Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 4400/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1557/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 01.03.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 13.04.1961 geborene Kläger ist gelernter Bau- und Möbelschreiner. Zuletzt war er von 1994 bis 2001 als Lagermeister versicherungspflichtig beschäftigt. Bis 17.09.2004 liegen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung (Bezug von Sozialleistungen) vor. Nachfolgend sind im Versicherungskonto Pflichtbeitragszeiten wegen beruflicher Ausbildung vom 06.11.2006 bis 04.8.2007, eine Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von 05.08. bis 14.10.2007 sowie Pflichtbeiträge vom 15.10.2007 bis 26.08.2008 (Übergangsgeld) und vom 08.12.2008 bis 05.09.2009 gespeichert. Vom 21.01.2010 bis 31.05.2011 übte der Kläger eine geringfügige, nicht versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 mit Bescheid des Landratsamts R.-N.-K. vom 21.03.2006 und ein GdB von 100 seit 04.05.2009 mit Bescheid vom 22.07.2009 festgestellt worden.
Einen ersten Rentenantrag stellte der Kläger am 12.12.2007, den die Beklagte mit bestandkräftigem Bescheid vom 22.04.2008 ablehnte, da eine Erwerbsminderung nicht vorliege. Am 04.09.2009 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 29.09.2009 lehnte die Beklagte den Antrag wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ab. Im Zeitraum 01.08.2004 bis 03.09.2009 seien nur 31 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Mit Schreiben vom 21.10.2009 legte der Kläger Widerspruch ein unter Vorlage einer Bescheinigung seines Hausarztes Dr. W., der mitteilte, der Kläger sei vom 26.08. bis 08.12.2008 arbeitsunfähig krank gewesen. Mit Schreiben vom 24.03.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen doch erfüllt seien. Durch die Arbeitsunfähigkeit verlängere sich der Fünfjahreszeitraum auf die Zeit vom 01.04.2004 bis 03.09.2009; in diesem Zeitraum seien 36 Monate an Pflichtbeiträgen vorhanden. Am 06.04.2010 nahm der Kläger den Widerspruch zurück.
Mit Schreiben vom 14.04.2010, eingegangen bei der Beklagten am 19.04.2010, beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 29.09.2009 und legte hierzu zahlreiche ärztliche Unterlagen vor. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung bei dem Internisten Dr. B ... Mit Gutachten vom 12.07.2010 führte Dr. B. aus, bei dem Kläger bestehe ein Morbus Hodgkin, Erstdiagnose 11/09 mit Zustand nach Chemotherapie (11/09 bis 6/10), Fatigue-Syndrom und Sensibilitätsstörungen, chronische Hepatitis C, Asthma bronchiale, degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit leichten Funktionseinschränkungen ohne Wurzelreiz, Schulter-Arm-Syndrom beidseits, Zustand nach Unterschenkelfrakturen rechts und Hyperuricämie. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könnten noch mehr als sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden. Mit Bescheid vom 16.07.2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Überprüfungsantrag ab.
Am 09.08.2010 legte der Kläger Widerspruch ein unter Vorlage eines Berichtes des Chirurgen Dr. v. L. vom 30.07.2010. Das Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigungen sei bisher noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Der Morbus Hodgkin seine eine bösartige und derzeit nicht heilbare Erkrankung. Es müssten Medikamente eingenommen werden, welche schwere Schäden verursachten. Es bestehe Polyneuropathie, Nervenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Sehstörungen. Ferner liege seit 30 Jahren eine chronische Hepatitis C-Infektion mit entsprechenden Leberveränderungen vor. Auch leide der Kläger unter Asthma, Nierensteinen und orthopädischen Leiden. Dr. v. L. komme daher zum Ergebnis, dass eine Belastung der Wirbelsäule nicht möglich sei. Die Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme des Gutachters Dr. B. vom 30.08.2010 ein und wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 09.12.2010 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Auf Grund der Auswirkungen des multimorbiden Krankheitsbildes sei von einer ausgeprägten Erschöpfungssymptomatik und Schmerzsymptomatik mit weiteren Somatisierungen auszugehen, welche ein aufgehobenes Leistungsvermögen bedingten.
Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. W. und Dr. v. L. sowie die behandelnden Ärzte des U.-Klinikums M. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und sodann Gutachten auf internistischem Gebiet bei Dr. S. und auf orthopädischem Gebiet bei Dr. P. eingeholt.
Dr. S. stellt in seinem Gutachten vom 26.06.2011 folgende Diagnosen: - Chronische Hepatitis C, inaktive Leberzirrhose - Morbus Hodgkin, Vollremission - Asthma bronchiale - Ausschluss einer Stuhlinkontinenz Die Leberzirrhose gehe nicht mit wesentlichen Leistungsbeeinträchtigungen einher; die Leberwerte lägen im Normbereich. Aus dem Morbus Hodgkin im Stadium der Vollremission ergäben sich keine Einschränkungen. Das aktenkundig beschriebene Fatigue-Syndrom entspreche subjektiven Angaben und sei nicht objektivierbar. Der Kläger berichte bei der ausführlichen Befragung zu seinen Beschwerden nicht über Tagesmüdigkeit. Nervenärztliche Behandlung habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Auf Grund des Asthmas sollten keine Arbeiten unter Einwirkung reizender inhalativer Substanzen durchgeführt werden. Leichte körperliche Tätigkeiten könne der Kläger ca acht Stunden täglich verrichten.
