L 5 KR 4381/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 3089/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4381/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 03.09.2014 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf (zusätzlich zur Rente erzielte) Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb.

Die 1952 geborene Klägerin ist auf Grund des Bezugs einer gesetzlichen Rente seit 27.05.2003 bei den Beklagten pflichtversichert zur Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung der Rentner. Sie erzielt zusätzlich zur Rente Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit als Telefonberaterin (Telefonseelsorge).

Nachdem die Klägerin im Oktober 2012 die Erzielung der Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit mitgeteilt hatte, legte sie auf Anforderung der Beklagten Nr. 1 die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2011 vor. Darin sind (u.a.) Einkünfte aus Gewerbebetrieb (2005: 4.070 EUR; 2006: 1.920 EUR; 2007: 4.350 EUR; 2008 bis 2011: jeweils 3.800 EUR) ausgewiesen.

Mit Bescheid vom 23.05.2013 setzte die Beklagte Nr. 1 den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag der Klägerin rückwirkend ab 01.12.2008 neu fest; hinsichtlich der vor diesem Zeitpunkt geschuldeten Beiträge sei Verjährung eingetreten. Die Untergrenze für die Beitragserhebung (2013: 134,75 EUR) sei überschritten. Der Beitragsbemessung seien neben der gesetzlichen Rente auch die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb zugrunde zu legen. Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus Arbeitseinkommen wurden ab 01.01.2013 auf 49,08 EUR bzw. 7,28 EUR (insgesamt 56,36 EUR) festgesetzt (Einkünfte aus Arbeitseinkommen laut Steuerbescheid für 2011: 316,67 EUR (3.800 EUR / 12)). Die Beklagte Nr. 1 gab der Klägerin außerdem auf, für die Zeit vom 01.12.2008 bis 30.04.2013 Beiträge i. H. v. 3.016,83 EUR nachzuzahlen. Die Berechnung des Nachzahlungsbetrags ist in einer dem Bescheid beigefügten Anlage erläutert (beitragspflichtige Einnahmen laut Steuerbescheiden für 2009 bis 2011: 316,67 EUR zzgl. Versorgungsbezug der Firma Storz GmbH: 9,29 EUR = 325,96 EUR monatlich).

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, in der Steuererklärung für 2012 habe sie Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit von (nur) 2.423,00 EUR angegeben; die Beiträge seien daher zu hoch. Entsprechendes gelte für das Jahr 2013.

Am 02.07.2013 legte die Klägerin den Steuerbescheid des Finanzamts T. vom 28.06.2013 für 2012 vor; dieser weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 2.423 EUR aus.

Mit Bescheid vom 18.07.2013 setzte die Beklagte Nr. 1 den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag der Klägerin aus Arbeitseinkommen ab 01.01.2013 unter Zugrundelegung der im Steuerbescheid für 2012 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (2.423 EUR / 12 = 201,92 EUR monatlich) auf 31,30 EUR bzw. 4,64 EUR (insgesamt 35,94 EUR) fest. Die Klägerin legte auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.

Mit (auch im Namen der Beklagten Nr. 2 ergangenem) Widerspruchsbescheid vom 24.10.2013 wies die Beklagte Nr. 1 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gem. § 237 Sozialgesetzbuch (SGB ) Fünftes Buch (SGB V) seien beitragspflichtige Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner die gesetzliche Rente, Versorgungsbezüge und das Arbeitseinkommen; letzteres sei der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbständiger Tätigkeit. Der in § 226 Abs. 2 SGB V festgelegte Schwellenwert für die Beitragsentrichtung (134,75 EUR) sei überschritten.

Am 18.11.2013 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Sie trug vor, die im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte würden so tatsächlich nicht erzielt. Sie habe mit dem Finanzamt pauschale Beträge zu ihren Ausgaben ausgehandelt, damit gewährleistet sei, dass keine Steuerbelastung entstehe. Hätte sie gewusst, dass wegen des Gewinnüberschussbetrags Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erhoben würden, hätte sie sich mit dem Finanzamt auf andere Kostenbeträge verständigt. In Wahrheit werde sie als echten Gewinn nicht mehr als 100 EUR bis 120 EUR im Monat erzielen. Es sei schwierig, die Kosten für die gewerbliche Tätigkeit von ihren privaten Kosten zu trennen.

