, sondern durch externe Dienstleister. Im Zuge dessen sei es zur Beauftragung des Beigeladenen Ziff. 1 gekommen. Der Beigeladene Ziff. 1 habe schon damals sein Gewerbe angemeldet gehabt. Zwar sei die Anmeldung für sich genommen nicht ausschlaggebend, sie zeige aber, was die Vertragsparteien gewollt hätten - nämlich eine Zusammenarbeit auf der Grundlage einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1. Es liege in der Natur der Sache, dass der Beigeladene Ziff. 1 die Reinigungsarbeiten nicht während der Geschäftszeiten habe erbringen können und aus Sicherheitsgründen auch nicht nachts nach Einschalten der Alarmanlage. Angesichts dessen habe ihm in der Regel ein zeitlicher Korridor von 3,5 Stunden zur Verfügung gestanden - weit mehr, als er tatsächlich benötigt habe. Innerhalb des zeitlichen Korridors habe der Beigeladene Ziff. 1 seine Arbeitszeit frei bestimmen können. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe sie, die Klägerin, ihm also gerade keine zeitlichen Vorgaben gemacht. Auch inhaltliche Weisungen habe es nicht gegeben; der Beigeladene Ziff. 1 habe eigenständig entschieden, was er wie reinigt. Seine Tätigkeit habe sie nicht überwacht. Dies sei schon deshalb nicht möglich gewesen, weil er seine Tätigkeit außerhalb ihrer Geschäftszeiten verrichtet habe. Abgesehen vom Arbeitsergebnis - der Sauberkeit - und dem Eingang der monatlichen Rechnung hätten ihre Filialmitarbeiter nichts vom Beigeladenen Ziff. 1 zu Gesicht bekommen. Vor diesem Hintergrund fehle es auch an einer betrieblichen Eingliederung des Beigeladenen Ziff. 1. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Beigeladene Ziff. 1 auch nicht verpflichtet gewesen, die Reinigungsarbeiten persönlich durchzuführen; vielmehr habe er auch Ersatzkräfte schicken dürften, z.B. bei Krankheit, Urlaub oder sonstiger Abwesenheit (die er sich nicht habe genehmigen lassen müssen). Von dieser Möglichkeit habe der Beigeladene Ziff. 1 wiederholt Gebrauch gemacht. So seien des Öfteren seine Ehefrau, seine Eltern oder seine Schwiegertochter für ihn eingesprungen. Seine Vergütung habe der Beigeladene Ziff. 1 mehrfach angehoben, und zwar ohne vorher ihr Einverständnis einzuholen. Er habe ihr einfach einen erhöhten Stundensatz in Rechnung gestellt. Die Vergütung von 13 EUR pro Stunde sei für einen Selbständigen nicht ungewöhnlich niedrig. Dieser Betrag habe deutlich über dem tariflichen Mindestlohn im Reinigungsgewerbe gelegen, der sich von 2010 - 2013 auf 8,40 EUR bis 9,00 EUR pro Stunde belaufen habe. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Beigeladene Ziff. 1 praktisch keine betrieblichen Ausgaben habe tätigen müssen. Schließlich habe der Beigeladene Ziff. 1 neben ihren beiden Bankfilialen auch noch zwei Mehrfamilienhäuser betreut. Mit diesen Aufträgen sei er ausgelastet gewesen. Es habe für ihn daher kein Anlass bestanden, um weitere Kunden zu werben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5.8.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, es sei unerheblich, dass der Beigeladene Ziff. 1 auch für andere Auftraggeber tätig war; denn jede Tätigkeit sei gesondert zu beurteilen. Der Beigeladene Ziff. 1 habe einfache Arbeiten verrichtet. Bei einfachen und untergeordneten Tätigkeiten sei eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation eher anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten. Einzelne inhaltliche Weisungen seien bei einfachen Arbeiten regelmäßig entbehrlich; denn was zu tun sei, ergebe sich bereits aus der Natur der Sache. Zudem komme es gerade bei Tätigkeiten, die keine besonderen Kenntnisse erfordern, nicht auf die persönliche Leistungserbringung an. Die Delegation der Arbeit an einen Dritten sei durchaus auch im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses möglich. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Beigeladene Ziff. 1 keine Arbeitnehmer beschäftigt habe, sondern nur unentgeltlich von Verwandten unterstützt worden sei. Für die Kontrolle seiner Tätigkeit sei im Übrigen die Anwesenheit der Filialleitung während seiner Arbeitszeit nicht erforderlich - die Überwachung könne auch anhand der Arbeitsergebnisse erfolgen.