In dem orthopädischen Gutachten von Dr. P. vom 31.10.2011 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - Funktionsschmerz der Halswirbelsäule ohne wesentliche Bewegungseinschränkung und ohne radikuläre Ausfälle bei das altersentsprechend zu erwartende Ausmaß mäßiggradig überschreitenden degenerativen Veränderungen im unteren Drittel der HWS - subjektiv angegebene Funktionsschmerzen der Rumpfwirbelsäule ohne wesentliche Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Ausfälle bei leichter Fehlstatik, nachweisbaren degenerativen Veränderungen in Höhe des thorakolumbalen, geringer ausgeprägt auch des lumbosakralen Übergangs - mäßiggradige Funktionseinschränkungen der linken Schulter bei kernspintomographisch postoperativ noch fortbestehender Reizerscheinungen; Arthrose des Schultereckgelenks rechts ohne Funktionseinschränkung der rechten Schulter - mäßiggradige, postraumatische Arthrose rechtes Sprunggelenk, geringer ausgeprägt auch unteres Sprunggelenk ohne wesentliche Funktionseinschränkung und ohne klinische Hinweise für eine Minderbelastbarkeit - initiale Dupuytren´sche Kontraktur beider Hohlhände ohne Beeinträchtigung der Greiffunktion der Hände. Aus rein orthopädischer Sicht könne der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten acht Stunden täglich verrichten.
Das SG hat ergänzend Dr. S. um Stellungnahme zu weiteren, vom Kläger eingereichten ärztlichen Berichten gebeten. Mit Schreiben vom 28.1.2012 hat Dr. S. ausgeführt, dass insbesondere aus der im September 2011 begonnenen HCV-Eradikationstherapie bei chronischer Virushepatitis C ggf vorübergehend mit Arbeitsunfähigkeit zu rechnen sei. Ansonsten ändere sich seine Beurteilung nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Verweisung auf die Gründe des Widerspruchsbescheides ergänzend ausgeführt, auch nach den weiteren Ermittlungen des Gerichts bestehe kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. Ausweislich des Versicherungsverlaufs lägen letztmals im Dezember 2009 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen beim Kläger vor. Es könne daher dahinstehen, ob auf Grund zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen bzw Verschlechterungen zwischenzeitlich eine Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei. Jedenfalls bis September 2009 liege keine Erwerbsminderung vor.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 11.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 09.04.2013 eingelegte Berufung des Klägers. Es sei zweifelhaft, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals im September 2009 gegeben gewesen seien. Im Oktober 2009 sei der Kläger mehrere Wochen stationär in der U.-Klinik M. gewesen, auch im November 2009 sei er stationär dort behandelt worden. Im Anschluss sei bis Juni 2010 eine Chemotherapie durchgeführt worden, weshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger von Oktober 2009 bis wenigstens Juni 2010 arbeitsunfähig gewesen sei. Zudem stützten Dr. W. und Dr. v. L. das Begehren des Klägers in den beigefügten Attesten vom 15.03.2013 und 26.03.2013. Der Kläger sei nach wie vor nicht in der Lage, selbst leichteste Haushaltstätigkeiten durchzuführen. Er fühle sich sehr oft schlapp und antriebslos, habe dauerhaft starke Schmerzen im Schulter-, Wirbelsäulen-, Lendenwirbel- und Halswirbelbereich. Er habe Einschränkungen an beiden Händen und könne sich nicht mehr lange auf eine Sache konzentrieren. Selbst bei leichten Tätigkeiten müsse er in kürzeren Abständen Pause machen und sich auf das Sofa oder den Boden legen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 01.03.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 16.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 29.09.2009 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.09.2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass der Kläger zuletzt bis 30.11.2001 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses liege Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung bei fortdauernder Erkrankung innerhalb eines Dreijahreszeitraums grundsätzlich nur vor, wenn Versicherte infolge Krankheit weder ihre bisher ausgeübte noch eine ähnlich geartete Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben könnten. Dies bedeute, dass nach Ablauf des Dreijahreszeitraumes, der vom 01.12.2001 bis 30.11.2004 reiche, Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorliegen könne. Damit könne die Zeit vom 28.06.2008 bis 08.12.2008 weder als Anrechnungszeit vorgemerkt werden noch sei sie anwartschaftserhaltend im Sinne von § 241 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Dies gelte auch für die geltend gemachten Zeiten ab Oktober 2009. Das Schreiben vom 24.03.2010, wonach die Zeit zwar nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden könne, aber bei der Berechnung des maßgebenden Fünfjahreszeitraums mitzähle, sei damit nicht korrekt gewesen und werde hiermit berichtigt.
Der Senat hat Dr. W. als sachverständigen Zeugen zur Frage der Arbeitsunfähigkeit schriftlich vernommen. Dieser hat mit Schreiben vom 27.05.2014 mitgeteilt, dass vom 29.06. bis 07.12.2008 der Kläger arbeitsunfähig geschrieben gewesen sei wegen einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes bei chronischer Hepatitis und einem Diskusprolaps. In diesem Zeitraum habe Arbeitsunfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestanden. Bezogen auf leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger seit September 2009 arbeitsunfähig.
Der Senat hat ergänzend ein internistisches Gutachten bei Prof. Dr. R. eingeholt. Dieser hat unter dem 10.11.2014 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: posthepatische Leberzirrhose aktuell Child A, Zustand nach chronischer Hepatitis C nach zweifacher antiviraler Therapie mit aktuell anzunehmendem dauerhaften Therapieansprechen, Zustand nach Morbus Hodgkin vom Mischtyp mit EBV-Assoziations-Stadium IV B, Erstdiagnose 11/09 mit Zustand nach acht Zyklen Chemotherapie aktuell weiterhin in vollständiger Remission, Verdacht auf Tumor assoziiertes Fatigue-Syndrom DD Depression, Nephrolithiasis links, Cholezystolithiasis, Asthma bronchiale und degeneratives Wirbelsäulensyndrom. Im Vordergrund stehe das bereits vorbeschriebene Tumor assoziierte Fatigue-Syndrom, das seit dem Frühjahr 2010 im Rahmen der Chemotherapie des Morbus Hodgkin aufgetreten sei und seither in unterschiedlicher Intensität bestehe. Aus internistischer Sicht könne eine Tätigkeit über sechs Stunden an mehr als fünf Tagen in der Woche zugemutet werden. Inwieweit das Fatigue-Syndrom eine Einschränkung darstelle, müsse über ein fachärztliches psychiatrisches Gutachten evaluiert werden.