Die Klägerin meldete ihr Gewerbe nach Angaben der Beklagten zum 31.12.2013 ab. Außerdem legte sie den Steuerbescheid des Finanzamts T. vom 25.03.2014 für 2013 vor. Dieser weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 1.916 EUR aus.

Die Beklagte Nr. 1 trug vor, der Steuerbescheid für 2013 könne nicht berücksichtigt werden. Die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts stellten grundsätzlich auf das Kalenderjahr ab. Für die Beitragsfestsetzung sei der jeweilige (erst nach Abschluss des Kalenderjahrs) ergehende Steuerbescheid maßgeblich.

Mit Urteil vom 03.09.2014 änderte das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten Nr. 1 vom 23.05.2013 und vom 18.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2013 ab und verurteilte die Beklagten, der Beitragsberechnung ab 01.01.2013 monatliche Einnahmen der Klägerin i. H. v. 159,66 EUR zugrunde zu legen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, gem. § 237 Abs. 1 SGB V werde der Beitragsbemessung versicherungspflichtiger Rentner, wie der Klägerin, u.a. das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Arbeitseinkommen sei der Gewinn aus selbständiger Tätigkeit (§ 15 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV). Dieser sei den Einkommensteuerbescheiden zu entnehmen; die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass der Gewinn geringer ausgefallen sei. Ihr Vorbringen, sie habe mit dem Finanzamt pauschale Kostenbeträge vereinbart, erschüttere die Richtigkeit der in den Einkommensteuerbescheiden getroffenen Feststellungen nicht, zumal die Klägerin nach eigenen Angaben eine genaue Zuordnung der Kosten zum gewerblichen und zum privaten Bereich nicht vornehmen könne. Das Arbeitseinkommen liege auch über der Bagatellgrenze der §§ 237 Abs. 2, 226 Abs. 2 SGB V (1/20 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV). Die Beklagte Nr. 1 müsse der Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen für die Zeit ab 01.01.2013 aber rückwirkend den im Steuerbescheid des Finanzamts T. vom 25.03.2014 für 2013 ausgewiesenen Gewinn aus gewerblicher Tätigkeit zugrunde legen (159,66 EUR monatlich).

Gem. § 7 Abs. 7 der Beitragsverfahrensgrundsätze- Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) vom 27.10.2008, bzw. 30.05.2011) des Spitzenverbands Bund der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) bleibe für die Beitragsbemessung das im letzten Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Arbeitseinkommen bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheids maßgebend. Der neue Einkommensteuerbescheid sei ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Werde der Einkommensteuerbescheid später vorgelegt und ergebe sich aus ihm eine günstigere Beitragsbemessung, seien die Verhältnisse erst ab Beginn des auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheids folgenden Monats zu berücksichtigen. Die (vor allem) für freiwillig Versicherte geltenden BeitrVerfGrsSz seien auf die Klägerin als pflichtversicherte Rentnerin aber nicht anwendbar, wenngleich die Krankenkassen sie nach Maßgabe der "grundsätzlichen Hinweise des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen zu den beitragsmelderechtlichen Regelungen zu Versorgungsbezügen, Arbeitseinkommen und gesetzlichen Renten aus dem Ausland bei Versicherungspflichtigen (vom 19.11.2013)" (im Folgenden: Hinweise des GKV-Spitzenverbands) vom 19.11.2013 gleichwohl anwendeten. Diese Hinweise beruhten auf dem allgemeinen Grundsatz des Beitragsrechts, wonach beitragspflichtige Einnahmen nicht erst nachträglich festgestellt werden dürften. Da das Gesetz den Zeitpunkt für die Berücksichtigung nachgewiesener Änderungen des Arbeitseinkommens nicht festlege, werde die Heranziehung der BeitrVerfGrsSz als sachgerecht und statthaft angesehen.

