L 9 AS 1076/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 945/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 1076/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Ausstellung einer Bescheinigung.

Der am 1967 geborene, aus Algerien stammende Kläger, der seit 2009 auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, steht seit dem 01.01.2005 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Seit Jahren beschuldigt er verschiedene Behörden, seine Identität anzuzweifeln und diese Zweifel auch gegenüber potentiellen Arbeitgebern zu äußern mit der Folge, dass er keine Arbeit finden kann.

Mit Schreiben vom 13.03.2014 beantragte der Kläger beim Beklagten, ihm eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass er wegen der Vorwürfe über seine Identität seit 2003 bis heute arbeitslos sei bzw. ihm keine Arbeitsstelle vom Jobcenter seit 2005 bis heute vermittelt worden sei. Diese Bescheinigung sei notwendig, um die wegen der oben genannten Vorwürfe verursachte Lücke in seinem Lebenslauf zu begründen, da viele Unternehmen im Ausland, bei denen er sich beworben habe bzw. sich bewerben wolle, von ihm eine Begründung der Arbeitslosigkeit seit 2003 gefordert hätten.

Mit Schreiben vom 14.03.2014 bestätigte der Beklagte, dass der Kläger beim Jobcenter Landkreis K. seit dem 01.01.2005 bis auf Weiteres arbeitslos geführt und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten unterstützt und gefördert werde. Eine Bestätigung über die Zeit vor dem 01.01.2005 könne nicht ausgestellt werden, da es das Jobcenter erst seit diesem Zeitpunkt gebe. Mit Schreiben vom 21.03.2014 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, eine andere als die bereits zugeschickte Bescheinigung nicht ausstellen zu können. Hierzu trug der Kläger vor, die Bestätigung bringe ihm nichts, da der Beklagte den Grund der Arbeitslosigkeit nicht erwähnt habe, nach dem jedoch viele Unternehmen im Ausland gefragt hätten.

Am 26.03.2014 hat der Kläger Klage erhoben vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) und zugleich Einblick in die komplette Verwaltungsakte in den Räumlichkeiten des SG begehrt. Diese Akteneinsicht ist ihm nicht gewährt worden. Gleichzeitig beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die das SG mit Beschluss vom 03.04.2015 (S 5 AS 946/14 ER) mangels Dringlichkeit und einer Anspruchsgrundlage abgelehnt hat. Die hiergegen eingelegte Beschwerde zum Landessozialgericht Baden-Württemberg blieb erfolglos (L 9 AS 1549/14 ER-B).

Am 09.12.2014 hat der Beklagte auf Anregung des Gerichts einen Widerspruchsbescheid erlassen und den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.03.2014 mit der Begründung zurückgewiesen, es sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich, wonach der Widerspruchsführer einen Anspruch auf Erteilung der gewünschten Bescheinigung geltend machen könne.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.02.2015 hat das SG die Klage abgewiesen, da kein Anspruch bestehe auf Erteilung einer Bescheinigung mit dem Inhalt, Grund der Arbeitslosigkeit sei ein Streit über seine Identität. Da der Kläger keine konkreten plausiblen Angaben dazu gemacht habe, inwieweit tatsächlich zwischen ihm und dem Beklagten Streit über seine Identität bestehe, sehe sich das Gericht zu keinen weiteren Ermittlungen veranlasst.

Gegen den am 21.02.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.03.2015 (Montag) Berufung eingelegt und im Wesentlichen in Bezug auf die begehrte Bescheinigung seine bisherige Begründung wiederholt. Ergänzend hat er dargelegt, Beweise dafür, dass die Identität des Klägers in Zweifel gestanden habe und dies dem Beklagten bekannt gewesen sei, lägen vor. Es werde auf das Verfahren L 12 AL 758/15 verwiesen. Es sei logisch, dass Personen, deren Identität nicht klar sei bzw. deren Urkunden gefälscht seien, nie einen Job übernehmen könnten, bis ihre Identität geklärt sei. Alle Daten, auch die Vorwürfe über die Identität, seien an das zuständige Jobcenter weitergeleitet worden. Das Ziel der Bescheinigung sei mit dem eines Arbeitszeugnisses vergleichbar, auf das jeder Arbeitnehmer einen Anspruch habe.