Ergänzend hat der Senat ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. S. eingeholt. Dieser stellt in seinem Gutachten vom 13.3.2015 folgende Diagnosen: - Reaktiv und möglicherweise auch durch Interferon bedingte mittelschwere Depression ohne manifeste Suizidalität - Fatigue-Syndrom nach Chemotherapie bei Morbus Hodgkin - anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren - Morbus Hodgkin in Remission - Hepatitis C in Remission nach antiviraler Behandlung - beginnende Leberzirrhose Auf Grund der anhaltenden depressiven Symptomatik und auch der Fatigue-Symptomatik sei eine Belastbarkeit für leichte Tätigkeiten nur drei bis unter sechs Stunden gegeben. Allerdings sei bislang keine adäquate psychiatrisch-psychoonkologische Therapie erfolgt. Eine stationäre Rehabilitation in einer Einrichtung der psychoonkologischen Nachsorge und im Anschluss daran eine längerfristige ambulante psychiatrische und psychoonkologische Behandlung sei dringend angezeigt. Die Leistungseinschränkung bestehe seit Beendigung der Chemotherapie des Morbus Hodgkin.
Die Beklagte hat zu diesem Gutachten eine Stellungnahme ihres beratungsärztlichen Dienstes (Dr. N. vom 26.3.2015) vorgelegt, wonach dem Gutachten nicht gefolgt werden könne. Hierzu hat Dr. S. unter dem 17.4.2015 eine ergänzende Stellungnahme vorgelegt, worauf Dr. N. mit Schreiben vom 11.5.2015 erwidert hat.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 16.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Wege des Überprüfungsverfahrens, da er nicht erwerbsgemindert ist.
Nach § 44 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist ein rechtwidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen; er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 44 Abs 2 SGB X). Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 und 2 SGB X für einen Anspruch auf Rücknahme des die Rente ablehnenden Bescheids vom 29.09.2009 sind nicht erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung der Rente zu Recht abgelehnt hat.
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbs-minderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbs-minderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht-beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).
Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger seit September 2009 bis zum heutigen Zeitpunkt grundsätzlich in der Lage war und ist, eine körperlich leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne Belastung durch inhalative Reizstoffe mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. In diesem Zeitraum bestanden zwar durchaus längere Phasen der Arbeitsunfähigkeit insbesondere während der stationären Behandlungen und der nachfolgenden Chemotherapie (10/09 bis 6/10) und während der ebenfalls mit starken Nebenwirkungen verbundenen Eradikationstherapie ab September 2011; eine dauerhafte Einschränkung der Erwerbsfähigkeit konnte jedoch während der laufenden Behandlungen mit unklarem Ausgang noch nicht prognostiziert werden.
Bei dem Kläger sind gravierende Erkrankungen bekannt, insbesondere auf internistischem Gebiet. Es besteht maßgeblich eine Leberzirrhose (Child A), Chronische Hepatitis C, Morbus Hodgkin in Vollremission und Asthma bronchiale. Aus diesen Erkrankungen ergibt sich keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens, wie sich übereinstimmend aus den im Laufe des Verfahrens eingeholten internistischen Gutachten von Dr. B., Dr. S. und Prof. Dr. R. ergibt. Die Krebserkrankung ist durch die Chemotherapie erfolgreich behandelt worden, auch aktuell besteht ein Stadium der Vollremission. Die chronische Hepatitis C ist durch die zweimalige antivirale Therapie ebenfalls gebessert, Prof. Dr. R. geht von einem anzunehmenden dauerhaften Therapieansprechen aus. Bei Stadium Child A besteht noch eine gute Leberfunktion, weshalb auch die Leberzirrhose ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigungen einhergeht, wie Dr. S. und Prof. Dr. R. übereinstimmen darlegen. Insgesamt bestehen damit lediglich qualitative Einschränkungen, insbesondere müssen aufgrund der Asthma-Erkrankung inhalative Reizstoffe gemieden werden. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen der internistischen Gutachter an.
Daneben sind seit längerem degenerative Veränderungen insbesondere der Wirbelsäule, der Schultern und des rechten Sprunggelenks bekannt. Wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen liegen insoweit jedoch nicht vor, wie sich insbesondere aus dem ausführlichen Gutachten von Dr. P. ergibt. Die beginnende Dupuytren´sche Kontraktur bedingt ebenfalls keine wesentlichen Gebrauchseinschränkungen der Hände, die Greiffunktion ist nach den Feststellungen von Dr. P. unbeeinträchtigt. Die Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule, die sich auch in einem im Herbst 2014 erlittenen Deckplatteneinbruch bei LWK5 nach schwerem Heben gezeigt hat, führt dazu, dass nur noch körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ausgeübt werden können, dies allerdings ohne zeitliche Einschränkung. Auch insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten von Dr. P ... Aus den vorliegenden Berichten des behandelnden Orthopäden Dr. v. L. ergeben sich keine abweichenden Befunde.