Die Hinweise des GKV-Spitzenverbands seien für das Gericht nicht bindend und sie führten, wie bei der Klägerin, zu ungerechten Ergebnissen, die weder durch zwingende Gründe der Verwaltungspraktikabilität noch durch allgemeine Grundsätze des Beitragsrechts gerechtfertigt werden könnten. Anders als bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen stelle das Arbeitseinkommen bei versicherungspflichtigen Rentnern nur einen (kleinen) Teil der beitragspflichtigen Einnahmen dar und die Pflichtversicherten könnten die Beitragspflicht auch nicht vermeiden. Daher müssten bei diesen niedrigere Einkünfte rückwirkend berücksichtigt werden.

Bei der Klägerin seien die Beiträge aus Arbeitseinkommen außerdem erstmals festgesetzt worden. Deswegen liege es nahe, sie ebenso zu behandeln wie Personen, die ihre hauptberuflich ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit neu aufgenommen hätten. Bei diesen würden die Beiträge gem. § 7 Abs. 7 Satz 5 BeitrVerfGrsSz aber auf Antrag (abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 1 BeitrVerfGrsSz) bis zur Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheids einstweilig nach den voraussichtlichen Einnahmen festgesetzt. Bei der Klägerin hätten zwar Einkommensteuerbescheide für die Vergangenheit vorgelegen. Allerdings habe sie im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, dass sich die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit verringert hätten. Zur Vermeidung der sich aus der zeitversetzten Berücksichtigung von Änderungen des Arbeitseinkommens ergebenden Nachteile hätte die Beklagte Nr. 1 die Klägerin bei der erstmaligen Beitragsfestsetzung auffordern müssen, ihr aktuelles Arbeitseinkommen anzugeben und nachzuweisen und sie nicht nur zur Vorlage der bereits ergangenen Steuerbescheid auffordern dürfen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2006, - L 9 B 360/06 KR ER -).

Auf das ihnen am 08.10.2014 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 22.10.2014 Berufung eingelegt; die Klägerin hat keine Berufung eingelegt. Die Beklagten tragen vor, das der Beitragsbemessung (bei versicherungspflichtigen Rentnern, § 237 SGB V) zugrunde zu legende Arbeitseinkommen - der steuerrechtliche Gewinn aus selbständiger Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 SGB IV) - sei dem jeweiligen Einkommensteuerbescheid zu entnehmen. Damit werde eine volle Parallelität von Einkommensteuer- und Sozialversicherungs- bzw. Beitragsrecht hergestellt. Bei dem Arbeitseinkommen müsse es sich nicht um (monatlich) regelmäßig wiederkehrendes Einkommen handeln. Auch in größeren Zeitabständen erzieltes Arbeitseinkommen sei bei der Beitragserhebung zu berücksichtigen. Die Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts stellten grundsätzlich auf das Kalenderjahr ab, weshalb die Höhe des Gewinns frühestens nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs ermittelt werden könne. Da die beitragspflichtigen Einnahmen aber nicht erst nachträglich festgestellt werden dürften, sei der Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit im Allgemeinen auf der Grundlage steuerlicher Unterlagen festzusetzen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 22.03.2006, - B 12 KR 14/05 R -) führe die darauf aufbauende Beitragsberechnung zu einem Beitrag, der bis zu einer neuen, nur für die Zukunft wirkenden Beitragsermittlung auf Grund späterer Unterlagen rechtmäßig sei. Eine Korrektur des Beitrags für die Vergangenheit sei grundsätzlich nicht möglich. Das Sozialgericht habe dies nicht beachtet und für die Beitragsberechnung zu Unrecht den Einkommensteuerbescheid des laufenden Kalenderjahrs berücksichtigt. Es habe außerdem die Hinweise des GKV Spitzenverbands zu Unrecht als Verwaltungsrichtlinien eingestuft; es handele sich insoweit um eine Ergänzung des Gemeinsamen Rundscheibens 13j Tit. A. VIII. 3.1.4.