Nachdem das Gericht veranlasst hatte, dass die Verwaltungsakten des Beklagten dem Kläger gesammelt in den Räumlichkeiten des SG Konstanz zur Akteneinsicht zur Verfügung gestellt werden, hat dieser am 08.06.2015 seine Akten eingesehen. Anschließend hat er mitgeteilt, es sei nur ein Teil der Akten vorgelegt worden. Viele Unterlagen, wie z.B. die falschen Aussagen der Firmen, in denen er wegen der Ermittlungen früher geschickt worden sei und die den Vorwurf der falschen Identität nachweisen würden, habe er nicht finden können. Auch seien Inhalte der E-Mail-Nachrichten zwischen den Mitarbeitern des Jobcenters mit Marker gestrichelt worden, damit er den richtigen Inhalt nicht lesen könne. Hierzu hat der Beklagte vorgetragen, die Akten seien vollständig.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Februar 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass er wegen der Vorwürfe über seine Identität seit 2003 bis heute arbeitslos sei bzw. ihm keine Arbeitsstelle vom Beklagten seit 2005 bis heute vermittelt worden sei.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die ergangene Entscheidung des SG sei zutreffend. Der Beklagte habe die vollständigen Verwaltungsakten, einschließlich des Leistungs- und Vermittlungsteils, zur Gewährung von Akteneinsicht vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, ist eine Anspruchsgrundlage für die Ausstellung der begehrten Bescheinigung nicht ersichtlich. Anders als in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis, wo die Pflicht zur Ausstellung eines Zeugnisses entweder gesetzlich geregelt ist (vgl. u.a. § 630 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB], § 109 Gewerbeordnung [GewO]) oder sich aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ableiten lässt (Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 630 Rdnr. 1), fehlt eine entsprechende (sozialrechtliche) Anspruchsgrundlage in Bezug auf die hier begehrte Bescheinigung. Dies folgt bereits daraus, dass das Jobcenter nicht abschließend beurteilen kann und muss, aus welchen Gründen ein Arbeitsloser keine Arbeit gefunden hat, da kein Mitarbeiter des Jobcenters bei Bewerbungsgesprächen anwesend ist, diesbezüglich Erhebungen bei potentiellen Arbeitgebern durchführt oder jede einzelne Bewerbung des Arbeitslosen kontrolliert. Insofern kann das Jobcenter auch vorliegend nicht bescheinigen, dass die Arbeitslosigkeit auf Zweifeln an der Identität des Klägers beruht. Dass der Beklagte vorliegend selber die Identität des Klägers jemals in Zweifel gezogen hat, lässt sich der gesamten Verwaltungsakte im Übrigen nicht entnehmen.

Das rechtliche Gehör des Klägers ist gewahrt. Soweit er - als Ausdruck der Gewährleistung rechtlichen Gehörs - beantragt hat, ihm Akteneinsicht in die vollständigen Verwaltungsakten zu gewähren, ist diesem Antrag genügt worden, indem er am 08.06.2015 hierzu in den Räumlichkeiten des SG Gelegenheit hatte. Die vorgelegten Akten bestanden, wie die Sitzungsvertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung (nochmals) erklärt hat, sowohl aus den Leistungs- als auch den Vermittlungsakten. Hinreichende Hinweise dafür, dass die Akten unvollständig sind, ergeben sich nicht. Dementsprechend hat auch der Beklagte ausgeführt, weitere Verwaltungsakten gebe es nicht. Insbesondere ist entgegen den Ausführungen des Klägers nicht zu erwarten, dass der Beklagte über Unterlagen über "falsche Aussagen der Firmen, in denen der Kläger wegen der Ermittlungen früher geschickt worden sei und die den Vorwurf mit der falschen Identität nachweisen" verfügt und diese zurückhält. Im Übrigen ist zwar vollständige Akteneinsicht zu ermöglichen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.07.2008 - L 12 AL 4535/07 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.05.2012 - L 1 KR 18/10 - (jeweils juris)), doch umfasst die Pflicht zur Vorlage von Akten gem. § 119 SGG nur die Akten, Dokumente und Urkunden, die sich auf die Streitsache beziehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 119 Rdnr. 6). Dieser Pflicht ist der Beklagte nachgekommen.

Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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