Im Vordergrund der Beeinträchtigungen steht allerdings eine Fatigue-Symptomatik, die im Zusammenhang mit der Chemotherapie aufgetreten ist und eine depressive Erkrankung. Die behandelnde Ärztin Dr. B. vom U.-Klinikum M. berichtet in ihrer Stellungnahme vom 03.03.2011 über ein im April 2010 aufgetretenes und persistierendes Fatigue-Syndrom. Auch Dr. B. hat das Fatigue-Syndrom im Rahmen seiner Begutachtung im Juli 2010 bereits berücksichtigt. Prof. Dr. R. erwähnt diese Symptomatik ebenfalls; aufgrund der von ihm angeregten weiteren psychiatrischen Abklärung hat der Senat das nervenärztliche Gutachten von Dr. S. eingeholt. Dieser hat eine mittelschwere Depression, Fatigue-Syndrom und eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt und daraus eine geminderte Belastbarkeit von drei bis unter sechs Stunden für leichte Tätigkeiten abgeleitet. Dieser gutachterlichen Einschätzung kann sich der Senat indes nicht anschließen, da die Beurteilung nicht schlüssig ist.
Schon die Diagnose einer mittelschweren Depression lässt sich aus dem im Gutachten dargelegten Befund, den Testergebnissen und dem erhobenen Tagesablauf nicht zweifelsfrei ableiten, ebenso wenig gravierende Einschränkungen aus der Fatigue-Symptomatik. So verfügt der Kläger über einen strukturierten Tagesablauf, er ist nach eigenen Angaben für den gesamten Haushalt zuständig, den er allein – wenn auch mit Pausen – bewältigt. Er bereitet für die auswärts arbeitende Ehefrau das Abendessen vor. Ein sozialer Rückzug ist ebenfalls nicht ersichtlich; der Kläger empfängt wöchentlich ein bis zwei Mal Besuch von Freunden, besucht ca alle zwei Monate die Schwiegereltern und gelegentlich Nachbarn oder eine Tapas-Bar in der Nähe, er ist seit 27 Jahren verheiratet und beschreibt seine Ehefrau als sehr verständnisvoll. Wie Dr. N. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten nachvollziehbar ausführt, belegt der von Dr. S. erhobene psychische Befund ebenfalls keine gravierenden Beeinträchtigungen, die quantitative Einschränkungen begründen könnten. So war der Kläger in Konversationssituationen locker, freundlich und in der Resonanzfähigkeit situationsabhängig unbeeinträchtigt. Im Gutachten wird über einen moros-depressiven Affekt mit eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit berichtet, gleichwohl sei der Kläger "überwiegend freundlich" und erst "zum Ende der Untersuchung vom Ausdruck her überwiegend missmutig-angespannt" gewesen, wobei sich der Affekt "noch aufheitern und auflockern" ließ. Kognitive Funktionen einschließlich Konzentrationsfähigkeit und Merkfähigkeit des Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisses werden als unauffällig dargestellt. Das Antriebsverhalten wird als verarmt beschrieben, allerdings kommt der Kläger seinen häuslichen und sozialen Aktivitäten weiterhin nach. Hinzu kommt, dass es aufgrund auffälliger Testergebnisse durchaus Anhaltspunkte gibt, die für eine fehlende Anstrengungsbereitschaft des Klägers sprechen, wie auch Dr. S. einräumt. Dr. N. weist insoweit zutreffend daraufhin, dass Diskrepanzen zwischen den beobachtbaren, nicht eingeschränkten kognitiven Funktionen, den subjektiven Beschwerdeangaben und dem recht blanden psychopathologischen Befund bestehen. Bereits Dr. B. berichtet in seinem Gutachten über einen "erheblich aggravierenden Versicherten", er bezeichnete die Fatigue-Symptomatik als leicht. Dr. S. hat darauf hingewiesen, dass der Kläger bei den Beschwerdeangaben eine Tagesmüdigkeit gerade nicht genannt habe und objektivierbare Einschränkungen insoweit nicht vorgelegen hätten. Die von Dr. S. im Rahmen der psychologischen Testung bestätigten Anhaltspunkte für Aggravation führen dazu, dass die im Widerspruch zu den objektiven Befunden stehenden subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers als nicht ausreichend belegt anzusehen sind. Aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. S. lässt sich insoweit zur Überzeugung des Senats nichts anderes entnehmen. Letztlich ist es für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die beim Kläger aufgetretene lebensbedrohliche Erkrankung zu einer erheblichen psychischen Belastung geführt hat. Dass diese ein die berufliche Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht tangierendes Maß erreicht hat, ist jedoch nicht nachgewiesen.
Hinzu kommt, dass der Kläger bislang noch keinerlei fachärztliche Behandlung seiner psychischen Beeinträchtigungen in Anspruch genommen hat. Eine bereits von Dr. B. für die Zeit nach Abschluss des Rentenverfahrens ebenso wie von Dr. S. empfohlene Rehabilitationsmaßnahme steht ebenfalls noch im Raum. Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw psychiatrischem Gebiet gar nicht versucht werden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung grundsätzlich nicht auf eine aktuell Arbeitsunfähigkeit verursachende psychische Erkrankung gestützt werden (Bayerisches LSG 15.02.2012, L 19 R 774/06; hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG 29.05.2013, 1 BvR 1522/12, BVerfGK 20, 139; siehe auch Senatsurteil 22.04.2015, L 11 R 5112/14; LSG Berlin-Brandenburg 18.09.2008, L 3 R 1816/07, juris RdNr 36).
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht. Einschränkungen wie Tätigkeiten ohne Einfluss ungünstiger Witterungsverhältnisse oder inhalativer Noxen schränken den in Betracht kommenden Arbeitsmarkt nicht wesentlich ein. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5).
Die Wegefähigkeit ist ebenfalls gegeben. Der Kläger ist in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus dem orthopädischen Gutachten von Dr. P. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht. Bestätigt wird dies durch die eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr. S ... Dort hat der Kläger über eine Gehstrecke von 1000 Metern berichtet.
Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI besteht nicht, da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten von haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 13.04.1961 geborene Kläger ist gelernter Bau- und Möbelschreiner. Zuletzt war er von 1994 bis 2001 als Lagermeister versicherungspflichtig beschäftigt. Bis 17.09.2004 liegen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung (Bezug von Sozialleistungen) vor. Nachfolgend sind im Versicherungskonto Pflichtbeitragszeiten wegen beruflicher Ausbildung vom 06.11.2006 bis 04.8.2007, eine Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von 05.08. bis 14.10.2007 sowie Pflichtbeiträge vom 15.10.2007 bis 26.08.2008 (Übergangsgeld) und vom 08.12.2008 bis 05.09.2009 gespeichert. Vom 21.01.2010 bis 31.05.2011 übte der Kläger eine geringfügige, nicht versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 mit Bescheid des Landratsamts R.-N.-K. vom 21.03.2006 und ein GdB von 100 seit 04.05.2009 mit Bescheid vom 22.07.2009 festgestellt worden.
Einen ersten Rentenantrag stellte der Kläger am 12.12.2007, den die Beklagte mit bestandkräftigem Bescheid vom 22.04.2008 ablehnte, da eine Erwerbsminderung nicht vorliege. Am 04.09.2009 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 29.09.2009 lehnte die Beklagte den Antrag wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ab. Im Zeitraum 01.08.2004 bis 03.09.2009 seien nur 31 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Mit Schreiben vom 21.10.2009 legte der Kläger Widerspruch ein unter Vorlage einer Bescheinigung seines Hausarztes Dr. W., der mitteilte, der Kläger sei vom 26.08. bis 08.12.2008 arbeitsunfähig krank gewesen. Mit Schreiben vom 24.03.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen doch erfüllt seien. Durch die Arbeitsunfähigkeit verlängere sich der Fünfjahreszeitraum auf die Zeit vom 01.04.2004 bis 03.09.2009; in diesem Zeitraum seien 36 Monate an Pflichtbeiträgen vorhanden. Am 06.04.2010 nahm der Kläger den Widerspruch zurück.
Mit Schreiben vom 14.04.2010, eingegangen bei der Beklagten am 19.04.2010, beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 29.09.2009 und legte hierzu zahlreiche ärztliche Unterlagen vor. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung bei dem Internisten Dr. B ... Mit Gutachten vom 12.07.2010 führte Dr. B. aus, bei dem Kläger bestehe ein Morbus Hodgkin, Erstdiagnose 11/09 mit Zustand nach Chemotherapie (11/09 bis 6/10), Fatigue-Syndrom und Sensibilitätsstörungen, chronische Hepatitis C, Asthma bronchiale, degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit leichten Funktionseinschränkungen ohne Wurzelreiz, Schulter-Arm-Syndrom beidseits, Zustand nach Unterschenkelfrakturen rechts und Hyperuricämie. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könnten noch mehr als sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden. Mit Bescheid vom 16.07.2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Überprüfungsantrag ab.
Am 09.08.2010 legte der Kläger Widerspruch ein unter Vorlage eines Berichtes des Chirurgen Dr. v. L. vom 30.07.2010. Das Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigungen sei bisher noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Der Morbus Hodgkin seine eine bösartige und derzeit nicht heilbare Erkrankung. Es müssten Medikamente eingenommen werden, welche schwere Schäden verursachten. Es bestehe Polyneuropathie, Nervenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Sehstörungen. Ferner liege seit 30 Jahren eine chronische Hepatitis C-Infektion mit entsprechenden Leberveränderungen vor. Auch leide der Kläger unter Asthma, Nierensteinen und orthopädischen Leiden. Dr. v. L. komme daher zum Ergebnis, dass eine Belastung der Wirbelsäule nicht möglich sei. Die Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme des Gutachters Dr. B. vom 30.08.2010 ein und wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 09.12.2010 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Auf Grund der Auswirkungen des multimorbiden Krankheitsbildes sei von einer ausgeprägten Erschöpfungssymptomatik und Schmerzsymptomatik mit weiteren Somatisierungen auszugehen, welche ein aufgehobenes Leistungsvermögen bedingten.
Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. W. und Dr. v. L. sowie die behandelnden Ärzte des U.-Klinikums M. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und sodann Gutachten auf internistischem Gebiet bei Dr. S. und auf orthopädischem Gebiet bei Dr. P. eingeholt.
Dr. S. stellt in seinem Gutachten vom 26.06.2011 folgende Diagnosen: - Chronische Hepatitis C, inaktive Leberzirrhose - Morbus Hodgkin, Vollremission - Asthma bronchiale - Ausschluss einer Stuhlinkontinenz Die Leberzirrhose gehe nicht mit wesentlichen Leistungsbeeinträchtigungen einher; die Leberwerte lägen im Normbereich. Aus dem Morbus Hodgkin im Stadium der Vollremission ergäben sich keine Einschränkungen. Das aktenkundig beschriebene Fatigue-Syndrom entspreche subjektiven Angaben und sei nicht objektivierbar. Der Kläger berichte bei der ausführlichen Befragung zu seinen Beschwerden nicht über Tagesmüdigkeit. Nervenärztliche Behandlung habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Auf Grund des Asthmas sollten keine Arbeiten unter Einwirkung reizender inhalativer Substanzen durchgeführt werden. Leichte körperliche Tätigkeiten könne der Kläger ca acht Stunden täglich verrichten.