Mit der am 4.9.2014 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Beitragsforderung für den Beigeladenen Ziff. 1. Sie trägt ergänzend vor, bei Aufträgen an Reinigungsunternehmen werde mitunter ganz genau geregelt, welche Leistungen in welcher Frequenz durchzuführen sind; der Auftragnehmer müsse dies dann exakt umsetzen. Ein solches Leistungsverzeichnis hätten sie und der Beigeladene Ziff. 1 nicht vereinbart gehabt. Der Beigeladene Ziff. 1 sei also hinsichtlich der Art und Weise seiner Tätigkeit an keine Weisungen gebunden gewesen. Lediglich das Arbeitsergebnis habe sie im Auge behalten, also die Sauberkeit in den Räumen und im Außenbereich. Eine derartige Kontrolle erfolge aber auch bei einem selbständigen Werkunternehmer. Auch die Arbeitszeit habe der Beigeladene Ziff. 1 frei gestalten können: Die Reinigungsarbeiten erforderten je nach Witterung und Jahreszeit unterschiedlich viel Zeit. Zudem seien nicht alle Aufgaben täglich zu erledigen, insbesondere nicht im Außenbereich. Angesichts dessen habe die tägliche Arbeitszeit des Beigeladenen Ziff. 1 für die Reinigung der Filiale in M. tatsächlich stark geschwankt. Sie habe zwischen 45 und 120 Minuten gelegen. Manchmal habe er zusammen mit seiner Ehefrau gearbeitet; dann sei es deutlich schneller gegangen. Unabhängig von seiner tatsächlichen Arbeitszeit habe der Beigeladene Ziff. 1 indes für die Reinigung der Filiale in M. stets zwei Stunden pro Tag abgerechnet. Faktisch habe es sich dabei also - trotz der Angabe einer Stundenzahl - um einen Pauschalpreis gehandelt. Für die kleinere Filiale in V. sei von vornherein eine monatliche Pauschale von 125 EUR vereinbart gewesen. Die dortige Geschäftsstelle habe nur begrenzte Öffnungszeiten; am Dienstagnachmittag und am Samstag sei sie geschlossen gewesen. Üblicherweise habe der Beigeladene Ziff. 1 in diesen Zeiten die Filiale gereinigt - hinsichtlich der Dauer und der Uhrzeit sei er in diesem Rahmen völlig frei gewesen. Ein starkes Indiz für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 sei zudem dessen Möglichkeit, die Reinigungsarbeiten von Dritten erbringen zu lassen. Denn als Arbeitnehmer wäre er gemäß § 613 BGB grundsätzlich zur persönlichen Leistung verpflichtet. Die gezahlte Vergütung von 13 EUR pro Stunde habe für sich genommen sicherlich nicht ausgereicht, um damit private Daseinsvorsorge zu betreiben. Allerdings sei dies hier auch gar nicht erforderlich gewesen. Denn zum einen habe der Beigeladene Ziff. 1 noch weitere Objekte betreut, zum anderen habe er in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis [als Dreher] gestanden und im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung Zeitungen ausgetragen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 28.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.8.2014 insoweit aufzuheben, als er eine Beitragsforderung von 13.188,19 EUR beinhaltet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, es sei unerheblich, dass die Klägerin und der Beigeladene Ziff. 1 kein Beschäftigungsverhältnis haben begründen wollen. Denn ob eine Beschäftigung vorliegt, ergebe sich aus dem Gesetz. Die Rechtsfolgen stünden nicht zur Disposition der Vertragsparteien.

Die Beigeladenen Ziff. 1, 3 und 4 haben weder einen Antrag gestellt noch zur Sache vorgetragen.

Die Beigeladene Ziff. 2 hat sich den Ausführungen der Beklagten angeschlossen.

Im Rahmen eines Erörterungstermin am 8.12.2014 hat das Gericht den Beigeladenen Ziff. 1 ergänzend angehört. Wegen des Inhalts seiner Aussage und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1) Die Klage ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen Ziff. 1 in Höhe von 13.188,19 EUR gefordert. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Beigeladene Ziff. 1 seine Tätigkeit für die Klägerin nicht im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt; vielmehr war er insoweit als Selbständiger tätig.

Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit in erster Linie gekennzeichnet durch ein Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte sowie die Möglichkeit, über die eigene Arbeitskraft zu verfügen und die Tätigkeit und die Arbeitszeit im Wesentlichen frei zu gestalten. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 12.2.2004, B 12 KR 26/02 R, Rdnr. 15 - nach Juris).

Im vorliegenden Fall überwiegen die Indizien, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen:

a) Der Beigeladene Ziff. 1 war bei seiner Tätigkeit an keine Weisungen der Klägerin gebunden; etwaige Vorgaben ergaben sich allein aus der Natur der Sache.

aa) Zwar konnte der Beigeladene Ziff. 1 den Ort seiner Tätigkeit nicht frei bestimmen. Dies war aber nicht Folge etwaiger Weisungen der Klägerin, sondern bereits in der Leistung als solcher angelegt: Reinigungsarbeiten sind selbstverständlich nicht irgendwo durchzuführen, sondern an dem zu säubernden Ort; der Arbeitsort ist also der Leistung immanent - unabhängig davon, ob sie von einer angestellten oder selbständigen Reinigungskraft erbracht wird. Angesichts dessen ist die Bindung des Beigeladenen Ziff. 1 an die beiden Bankfilialen hier nicht aussagekräftig.

bb) Hinsichtlich der Art und Weise der Arbeitsausführung unterlag der Beigeladene Ziff. 1 keinen Weisungen der Klägerin. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Klägerin habe ihm vorgegeben, wie er die Reinigungsarbeiten im Einzelnen durchzuführen hat. Hiermit übereinstimmend hat die Klägerin auch nicht seine Tätigkeit als solche kontrolliert, sondern nur das Ergebnis seiner Tätigkeit, also den vertraglich geschuldeten Erfolg (in Form von Sauberkeit). Daraus lässt sich indes nicht der Schluss ziehen, die Klägerin habe Einfluss auf seine Tätigkeit genommen; denn eine solche Kontrolle geschieht auch dann, wenn ein Auftraggeber das Werk eines selbständigen Unternehmers abnimmt.

cc) Der Beigeladene Ziff. 1 war schließlich an keine feste Arbeitszeit gebunden.

Für die Statusfeststellung unerheblich ist der Umstand, dass der Beigeladene Ziff. 1 in der Filiale in M. die Reinigungsarbeiten in einem zeitlichen Korridor zwischen Geschäftsschluss (17:00 Uhr / donnerstags 18:30 Uhr) und Aktivierung der Alarmanlage (20:30 Uhr) durchführen musste. Denn diese Einschränkung folgt aus Sachzwängen, die von jeder Reinigungskraft zu beachten wären, unabhängig davon, ob sie ihre Leistung als Beschäftigte oder Selbständige erbringt. Für die Filiale in V. stand dem Beigeladenen Ziff. 1 ohnehin ein größerer zeitlicher Spielraum zur Verfügung.

Innerhalb des zeitlichen Korridors konnte der Beigeladene Ziff. 1 seine Arbeitszeit frei einteilen. Weder musste er zu einer bestimmten Uhrzeit erscheinen noch hatte er eine feste Stundenzahl zu leisten. Wenn er mit der Reinigung fertig war, konnte er gehen, unabhängig davon wie lange die Arbeit tatsächlich gedauert hatte. Nach Angaben des Beigeladenen Ziff. 1 im Erörterungstermin fiel die tägliche Arbeitszeit (in der Filiale in M.) durchaus unterschiedlich aus; nur selten überschritt sie zwei Stunden pro Tag. Sie verkürzte sich erheblich, wenn der Beigeladene Ziff. 1 von seiner Ehefrau unterstützt wurde. Da der zeitliche Korridor zwischen Geschäftsschluss und Aktivierung der Alarmanlage regelmäßig 3,5 Stunden betrug, also hinreichend breit war, hatte der Beigeladene Ziff. 1 auch faktisch die Möglichkeit, die Verteilung seiner Arbeitszeit zu variieren und selbst zu bestimmen.

b) Ein starkes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist zudem die Möglichkeit des Beigeladenen Ziff. 1, die Reinigungsarbeiten nicht selbst durchzuführen, sondern hierfür Dritte einzusetzen.