Die Beklagten beantragen sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 03.09.2014 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ihr realer Gewinn aus der selbständigen Erwerbstätigkeit betrage monatlich nicht mehr als 100 EUR bis 200 EUR. Nach Maßgabe des Einkommensteuerbescheids für 2013 ergebe sich nach Abzug der Bagatellgrenze ein Monatsbetrag von 24,92 EUR. Die BeitrVerfGrsSz seien hinsichtlich des Arbeitseinkommens versicherungspflichtiger Rentner nicht anwendbar. Bei diesen sei die rückwirkende Berücksichtigung von Änderungen des Arbeitseinkommens zulässig. Man hätte sie bei der erstmaligen Festsetzung der Beiträge aus Arbeitseinkommen auffordern müssen, das aktuelle Arbeitseinkommen nachzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG):

Die Berufungen der Beklagten sind nach Zulassung durch das Sozialgericht gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und auch sonst zulässig (§ 151 SGG). Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist (nur) die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für das Jahr 2013 durch Bescheid der Beklagten Nr. 1 vom 18.07.2013 (Widerspruchsbescheid vom 24.10.2013), wobei die Beteiligten allein darüber streiten, in welcher Höhe das neben der Rente erzielte Arbeitseinkommen der Klägerin aus der (zum 31.12.2013 beendeten) selbständigen Tätigkeit der Beitragsbemessung zugrunde zu legen ist.

Die Berufungen der Beklagten sind auch begründet. Die Beklagte Nr. 1 hat der Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge der Klägerin für 2013 zu Recht (u.a.) die im Einkommensteuerbescheid für 2012 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 2.423 EUR (201,92 EUR/Monat) zugrunde gelegt.

Die beitragspflichtigen Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner (wozu die Klägerin unstreitig gehört - § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI) sind in § 237 SGB V (für die Pflegeversicherung i. V. m. § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI) geregelt. Danach wird der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr. 1) und dem Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Nr. 2) auch das Arbeitseinkommen (Nr. 3) zugrunde gelegt. Gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. § 15 SGB IV stellt die Parallelität von steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Einkommensermittlung her (vgl. nur etwa BSG, Urt. v. 30.10.2013, - B 12 KR 21/11 R -). Für die steuerrechtliche Einkommensermittlung ist das Kalenderjahr (bzw. das Wirtschaftsjahr - § 4a Abs. 1 Satz 2 EStG) als Veranlagungszeitraum maßgeblich (§ 25 Abs. 1 EStG). Nach dessen Ablauf steht der Gewinn fest und es entsteht die Einkommensteuer (§ 36 Abs. 1 EStG). Der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit kann bei der Beitragsbemessung daher nur zeitversetzt berücksichtigt werden (BSG, Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -). Das gilt unterschiedslos für alle Versicherten, deren Beiträge - allein oder auch - aus Arbeitseinkommen zu bemessen sind, und damit im Hinblick auf § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V auch für versicherungspflichtige Rentner, wie die Klägerin.