In dem orthopädischen Gutachten von Dr. P. vom 31.10.2011 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - Funktionsschmerz der Halswirbelsäule ohne wesentliche Bewegungseinschränkung und ohne radikuläre Ausfälle bei das altersentsprechend zu erwartende Ausmaß mäßiggradig überschreitenden degenerativen Veränderungen im unteren Drittel der HWS - subjektiv angegebene Funktionsschmerzen der Rumpfwirbelsäule ohne wesentliche Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Ausfälle bei leichter Fehlstatik, nachweisbaren degenerativen Veränderungen in Höhe des thorakolumbalen, geringer ausgeprägt auch des lumbosakralen Übergangs - mäßiggradige Funktionseinschränkungen der linken Schulter bei kernspintomographisch postoperativ noch fortbestehender Reizerscheinungen; Arthrose des Schultereckgelenks rechts ohne Funktionseinschränkung der rechten Schulter - mäßiggradige, postraumatische Arthrose rechtes Sprunggelenk, geringer ausgeprägt auch unteres Sprunggelenk ohne wesentliche Funktionseinschränkung und ohne klinische Hinweise für eine Minderbelastbarkeit - initiale Dupuytren´sche Kontraktur beider Hohlhände ohne Beeinträchtigung der Greiffunktion der Hände. Aus rein orthopädischer Sicht könne der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten acht Stunden täglich verrichten.
Das SG hat ergänzend Dr. S. um Stellungnahme zu weiteren, vom Kläger eingereichten ärztlichen Berichten gebeten. Mit Schreiben vom 28.1.2012 hat Dr. S. ausgeführt, dass insbesondere aus der im September 2011 begonnenen HCV-Eradikationstherapie bei chronischer Virushepatitis C ggf vorübergehend mit Arbeitsunfähigkeit zu rechnen sei. Ansonsten ändere sich seine Beurteilung nicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Verweisung auf die Gründe des Widerspruchsbescheides ergänzend ausgeführt, auch nach den weiteren Ermittlungen des Gerichts bestehe kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. Ausweislich des Versicherungsverlaufs lägen letztmals im Dezember 2009 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen beim Kläger vor. Es könne daher dahinstehen, ob auf Grund zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen bzw Verschlechterungen zwischenzeitlich eine Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei. Jedenfalls bis September 2009 liege keine Erwerbsminderung vor.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 11.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 09.04.2013 eingelegte Berufung des Klägers. Es sei zweifelhaft, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals im September 2009 gegeben gewesen seien. Im Oktober 2009 sei der Kläger mehrere Wochen stationär in der U.-Klinik M. gewesen, auch im November 2009 sei er stationär dort behandelt worden. Im Anschluss sei bis Juni 2010 eine Chemotherapie durchgeführt worden, weshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger von Oktober 2009 bis wenigstens Juni 2010 arbeitsunfähig gewesen sei. Zudem stützten Dr. W. und Dr. v. L. das Begehren des Klägers in den beigefügten Attesten vom 15.03.2013 und 26.03.2013. Der Kläger sei nach wie vor nicht in der Lage, selbst leichteste Haushaltstätigkeiten durchzuführen. Er fühle sich sehr oft schlapp und antriebslos, habe dauerhaft starke Schmerzen im Schulter-, Wirbelsäulen-, Lendenwirbel- und Halswirbelbereich. Er habe Einschränkungen an beiden Händen und könne sich nicht mehr lange auf eine Sache konzentrieren. Selbst bei leichten Tätigkeiten müsse er in kürzeren Abständen Pause machen und sich auf das Sofa oder den Boden legen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 01.03.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 16.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 29.09.2009 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.09.2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass der Kläger zuletzt bis 30.11.2001 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses liege Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung bei fortdauernder Erkrankung innerhalb eines Dreijahreszeitraums grundsätzlich nur vor, wenn Versicherte infolge Krankheit weder ihre bisher ausgeübte noch eine ähnlich geartete Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben könnten. Dies bedeute, dass nach Ablauf des Dreijahreszeitraumes, der vom 01.12.2001 bis 30.11.2004 reiche, Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorliegen könne. Damit könne die Zeit vom 28.06.2008 bis 08.12.2008 weder als Anrechnungszeit vorgemerkt werden noch sei sie anwartschaftserhaltend im Sinne von § 241 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Dies gelte auch für die geltend gemachten Zeiten ab Oktober 2009. Das Schreiben vom 24.03.2010, wonach die Zeit zwar nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden könne, aber bei der Berechnung des maßgebenden Fünfjahreszeitraums mitzähle, sei damit nicht korrekt gewesen und werde hiermit berichtigt.
Der Senat hat Dr. W. als sachverständigen Zeugen zur Frage der Arbeitsunfähigkeit schriftlich vernommen. Dieser hat mit Schreiben vom 27.05.2014 mitgeteilt, dass vom 29.06. bis 07.12.2008 der Kläger arbeitsunfähig geschrieben gewesen sei wegen einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes bei chronischer Hepatitis und einem Diskusprolaps. In diesem Zeitraum habe Arbeitsunfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestanden. Bezogen auf leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger seit September 2009 arbeitsunfähig.
Der Senat hat ergänzend ein internistisches Gutachten bei Prof. Dr. R. eingeholt. Dieser hat unter dem 10.11.2014 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: posthepatische Leberzirrhose aktuell Child A, Zustand nach chronischer Hepatitis C nach zweifacher antiviraler Therapie mit aktuell anzunehmendem dauerhaften Therapieansprechen, Zustand nach Morbus Hodgkin vom Mischtyp mit EBV-Assoziations-Stadium IV B, Erstdiagnose 11/09 mit Zustand nach acht Zyklen Chemotherapie aktuell weiterhin in vollständiger Remission, Verdacht auf Tumor assoziiertes Fatigue-Syndrom DD Depression, Nephrolithiasis links, Cholezystolithiasis, Asthma bronchiale und degeneratives Wirbelsäulensyndrom. Im Vordergrund stehe das bereits vorbeschriebene Tumor assoziierte Fatigue-Syndrom, das seit dem Frühjahr 2010 im Rahmen der Chemotherapie des Morbus Hodgkin aufgetreten sei und seither in unterschiedlicher Intensität bestehe. Aus internistischer Sicht könne eine Tätigkeit über sechs Stunden an mehr als fünf Tagen in der Woche zugemutet werden. Inwieweit das Fatigue-Syndrom eine Einschränkung darstelle, müsse über ein fachärztliches psychiatrisches Gutachten evaluiert werden.