Gemäß § 613 S. 1 BGB hat ein zur Dienstleistung verpflichteter Beschäftigter die Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Daraus folgt im Umkehrschluss: Besteht keine Pflicht zur persönlichen Dienstleistung, liegt im Zweifel gar kein Beschäftigungsverhältnis vor - und zwar unabhängig davon, ob etwaige vom Dienstleister eingesetzte Dritte für ihn entgeltlich oder unentgeltlich tätig werden. Denn diese Unterscheidung hat für die vorgelagerte und maßgebliche Frage, ob überhaupt eine Pflicht zur persönlichen Dienstleistung besteht, keine Relevanz.

Im vorliegenden Fall stand es dem Beigeladenen Ziff. 1 nach Überzeugung der Kammer frei, die geschuldeten Reinigungsarbeiten an Dritte zu delegieren. Diese Möglichkeit war auch nicht nur theoretischer Natur; vielmehr hat der Beigeladene Ziff. 1 von ihr regelmäßig Gebrauch gemacht: Nach seinen Angaben im Erörterungstermin hat er mitunter zusammen mit seiner Ehefrau geputzt. Waren er und seine Ehefrau verhindert, sind seine Mutter oder seine Schwiegertochter eingesprungen. Dies geschah durchaus im Einvernehmen mit der Klägerin. Ihr war der Einsatz dritter Personen bekannt; Einwendungen hiergegen hatte sie nicht.

c) Der Beigeladene Ziff. 1 war nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden.

Die betriebliche Eingliederung nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV ist nicht räumlich zu verstehen (Dankelmann in: Eichenhofer/Wenner, SGB IV, § 7 Rdnr. 37); so kann eine Erwerbstätigkeit auch dann selbständig erfolgen, wenn sie in den Räumen des Auftraggebers durchgeführt wird (vgl. z.B. BSG, SozR 2200 § 165 Nr. 96 Seite 165). Entscheidend ist vielmehr, ob die Tätigkeit als Teil einer fremden Arbeitsorganisation anzusehen ist (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV § 7 Rdnr. 111).

Gemessen hieran lag keine betriebliche Eingliederung des Beigeladenen Ziff. 1 vor: Wie ausgeführt, wurde der Arbeitsablauf nicht von der Klägerin gestaltet, sondern in eigener Verantwortung vom Beigeladenen Ziff. 1. Die Klägerin konnte nicht so mit der Arbeitskraft des Beigeladenen Ziff. 1 disponieren, wie dies bei einer angestellten und damit eingebundenen Reinigungskraft der Fall gewesen wäre. Über die Auftragsleistungen hinaus bestand keine weitergehende Einbindung des Beigeladenen Ziff. 1 in die Organisation der Klägerin; konsequenterweise hat ihn die Klägerin nie zu betrieblichen Veranstaltungen eingeladen.

d) Weiteres Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist das vom Beigeladenen Ziff. 1 getragene Unternehmerrisiko.

Ein unternehmerisches Risiko kommt auch ohne den Einsatz von Kapital ein Betracht. Denn viele freie Berufe erfordern schon ihrem Wesen nach gar keine erheblichen finanziellen Mittel, sondern nur die Arbeitskraft des Erwerbstätigen. In einer solchen Konstellation besteht ein Unternehmerrisiko, wenn der Ertrag der eingesetzten Arbeitskraft ungewiss ist, namentlich, wenn dem Erwerbstätigen kein garantiertes Mindesteinkommen zusteht. Davon ist auszugehen, wenn er nur für tatsächlich geleistete Arbeit eine Vergütung erhält. Genügt hingegen für den Entgeltanspruch schon das bloße Angebot der Arbeitsleistung, so spricht dies für eine abhängige Beschäftigung (BSG, SozR 2200 § 165 Nr. 45 Seite 67), ebenso ein Anspruch auf bezahlten Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (BSG, Urteil vom 12.2.2004, B 12 KR 26/02 R, Rdnr. 24 ff. - nach Juris).