Zur Feststellung und zum Nachweis des Arbeitseinkommens enthält das Gesetz keine Regelungen. Das BSG hat in seinem insoweit grundlegenden Urteil vom 02.09.2009 (- B 12 KR 21/08 R -) entschieden, dass freiwillig Versicherte, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und die gem. § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V grundsätzlich zum Höchstbeitrag - bemessen aus dem 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze - herangezogen werden, niedrigere Einnahmen ausschließlich mit dem amtlichen Einkommensteuerbescheid nachweisen können. Die Anknüpfung an das Steuerrecht hinsichtlich des Begriffs der Einnahmen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit bei freiwillig Versicherten legt es nämlich nahe, auch hinsichtlich er Frage, wie die Höhe dieser Einnahmen nachgewiesen werden und in welchem Umfang Änderungen bei bereits verbindlich festgestellten Einnahmen Rechnung getragen werden kann, möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Gegebenheiten des Einkommenssteuerrechts sowie mit dem Verwaltungsverfahren der Finanzverwaltung und dessen Ergebnissen herzustellen. Eine Änderung des Gewinns ist daher erst nachgewiesen, wenn sie auf Grund eines neuen Einkommensteuerbescheids feststeht. Andere Urkunden, wie von einem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater aufgestellte Gewinn- und Verlustrechnungen oder Bilanzen, stellen zulässige Beweismittel nicht dar (BSG, a. a. O.). Der erkennende Senat hat sich der Rechtsprechung des BSG angeschlossen und die alleinige Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheids zum Nachweis des Arbeitseinkommens und zum Nachweis von Änderungen des Arbeitseinkommens (bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen) auch in anderem Zusammenhange betont (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 29.01.2014, - L 5 KR 4818/13 ER-B-; (Krankengeld), Senatsurteil vom 22.04.2015, - L 5 KR 114/14 - (Mutterschaftsgeld); zur Beitragsfestsetzung Senatsurteil vom 28.09.2011, - L 5 KR 3120/10 -).

Die Beitragsfestsetzung erfolgt zukunftsbezogen. Die der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Einnahmen des Versicherten dürfen deswegen grundsätzlich nicht erst nachträglich (ggf. in geänderter Höhe) festgestellt werden. Das gilt auch für die beitragspflichtigen Einnahmen aus Arbeitseinkommen. Dass das Arbeitseinkommen wegen der (materiellen) Verknüpfung von sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Einkommensermittlung und wegen der (verfahrensrechtlichen) Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheids vor Ablauf des Kalenderjahrs und vor Ergehen des Einkommensteuerbescheids nicht ermittelt werden kann, ändert daran nichts. Der Versicherte darf und muss sich auf die Entrichtung der nach Maßgabe des letzten Einkommenssteuerbescheids festgesetzten Beiträge aus Arbeitseinkommen einrichten und die Krankenkasse kann mit diesen Beiträgen als Einnahme rechnen (BSG, Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -) Die vergangenheitsbezogene Neubemessung von Beiträgen kommt, abgesehen von den Fällen der vorläufigen Beitragsfestsetzung bei Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit (dazu BSG, Urt. v. 22.03.2006, - B 12 KR 14/05 R -), nur nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in Betracht (vgl. etwa: LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 18.12.2014, - L 6 KR 76/12 -).

An diese Rechtsgrundsätze und an die Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V, wonach von freiwillig Versicherten nachgewiesene Veränderungen der Beitragsbemessung nur zum 1. Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats wirksam werden können, knüpft § 7 Abs. 7 Satz 2 und 3 BeitrVerfGrsSz an und bestimmt, dass das im letzten Einkommensteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheids maßgebend bleibt und der neue Einkommensteuerbescheid für die Beitragsbemessung (erst) ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen ist. Die BeitrVerfGrsSz sind als untergesetzliche Normen für sich genommen ab 01.01.2009 eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten (BSG, Urt. v. 19.12.2012, - B 12 KR 20/11 R -). Gestützt auf die Ermächtigung in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V regeln sie Näheres unmittelbar zwar nur zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder nach Maßgabe des § 240 SGB V und für andere Mitglieder, für die § 240 SGB V für entsprechend anwendbar erklärt wird (§ 1 Abs. 1 Satz BeitrVerfGrsSz). Die Vorschriften der BeitrVerfGrsSz über den Nachweis des beitragspflichtigen Arbeitseinkommens (§ 6 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BeitrVerfGrsSz: nur durch den aktuellen Einkommensteuerbescheid) und über die Berücksichtigung nachgewiesener Änderungen des Arbeitseinkommens in § 7 Abs. 7 Satz 2 und 3 BeitrVerfGrsSz gelten für versicherungspflichtige Rentner (§ 237 SGB V), die Beiträge aus Arbeitskommen zu zahlen haben, aber entsprechend. Letzteres ist auch der Regelung in § 7 Abs. 6 BeitrVerfGrsSz zu entnehmen. Danach gilt für die Berücksichtigung von Änderungen beim Arbeitseinkommen hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger § 7 Abs. 7 BeitrVerfGrsSz (unmittelbar) und entsprechend für die Berücksichtigung von Änderungen bei "sonstigem Arbeitseinkommen" (sowie bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung). Dies beruht darauf und ist dadurch auch gerechtfertigt, dass § 7 Abs. 7 BeitrVerfGrsSz der Sache nach die Beitragsfestsetzung aus Arbeitseinkommen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur alleinigen Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheids als Beweismittel und des Grundsatzes der zukunftsbezogenen Beitragsfestsetzung zum Gegenstand hat, wobei der Versicherungsstatus des zur Beitragszahlung aus Arbeitseinkommen Verpflichteten - als freiwillig versicherter Selbständiger oder als versicherungspflichtiger Rentner - hierfür nicht von wesentlicher Bedeutung ist. Daher ist auch unerheblich, ob das Arbeitseinkommen an den beitragspflichtigen Einnahmen des versicherungspflichtigen Rentners einen kleinen oder einen großen Anteil ausmacht, zumal der Anteil des Arbeitseinkommens nicht zur Annahme einer hauptberuflich ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit führen darf, da dann gem. § 5 Abs. 5 SGB V Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung eintreten würde.