Ergänzend hat der Senat ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. S. eingeholt. Dieser stellt in seinem Gutachten vom 13.3.2015 folgende Diagnosen: - Reaktiv und möglicherweise auch durch Interferon bedingte mittelschwere Depression ohne manifeste Suizidalität - Fatigue-Syndrom nach Chemotherapie bei Morbus Hodgkin - anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren - Morbus Hodgkin in Remission - Hepatitis C in Remission nach antiviraler Behandlung - beginnende Leberzirrhose Auf Grund der anhaltenden depressiven Symptomatik und auch der Fatigue-Symptomatik sei eine Belastbarkeit für leichte Tätigkeiten nur drei bis unter sechs Stunden gegeben. Allerdings sei bislang keine adäquate psychiatrisch-psychoonkologische Therapie erfolgt. Eine stationäre Rehabilitation in einer Einrichtung der psychoonkologischen Nachsorge und im Anschluss daran eine längerfristige ambulante psychiatrische und psychoonkologische Behandlung sei dringend angezeigt. Die Leistungseinschränkung bestehe seit Beendigung der Chemotherapie des Morbus Hodgkin.
Die Beklagte hat zu diesem Gutachten eine Stellungnahme ihres beratungsärztlichen Dienstes (Dr. N. vom 26.3.2015) vorgelegt, wonach dem Gutachten nicht gefolgt werden könne. Hierzu hat Dr. S. unter dem 17.4.2015 eine ergänzende Stellungnahme vorgelegt, worauf Dr. N. mit Schreiben vom 11.5.2015 erwidert hat.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 16.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Wege des Überprüfungsverfahrens, da er nicht erwerbsgemindert ist.
Nach § 44 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist ein rechtwidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen; er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 44 Abs 2 SGB X). Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 und 2 SGB X für einen Anspruch auf Rücknahme des die Rente ablehnenden Bescheids vom 29.09.2009 sind nicht erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung der Rente zu Recht abgelehnt hat.
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbs-minderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbs-minderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflicht-beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).
Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger seit September 2009 bis zum heutigen Zeitpunkt grundsätzlich in der Lage war und ist, eine körperlich leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne Belastung durch inhalative Reizstoffe mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. In diesem Zeitraum bestanden zwar durchaus längere Phasen der Arbeitsunfähigkeit insbesondere während der stationären Behandlungen und der nachfolgenden Chemotherapie (10/09 bis 6/10) und während der ebenfalls mit starken Nebenwirkungen verbundenen Eradikationstherapie ab September 2011; eine dauerhafte Einschränkung der Erwerbsfähigkeit konnte jedoch während der laufenden Behandlungen mit unklarem Ausgang noch nicht prognostiziert werden.
Bei dem Kläger sind gravierende Erkrankungen bekannt, insbesondere auf internistischem Gebiet. Es besteht maßgeblich eine Leberzirrhose (Child A), Chronische Hepatitis C, Morbus Hodgkin in Vollremission und Asthma bronchiale. Aus diesen Erkrankungen ergibt sich keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens, wie sich übereinstimmend aus den im Laufe des Verfahrens eingeholten internistischen Gutachten von Dr. B., Dr. S. und Prof. Dr. R. ergibt. Die Krebserkrankung ist durch die Chemotherapie erfolgreich behandelt worden, auch aktuell besteht ein Stadium der Vollremission. Die chronische Hepatitis C ist durch die zweimalige antivirale Therapie ebenfalls gebessert, Prof. Dr. R. geht von einem anzunehmenden dauerhaften Therapieansprechen aus. Bei Stadium Child A besteht noch eine gute Leberfunktion, weshalb auch die Leberzirrhose ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigungen einhergeht, wie Dr. S. und Prof. Dr. R. übereinstimmen darlegen. Insgesamt bestehen damit lediglich qualitative Einschränkungen, insbesondere müssen aufgrund der Asthma-Erkrankung inhalative Reizstoffe gemieden werden. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen der internistischen Gutachter an.
Daneben sind seit längerem degenerative Veränderungen insbesondere der Wirbelsäule, der Schultern und des rechten Sprunggelenks bekannt. Wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen liegen insoweit jedoch nicht vor, wie sich insbesondere aus dem ausführlichen Gutachten von Dr. P. ergibt. Die beginnende Dupuytren´sche Kontraktur bedingt ebenfalls keine wesentlichen Gebrauchseinschränkungen der Hände, die Greiffunktion ist nach den Feststellungen von Dr. P. unbeeinträchtigt. Die Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule, die sich auch in einem im Herbst 2014 erlittenen Deckplatteneinbruch bei LWK5 nach schwerem Heben gezeigt hat, führt dazu, dass nur noch körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ausgeübt werden können, dies allerdings ohne zeitliche Einschränkung. Auch insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten von Dr. P ... Aus den vorliegenden Berichten des behandelnden Orthopäden Dr. v. L. ergeben sich keine abweichenden Befunde.