Wie sich aus den Rechnungen des Beigeladenen Ziff. 1 (Seiten 53 - 183 der Verwaltungsakte) ergibt, erzielte er durch seine Tätigkeit für die Klägerin eine recht konstante Vergütung: Für die Reinigung der Filiale in V. zahlte ihm die Klägerin eine monatliche Pauschale in Höhe von 125 EUR - unabhängig davon, wie viel Zeit der Beigeladene Ziff. 1 für die Reinigung dieser Filiale tatsächlich aufwendete. Für die Reinigung der Filiale in M. erhielt der Beigeladene Ziff. 1 einen Betrag in Höhe von 13 EUR pro Arbeitsstunde. Wie ausgeführt, schwankte in der Praxis sein zeitlicher Aufwand von Tag zu Tag. Der Beigeladene Ziff. 1 rechnete allerdings im Grundsatz nicht seine tatsächliche Arbeitszeit ab, sondern stets gleichbleibend zwei Stunden pro Tag (nur die geringe Stundenzahl für den Außenbereich erfasste er ab Oktober 2012 individuell). Auf diese Weise war auch die Vergütung für die Reinigung der Filiale in M. an eine Pauschale angenähert; Abweichungen ergaben sich nur durch die monatliche Zahl der Werktage.

Hieraus lässt sich indes nicht der Schluss ziehen, dem Beigeladenen Ziff. 1 habe wie einem Arbeitnehmer ein festes monatliches Gehalt zugestanden. Vielmehr erhielt er eine Vergütung nur, wenn die Filialen tatsächlich gereinigt wurden. Kam es nicht dazu, stand ihm keine Vergütung zu, unabhängig davon, ob dies seinen Grund in seiner Sphäre hatte oder in derjenigen der Klägerin; seine bloße Arbeitsbereitschaft führte also zu keinem Entgeltanspruch. Ebenso wenig konnte er bezahlten Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen. Vor diesem Hintergrund bestand die für einen Selbstständigen typische "Vergütungsungewissheit".

Zudem konnte der Beigeladene Ziff. 1 in gewissem Umfang seinen Ertrag selbst beeinflussen: Wie ausgeführt, erhielt er für die Reinigung der Filialen in M. und V. im Ergebnis eine Pauschale. Sofern er die erforderlichen Arbeiten schnell und effizient erledigte, konnte er daher seine Vergütung pro Zeiteinheit erhöhen (und umgekehrt verringern). Ein Beschäftigter hat diese Möglichkeit hingegen nicht; denn er wird typischerweise nicht für einen bestimmten Erfolg bezahlt (z.B. die Sauberkeit in einem Gebäude), sondern für die Dienstbereitschaft als solche, ausgedrückt in einem bestimmten zeitlichen Aufwand.

Nicht aussagekräftig ist hier der Umstand, dass der Beigeladene Ziff. 1 für seine Tätigkeit praktisch kein Kapital eingesetzt hat. Zwar mag es auch Reinigungsunternehmen geben, die mit eigenem Equipment beim Auftraggeber anrücken. Zwingend ist dies aber nicht. Oft dürfte es einfacher sein, wenn Geräte und Putzmittel vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden, so dass sich deren täglicher Transport erübrigt. So verhielt es sich hier. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, wofür der Beigeladene Ziff. 1 Kapital hätte aufwenden sollen. Als Kriterium für die Statusfeststellung ist der fehlende Kapitaleinsatz im vorliegenden Fall daher ungeeignet.

e) Für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen Ziff. 1 spricht schließlich die äußere Form, mit der er und die Klägerin ihre Zusammenarbeit abgewickelt haben.

Zwar kommt es für die Abgrenzung einer Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorrangig darauf an, wie die Parteien ihre Vertragsbeziehung selbst bezeichnet und rechtlich eingeordnet haben. Allerdings hat eine solche Einordnung jedenfalls dann indizielle Bedeutung, wenn sie den tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und durch andere Umstände gestützt wird (BSG, a.a.O., Rdnr. 23 - nach Juris).

So verhält es sich hier: Am 1.4.1999 hatte der Beigeladene Ziff. 1 ein selbständiges Gewerbe angemeldet ("xxx Treppenhausreinigung & Hausmeisterservice"). Auf dieser Grundlage erfolgte seine Beauftragung durch die Klägerin. Dem Vertrag lag also der übereinstimmende Wille der Partner zu Grunde, ein freies Dienstverhältnis zu begründen, nicht hingegen eine arbeitsvertragliche Bindung und eine versicherungspflichtige Beschäftigung.

Zudem hat der Beigeladene Ziff. 1 der Klägerin für seine Leistungen jeweils Rechnungen erteilt. Dies entspricht der Praxis eines Selbständigen. Ein Beschäftigter würde hingegen sein Arbeitsentgelt nicht in Rechnung stellen, sondern erhielte umgekehrt vom Arbeitgeber eine Gehaltsabrechnung.

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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