Im Hinblick darauf hat die Beklagte Nr. 1 der Beitragsfestsetzung für 2013 als Arbeitseinkommen zu Recht die im Einkommensteuerbescheid für 2012 ausgewiesenen Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb i. H. v. 2.423 EUR zugrunde gelegt. Die im Einkommensteuerbescheid für 2013 ausgewiesenen - niedrigeren - Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 1.916 EUR sind für die Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für 2013 nicht maßgeblich, da der Einkommensteuerbescheid erst unter dem 25.03.2014 und damit nach Ablauf des (Beitrags-)Jahres 2013 ergangen ist. Die rückwirkende Neubemessung der Beiträge für 2013 nach Maßgabe der im genannten Einkommensteuerbescheid für 2013 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist ebenso wenig zulässig wie der Nachweis eines niedrigeren Arbeitseinkommens durch andere Urkunden als den Einkommensteuerbescheid. Es kommt auch nicht darauf an, ob und ggf. welche Absprachen die Klägerin mit dem Finanzamt hinsichtlich der Besteuerung ihres Arbeitseinkommens getroffen hätte oder hätte treffen können, hätte sie die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Rechtsgrundsätze zutreffend eingeschätzt. Die Beklagte Nr. 1 hat die Beiträge so festzusetzen, wie es das Gesetz vorschreibt. Das hat sie vorliegend getan. Fehler in der Beitragsberechnung sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht.

Die Klägerin, die ihre selbständige Erwerbstätigkeit bereits seit 2005 ausgeübt hatte, kann schließlich auch nicht so behandelt werden, als hätte sie diese Tätigkeit erstmals im (hier streitigen) Jahr 2013 aufgenommen. In Rede steht nicht die erstmalige Aufnahme der Erwerbstätigkeit, sondern die erstmalige Erhebung von Beiträgen auf die bereits seit Jahren ausgeübte Erwerbstätigkeit. Das daraus erzielte Arbeitseinkommen ist (in den Grenzen der Verjährung) nur deshalb erst im Jahr 2013 zur Beitragsbemessung herangezogen worden, weil es die Klägerin der Beklagten Nr. 1 erst im Oktober 2012 mitgeteilt hat. Die vom Sozialgericht angeführte Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 15.11.2006 (- L 9 B 360/06 KR ER -) ist durch die neuere Rechtsprechung des BSG zur (alleinigen) Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheids für den Nachweis des Arbeitseinkommens (Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -) überholt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Der Senat misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) nicht zu. Er hat seiner Entscheidung die in der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG entwickelten Rechtsgrundsätze zur Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheids für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen und zur zukunftsbezogenen Beitragsfestsetzung zugrunde gelegt.
Rechtskraft
Aus
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