Im Vordergrund der Beeinträchtigungen steht allerdings eine Fatigue-Symptomatik, die im Zusammenhang mit der Chemotherapie aufgetreten ist und eine depressive Erkrankung. Die behandelnde Ärztin Dr. B. vom U.-Klinikum M. berichtet in ihrer Stellungnahme vom 03.03.2011 über ein im April 2010 aufgetretenes und persistierendes Fatigue-Syndrom. Auch Dr. B. hat das Fatigue-Syndrom im Rahmen seiner Begutachtung im Juli 2010 bereits berücksichtigt. Prof. Dr. R. erwähnt diese Symptomatik ebenfalls; aufgrund der von ihm angeregten weiteren psychiatrischen Abklärung hat der Senat das nervenärztliche Gutachten von Dr. S. eingeholt. Dieser hat eine mittelschwere Depression, Fatigue-Syndrom und eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt und daraus eine geminderte Belastbarkeit von drei bis unter sechs Stunden für leichte Tätigkeiten abgeleitet. Dieser gutachterlichen Einschätzung kann sich der Senat indes nicht anschließen, da die Beurteilung nicht schlüssig ist.
Schon die Diagnose einer mittelschweren Depression lässt sich aus dem im Gutachten dargelegten Befund, den Testergebnissen und dem erhobenen Tagesablauf nicht zweifelsfrei ableiten, ebenso wenig gravierende Einschränkungen aus der Fatigue-Symptomatik. So verfügt der Kläger über einen strukturierten Tagesablauf, er ist nach eigenen Angaben für den gesamten Haushalt zuständig, den er allein – wenn auch mit Pausen – bewältigt. Er bereitet für die auswärts arbeitende Ehefrau das Abendessen vor. Ein sozialer Rückzug ist ebenfalls nicht ersichtlich; der Kläger empfängt wöchentlich ein bis zwei Mal Besuch von Freunden, besucht ca alle zwei Monate die Schwiegereltern und gelegentlich Nachbarn oder eine Tapas-Bar in der Nähe, er ist seit 27 Jahren verheiratet und beschreibt seine Ehefrau als sehr verständnisvoll. Wie Dr. N. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten nachvollziehbar ausführt, belegt der von Dr. S. erhobene psychische Befund ebenfalls keine gravierenden Beeinträchtigungen, die quantitative Einschränkungen begründen könnten. So war der Kläger in Konversationssituationen locker, freundlich und in der Resonanzfähigkeit situationsabhängig unbeeinträchtigt. Im Gutachten wird über einen moros-depressiven Affekt mit eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit berichtet, gleichwohl sei der Kläger "überwiegend freundlich" und erst "zum Ende der Untersuchung vom Ausdruck her überwiegend missmutig-angespannt" gewesen, wobei sich der Affekt "noch aufheitern und auflockern" ließ. Kognitive Funktionen einschließlich Konzentrationsfähigkeit und Merkfähigkeit des Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisses werden als unauffällig dargestellt. Das Antriebsverhalten wird als verarmt beschrieben, allerdings kommt der Kläger seinen häuslichen und sozialen Aktivitäten weiterhin nach. Hinzu kommt, dass es aufgrund auffälliger Testergebnisse durchaus Anhaltspunkte gibt, die für eine fehlende Anstrengungsbereitschaft des Klägers sprechen, wie auch Dr. S. einräumt. Dr. N. weist insoweit zutreffend daraufhin, dass Diskrepanzen zwischen den beobachtbaren, nicht eingeschränkten kognitiven Funktionen, den subjektiven Beschwerdeangaben und dem recht blanden psychopathologischen Befund bestehen. Bereits Dr. B. berichtet in seinem Gutachten über einen "erheblich aggravierenden Versicherten", er bezeichnete die Fatigue-Symptomatik als leicht. Dr. S. hat darauf hingewiesen, dass der Kläger bei den Beschwerdeangaben eine Tagesmüdigkeit gerade nicht genannt habe und objektivierbare Einschränkungen insoweit nicht vorgelegen hätten. Die von Dr. S. im Rahmen der psychologischen Testung bestätigten Anhaltspunkte für Aggravation führen dazu, dass die im Widerspruch zu den objektiven Befunden stehenden subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers als nicht ausreichend belegt anzusehen sind. Aus der ergänzenden Stellungnahme von Dr. S. lässt sich insoweit zur Überzeugung des Senats nichts anderes entnehmen. Letztlich ist es für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die beim Kläger aufgetretene lebensbedrohliche Erkrankung zu einer erheblichen psychischen Belastung geführt hat. Dass diese ein die berufliche Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht tangierendes Maß erreicht hat, ist jedoch nicht nachgewiesen.
Hinzu kommt, dass der Kläger bislang noch keinerlei fachärztliche Behandlung seiner psychischen Beeinträchtigungen in Anspruch genommen hat. Eine bereits von Dr. B. für die Zeit nach Abschluss des Rentenverfahrens ebenso wie von Dr. S. empfohlene Rehabilitationsmaßnahme steht ebenfalls noch im Raum. Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw psychiatrischem Gebiet gar nicht versucht werden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung grundsätzlich nicht auf eine aktuell Arbeitsunfähigkeit verursachende psychische Erkrankung gestützt werden (Bayerisches LSG 15.02.2012, L 19 R 774/06; hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG 29.05.2013, 1 BvR 1522/12, BVerfGK 20, 139; siehe auch Senatsurteil 22.04.2015, L 11 R 5112/14; LSG Berlin-Brandenburg 18.09.2008, L 3 R 1816/07, juris RdNr 36).
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht. Einschränkungen wie Tätigkeiten ohne Einfluss ungünstiger Witterungsverhältnisse oder inhalativer Noxen schränken den in Betracht kommenden Arbeitsmarkt nicht wesentlich ein. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5).
Die Wegefähigkeit ist ebenfalls gegeben. Der Kläger ist in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus dem orthopädischen Gutachten von Dr. P. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht. Bestätigt wird dies durch die eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr. S ... Dort hat der Kläger über eine Gehstrecke von 1000 Metern berichtet.
Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI besteht nicht, da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten von haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
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